Immer mehr Menschen haben Bluthochdruck. Das liegt unter anderem an der zunehmend alternden Gesellschaft. Viele Todesfälle könnten jedoch durch regelmäßige Blutdruckmessungen verhindert werden.

Jeder dritte Deutsche hat einen erhöhten Blutdruck – etwa 30 Millionen Menschen. Bei den über 50-Jährigen ist die isolierte systolische Hypertonie die häufigste Form. Mehr als 1/3 der vom Apotheker abgegebenen Medikamente entfallen auf Blutdrucksenker (Druckpunkt 2/19, Grabfelder). Andererseits könnten durch regelmäßige Blutdruckmessungen etwa 90.000 Todesfälle/Jahr vermieden werden (Prof. Böhm/Deutsche Hochdruck Liga 2019).

Die Erkrankungshäufigkeit an Hypertonie nimmt mit einer zunehmend alternden Gesellschaft ebenfalls zu – damit auch die Häufigkeit von Herzinfarkt, Schlaganfall, chronischen Nierenerkrankungen und pAVK (periphere arterielle Verschlusskrankheit). In westlichen Ländern sind laut WHO die Zahlen insgesamt eher leicht rückläufig – in Deutschland dagegen eher zunehmend.

Laut einer "Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland" (DEGS) wurden bei 19- bis 79-Jährigen eine Erkrankungshäufigkeit von 33,4 Prozent bei Männern und 30 Prozent bei Frauen gefunden. Gut eingestellt waren bei bekannter Hypertonie weniger als 45,5 Prozent der Männer – etwas besser die Frauen mit 57,5 Prozent!

Neue Leitlinien zur Hypertonie

Im August 2019 – neun Monate nach Verabschiedung der neuen Leitlinien zur Hypertonie des "American College of Cardiology ACC" und der "American Heart Assoziation AHA" – wurden neue Leitlinien zur Hypertonie auch von der "Europäischen Gesellschaft für Kardiologie ESC" und der "Europäischen Gesellschaft für Hypertonie ESH" vorgestellt. Inzwischen sind diese Leitlinien auch von der "Deutschen Gesellschaft für Kardiologie DGK" übernommen worden.

Die amerikanischen Leitlinien haben eine neue Stadieneinteilung berücksichtigt, wobei eine Hypertonie Grad I bereits ab einem Blutdruck von >130/80mmHg vorliegt. Durch diese Verschiebung wurden praktisch über Nacht viele Amerikaner zu Hypertonikern (von 32 Prozent auf 46 Prozent!) – genau genommen 31,1 Millionen!

Die europäischen Leitlinien wurden zwar nicht prinzipiell geändert, jedoch wird nach den Leitlinien 2018 bei Patienten mit hochnormalem Blutdruck (120-129/ 80mmHg) bei gleichzeitig hohem cardovaskulären Risiko oder bereits bestehender Erkrankung durchaus eine antihypertensive medikamentöse Therapie empfohlen. Der Beginn der Therapie hängt also nicht nur vom Blutdruck selbst ab, sondern von evtl. vorhandenen Begleiterkrankungen.

Hochdruck-Fakten
  • 30 bis 50 Prozent der Patienten mit Herzinsuffizienzzeichen haben eine diastolische Herzschwäche (=mangelhafte diastolische Füllung des linken Ventrikels bei noch normaler Auswurfleistung in der Systole)
  • 60 Prozent der Patienten mit Vorhofflimmern haben eine arterielle Hypertonie
  • 54 Prozent der Apoplexe, 47 Prozent der koronaren Herzkrankheit (KHK) und ca.40 Prozent aller Herzinsuffizienz-Patienten sind Folge einer arteriellen Hypertonie

In Europa entschied sich die Task Force der ESC/ESH Leitlinien dazu, die seit Jahren auch für Deutschland geltenden Hypertonie-Leitlinien nicht zu ändern. Ein Grad I der Hypertonie gilt wie bisher ab >140/90mmHG!

Laut Literatur (J. Dederer, Herz 3/2019) ist die Hypertonie der häufigste kardiovaskuläre Risikofaktor weltweit – die bekannten Faktoren wie passiver Lebensstil, Fehlernährung und die daraus resultierende Adipositas bei gleichzeitig alternder Gesellschaft werden immer wieder bestätigt.

Andererseits zeigt eine aktuelle Studie der Universität Bern (Am.Fom. Med.2019) , dass ein systolischer Blutdruck unter 130mmHg die Gefahr mit sich bringt, dass Senioren kognitive Leistungseinbußen erleiden – die Korrelation zwischen niedrigem systolischen Blutdruck und stärkerem kognitiven Abbau war dabei bei "gebrechlichen" Menschen am Größten.

Niedriger ist also nicht immer besser – dies zeigten auch schon frühere Studien. Die neuen Leitlinien sind diesbezüglich zwischen Amerika und Europa (Deutschland) denn auch etwas differenzierter ausgelegt worden.

Pathophysiologie – wie entsteht der Bluthochdruck?

Mitentscheidend für die Höhe des Blutdrucks eines Menschen ist das Herzminutenvolumen, die Menge an Blut, die das Herz in einer Minute pumpt. Das Herz pumpt in Ruhe etwa 9.000 Liter Blut/Tag – jeder Mensch hat etwa 5 bis 7 Liter Blut.

Besondere Risikofaktoren der Hypertonie

  • Bewegungsmangel
  • Rauchen
  • Erhöhtes LDL-Cholesterin
  • Übergewicht
  • Zu viel Alkohol
  • Erhöhter Blutzucker
  • Zu viel Kochsalz (nicht bei allen Menschen)
  • Stress (Dys-Stress)

Der Druck im Gefäßsystem hängt von der Menge des vorhandenen Blutes ab, dem Füllungszustand der Blutgefäße, aber auch von der Gefäßweite, bestimmten Hormonen, die den Wasser-und Salzhaushalt beeinflussen, dem Renin-Angiotensin-Aldosteron-System sowie Hormonen wie z.B. Adrenalin, Angiotensin, Endothelin etc., der Elastizität der Gefäße (Kalk!) und dem Widerstand kleinerer Arterien.

Unter einer körperlichen Belastung steigt durch die Zunahme der Herzleistung auch der Blutdruck an. Ein erhöhter Blutdruck belastet aber auf Dauer insbesondere das linke Herz, Kammer und Vorhof- insbesondere aber die Kammer. Über Jahre kann dies zu funktionellen und schließlich auch zu strukturellen Veränderungen des Herzmuskels führen, die Ursache einer sich entwickelnden Herzinsuffizienz sein können.

Risikofaktoren
Kardiovaskuläre Risikofaktoren
  • Hypertonie: > 140/90 mmHg
  • Übergewicht: BMI > 25 kg/m²
  • stammbetonte Fettverteilung Bauchumfang: Männer > 102 cm; Frauen > 88 cm
  • Cholesterin: > 190 mg/dl
  • LDL-Cholesterin: > 115 mg/dl
  • Eiweißausscheidung im Urin
  • Arterienwandverdichtung der Halsschlagader: Intima-Media-Dicke (IMD) > 0,9 mm
  • Linkshypertrophie des Herzens (verdickter Herzmuskel)
  • Diabetes mellitus: Nüchtern-BZ > 126 mg/dl oder nach Glukosebelastung > 200 mg/dl ,
  • pathologische Glukosetoleranz

Nicht beeinflussbare Risikofaktoren für kardiovaskuläre Probleme
  • Alter
  • Geschlecht
  • Genetik

Empfehlungen für den Patienten (Veränderbare Faktoren)
  • Rauchen aufhören
  • Kochsalzverbrauch evtl. reduzieren
  • Blutdruckeinstellung optimieren bzw. normalisieren
  • Lebensstilveränderung beginnen z.B. kalorienärmere Ernährung, mehr Bewegung
  • Abbau krankmachenden Stresses

Das fatale ist, dass eine beginnende diastolische Herzinsuffizienz anfänglich nicht mit einer körperlichen Leistungseinschränkung einhergehen muss – die systolische Auswurfleistung ist meist lange nicht eingeschränkt. Durch die zunehmende Steifigkeit mit Relaxationsverminderung des linken Ventrikels wird der Bluteinfluss über den linken Vorhof jedoch vermindert (Echokardiographisch gut nachweisbar).

Wird der Bluthochdruck in dieser Phase der Erkrankung nicht konsequent gesenkt, kann sich langsam durch Anpassung an den erhöhten Druck eine linksventrikuläre Hypertrophie (=Wandverdickung) entwickeln, die dann medikamentös oft nur noch schwer zu beeinflussen ist.

Rechzeitig therapieren

Die linke Herzkammer pumpt quasi ständig gegen einen erhöhten Blutdruck im "Rohrsystem" des großen Kreislaufs und wird so immer wanddicker – über Jahre wird so auch der linke Vorhof, der weniger Muskulatur hat, überlastet und das Blut "staut sich zurück" in die Lunge.

Mit Vergrößerung des linken Vorhofs steigt auch das Risiko für das Vorhofflimmern und durch den Rückstau in die Lunge die Entwicklung eines Lungenhochdrucks. Eine rechtzeitige Therapie der Hypertonie ist also ein absolutes Muss, wenn man die Prognose der Betroffenen verbessern will!

Schwerpunkt Hypertonie


Autor: Dr. Gerhard-W. Schmeisl
Internist/Angiologie/Diabetologie/Sozialmedizin/Rehabilitationswesen
Lehrbeauftragter der Universität Würzburg
Chefarzt Deegenbergklinik, Burgstraße 21, 97688 Bad Kissingen
Tel: 0971/ 821-8241

Erschienen in: Diabetes-Forum, 2019; 31 (9) Seite 10-13