Nun also doch: Nach langem Zögern und vorherigem Bevorzugen eines anderen Modells hat Bundesernährungsministerin Julia Klöckner bekanntgegeben, den Nutri-Score als erweiterte Nährwertkennzeichnung einführen zu wollen. Medizinische Fachverbände begrüßen diese Entscheidung.

Eigentlich wollte sie den „Wegweiser Ernährung“ als Modell für eine erweiterte Nährwertkennzeichnung durchsetzen, nun folgt Bundesministerin Julia Klöckner aber dem Wunsch der Verbraucher, die sich nun in einer vom Bundesernährungsministeriums (BMEL) beauftragten Erhebung mit einer großer Mehrheit (57 Prozent, s. Kasten unten) für den Nutri-Score ausgesprochen haben. Für diesen Schritt hatten zuvor bereits mehrere wissenschaftliche Fachgesellschaften und Verbraucherschutzorganisationen plädiert.

Auf den ersten Blick erfassbar und leicht zu verstehen

Bei der Vorstellung der Ergebnisse der Verbraucherbeteiligung heute in Berlin sagte Klöckner: „Für viele erscheint es bisher schwer, beim Thema gesunde Ernährung vieles richtig zu machen und sich sicher bei der schnellen Kaufentscheidung zu fühlen. Gerade in einer Zeit, in der vermehrt zu Fertigprodukten gegriffen wird, die teilweise zu viel Zucker, Salz oder Fette enthalten.“

Klöckner weiter: „Mit dem NutriScore soll es nun eine Kennzeichnung auf der Vorderseite geben, die viele der Anforderungen erfüllt, die die Verbraucher an ein zusätzliches Nährwertkennzeichen formulieren: Er ist auf den ersten Blick erfassbar, leicht zu verstehen und nutzt die eingängige, bereits gelernte Farbwelt einer Ampel. Für den deutschen Markt werde ich sehr zeitnah die rechtliche Grundlage für die Verwendung von Nutri-Score schaffen und den Kollegen des Kabinetts zur Zustimmung vorlegen.“

Medizinische Fachverbände begrüßen die Entscheidung

Medizinische Fachverbände, von denen sich viele seit geraumer Zeit für den Nutri-Scores stark gemacht hatten, begrüßen diesen Schritt. Barbara Bitzer, Geschäftsführerin der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), kommentierte: „Wir begrüßen die Einführung des Nutri-Scores sehr. Die Umfrage des Ministeriums bestätigt eindrücklich die zahlreichen wissenschaftlichen Nachweise zur Wirksamkeit des Labels. Mit der Entscheidung für den Nutri-Score leistet Frau Klöckner direkt einen Beitrag, eine gesunde Ernährung zu fördern.“

„Wie die Ministerin aber selbst betont hat, kann der Nutri-Score nur einer von mehreren Bausteinen sein. Notwendig sind weitere Schritte, unter anderem ein Verbot von an Kinder gerichtete Werbung für ungesunde Produkte, wie es die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt“, fügte Bitzer hinzu.

Auch Dr. Frank Jochum, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM), zeigte sich zufrieden: „Das Label hat in der Umfrage am besten abgeschnitten und soll künftig Lebensmittel kennzeichnen. Die DGEM begrüßt dieses Ergebnis. Denn auch wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass der Nutri-Score wirkt. In über 35 Studien wurde bewiesen, dass er für alle Bevölkerungsschichten verständlich ist und dass er am ehesten bewirkt, dass die Menschen gesündere Lebensmittel einkaufen.“

„Echter Durchbruch“ – auch diabetesDE zeigt sich erfreut

„Wir freuen uns, dass der Nutri-Score in allen Kategorien als so klarer Sieger hervorgegangen ist – das ist ein echter Durchbruch!“, so Nicole Mattig-Fabian, Geschäftsführerin von diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe.

„Nun müssen Lebensmittelhersteller und Handel mitziehen und das freiwillige Label auch anwenden. Wir begrüßen, dass sich Frau Klöckner auf EU-Ebene für eine Vereinheitlichung der Kennzeichnungsmodelle einsetzt und wir unterstützen den Wunsch der Verbraucher nach einer verpflichtenden Kennzeichnung auf EU-Ebene“, so Mattig-Fabian.

Ergebnisse der Verbraucherbeteiligung


Im Auftrag des BMEL wurde eine umfassende Studie durchgeführt, mit dem Ziel, eine fundierte Datengrundlage für die Evaluation von erweiterten Nährwertkennzeichnungs-Modellen zu erarbeiten. Vier Modell wurden dabei untersucht: der Nutri-Score, das Modell des Verbands der Lebensmittelproduzent (BLL), der „Wegweiser Ernährung“, der vom Max Rubner-Institut (MRI) entwickelt wurde und das Keyhole-Modell, das auf freiwilliger Basis in Skandinavien eingesetzt wird.

Die drei zentralen Untersuchungskriterien hierbei waren: die Wahrnehmung der Modelle, die Verständlichkeit, d.h., ob ein bestehendes System auch objektiv verständlich ist, sowie das Verständnis der Verbraucher und damit die Frage, ob die Verbraucher das vorliegende Modell zutreffend interpretieren.

Auf die Frage, welches dieser Modelle in Deutschland eingeführt werden sollte, entschieden sich:
  • 57 Prozent für den „Nutri-Score“,
  • 28 Prozent für den „Wegweiser Ernährung“,
  • 7 Prozent für das „Keyhole“-Modell sowie
  • 5 Prozent für das BLL-Modell.

In Testaufgaben sollten die Teilnehmer verschiedene Lebensmittel nach den vier Modellen richtig einordnen, um zu ermitteln, wie verständlich diese sind. Dies gelang
  • 70 Prozent beim Nutri-Score-Modell,
  • 60 Prozent beim MRI-Modell,
  • 35 Prozent beim Keyhole-Modell sowie
  • 21 Prozent beim BLL-Modell.

Die höchsten Empfehlungswerte erreicht Nutri-Score in zwei besonders relevanten Verbrauchergruppen:
  • bei Personen, die sich selten oder gar nicht mit der Zusammensetzung von Lebensmitteln beschäftigen (67 Prozent),
  • bei Personen mit Adipositas, Body-Mass-Index (BMI) über 30 (64 Prozent).

Auf der Website des Bundesministeriums sind alle Ergebnisse der Verbraucherbeteiligung im Detail abrufbar.


von Gregor Hess
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