In Deutschland sind inzwischen rund 20 % der erwachsenen Bevölkerung adipös (BMI über 30 kg/m²).¹ Insbesondere der Anteil schwer adipöser Menschen (BMI über 35 kg/m²) nimmt in den vergangenen Jahren überproportional zu.² „Die Versorgungssituation adipöser Patienten in Deutschland hat sich in den letzten 10 Jahren leider nicht wesentlich verbessert“, konstatiert Prof. Dr. Dieter Birk, Vorsitzender des diesjährigen Adipositas Symposiums. „Umso wichtiger ist es, nicht nachzulassen und den multidisziplinären Austausch voranzutreiben. Das Adipositas Symposium leistet dazu einen entscheidenden Beitrag“, so Prof. Birk weiter. Wissenschaftliche Veranstaltungspartner des Symposiums waren erneut die Chirurgische Arbeitsgemeinschaft Adipositastherapie und metabolische Chirurgie (CAADIP) der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) sowie die Deutsche Adipositas Gesellschaft (DAG).

Den Pfad des Patienten in der Adipositastherapie optimieren

In diesem Jahr bot das Adipositas Symposium im Johnson & Johnson Institute in Norderstedt bei Hamburg bereits zum 10. Mal über 300 Teilnehmern aus Wissenschaft, Forschung, Selbsthilfe und der Industrie einen Ort des partnerschaftlichen Austauschs, um gemeinsame Lösungsansätze im Kampf gegen die Versorgungslücken zu finden. Im Fokus der Diskussionen stand in diesem Jahr der Pfad des Patienten in der Adipositastherapie. „Für eine optimale Versorgung adipöser Patienten ist eine flächendeckende, sehr gut vernetzte und komplette finanzierte Versorgung der Patienten in Deutschland zwingend notwendig“, fordert Prof. Birk. Dabei nimmt die Patientenzentrierung in der modernen Adipositastherapie eine entscheidende Rolle ein. Für einen langfristigen Behandlungserfolg ist eine stadiengerechte und auf jeden Patienten individuell abgestimmte Therapie unerlässlich. Notwendig sind ganzheitliche Ansätze, von Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapien bis hin zu gegebenenfalls chirurgischen Therapien. Letztere sind vor allem dann relevant, wenn die konservativen Behandlungsansätze nicht zum Ziel geführt haben.³

Neue S3-Leitlinie: Orientierung am metabolischen Risikoprofil des Patienten

„Bei operativen Eingriffen steht nicht die Gewichtsreduktion im Fokus, sondern vielmehr soll eine Verbesserung des Gesundheitszustandes, der Lebensqualität und Lebenserwartung, was über vielfältige metabolische Veränderungen erzielt wird“, so Prof. Dr. Arne Dietrich, Vorsitzender der Kommission der aktuellen S3-Leitlinie "Chirurgische Therapie der Adipositas und metabolischer Erkrankungen", welche im Rahmen des Adipositas Symposiums vorgestellt wird. Diese metabolische Indikation hat nun erstmals Eingang in den Leitfaden gefunden. „Damit orientiert sich die Entscheidung zur Operation, insbesondere bei Stellung einer sogenannten Primärindikation bzw. bei der metabolischen Chirurgie, nicht mehr ausschließlich am BMI, sondern primär am metabolischen Risikoprofil des Patienten“, erläutert Prof. Dietrich.

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Adipositas als komplexe Erkrankung destigmatisieren

Oft wird starkes Übergewicht als Konsequenz eines bestimmen Lebensstils verstanden und als selbstverschuldet wahrgenommen.⁴ „Die Stigmatisierung der Betroffenen ist ein großes Problem“, berichtet Michael Wirtz von der AdipositasHilfe Nord e.V.. „Dadurch wird oftmals Stress auf psychologischer Ebene ausgelöst, was zu einem Teufelskreis mit weiterer Gewichtszunahme führen kann“, so Wirtz. Dabei ist Übergewicht nicht ausschließlich auf den Lebensstil und die Ernährung zurückzuführen. Bei Adipositas handelt es sich um eine komplexe Erkrankung mit vielen unterschiedlichen Ursachen und Ausprägungen.⁵ Diskussionen zum Lebensstil und Verhaltensänderungen reichen daher nicht aus, um der Problematik entgegenzuwirken.

Vor allem gezielte und individuell abgestimmte Therapieangebote sind neben Prävention und Aufklärung entscheidend. Zumal ganzheitliche Präventionsansätze und frühzeitige Therapien die hohen Kosten, die zurzeit für die Behandlung der Folgeerkrankungen von Adipositas entstehen, reduzieren könnten. Für die Betroffenen ist es jedoch oft mühsam effektive Behandlungsangebote zu finden. Viele Therapieprogramme sind regional begrenzt und stellen keine Regelleistung der gesetzlichen Krankenkassen dar. „Daher freuen wir als Selbsthilfe uns über die Gelegenheit, uns hier gezielt auszutauschen und noch stärker miteinander zu vernetzen“, so Wirtz. Erstmals fand auch ein Treffen der Leiter verschiedener Selbsthilfegruppen im Rahmen des Adipositas Symposiums statt.


Literatur
1. Schienkiewitz A et al. Journal of Health Monitoring 2017;2(2) DOI 10.17886/RKI-GBE-2017-025
2. Klein S et al. Weißbuch Adipositas. MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2016
3. S3-Leitlinie Chirurgie der Adipositas und metabolischer Erkrankungen 2018
4. Mata J, Hertwig R. Annals of Behavioral Medicine 2018, https://doi.org/10.1093/abm/kax003
5. Chandaria S. The Emerging Paradigm Shift in Understanding the Causes of Obesity. Springer 2014


Quelle: Pressemitteilung des Johnson & Johnson Institute