Alte Menschen mit Diabetes sind nicht mehr schulbar? Das stimmt nicht, wie die erfolgreiche Strukturierte Geriatrische Schulung (SGS) zeigt. SGS gibt es nun im neuen Layout – und neu auch auf Russisch und Hocharabisch.

Eine Schulung für ältere/alte Menschen mit Diabetes, also eine Schulung für Menschen, die vielleicht nicht mehr so gut lernen, nicht mehr so gut Inhalte aufnehmen, verinnerlichen und umsetzen können – wer eine solche Schulung konzipieren und entwickeln möchte, muss gut überlegen, welche Inhalte wirklich wichtig sind und wie sie für die Zielgruppe passend aufbereitet werden können. Was müssen ältere Menschen unbedingt wissen, um im Alltag möglichst selbständig zurechtkommen zu können? Was kann weggelassen werden? Wie sollten die Schulungsstunden aufgebaut sein?

2007: SGS startet – die Schulung für Ältere

Antworten auf diese Fragen und gute Lösungen bietet das Strukturierte Geriatrische Schulungsprogramm (SGS). Das Programm gibt es seit 2007, es wurde 2011 von der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) anerkannt und vom Bundesversicherungsamt (seit 2019: Bundesamt für Soziale Sicherung, Anm. d. Red.) akkreditiert. 2015 erfolgte die erste Überarbeitung, für ältere Migrantinnen und Migranten wurde SGS damals ins Türkische übersetzt – berücksichtigt wurden dabei auch kulturelle Besonderheiten, z. B. beim Essen und Trinken. All dies konnte auch deshalb realisiert werden, weil mit dem Unternehmen Berlin Chemie AG ein starker Partner mit an Bord war – und weiterhin ist.

2018: verbessertes Layout für eine höhere Motivation

Nun ist das Layout nochmals verbessert worden, die bewährten Inhalte sind gleich geblieben – dadurch ist SGS weiterhin problemlos abrechenbar (siehe Kasten "SGS kompakt"). Wer im neu designten SGS-Handbuch blättert, dem fällt wohl als erstes die neue, ansprechende Hauptfarbe Dunkelviolett auf. Auf den Abbildungen begleitet ein sympathisches älteres Paar durch das Programm; ansprechende Bilder zu Therapie, Essen und Trinken runden das Erscheinungsbild ab.

Sind das alles nur Äußerlichkeiten? Nein, sagt Professor Dr. Norbert Hermanns vom Forschungsinstitut der Diabetes-Akademie Bad Mergentheim: "Ein Schulungsprogramm im zeitgemäßen und optisch ansprechenden Design wirkt einladender und erhöht die Bereitschaft zur Schulungsteilnahme. Wir glauben, dass unsere Patienten dadurch noch stärker motiviert werden, sich intensiv mit ihrer Erkrankung zu beschäftigen." Die Schulungsmaterialien sind zudem in großer, leicht lesbarer Schrift gehalten.

Alte Menschen schulen?

Die Zielgruppe für SGS ist groß: Mehr als die Hälfte aller Menschen mit Diabetes ist über 65 Jahre alt. Im SGS-Leitfaden für Schulende heißt es dazu: "Dennoch richtet sich die Mehrheit der Schulungsprogramme an Menschen mittleren Lebensalters. Ältere, speziell hochbetagte Menschen mit Diabetes gelten in der Regel als nicht schulbar, …"

Das stimmt so nicht, die Schulung selbst und die Schulungsmaterialien müssen aber an die Zielgruppe angepasst sein. Mit den SGS-Materialien können Praxen auf Materialien zurückgreifen, die an das veränderte Lernverhalten im Alter eingehen. Dass dieser Ansatz erfolgreich ist, zeigt die Evaluationsstudie: Eine Schulung mit SGS führt zu einer besseren Stoffwechseleinstellung und damit zu einer Verbesserung des HbA1c-Werts; zudem wurden bei SGS-Teilnehmern weniger Hypo- und Hyperglykämien beobachtet.

Ein ganzheitlicher Ansatz –und sichere Honorierung

Damit ist SGS eine der Vielzahl an Hilfestellungen im Praxisalltag, für die sich das Unternehmen Berlin Chemie AG stark engagiert – und mit denen es sich für eine verbesserte Patientenversorgung einsetzt. Berlin Chemie hat sich damit einem ganzheitlichen Ansatz verschrieben, möchte den Praxen nicht nur gute Medikamente, sondern eben auch eine exzellente Beratung und zusätzliche Leistungen bieten.

Mit der Unterstützung der Entwicklung zum Beispiel von Diabetes-Schulungprogrammen (neben SGS auch PRIMAS, HyPOS, DELFIN und das in Kürze erscheinende INPUT) verfolgt Berlin Chemie genau diesen Ansatz: Die geprüften, evaluierten Inhalten nutzen dem Schulungsteam und den Teilnehmern. Die Evaluierung und daraus folgend die Akkreditierung und Abrechenbarkeit sorgen dafür, dass der Arbeitseinsatz der Praxis auch planbar und sicher honoriert wird.

Interessant für alle, die sich für das Thema "Diabetes im Alter" interessieren, ist zudem der SilverStar-Förderpreis, mit dem die Berlin Chemie AG seit 2011 Projekte unterstützt, die zu einer verbesserten Versorgung und Erhöhung der Lebensqualität älterer Menschen mit Diabetes beitragen. Aktuelles und Informationen zu den ausgezeichneten Projekte finden Sie unter www.silverstar-preis.de.

Neu: SGS auf Russisch und Hocharabisch

SGS ist nicht nur optisch überarbeitet worden – außer in Deutsch und Türkisch ist SGS nun auch in Russisch und Hocharabisch verfügbar. Der Grund für die Übersetzungen: Durch den einfachen Sprachstil können auch Menschen mit Migrationshintergrund von SGS profitieren. Man ist hier aber noch einen Schritt weitergegangen, denn Teilnehmer, die die Handbücher in einer der drei Übersetzungen durchgehen, werden nicht von dem selben Paar begleitet wie die Nutzer des deutschsprachigen Handbuchs – vielmehr wurden Paare aus dem jeweiligen Kulturkreis eingesetzt, auch die Beispielfotos von den Mahlzeiten wurden kulturell adaptiert (deutlich zu sehen auf den Abbildungen 4 bis 6).

"Durch die sprachliche aber auch kulturelle Anpassung der Schulungsinhalte können wir ältere Migrantinnen und Migranten mit Diabetes gezielt unterstützen", sagt dazu SGS-Autor PD Dr. Dr. Andrej Zeyfang (Ostfildern-Ruit).

SGS-Materialien für Schulende und Teilnehmer

Modernisiert heißt im Fall von SGS auch: digitalisiert, denn alle Schulungsslides sind nun in digitaler Form verfügbar. Einzelschulungen können so z. B. am Tablet-PC durchgeführt werden, für Gruppen kann ein Beamer genutzt werden. Weiterhin erhältlich sind das Patientenhandbuch (auf Deutsch, Türkisch, Russisch und Hocharabisch) sowie der Leitfaden für Diabetologen und Diabetesberaterinnen (inkl. USB-Stick mit den Schulungsslides).

Alle SGS-Materialien sind über www.kirchheim-shop.de zu beziehen. Übrigens: Die Kooperation zwischen der Berlin Chemie AG und dem Kirchheim-Verlag im Bereich Schulungsprogramme besteht seit über zehn Jahren.

SGS kompakt
  • Zielgruppe: ältere Menschen mit Typ-2-Diabetes (mit und ohne Insulin, (ältere) Menschen mit Migrationshintergrund (Versionen in Türkisch, Russisch und Hocharabisch)
  • Umfang: 6 Schulungseinheiten (ohne Insulin), 7 Schulungseinheiten (mit Insulin) à 45 Minuten
  • Empfohlene Gruppengröße: 4 bis 6 Teilnehmer
  • Abrechenbar in den KV-Regionen Bayern, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein,Niedersachsen, Rheinland-Pfalz Sachsen, Sachsen-Anhalt und Westfalen-Lippe (Stand: April 2022)
  • Autoren: Dr. Andrej Zeyfang und Irene Feucht für die AG Diabetes und Geriatrie der DDG.
  • Die Entwicklung, Neugestaltung und Übersetzung wurde maßgeblich unterstützt von der Berlin Chemie AG.


3 Fragen – 3 Antworten zum Programm „Strukturierte Geriatrische Schulung“ (SGS)

Was sollen die Teilnehmer mit und durch SGS lernen?

Dr. Zeyfang: SGS ist ein Schulungsprogramm für Patientengruppen, die bisher wenig Aufmerksamkeit genossen haben: ältere Menschen, auch mit Migrationshintergrund, mit Diabetes. Ältere tun sich aufgrund von kognitiven und anderen funktionellen Einschränkungen und Stoffwechselbesonderheiten bei Schulungsmaßnahmen schwer. Mit der SGS sollen die Teilnehmer befähigt werden, sich am Selbstmanagement des Diabetes so weit wie möglich zu beteiligen.
Irene Feucht: Konkret sollen die Teilnehmer u. a. Blutzuckerwerte beurteilen und -Grenzwerte bzw. -Ziele benennen können, und sie sollen verstehen, dass gute Blutzuckerwerte gleichbedeutend sind mit dem Erhalt der Lebensqualität. Es ist wichtig für sie zu wissen, welche Lebensmittel den Blutzucker ansteigen lassen und wie sie Mahlzeiten entsprechend zusammenstellen. Weitere konkrete Lernziele: ggf. den Blutzucker korrekt messen und dokumentieren können, die Wirkung und korrekte Einnahme von OAD kennen, ggf. Insulin korrekt spritzen können, sich bei Hypo- /Hyperglykämie richtig verhalten können, besonders auf die Füße achten und wissen, wie sich Bewegung auf den Blutzuckerspiegel auswirkt.

Welche Themen, die besonders diese Patientengruppe betreffen, werden in der Schulung aufgegriffen?

Dr. Zeyfang: Es geht darum, den Patienten in ihrer individuellen Lebenssituation praktische Möglichkeiten zu zeigen, mit ihrem Diabetes aktiv umzugehen und sich damit eine Verbesserung ihrer Lebensqualität im eigenen Alltag zu ermöglichen. Inhaltliche Besonderheiten sind z. B. Ernährungsempfehlungen gegen Mangel- und Fehlernährung statt Verboten. Warnungen vor Hypoglykämie oder vor Vernachlässigung der Füße sind weitere Beispiele. Didaktische Besonderheiten der SGS sind einfache Lerninhalte, ständige Wiederholungen und viele praktische Übungen.

Was macht SGS besonders geeignet für Menschen, die nicht oder nur wenig Deutsch sprechen?

Dr. Zeyfang: Menschen mit Migrationshintergrund haben oft eine geringere Gesundheitskompetenz. So können Begriffe wie Rezeptoren oder Hormon nicht verstanden werden, auch wenn sie übersetzt sind. Aber dass man sich mit besseren Zuckerwerten und richtiger Ernährung und Bewegung besser und gesünder fühlt, versteht man in jeder Kultur leicht. Das Weglassen von Fachbegriffen und Vermitteln einfacher Alltagsregeln (z. B. eine Handvoll Obst am Tag) hilft sehr bei der Akzeptanz der Schulung auch in anderen Kulturen. Dazu wurde die SGS nicht nur übersetzt, sondern mit Unterstützung der AG Migranten auch kulturell übertragen. Irene Feucht: Besonders wichtig ist, dass die Kernbotschaften auch in den Abbildungen vermittelt werden.

Geantwortet haben PD Dr. Dr. Andrej Zeyfang und Diabetesberaterin Irene Feucht – SGS-Autoren und Mitglieder in der AG Diabetes und Geriatrie der DDG.

Autorin: Nicole Finkenauer-Ganz
Redaktion Diabetes-Forum, Kirchheim-Verlag
Kaiserstraße 41, 55116 Mainz
Tel.: 06131/96070-0, Fax: 06131/9607090

Erschienen in: Diabetes-Forum, 2018; 30 (3) Seite 37-39