Eine Studie der Universität Ulm zeigt: Besonders Kinder türkischer, osteuropäischer und russischer Abstammung sind betroffen.

Eine aktuelle Studie der Universität Ulm über Diabetes vom Typ 2 bei Kindern und Jugendlichen zeigt unter anderem, dass junge Menschen mit Migrationshintergrund von dieser Stoffwechselkrankheit überdurchschnittlich stark betroffen sind.

Veranlagung und Geschlcht haben Einfluß

Außerdem gibt es deutliche Hinweise auf familiäre Veranlagung und geschlechtsspezifische Unterschiede bei Krankheitsverlauf und Begleiterkrankungen. Die Autorin der Studie, Dr. Wendy Awa hat als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Epidemiologie und medizinische Biometrie der Universität Ulm unter der Leitung von Professor Reinhard Holl die Patientendaten von insgesamt 107 jungen Typ-2-Diabetes-Patienten statistisch untersucht.

Besonders türkische, osteuropäische, russische Abstammung

Laut einer neuen Studie der Universität Ulm, die aktuell im Fachjournal Pediatric Diabetes veröffentlicht wurde, sind Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund von Diabetes Typ 2 besonders häufig betroffen. Ihr Anteil an erfassten Erkrankten war mit 40 Prozent mehr als doppelt so hoch wie der Anteil an der Gesamtbevölkerung. Insbesondere Kinder türkischer, osteuropäischer und russischer Abstammung litten überdurchschnittlich häufig daran.

Sozioökonomische Gründe?

„Unser Ergebnis deckt sich auch mit Vergleichsstudien aus anderen Ländern. So sind es in den USA vor allem ethnische Minderheiten wie Indigene, Afroamerikaner, Lateinamerikaner und Asiaten, die an dieser übergewichtsbedingten Form der Insulinresistenz erkranken“, erläutert Dr. Wendy Awa, die als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Epidemiologie und medizinische Biometrie an der Universität Ulm diese Studie verfasst hat. „Hier spielen wohl vor allem auch sozioökonomische Gründe eine Rolle“, vermutet die Wissenschaftlerin.

Daten von 107 jungen Typ-2-Patienten

Die promovierte Humanbiologin hat die demografischen, biometrischen, klinischen, immunologischen und genetischen Daten von insgesamt 107 jungen Typ-2-Diabetes-Patienten in Deutschland und Österreich auf statistische Zusammenhänge hin analysiert. Grundlage der deskriptiven Untersuchung war die sogenannte Diabetes-Patienten-Verlaufsdokumentation (DPV), deren Herzstück die Ulmer Kinder-Diabetes-Biobank (paedBMB) ist, für die im Deutschen Biobanken-Register ein neues Projektportal eröffnet wurde (wie berichtet).

Auch Adipositasdaten hinzugezogen

Dort lagern neben den Patientendaten über 2000 Blut- und Serumproben aus rund 150 pädiatrischen Diabetes-Einrichtungen (wir berichteten). Hinzugezogen wurde auch die Adipositas Verlaufsdokumentation (APV), in der die medizinischen Daten von fettsüchtigen Kindern mit stark steigendem Blutzuckerspiegel erfasst waren.

Prof. Holl: "Weit entfernt von einer Epidemie!"

„Mit dieser Biobank haben wir ein hervorragendes Instrument, um Hinweise auf signifikante Zusammenhänge als Grundlage für weitere Forschungen zu suchen“, so der Koordinator der Ulmer Kinder-Diabetes-Biobank und Leiter der Studie, Professor Reinhard Holl, ebenfalls vom Institut für Epidemiologie und medizinische Biometrie der Universität Ulm. „Gleichwohl die Krankheit auch hierzulande in den letzten Jahren immer häufiger diagnostiziert wird, sind wir von einer Epidemie, wie sie in den Medien gerne ausgemalt wird, noch weit entfernt“, meint der Kinderdiabetologe.

Gesundheitlich bedenkliche Verknüpfung

Holl weiter: „Brisant hingegen ist, dass die Typ-2-Diabetes häufig einhergeht mit dem sogenannten metabolischen Syndrom, einem wesentlichen Risikofaktor für koronare Herzerkrankungen, der folgende Faktoren umfasst: Adipositas, Bluthochdruck, krankhaft veränderte Blutfettwerte und Insulinresistenz. Eine gesundheitlich bedenkliche Verknüpfung dieser Krankheitsbilder zeigte sich vor allem bei den jungen männlichen Patienten.

Jungs haben mehr Begleitkrankheiten!

Anders als die Mädchen – die bezogen auf die untersuchte Gesamtheit der Patienten zwar die Mehrzahl der Diabetes-Typ-2-Erkrankten stellten – litten die Jungs besonders häufig noch an Begleitkrankheiten wie Bluthochdruck oder krankhaft veränderten Blutfettwerten und mussten dementsprechend medikamentös behandelt werden. Weitaus weniger überraschend war die festgestellte Tatsache, dass ein Großteil der jungen Diabetes-Typ-2-Patienten stark übergewichtig oder sogar adipös war.

Kinder: Fettsucht als Hauptursache für Typ-2-Diabetes

So gilt gerade die Fettsucht als eine der Hauptursachen für die Entstehung von so genanntem Altersdiabetes bei Kindern. „Ursächlich dafür ist nicht nur ein falsches Ernährungs- und Bewegungsverhalten“, erklärt Awa. Die studierte Biologin und Public-Health-Expertin weiter: „Die Ergebnisse der Studien weisen zudem auf eine familiäre Veranlagung hin, wobei uns insbesondere eine gewisse Vorprägung durch die Mutter auffiel.“ So waren deutlich mehr Mütter als Väter von adipösen Kindern ebenfalls stark übergewichtig oder adipös, und bei über 80 Prozent der Eltern bzw. Großeltern war ebenfalls Diabetes festgestellt worden.

Für eine präzisere Diagnose

Bei der Betrachtung autoimmunologischer Aspekte anhand von Diabetes- Antikörpern stellte sich heraus, dass mehrere Patienten Diabetes-Mischformen hatten. So waren Patienten aufgrund ihres starken Übergewichts als Typ 2 klassifiziert worden waren und wiesen dabei gleichwohl das Autoimmunprofil eines Typ-1-Diabetikers auf. „Unsere Biobank kann also auch dabei helfen, die Diagnose zu präzisieren“, meint Holl. Für den Patienten macht dies einen großen Unterschied. „Für viele Typ-2-Patienten gibt es Hoffnung, die Krankheit mit gesünderer Ernährung und mehr Bewegung in den Griff zu kriegen. Typ-1-Patienten brauchen dagegen lebenslänglich Insulin“, sagt Dr. Wendy Awa.


Quelle: Pressemitteilung der Universität Ulm