Klinische Studien zu Diabetes mellitus sind nicht nur entscheidend für die Zulassung neuer Wirkstoffe oder Therapien, sie schaffen auch neue Erkenntnisse zu Ursachen und Mechanismen der unterschiedlichen Krankheitsverläufe des Diabetes und seiner Folgen. Das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung (DZD) führt solche Studien durch. Ziel ist es, den Diabetes und seine Folgen präziser zu behandeln oder gar zu vermeiden.
Das DZD hat klinische Multicenterstudien aufgelegt, um präzise Präventions- und Therapiemaßnahmen, d. h. die passende Behandlung für die richtige Patientengruppe zur richtigen Zeit, zu entwickeln (Precision Medicine). Durch die deutschlandweite Zusammenarbeit im Forschungsverbund gelingt es dem DZD, große Multicenterstudien zu initiieren und die erforderliche Anzahl an Teilnehmenden zu gewinnen. Im Gegensatz zu Single-Center-Studien, bei denen alle Daten an einem einzigen Standort gesammelt werden, bieten Multi-Center-Studien viele Vorteile: Sie ermöglichen eine größere Anzahl an Studienteilnehmenden in kürzerer Zeit und reduzieren den Aufwand für Probanden durch kürzere Reisezeiten. Bereits über 5 800 Personen haben an den zehn DZD-Studienzentren teilgenommen oder sind noch als Probanden aktiv. Dank der größeren Teilnehmerzahl liefern Multicenterstudien ein umfassenderes Bild von Erkrankungen und Therapieeffekten mit höherer statistischer Sicherheit. Zudem ermöglichen sie die Identifikation seltener Formen von Erkrankungen, Nebenwirkungen und regionaler Unterschiede, wie beispielsweise Umwelteinflüsse.
Ergebnisse vergleichbar machen
Es ist wichtig, dass die Forschenden in den verschiedenen Zentren gleich arbeiten. Der DZD-Basisdatensatz legt fest, welche Daten bei den Studien erfasst und wie sie gespeichert werden. Dieser Datensatz enthält wichtige Informationen zu den Teilnehmenden, wie Alter, Geschlecht, Krankengeschichte, Symptome, Laborwerte und Diagnosen. Das macht es einfacher, die Ergebnisse der verschiedenen Studien zu vergleichen und später zu analysieren.
Deutsche Diabetes-Studie: Innovative Einblicke in die Heterogenität des Diabetes
Die Deutsche Diabetes-Studie, auch bekannt als German Diabetes Study (GDS), ist eine laufende Langzeitstudie, die wichtige Erkenntnisse für die Diabetologie liefert. In dieser Studie werden Patienten mit neu diagnostiziertem Typ-1- oder Typ-2-Diabetes von Beginn an über einen Zeitraum von zehn Jahren begleitet. Teilnehmen können Männer und Frauen im Alter zwischen 18 und 69 Jahren mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes. Ihre Diagnose darf höchstens ein Jahr zurückliegen. Alle Behandlungsformen (diätetisch, Tabletten, Injektionen, Insulintherapie) sind erlaubt. Ziel ist es, den heterogenen Verlauf von Diabetes besser zu verstehen und spezifische Risiken für Folgeerkrankungen und Komplikationen zu identifizieren. Die Forschenden analysieren nicht nur den Stoffwechsel, sondern untersuchen auch den Einfluss der Gene auf die Erkrankung.
Multi-Center-Studien zum Typ-2-Diabetes des DZD, die noch Teilnehmende aufnehmen.
Die Studie lieferte schon wichtige Erkenntnisse zu den Subtypen und der Heterogenität des Diabetes. Aktuelle Auswertungen mit Hilfe eines innovativen Algorithmus eröffnen neue Perspektiven auf die Vielfalt des Typ-2-Diabetes hinsichtlich Insulinsensitivität, Insulinsekretion, Verteilung des Fettgewebes und entzündungsfördernder Profile. Die Ergebnisse haben das Potenzial, als Vorlage zur Entwicklung von präziseren Therapieansätzen zu dienen.
Wirkung von Intervallfasten auf die Insulinsekretion bei Prädiabetes und Diabetes
Die Intermittentent Fasting to Improve Insulin Secretion-Studie (kurz IFIS-Studie) hat das Ziel, die Auswirkungen von Intervallfasten auf die Insulinsekretion bei Menschen mit Prädiabetes oder Diabetes zu untersuchen, die ein erhöhtes Risiko für Folgeerkrankungen haben. Teilnehmen können Männer und Frauen im Alter zwischen 18 und 70 Jahren, die entweder Prädiabetes haben oder bei denen die Diagnose Diabetes innerhalb der letzten fünf Jahre gestellt wurde. Während des sechswöchigen Studienzeitraums werden die Teilnehmenden entweder dazu angeleitet, eine Standarddiät zu befolgen, oder das Prinzip des Intervallfastens anzuwenden. Anschließend erfolgt eine Nachuntersuchung.
Gestationsdiabetes und spätere Diabetesrisiken
Die Deutsche Gestationsdiabetes-Studie (PREG) untersucht schwangere Frauen mit und ohne Gestationsdiabetes über einen Zeitraum von insgesamt zehn Jahren nach der Geburt ihres Kindes. Ziel der Studie ist es, frühzeitig Diabetes-Vorstufen zu erkennen und den Probandinnen präventive Maßnahmen anzubieten. Gestationsdiabetes erhöht das Risiko, im späteren Leben an Typ-2-Diabetes zu erkranken. Mitmachen können Frauen, die sich in der 24. bis 32. Schwangerschaftswoche befinden. Sie erhalten eine Basisuntersuchung während der Schwangerschaft sowie Nachuntersuchungen ein bis zehn Jahre nach der Geburt ihres Kindes. Frauen, bei denen während der zurückliegenden Schwangerschaft ein oraler Glukosetoleranztest (oGTT) durchgeführt wurde, können ebenfalls bis zehn Jahre nach der Entbindung teilnehmen.
LIFETIME-Studie für Menschen mit Prädiabetes und erhöhtem Risiko für Folgeerkrankungen der Niere
Untersuchungen in DZD-Studien haben gezeigt, dass es bereits in der Vorstufe des Typ-2-Diabetes, dem Prädiabetes, unterschiedliche Subtypen gibt. Eine dieser Untergruppen hat ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes sowie eines chronischen Nierenversagens. Eine Gruppe von glukosesenkenden Medikamenten, die Natrium-Glukose-Cotransporter-2 (SGLT2) -Hemmer, haben sich als sehr wirksam bei der Behandlung von Typ-2-Diabetes erwiesen und vermindern das Fortschreiten der diabetischen Nierenerkrankung. In der klinischen Studie soll bereits in Menschen mit Prädiabetes untersucht werden, ob eine frühe Behandlung mit dem SGLT2-Hemmer Dapagliflozin bei bislang unbekannter früher Nierenschädigung zu einer Verbesserung bzw. Vorbeugung der Nierenerkrankung führt.
Prävention und Immunintervention bei Typ-1-Diabetes
Die Prävention und Immunintervention bei Typ-1-Diabetes ist ein wichtiges Forschungsfeld. Hierbei geht es darum, Maßnahmen zu entwickeln, die das Auftreten von Typ-1-Diabetes verhindern oder zumindest verzögern können. Die weltweit erste bevölkerungsweite Früherkennungsuntersuchung für Typ-1-Diabetes bei Kindern wird seit 2015 unter dem Namen "Fr1da – Typ-1-Diabetes: Früh erkennen – Früh gut behandeln" in Bayern vom DZD-Partner Helmholtz Munich durchgeführt. Ziel dieser Studie ist es, Typ-1-Diabetes bereits in einem präklinischen Frühstadium zu diagnostizieren und betroffene Kinder und Familien in einem Schulungs- und Vorsorgeprogramm zu betreuen, damit frühzeitig eine optimale Behandlung erfolgt und schwerwiegende Stoffwechselentgleisungen verhindert werden. Mittlerweile wurde die Studie auf die Bundesländer Niedersachsen & Hamburg und Sachsen ausgeweitet. Ein Team von Helmholtz Munich koordiniert die europäische Plattform GPPAD (Global Platform for the Prevention of Autoimmune Diabetes), die verschiedenen Studien zur Prävention durchführt. Aktuell laufende Studien sind:
- Freder1k: Ein Neugeborenen-Screening, das genetische Risikofaktoren anhand eines Risikoscores untersucht.
- AVAnT1A-Studie: Diese Studie erforscht, ob eine Impfung gegen COVID-19 im Alter von sechs Monaten die Entstehung von Inselautoantikörpern und damit Typ-1-Diabetes verhindern kann. Teilnehmen können Kinder, bei denen zuvor in der Freder1k Studie ein erhöhtes genetisches Risiko festgestellt wurde. Weitere Ausführungen dazu finden Sie auch im Artikel von Lena Schwenker.
- Studien zur präziseren Therapie von Diabetes
- Neues Positionspapier gibt Überblick
- Virusinfektionen im frühen Kindesalter
- Diabetes und kardiovaskuläre Erkrankungen
- Neue Therapieansätze bei der Behandlung von Typ-2-Diabetes
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Erschienen in: Diabetes-Forum, 2024; 36 (9) Seite 10-13