Erbanlagen spielen bei einem Typ-2-Diabetes eine wichtige Rolle. Nun könnte ein weiteres zu den bislang mehreren Hundert bekannten Genen hinzukommen: Dr. med. Martin Daniels, Arzt in Weiterbildung an der Klinik für Diabetologie, Endokrinologie und Nephrologie der Inneren Medizin IV am Universitätsklinikum Tübingen und dem Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen des Helmholtz Zentrums München und dem DZD, forscht an einer Gen-Mutation, die über verschiedene Zwischenschritte möglicherweise auch das Diabetesrisiko erhöht. Dafür wurde er nun mit der Menarini-Projektförderung 2021 der Berlin-Chemie AG ausgezeichnet.

Die Berlin-Chemie AG stiftet die mit 15.000 Euro dotierte Menarini-Projektförderung alljährlich zur Förderung herausragender wissenschaftlicher Projekte mit dem Forschungsschwerpunkt Diabetes mellitus. Die Preisverleihung fand am 13. Mai 2021 im Rahmen des 55. (digital durchgeführten) Diabeteskongresses der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) statt.

Mangan - Oft übersehen, oft unterschätzt

Die Tübinger Arbeitsgruppe um Dr. med. Martin Daniels untersucht schon länger den Beitrag von genetischen Faktoren für die Entstehung des Diabetes, speziell der SLC-Transporter. Nun ist ein neuer Marker in ihren Blickpunkt geraten: eine Missense-Mutation (A391T) im Gen des Mangan-Transporters (SLC39A8). Dieses Protein sorgt in seinem Normalzustand dafür, dass unter anderem Mangan aus dem Darm ins Blut aufgenommen wird.

Mangan stellt ein essenzielles Spurenelement im menschlichen Stoffwechsel dar und ist an einer Reihe biochemischer Prozesse beteiligt. Außerdem vermindert es den berühmt-berüchtigten oxidativen Stress, indem es an der Beseitigung freier Radikale mitwirkt. Im Zentrum der Diabetesforschung stand es bis dato aber nicht unbedingt.

Mutation des Transporter-Gens im Zentrum der Forschung

Genomweite Assoziationsstudien beim Menschen, die Zusammenhänge zwischen genetischen Polymorphismen und Erkrankungen nachweisen, haben die Mutation des Transporter-Gens mit entzündlichen Veränderungen der Darmwand, dem Body-Mass-Index und einer Fettleberhepatitis in Zusammenhang gebracht [1]. Schon lange ist bekannt, dass anhaltende, niederschwellige inflammatorische Reize Übergewicht, Insulinresistenz und schließlich einen manifesten Diabetes begünstigen – also möglicherweise auch in diesem Fall. Frühere Arbeiten des Teams um Daniels haben gezeigt, dass Entzündungsmarker des Darms, ein erhöhter Körperfettanteil und dessen Verteilung vor allem in Leber und Pankreas bei der Entstehung eines Diabetes mitwirken könnten [2, 3, 4]. Gingen diese Parameter (Entzündung und Körperfett) mit der Mutation des Mangan-Transporter-Gens einher, würde dieser Zusammenhang nochmals unterstrichen.

Mit dem nun geförderten Projekt wollen die Wissenschaftler*innen folgende Fragen beantworten:

  • Ist die Mutation A391T im Mangan-Transporter-Gen beim Menschen mit Manganmangel, einer gesteigerten Durchlässigkeit der Darmwand, erhöhten Entzündungsparametern und einer Fettleberhepatitis assoziiert?
  • Korreliert diese Mutation beim Menschen mit einer eingeschränkten Insulinsensitivität?

Tübinger Kohorten liefern wichtige Informationen

Die Wissenschaftler:innen ziehen für ihre Untersuchung Daten der Tübinger Familienstudie und des Tübinger Lebensstilprogramms heran. Die beiden Kohortenstudien wurden vor 25 Jahren begonnen und sollen langfristig Ursachen eines Typ-2-Diabetes untersuchen. Die Studienteilnehmer:innen werden regelmäßig ausführlich untersucht: Neben Parametern des Glukosestoffwechsels gehören Insulinsekretion und Insulinsensitivität zum Laborprogramm, ebenso die Verteilung des Körperfetts, Blutfettwerte und genetische Faktoren.Von 3000 dieser Probanden liegen Sequenzierungsdaten des nun relevanten Gens vor. Die Forscher:innen planen, zunächst 24 Patienten in zwei Gruppen zu untersuchen:

  • Zur Gruppe 1 gehören 12 Probanden:innen mit dem normalen Gen („Wildtyp“).
  • Zur Gruppe 2 gehören ebenfalls 12 Probanden:innen, die aber die A391T-Mutation aufweisen.

Daniels und seine Gruppe wollen im ersten Schritt an den Proben dieser 24 Teilnehmer:innen, die nach Alter, Geschlecht und Body-Mass-Index gematcht sind, vor allem die Konzentration von Zonulin im Serum messen. Zonulin ist als Marker für die Dichtigkeit der Darmwand etabliert; ein erhöhter Spiegel spricht für eine Störung der Darmbarriere [5]. Weitere Messungen umfassen verschiedene Entzündungsmarker im Serum (Interleukin-6, Tumornekrosefaktor alpha) und Mangan im Urin. Danach werden die Werte zwischen den beiden Gruppen verglichen, um einen möglichen Zusammenhang mit dem Genotyp festzustellen.

Im zweiten Schritt möchte das Team diese Daten in einer größeren Gruppe von etwa 150 Teilnehmer:innen auf Assoziationen mit verschiedenen Variablen des Glukosemetabolismus prüfen. Dazu gehören etwa der Nüchternblutzucker, der Langzeitverlauf der Blutzuckerwerte (HbA1c), Insulinspiegel und Insulinresistenz.

Nachweis eines Zusammenhangs könnte zukünftig für Diabetesprävention und -therapie nützlich sein

Falls die Untersuchungen zeigen, dass die Mutation im Mangan-Transporter und der sich daraus ergebende Manganmangel tatsächlich mit einem (Prä-)Diabetes verknüpft sind, stellt sich für zukünftige Forschungen eine nächste Frage: Wie ist diese Mutation in die verschiedenen Unterformen eines Prä-Diabetes einzuordnen, die die Tübinger gerade im renommierten Journal Nature Medicine veröffentlicht haben [6]? Demnach existiert nicht nur eine einzige Vorstufe der Erkrankung, sondern es gibt mindestens sechs verschiedene Untergruppen. Nicht jede:r Patient:in läuft die gleiche Gefahr, einen manifesten Diabetes zu entwickeln – es kommt auf die Kombination der verschiedenen Risikofaktoren an.

Prävention und Therapie müssten demnach noch individueller, Subtyp-abhängig mit unterschiedlichen Interventionen erfolgen. Möglicherweise könnte die einfache Substitution von Mangan bei Menschen mit (Prä-)Diabetes mit Mutation im Gen des Mangan-Transporters einen Teil dazu beitragen, die Erkrankung zu verhindern oder ihren Beginn zumindest hinauszuzögern.

Über den Preisträgers
Dr. med. Martin Daniels ist Arzt in Weiterbildung an der Klinik für Diabetologie, Endokrinologie und Nephrologie der Inneren Medizin IV am Universitätsklinikum Tübingen und dem Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen des Helmholtz Zentrums München und dem DZD. Er erhielt ein Stipendium der Deutschen Stiftung UWC für den Besuch des Mahindra United World College of India und legte dort das International Baccalaureate ab. Anschließend studierte er Humanmedizin an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Von 2012 bis 2018 erhielt der das Stipendium der Studienstiftung des Deutschen Volkes.

Während seines Studiums gründete er zudem das Projekt Welcome+med, das Geflüchtete bei der Bewerbung für das Medizinstudium unterstützt. Seine Dissertation trägt den Titel “The mammalian citrate transporter mINDY (I’m not dead yet) and its protective role in hepatic metabolism”. 2014 erhielt er ein Forschungsstipendium der Charité und von 2016 bis 2017 ein Fellowship des Boehringer Ingelheim Fonds. Martin Daniels hat bereits an mehreren wissenschaftlichen Publikationen als Erst- oder Zweitautor mitgewirkt.

Literatur
1. Parisinos C, Wilman H, Thomas L et al. Genome-wide and Mendelian randomisation studies of liver MRI yield insights into the pathogenesis of steatohepatitis. J Hepatol 2020; 73: 241–251
2. Ji Y, Yiorkas A, Frau F et al. Genome-Wide and Abdominal MRI Data Provide Evidence That a Genetically Determined Favorable Adiposity Phenotype Is Characterized by Lower Ectopic Liver Fat and Lower Risk of Type 2 Diabetes, Heart Disease, and Hypertension. Diabetes 2019; 68: 207–219
3. Machann J, Stefan N, Wagner R et al. Normalized Indices Derived from Visceral Adipose Mass Assessed by Magnetic Resonance Imaging and Their Correlation with Markers for Insulin Resistance and Prediabetes. Nutrients 2020; 12: 2064
4. Gerst F, Wagner R, Kaiser G et al. Metabolic crosstalk between fatty pancreas and fatty liver: effects on local inflammation and insulin secretion. Diabetologia 2017; 60: 2240–2251
5. Wang W, Uzzau S, Goldblum S et al. Human zonulin, a potential modulator of intestinal tight junctions. J. Cell. Sci 2000; 113: 4435-4440
6. Wagner R, Heni M, Tabák A et al. Pathophysiology-based subphenotyping of individuals at elevated risk for type 2 diabetes. Nat Med 2021; 27: 49–57


Quelle: Pressemitteilung der Berlin-Chemie AG