Ambulant oder stationär - das ist die Frage, die sich auch bei der Behandlung des Diabetes mellitus stellen kann. Denn nicht immer lassen sich diabetologische Probleme ambulant lösen. Der BVKD hat sich hier in dieser Frage geäußert.

Diabetes mellitus wird gemeinhin als ambulant zu behandelnde Krankheit angesehen. Dies ist auch für viele Fälle richtig. Dennoch sind Entwicklungen und Komplikationen möglich, die eine stationäre Krankenhausbehandlung in einer besonders qualifizierten Einrichtung erforderlich machen. Der Gesetzgeber hat hierfür klare Regelungen aufgestellt, die aber leider manchen Patientinnen und Patienten und auch behandelnden Ärzten nicht oder nur teilweise bekannt sind. Hier tut Aufklärung der Betroffenen Not.

RSA-ÄndV legt fest, wann welche Versorgungsform indiziert ist

Die 20. Risikostrukturausgleichs-Änderungsverordnung (RSA-ÄndV) vom 23.06.2009 wurde als Grundlage für die Disease-Management-Programme im Bereich Diabetes mellitus von der Bundesregierung erlassen. Hier sind die wichtigen Regelungen enthalten, wann Patienten welche Versorgungsform in Anspruch nehmen sollen und dürfen. Die Rahmen für die stationäre Krankenhausbehandlung bildet dabei das im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit das für die medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung des Patienten Notwendige.

Die Krankenversicherung ist verpflichtet, dies dem Versicherten zu gewähren und dem leistenden Krankenhaus zu bezahlen. Dass es immer wieder unterschiedliche Meinungen im Hinblick auf das medizinisch zweckmäßige und ausreichende gibt, liegt in der Natur der Sache. Deshalb ist die vorgenannte RSA-ÄndV hilfreich für Patienten und behandelnde Ärzte, um das medizinisch Notwendige und Ausreichende zu bestimmen.

Wann soll und darf ein Diabetiker eine Klinik aufsuchen?

Welches sind nun die typischen Probleme, bei denen ein Patient mit Diabetes mellitus ein Krankenhaus aufsuchen soll und darf? Und welches Krankenhaus ist das für das Problem geeignete Haus? Selbstverständlich soll und muss bei Notfällen wie Unterzuckerung mit Koma jedes Krankenhaus aufgesucht werden, denn es besteht in aller Regel Lebensgefahr!

Bei den im Weiteren genannten Problemen soll ein diabetologisch besonders qualifiziertes Krankenhaus aufgesucht werden. Diese Krankenhäuser verfügen über eine Anerkennung als Diabetologicum der Deutschen Diabetes-Gesellschaft oder sind Mitglied im Bundesverband Klinischer Diabetes-Einrichtungen e.V. (www.BVKD.de). Bei den nachfolgend genannten Problemen sind diese Einrichtungen für die Behandlung besonders qualifiziert:

  • bei Erstmanifestation des Diabetes Typ 1, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen
  • zur Abklärung nach wiederholten schweren Unterzuckerungen (Hypoglykämien) oder Ketoazidosen; dies gilt umso mehr für Kinder und Jugendliche!
  • bei stark schwankenden Blutzuckerwerten und bereits intensivierter Insulintherapie
  • bei unerklärlichen Blutzuckerschwankungen; dies gilt insbesondere für Kinder und Jugendliche
  • bei schweren speziellen Stoffwechselentgleisungen z.B. häufige nächtliche Unterzuckerungen, bei denen nach normnahem vorabendlichen Wert ein unerklärlich hoher Nüchtern-Blutzuckerwert zu verzeichnen ist
  • bei Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörungen, d.h. die Unterzuckerung wird nicht oder sehr spät erst bemerkt; dies ist insbesondere nachts für viele Patienten ein Problem
  • zur Einleitung einer Insulinpumpen-Therapie
  • ggf. besteht bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 die Notwendigkeit einer stationären Behandlung zur Einleitung einer intensivierten Insulintherapie bei gleichzeitiger Durchführung eines strukturierten Schulungs- und Behandlungsprogramms
  • zur Mitbehandlung von Folge- und Begleitkrankheiten des Diabetes (z.B. Herz-Kreislauferkrankungen, Nierenerkrankungen, Nervenerkrankungen, Arthropathie, arterieller Verschlusskrankheit, diabetischem Katarakt oder Retinopathie)
  • bei Einschränkungen der Mobilität z.B. durch erhebliche Gehbehinderung, Rollstuhlbenutzung, Seh- oder Hörbehinderung, die ein Aufsuchen einer ambulanten diabetologischen Praxis verhindert
  • wenn keine Schulung in der Muttersprache ambulant verfügbar ist
  • bei Gründen, die eine psychologische Mitbehandlung erforderlich machen (z.B. begleitende Depression, Motivationsstörung, Compliance-Störung, Akzeptanzstörung)

Sollte ein diabetisches Fußsyndrom vorliegen, so ist schnelles Handeln geboten, um z.B. eine Amputation von Gliedmaßen zu vermeiden. Es soll ein besonders qualifiziertes Krankenhaus, das z.B. als Fußbehandlungseinrichtung anerkannt ist, ausgewählt werden bei:

  • Verdacht auf einen infizierten diabetischen Fuß
  • Verdacht auf eine durch den Diabetes mellitus verursachte Knochenerkrankung (neuroosteopathische Fußerkrankung)

Und wenn der angestrebte HbA1c-Wert in ambulanter Behandlung nicht erreicht wird?

  • Bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 soll nach 6 Monaten, spätestens nach 9 Monaten ambulanter Behandlung der tatsächliche HbA1c nicht um mehr als 20% des maximalen Normwertes überschritten werden (in der Regel bedeutet dies, dass ein tatsächlicher HbA1c von max. 7,3% erreicht sein soll)
  • Bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2, die ihren individuellen HbA1c-Wert nach spätestens 12 Monaten ambulanter Behandlung nicht erreicht haben, soll geprüft werden, ob eine stationäre Behandlung die Blutzuckereinstellung verbessern würde.

Wie man leicht erkennen kann, ist Diabetes mellitus nicht immer eine "ambulante Erkrankung". Oft ist ein Krankenhausaufenthalt medizinisch geboten und rechtlich auch vorgesehen. Behandelnde Ärzte und Patienten sollten sich dessen bewusst sein, nicht zuletzt um schwerwiegende Folgeerkrankungen wie Herzinfarkt oder Amputationen zu vermeiden. Das Leben ist schön – trotz Diabetes!



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Erschienen in: Diabetes-Forum, 2015; 27 (10) Seite 42-43