Weniger Zucker, Fett und Salz in Fertigprodukten: So lautet das Ziel der neuen Reduktions- und Innovationsstrategie, die im Dezember 2018 im Kabinett beschlossen wurde. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und diabetesDE sparen hier nicht mit Kritik.

Eine Senkung des Zuckergehalts in überzuckerten Kindercerealien um 20 Prozent, in zuckergesüßten Erfrischungsgetränken um 15 Prozent und in Kinderjoghurts um 10 Prozent: Dies und mehr sieht die neue Strategie des Bundesernährungsministeriums (BMEL) ab 2019 und bis 2025 vor.

"Recht unambitionierte Ziele"

Die DDG und diabetesDE begrüßen diesen neuen Ansatz zwar, er geht ihnen aber nicht weit genug. Dr. Jens Kröger, Vorstandsvorsitzender von diabetesDE, spricht von "recht unambitionierten Zielen", die nur der freiwilligen Selbstverpflichtung der Lebensmittelwirtschaft geschuldet seien. Die Diabetesorganisationen hätten sich hier "mehr ökonomische Anreize gewünscht" wie die Einführung der "gesunden Mehrwertsteuer" (wir berichteten).

Gut finden sie die Ankündigung des BMEL, ein engmaschiges Monitoring sowie die Option zur Nachsteuerung und – bei fehlender Bereitschaft zur Zusammenarbeit – die Prüfung regulatorischer Maßnahmen vorzunehmen.

Weitere Kritik

Zum Entwurf der Nationalen Reduktionsstrategie hatte die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) im Dezember 2018 eine Stellungnahme abgegeben. Die DDG ist grundsätzlich skeptisch, ob die Industrie die Reduktion allein auf freiwilliger Basis umsetzt: Warum gibt es keine verbindlichere Formulierung?

Freiwillig und ganzheitlich

Bei der Strategie verfolge die Bundesregierung einen ganzheitlichen ernährungspolitischen Ansatz, so das Ministerium auf Anfrage des Diabetes-Forums. Bei der Reduktion von Zucker, Fetten und Salz in Fertigprodukten setze es deshalb auf freiwillige Selbstverpflichtungen der Lebensmittelwirtschaft. Die Grundsatzvereinbarung, die beide Seiten schon im Herbst unterschrieben haben, gelte als klare Zusage der Ernährungswirtschaft, die nationale Reduktions- und Innovationsstrategie zu unterstützen.

Ziele und Maßnahmen müssten jedoch messbar und überprüfbar sein. Die Umsetzung der Strategie werde deshalb durch ein umfassendes Monitoring begleitet, das auch die Option zur Nachsteuerung gebe. Bis Ende 2019 solle zudem der Zusatz von Zucker und anderen süßenden Zutaten in Säuglings- und Kleinkindertees verboten werden – über eine Änderung der Diätverordnung.

Kinderoptik? Abschaffen!

An einem weiteren Punkt vermisst die DDG in der Strategie deutlichere Aussagen und Vorgaben seitens des Ministeriums, fordert Ergänzungen. So müssten u.a. Produkte mit Kinderoptik eine günstigere Nährstoffzusammensetzung aufweisen als solche, die sich nicht speziell an Kinder wenden. Am sinnvollsten wäre es aus Sicht der DDG jedoch, "Kinderoptik" komplett abzuschaffen, da es keine Ernährungsprodukte gibt, die für Kinder "besonders geeignet" sind.

DDG: "Ministerin Klöckner stellt sich gegen Verbraucher"
Anfang Januar hat das Bundesernährungsministerium auch den neuen Ernährungsreport 2019 vorgelegt, den die DDG in einer aktuellen Presse-Info kritisiert So enthalte der Report "eine klare Handlungsaufforderung an die Ernährungsministerin: 91 Prozent der Befragten wollen, dass Lebensmittel gesund sind", betont die DDG-Geschäftsführerin Barbara Bitzer. Doch in Deutschland sei derzeit das genaue Gegenteil der Fall: "Viele Fertiglebensmittel sind zu süß, zu fett, zu salzig. Daran wird auch die Nationale Reduktionsstrategie von Frau Klöckner nicht viel ändern, denn die darin bisher vereinbarten Ziele sind viel zu gering – und sie sind nur freiwillig", so Bitzer.

Die Ministerin ignoriere damit, dass 84 Prozent der Befragten den Zuckeranteil in Fertiggerichten reduzieren wollen.

"Reduktionsmaßnahmen bei speziell an Kinder und Jugendliche gerichtete Lebensmittel erhalten eine besondere Priorität im Rahmen der Strategie, da Kinder und Jugendliche zu den besonders vulnerablen Bevölkerungsgruppen gehören und in der Kindheit erworbenes Ernährungsverhalten oft lebenslang beibehalten wird", erklärt dazu das BMEL. Bis 2025 solle deshalb eine deutliche Verbesserung der Nährstoffzusammensetzung bei Kinderprodukten erzielt werden.

Der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft werde ergänzend seine bisherigen Verhaltensregeln gezielt auch mit dem Schwerpunkt auf Werbung überprüfen, die sich an Kinder richte.

Softdrinks: die Hälfte an Zucker reicht!

Aus Sicht der DDG sei auch das Ziel einer "deutlich zweistelligen Zuckerreduktion" bis 2025 zu unkonkret formuliert und zu langfristig. Nur halb so viel Zucker in Softdrinks – ganz nach englischem Vorbild: Das fordert die DDG für Deutschland. Eine klare Absage gab es hier vom Ministerium. "Der Vorschlag geht an der Realität vorbei", erklärte es auf Anfrage. Das BMEL setze stattdessen auf eine Zuckerreduktion bei alkoholfreien Erfrischungsgetränken, die "auch wirklich" bei den Verbrauchern ankommt: "Die Produkte müssen nachgefragt werden."

Eine stufenweise Absenkung des Zuckergehalts in Erfrischungsgetränken ist für das Bundesernährungsministerium daher am aussichtsreichsten. Der Anteil der zugesetzten Zucker an der Gesamtenergiezufuhr soll dauerhaft kleiner werden. Als einer der ersten sechs Branchenverbände hat vor kurzem das Deutsche Tiefkühlinstitut konkret zugesichert, den Salzgehalt seiner Tiefkühlpizza zu senken. Und im Herbst 2019 soll es schon eine erste Überprüfung geben, ob die Hersteller die Reduzierungen umsetzen.

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Autorin: Angela Monecke
Redaktionsbüro Angela Monecke
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Erschienen in: Diabetes-Forum, 2019; 31 (1/2) Seite 6-7