Das Thema Umweltschutz betrifft jeden. Ob privat oder im Beruf, ganz egal. Was man in der Arztpraxis tun kann, um den Umweltschutz großzuschreiben, das verrät Ihnen auf den folgenden Seiten Nora Stroetzel. Sie erfahren hier alles über das Unternehmen "Praxis ohne Plastik".

Der Klimawandel ist laut der Weltgesundheitsorganisation die größte Bedrohung für unsere Gesundheit. Grund genug, Klimaschutz auch ins Gesundheitswesen zu integrieren. Im Folgenden werden Maßnahmen vorgestellt, wie Arztpraxen nachhaltiger gestaltet werden können. Das Unternehmen "Praxis ohne Plastik" hat es sich zur Aufgabe gemacht, Ärzte bei der Reduzierung ihres ökologischen Fußabdrucks zu begleiten. Der Weg hin zu einer nachhaltigen Arztpraxis steht offen – wir müssen ihn nur einschlagen.

Der ökologische Fußabdruck von Arztpraxen

Massive Hitze, Extremwetterereignisse, verstärktes Aufkommen biologischer Allergene usw.: Die direkten und indirekten Auswirkungen der Klimakrise auf unsere Gesundheit sind immens. Der Gesundheitssektor selbst hat einen Anteil von circa 5 bis 7 % am weltweiten CO2-Fußabdruck. Ein Umdenken ist nötig! Klimaschutz darf daher auch vor dem Gesundheitswesen nicht halt machen. Die höchsten CO2-Emissionen verzeichnen die Arzneimittelbranche und große Einrichtungen wie Krankenhäuser. Aber auch die unzähligen Arztpraxen tragen ihren Teil bei. Neben strukturellen Maßnahmen auf großer Ebene kann jede einzelne Praxis einen Beitrag leisten.

Reduce, reuse, recycle

Im Hinblick auf den Abfall einer Arztpraxis stellen sich folgende Fragen:
  • → Wo kann Müll von vornherein verhindert werden?
  • → Wo kann Abfall durch eine Wiederverwendung reduziert werden?
  • → Wo ist das Recyceln von Verbrauchsstoffen möglich?

Einige Praxisbeispiele verdeutlichen die vielfältigen Handlungsmöglichkeiten:

Reduce: Müll vermeiden
  • Ersetzen der Magazine im Wartezimmer durch digitale Lesezirkel-Angebote
  • Bestellen größere Mengen, um Verpackungs- und Transportaufwand zu minimieren
  • Verzicht auf eine Kaffeemaschine mit Kapseln

Reuse: Wiederverwendbare Alternativen finden
  • Sterilisieren von Edelstahl statt Einweg-Instrumente
  • Handtuchrollen, waschbare Handtücher oder Händetrockner statt Papiertücher
  • Wasserkaraffe und Gläser statt Wasserspender und Plastikbecher im Wartezimmer

Recycle: Rohstoffe zurück in den Kreislauf bringen
  • Hygienepapiere aus recycelten und recycelbaren Materialien
  • auf Recyclebarkeit aller Materialien achten (z. B. Papierauflagen statt beschichtete Servietten)

Ein Blick auf den CO2-Fußabdruck einer durchschnittlichen Hausarztpraxis zeigt das Einsparungspotenzial. Demnach schlagen die verschriebenen Medikamente und Einkäufe mit rund 80 % zu Buche. Etwa 10 % nimmt die Mobilität von Patienten und Mitarbeitern ein. Für Strom und Heizung werden etwa 7 % veranschlagt. Aber auch der tägliche Müllberg ist umweltschädlich. Einweg-Edelstahl, Papierauflagen, Mundspülbecher, der Kapselautomat im Pausenraum und vieles mehr: Die Ursachen sind vielfältig. Wie kann eine Arztpraxis nun im Sinne der Umwelt handeln? "Praxis ohne Plastik" unterstützt Ärzte bei genau dieser Frage. Wird der CO2-Fußabdruck individuell berechnet, können passgenaue Maßnahmen entwickelt werden. Wie so oft setzt sich der Weg aus vielen kleinen Schritten zusammen, die gemeinsam Großes bewirken. Erfahren Sie hier, mit welchen Schritten Nachhaltigkeit in Praxen etabliert werden kann.

Energieeffizienz statt Stromfresser

Eins ist klar: Der Stromverbrauch jeder Arztpraxis ist hoch. Dennoch gibt es auch hier einige Stellschrauben, die den CO2-Fußabdruck verkleinern. Die größte ist der Wechsel zu Ökostrom, der aus umweltfreundlichen und erneuerbaren Energiequellen gewonnen wird. Energiesparlampen, richtiges Lüften und Heizen, Bewegungsmelder für wenig genutzte Räume, ausschaltbare Steckerleisten und ähnliche Maßnahmen führen außerdem zu einer Senkung des Stromverbrauchs. Das Herunterfahren von Geräten statt Stand-by-Modus spart bis zu 6 % an Energie. Sie sehen: Alle Tipps, die sich im Haushalt bewähren, lassen sich auch in Arztpraxen anwenden.

Digitalisierung als Chance

Die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) birgt enormes Potential, den Papierverbrauch zu reduzieren. Denn durch sie werden händisch geführte Patientenakten obsolet. Auch Rezepte können nun elektronisch ausgestellt werden. Messenger-Apps oder digitale Notiz-App machen Notizzettel am Empfangstresen überflüssig. Für die Verringerung des Papiermülls ist darüber hinaus die Frage grundlegend: Wo braucht es den Ausdruck wirklich? Befunde und Röntgenbilder lassen sich beispielsweise auch einwandfrei auf Tablet oder PC visualisieren. Der neue Kommunikationsdienst KIM ("Kommunikation in der Medizin") ermöglicht den Austausch von Falldaten zwischen Ärzten ohne das Faxen im Papierformat. Bei Rechnungen genügt meist eine PDF-Datei per E-Mail.

Umweltfreundliche Alternativen finden

Es empfiehlt sich, ökologische Reinigungsmittel und nachhaltigen Hygienebedarf zu wählen. Hier helfen Umweltsiegel und Zertifikate oder darauf spezialisierte Shops wie "Praxis ohne Plastik" weiter. Denn zum einen stecken in herkömmlichen Reinigungsmitteln umweltschädliche Stoffe wie Erdöl oder Palmöl. Zum anderen sind viele Inhaltsstoffe wie Enzyme, Duftstoffe oder Konservierungsmittel nicht biologisch abbaubar. Gelangen diese Schadstoffe in unsere Gewässer, kann das eine Überdüngung und damit eine erhebliche Störung des Ökosystems Wasser zur Folge haben.

Klimawandel auf Rezept?

Bei der Betrachtung aller Treibhausgasemissionen des Gesundheitswesens nimmt die Herstellung von Medikamenten mit 25 % den größten Teil ein. Deshalb lohnt es sich, deren Einsatz zu reflektieren. Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) gibt Leitlinien zur klimabewussten Verordnung heraus. Demnach wird beispielsweise empfohlen, Dosieraerosole aufgrund ihrer hohen Treibhausgasemissionen durch Pulverinhalatoren zu ersetzen. Es wird außerdem vermutet, dass die Überversorgung in Deutschland pro Kopf etwa 0,1 Tonnen CO2 ausmacht. Durch einen zielgerichteten Einsatz von Medikamenten wird also unnötiger CO2-Verbrauch vermieden.

Neue Mobilität wagen

Auch der Verkehrssektor ist ein wirksamer Hebel zur Reduzierung der CO2-Emissionen. Es lohnt sich, mit gutem Vorbild voranzugehen und über die Anschaffung eines E-Autos für die Hausbesuche nachzudenken. Eine E-Ladesäule vor der Praxis, am besten gespeist durch Fotovoltaik auf dem Dach, fördert die E-Mobilität der Patienten. Fahrradständer direkt vor dem Gebäude machen die Anfahrt mit dem Rad einfacher. Nur wenn wir entsprechende Infrastruktur in allen Bereichen schaffen, gelingt uns die Verkehrswende.

Praxis-Philosophie: auf das Mindset kommt es an

Wenn alle an einem Strang ziehen, kommt man umso einfacher ans Ziel. Die Schulung der Mitarbeiter zu Aspekten des Klimaschutzes ist die Voraussetzung für deren Unterstützung. "Praxis ohne Plastik" macht das Wissen durch Workshops und Vorträge dem ganzen Team zugänglich. Eine gute Möglichkeit der Akzeptanz ist die Benennung eines Beauftragten, der die Nachhaltigkeit der Praxis im Auge behält. Nicht zu vernachlässigen ist auch die Außenwirkung. Ärzte fungieren als Vorbild. Durch das öffentliche Bekennen zur Nachhaltigkeit in der Praxisführung leben sie diese Werte direkt vor.

© Praxis ohne Plastik
Nora Stroetzel (r.) ist mit dem Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet worden.

POP – Praxis ohne Plastik

Aber wie im normalen Arbeitsalltag die Zeit finden, ein neues Praxiskonzept hin zu mehr Nachhaltigkeit auszuarbeiten? Oft nimmt man sich Veränderungen vor, die man dann in der Hektik des Alltags schnell aus den Augen verliert. Deshalb haben wir von POP es uns zur Aufgabe gemacht, Arztpraxen durch Workshops, Praxisbegehungen und individuelle Nachhaltigkeitsberatungen auf ihrem Weg zu unterstützen. Gemeinsam mit der Praxis verfolgen wir die erarbeitete Vision strategisch. Nach der Bestimmung des individuellen CO2-Fußabdrucks entwickeln wir auf Basis unseres Fachwissens geeignete Maßnahmen. Dabei arbeiten wir mit verschiedenen Modulen, die das Bewusstsein des ganzen Teams schulen. Bei einer Praxisbegehung stellen wir den Erfolg der umgesetzten Maßnahmen fest und bescheinigen diesen mit einem Zertifikat. So begleiten wir die Kunden Schritt für Schritt auf ihrem Weg hin zur nachhaltigen Arztpraxis.

Sei Du selbst die Veränderung, die Du Dir wünschst für diese Welt (Mahatma Gandhi)

Jeder Mediziner und jede Arztpraxis kann zu mehr Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen und darüber hinaus beitragen. Denn sie haben Tag für Tag permanent Berührungspunkte mit vielen verschiedenen Menschen. Trägt die Praxis ihr Konzept anhand von Zertifikaten, Infoplakaten, Gesprächen und mehr offen nach außen, erreicht der Klimaschutz große Aufmerksamkeit. Je mehr Menschen die Folgen und die Auswirkung auf die Gesundheit verstehen, desto mehr werden sie klimafreundliche Maßnahmen in ihr eigenes Leben integrieren. Umweltschutz ist gleichzeitig Gesundheitsschutz: Zeit also, Arztpraxen nachhaltiger zu machen!


Autorin:
© privat
Nora Stroetzel
Praxis ohne Plastik


Erschienen in: Diabetes-Forum, 2024; 36 (3) Seite 32-34