Die HBO sollte bei diabetischen Fußulzera nicht angewendet werden, da positive Effekte fraglich sind.
Eine Option, die für die Therapie von Fußulzera bei Diabetikern bekannt ist, ist die hyperbare Sauerstofftherapie (HBO). Sie wird für diese Indikation seit mehr als 20 Jahren eingesetzt. Hat sie tatsächlich einen Nutzen oder hat sie keinen? Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) schreibt dazu in seinem Abschlussbericht (1): "Aus der vorliegenden Nutzenbewertung ergibt sich für den Endpunkt Wundverschluss ein Anhaltspunkt für einen Nutzen der zusätzlichen HBO bei DFS im Vergleich zu einer alleinigen Standardwundversorgung. Für die anderen patientenrelevanten Endpunkte Mortalität, Amputation (Minor- und Majoramputation), unerwünschte Wirkungen der Therapie, gesundheitsbezogene Lebensqualität und Krankenhausaufenthaltsdauer ergibt sich kein Anhaltspunkt für einen Nutzen oder Schaden der zusätzlichen HBO bei DFS im Vergleich zu anderen Behandlungsoptionen."
Gegenteilige Studienergebnisse
Dieser Bewertung zugrunde liegen ältere randomisierte Studien, die in den 1990er-Jahren publiziert wurden, deren Qualität in einem Cochrane-Review aber kritisiert wurde (2). Im Jahr 2010 erschien eine weitere doppelblinde, randomisierte Studie von Löndahl et al. (3), die im Vergleich zur Überdrucktherapie mit Raumluft einen signifikanten Effekt bei der Abheilung von diabetischen Ulzera mit der hyperbaren Sauerstofftherapie nachwies.
Ein gegenteiliges Ergebnis ergab eine Kohortenstudie aus dem Jahr 2013 (4). Sie zeigte, dass Patienten mit Fußulzera, die eine HBO erhielten, ein 1,5- bis 3,0-fach höheres Amputationsrisiko aufwiesen und das Nichtabheilen der Ulzera 1,2- bis 3,0-fach häufiger auftrat. Dieses Ergebnis bestätigte eine andere Studie von Fedorko et al. aus dem Jahr 2016 (5). Das National Institute for Health and Care Excellence (NICE) betont ausdrücklich in seiner aktuellen Leitlinie, dass die HBO außerhalb von Studien nicht empfohlen werden soll (6). Zur mündlichen Anhörung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) im Sommer 2017 legten die Arbeitsgemeinschaft Diabetischer Fuß und die Deutsche Diabetes Gesellschaft, wie vorher bereits auch schon geschehen, eine Eingabe vor. Berücksichtigt wurde dabei auch die Zusammenfassung der DAMO2CLES-Studie (7), die die bisher größte randomisierte Studie zur HBO darstellt und ebenfalls keinen positiven Effekt der HBO fand.
G-BA sieht eingeschränkte Indikation
Im darauf entstandenen G-BA-Beschluss (8), der am 11. Januar 2018 nach Publikation im Bundesanzeiger (9) in Kraft trat, sind nun folgende Indikationen für die hyperbare Sauerstofftherapie bei Diabetischem Fußsyndrom genannt:
"Die hyperbare Sauerstofftherapie zur zusätzlichen Behandlung des diabetischen Fußsyndroms darf nur durchgeführt werden, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:- Die Läsion des diabetischen Fußsyndroms muss bis zur Gelenkkapsel oder Sehnen vorgedrungen sein.
- Es muss eine leitliniengerechte Wundversorgung in einer zur Behandlung des diabetischen Fußes qualifizierten Einrichtung durchgeführt worden sein, während der keine Wundheilungstendenz erkennbar war.
- Im Falle einer Infektion der Läsion muss eine wirksame antibiotische Therapie eingeleitet worden sein.
- Liegt eine relevante makroangiopathische Komponente des Fußsyndroms vor, muss vor der Durchführung der hyperbaren Sauerstofftherapie sichergestellt sein, dass alle Möglichkeiten geeigneter angioplastischer oder operativer Verfahren ausgeschöpft worden sind, um die bestmögliche Durchblutung des Fußes zu gewährleisten.
- Es darf kein belastbarer Hinweis darauf bestehen, dass während des Zeitraums der hyperbaren Sauerstofftherapie die Maßnahmen der Druckentlastung und der leitliniengerechten Wundversorgung nicht durchgeführt werden können."
HBO nicht zu empfehlen
Was ergibt sich daraus für die Praxis? Aufgrund der Studienlage lässt sich der Einsatz der HBO bei diabetischen Fußulzera nicht empfehlen – entgegen dem G-BA-Beschluss und der Beurteilung durch das IQWiG, deren positive Beurteilungen mich erstaunt haben. Entsprechende Kommentare waren während des Bewertungsverfahrens durch die Arbeitsgemeinschaft Diabetischer Fuß der DDG fristgerecht eingereicht worden. Immerhin gibt der G-BA-Beschluss vor, dass die HBO nur nach leitliniengerechter Therapie, nach der keine Wundheilungstendenz erkennbar war, durchgeführt werden darf – und nur durch Überweisung einer für den diabetischen Fuß qualifizierten Einrichtung.
Lieber Total Contact Cast finanzieren
Dass die qualifizierten Einrichtungen ausdrücklich genannt werden, signalisiert, dass die Entscheider im Gesundheitswesen offenbar inzwischen verstanden haben, dass Diabetologen mit den zertifizierten Einrichtungen zur Behandlung des diabetischen Fußes Strukturen geschaffen haben, die zur Behandlung des diabetischen Fußes zweckmäßig sind.
Trotz allem bleibe ich dabei: Die teure HBO sollte nicht angewendet werden, da nicht nachgewiesen ist, dass positive Effekte bei diabetischen Fußulzera erreicht werden können. Im Gegenteil gibt es Hinweise sogar auf schädliche Effekte. Es wäre aus meiner Sicht sinnvoller, Therapien einzusetzen, bei denen die Wirkungen in kontrollierten Studien eindeutig nachgewiesen sind, wie für den Total Contact Cast. Eine finanzielle Vergütung würde dessen breiten Einsatz ermöglichen.
Erschienen in: Diabetes, Stoffwechsel und Herz, 2018; 27 (3) Seite 155-156