Ein in den USA entwickelter Risikoscore, mit dessen Hilfe das individuelle Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen eingeschätzt werden kann, ist auch für deutsche Patienten besser geeignet als die in Deutschland geläufigen und von den Fachgesellschaften empfohlenen Risikorechner – so das Ergebnis einer aktuellen Studie, die an der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg durchgeführt wurde.

Risikorechner dienen der Primärprävention kardiovaskulärer Erkrankungen

Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems zählen nach wie vor zu den häufigsten Erkrankungen in Deutschland und sind Todesursache Nummer eins. Der Einfluss zahlreicher Risikofaktoren für Herz- und Gefäßerkrankungen ist gut untersucht und in zahlreichen Studien dokumentiert. Das Gesamtrisiko für vaskuläre Ereignisse setzt sich aus dem Wirken vieler verschiedener Risikofaktoren zusammen und lässt sich entsprechend abschätzen, wenn einzelne Parameter bekannt sind.

In der Vergangenheit wurden verschiedene Scoring-Systeme entwickelt, mit deren Hilfe das individuelle Risiko, innerhalb der nächsten zehn Jahre einen Herzinfarkt, Schlaganfall oder andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu erleiden und gegebenenfalls daran zu versterben, berechnet werden kann. Die Risikorechner dienen der Primärprävention kardiovaskulärer Erkrankungen: Sie ermöglichen dem praktisch tätigen Arzt, Risikopatienten zu identifizieren und deren Behandlung entsprechend anzupassen. Betroffene eines erhöhten Risikos motivieren sie dazu, dieses positiv zu beeinflussen indem sie ihren Lebensstil verbessern, etwa indem sie körperlich aktiv werden, sich gesund ernähren oder auch lernen mit Stressfaktoren besser umzugehen.

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Verschiedene Länder, verschiedene Scores

In den USA wurde vor einigen Jahren ein neuer Risikoscore für die dortige Bevölkerung entwickelt, der ASCVD (atherosclerotic cardiovascular disease) Risikoscore, zu dessen Berechnung knapp 25.000 Personen aus verschiedenen US amerikanischen Kohorten mit einem langjährigen Follow-up von mindestens zehn Jahren herangezogen wurden.

In Deutschland werden verschiedene Risikoscores verwendet, darunter vor allem ARRIBA, PROCAM und der ESC-Heart Score. ARRIBA basiert auf dem Framingham-Algorithmus und wird – obwohl wissenschaftlich nicht evaluiert – von der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin empfohlen und vor allem von Hausärzten im Rahmen der Check-up Untersuchung genutzt. PROCAM ist ein in Deutschland entwickelter Score, dem die PROCAM-Studie (Prospective Cardiovascular Munster Study) der Universität Münster mit klinischen Daten von 50.000 Personen zugrunde liegt. Der ESC-Heart-Score berücksichtigt Daten aus 12 europäischen Kohortenstudien verschiedener Länder (SCORE-Projekt) und wird von den kardiologischen Fachgesellschaften in Deutschland (Deutsche Gesellschaft für Kardiologie) und Europa (European Society of Cardiology) empfohlen.

ASCVD auch für deutsche Patienten zuverlässig

Wissenschaftler des Mannheimer Instituts für Public Health, Sozial- und Präventivmedizin (MIPH) und der V. Medizinischen Klinik der Universitätsmedizin Mannheim (UMM) haben den ASCVD Risikoscore und neun in Deutschland am häufigsten verwendete Risikorechner verglichen. Sie ermittelten jeweils das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall sowie die Sterblichkeit durch diese Erkrankungen in zehn Jahren, bezogen auf eine deutsche Population in der Primärversorgung.

In ihrer aktuell veröffentlichten Arbeit zeigen sie, dass der ursprünglich für die Bevölkerung der USA entwickelte Risikoscore ASCVD den in Deutschland verwendeten Risikorechnern überlegen ist: Er ist überraschenderweise auch für deutsche Patienten ausgezeichnet kalibriert, über eine große Altersspanne valide und berechnet als Endpunkte sowohl den nicht-tödlichen Herzinfarkt und Schlaganfall als auch diese Ereignisse mit Todesfolge. Die Ergebnisse der Studie empfehlen, den amerikanischen ASCVD Score auch in Deutschland zu verwenden.


Quelle: Pressemitteilung der Universitätsmedizin Mannheim (UMM) | Redaktion