Eine nachhaltige Finanzierung von Kranken- und Pflegeversicherung ist sicherlich die derzeit größte Herausforderung für die neue Bundesgesundheitsministerin Nina Warken. Dennoch hoffen die Diabetesverbände auf ihre mehrfach wiederholte Dialogbereitschaft. Gilt es doch, der chronischen Erkrankung Diabetes in den anstehenden Reformen mehr Berücksichtigung zu verschaffen.

Ich bin davon überzeugt, wir werden so viel mehr erreichen, wenn wir den Beschäftigten in den Gesundheitsberufen mehr zuhören, wie ihre Arbeit effektiver gestaltet werden kann, wo die Hemmnisse in ihrem Arbeitsalltag liegen, welche Bedingungen sie benötigen, um die Patientinnen und Patienten noch besser zu versorgen. Wir wollen daher nicht nur die Vertrauenskultur stärken, sondern ebenso die Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der einzelnen Gesundheitsberufe", erklärte Bundesgesundheitsministerin Nina Warken am 15. Mai 2025 in ihrer Regierungserklärung im Bundestag. Damit bricht die ausgebildete Rechtsanwältin demonstrativ mit dem oftmals kritisierten Kommunikationsverhalten ihres Vorgängers Prof. Dr. Karl Lauterbach, der sich den Vorwurf eingehandelt hatte, das Gespräch mit Praktikern im Gesundheitswesen bewusst zu meiden.

Warken wurde 1979 im baden-württembergischen und in der Diabetesszene allseits bekannten Bad Mergentheim geboren. Seit der Jahrtausendwende Mitglied der CDU fungierte sie als Vorsitzende im Bundesfachausschuss Innere Sicherheit und seit 2023 als Generalsekretärin der CDU Baden-Württemberg. Daher gilt die Verwaltungsexpertin eher als "Greenhorn" in der Gesundheitspolitik. Aufgrund ihrer langjährigen Funktion als Bundestagsabgeordnete ist sie jedoch mit den parlamentarischen Regeln und Gepflogenheiten vertraut, was für ihre politischen Diskussionen sicherlich von Nutzen sein wird.

Triumvirat der Jurisprudenz

Der im Gesundheitsbereich unerfahrenen Warken stehen zwei in der Gesundheitspolitik versierte Männer zur Seite. Dr. Georg Kippels und Tino Sorge unterstützen die Bundesministerin als Parlamentarische Staatssekretäre. Die Drei eint nicht nur eine langjährige Abgeordnetentätigkeit im deutschen Parlament, sondern auch das Studium der Rechtswissenschaften, inklusive 2. Staatsexamen und Tätigkeit als Rechtsanwalt bzw. Rechtsanwältin. Ihre Aufgabe wird es sein, die Ministerin zu entlasten und beispielsweise Termine im Bundestag oder Bundesrat wahrzunehmen. Im Unterschied zu verbeamteten Staatssekretären sind Parlamentarische Staatssekretäre i.d.R. Mitglieder des Bundestages und müssen den Platz räumen, wenn die Ministerin, der Minister wechselt.

Mitglieder im Gesundheitsausschuss des Bundestages
  • CDU/CSU: Sascha von Beek, Simone Borchardt (gesundheitspolitische Sprecherin), Prof. Dr. Matthias Hiller, Anne Janssen, Axel Müller, Dr. Thomas Pauls, Dr. Stephan Pilsinger, Sebastian Schmidt, Nora Seitz, Prof. Dr. Hendrik Streeck, Prof. Dr. Hans Theiss, Dr. Maria-Lena Weiss, Emmi Zeulner
  • AfD: siehe Website des Bundestages: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2025/kw21-pa-gesundheit-konstituierung-1064118
  • SPD: Dr. Tanja Machalet (Vorsitzende des Ausschusses), Matthias Mieves, Claudia Moll, Dr. Christos Pantazis (gesundheitspolitischer Sprecher), Stefan Schwartze, Dr. Lina Seitzl, Serdar Yüksel
  • Bündnis 90/Die Grünen: Dr. Janosch Dahmen (gesundheitspolitischer Sprecher), Simone Fischer, Linda Heitmann, Dr. Kirsten Kappert-Gonther, Johannes Wagner
  • Die Linke: Ates Gürpinar (gesundheitspolitischer Sprecher), Stella Merendino, Evelyn Schötz, Julia-Christina Stange

Dr. Kippels, Jahrgang 1959, stammt aus Nordrhein-Westfalen und blickt auf eine über 40-jährige CDU-Mitgliedschaft zurück. Seit 2013 gehört er dem Bundestag an und in den vergangenen zehn Jahren engagierte er sich im Ausschuss für Gesundheit. Sein 16 Jahre jüngerer Kollege Tino Sorge, einige Zeit selbst als Bundesgesundheitsminister gehandelt, kommt aus Thüringen. Auf die Junge Union folgte 1995 die Mitgliedschaft in der CDU. Zeitgleich mit Kippels wurde er Abgeordneter des Bundestages und war - wie er – im Gesundheitsausschuss aktiv.

Anfang Juni legte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) die Zuständigkeiten der beiden Parlamentarischen Staatssekretäre fest. So verantwortet Sorge die Themenbereiche Digitalisierung und Innovation, Arzneimittel, Private und Gesetzliche Krankenversicherung und BMG-Haushalt. Kippels wiederum ist zuständig für die Bereiche Apotheken, Globale Gesundheitspolitik, Medizinprodukte, Betäubungsmittel, Berufsrecht, Pflege und Öffentlicher Gesundheitsdienst sowie Prävention.

Reformen überprüfen

In ihrer Regierungserklärung thematisierte Warken auch die großen Reformvorhaben. So soll die Reform der Notfallversorgung endlich angegangen werden. Nicht minder wichtig für die Diabetesverbände ist die Aussage der Bundesministerin, in Sachen Krankenhausreform die bestehenden Vorgaben und Anforderungen noch einmal hinsichtlich der Ziele der Reform zu prüfen.

Noch bevor Bundeskanzler Merz sein Kabinett vorgestellt hatte und Warken nominiert war, veröffentlichte die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) gemeinsam mit dem Bundesverband der Niedergelassenen Diabetologen (BVND), diabetesDE Deutsche Diabeteshilfe sowie dem Verband der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe (VDBD) eine gemeinsame Reaktion auf den Koalitionsvertrag.

Koalitionsvertrag enttäuschend

In der gemeinsamen Presseerklärung begrüßten die Diabetesverbände grundsätzlich die angekündigten strukturellen Reformen in der Gesundheitsversorgung. Gleichzeitig betonten sie jedoch, dass es an klaren Aussagen zur Versorgung von Menschen mit chronischen Erkrankungen wie Diabetes mellitus fehlt. "Im gesamten Koalitionsvertrag findet sich kein einziges Mal der Begriff ‚Diabetes‘ – das ist angesichts von 9 Millionen betroffenen Menschen in Deutschland und jährlich rund 500 000 Neuerkrankungen ein fatales Versäumnis", kommentierte Professor Dr. med. Andreas Fritsche, zu diesem Zeitpunkt noch Präsident der DDG.

Aus Sicht der Diabetesverbände bietet der Koalitionsvertrag keine strategische Perspektive zu zentralen Fragen wie der Prävention, Versorgungssicherheit und Anerkennung von Gesundheitsfachberufen. Sie befürchten, dass sich die Versorgung chronisch kranker Menschen in ländlichen Regionen verschlechtert, denn für eine flächendeckende Versorgung braucht es aus ihrer Sicht strukturierte Angebote, zertifiziertes Personal und eine solide Finanzierung. Um komplexe Erkrankungen wie Diabetes leitliniengerecht zu behandeln, fordern sie zudem neben den ambulanten Strukturen auch mindestens die DDG zertifizierten Abteilungen und das entsprechende Fachpersonal in Krankenhäusern zu erhalten.

Gesundheitsfachkräfte stärken

Der VDBD begrüßte das Signal der neuen Bundesgesundheitsministerin, den noch von ihrem Vorgänger vorgelegten Entwurf für ein Pflegekompetenzgesetz vor der parlamentarischen Sommerpause auf den Weg zu bringen. Die Aufwertung der Tätigkeit von Pflegefachkräften durch erweiterte heilkundliche Befugnisse u.a. im Bereich diabetische Stoffwechsellage und der bedarfsgerechte Einsatz der vielfältigen Fachkompetenzen dieser Berufsgruppe steht im Fokus dieses Gesetzesvorhaben. Hierfür definierte der Entwurf auch die notwendigen Qualifikationen und schloss in diesem Zusammenhang auch qualifizierte (Fach-)Weiterbildungen und explizit die Weiterbildung zur/zum Diabetesberater:in DDG ein.

Gleichzeitig zeigte sich der VDBD enttäuscht über die unklare Rolle der Gesundheitsfachberufe im Koalitionsvertrag. So fordert der Verband eine Kurskorrektur in der Krankenhausreform, um Diabetesteams und Diabetesexpertise in den Kliniken zu erhalten. "Diabetesberater:innen DDG müssen in den Leistungsgruppe 1 (Allgemeine Innere Medizin) und Leistungsgruppe 2 (Komplexe Endokrinologie/Diabetologie) der Krankenhausreform abgebildet werden", so Kathrin Boehm, VDBD-Vorsitzende.

Auch in der Digitalisierungsstrategie fehle die Einbindung dieser Berufe: "Telemedizin kann nur dann funktionieren, wenn auch die Expertise aller beteiligten Fachberufe genutzt wird – sowohl in der ambulanten als auch stationären Versorgung", erklärte Boehm. Mit Blick auf den Bürokratieabbau und das geplante Primärarztsystem warnt der VDBD vor Schnellschüssen: Vereinfachung ist gut, aber sie darf nicht dazu führen, dass komplexe Versorgungslagen – wie bei Menschen mit Diabetes – durch starre Pauschalen oder ungeeignete Steuerungsinstrumente untergraben werden.

Apropos Primärarztsystem, dessen Einführung zu den gesundheitspolitischen Vorhaben des Koalitionsvertrages gehört: Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) legte bereits Ende Mai ihr eigenes Konzept zur Patientensteuerung vor. Demnach sollen alle GKV-Versicherte eine:n Vertragsarzt:in, d.h Hausärzt:in, Kinder- und Jugendärzt:in oder Gynäkolog:in, wählen, welche als erste Ansprechpartner:in den Behandlungsverlauf koordiniert. Ausnahmen soll es für chronisch kranke Patientinnen und Patienten geben, die weiterhin direkt eine:n Facharzt:in besuchen können. Diese Pläne stießen sofort auf Kritik des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes. Es besteht also Einigkeit in der Ärzteschaft, dass man sich in der Frage der Patientensteuerung uneinig ist.

Neuer Gesundheitsausschuss

Eine Woche nach der Regierungserklärung der Bundesgesundheitsministerin konstituierte sich unter Leitung des Bundestags-Vizepräsidenten Bodo Ramelow der Gesundheitsausschuss des Bundestages mit 38 ordentlichen Mitgliedern. Davon gehören 13 Abgeordnete der Unionsfraktion an, 9 der AfD-Fraktion, 7 der SPD-Fraktion, 5 der Grünen-Fraktion und 4 der Linksfraktion. Für den Vorsitz und die Leitung des Gesundheitsausschusses wurde Dr. Tanja Machalet (SPD) bestimmt. Die 51-jährige studierte Volkswirtin ist seit 2021 Mitglied im Bundestag und vertritt den Wahlkreis Montabaur in Rheinland-Pfalz.

Eine besondere Rolle spielen auch die gesundheitspolitischen Sprecher:innen der Bundestagsfraktionen. Sie üben eine Schlüsselrolle in der gesundheitspolitischen Arbeit ihrer Fraktion aus, für die sie ein tiefes Verständnis gesundheitspolitischer Themen, kommunikative Fähigkeiten und politisches Gespür benötigen. Die demokratischen Parteien haben folgende Bundestagsabgeordnete als gesundheitspolitische Sprecher bzw. Sprecherin benannt: Simone Borchardt (CDU), Dr. Christos Pantazis (SPD), Dr. Janosch Dahmen (Bündnis 90/Die Grünen) und Ates Gürpinar (Die Linke).

Kassensturz

Nach seiner Konstituierungssitzung Ende Mai befasste sich der Gesundheitsausschuss in seiner zweiten Sitzung am 4. Juni 2025 direkt mit dem drängendsten Thema in der Gesundheitspolitik, d.h. dem Bericht der Bundesregierung über die aktuelle Finanzsituation der Gesetzlichen Krankenversicherung und der Sozialen Pflegeversicherung sowie über die geplanten Maßnahmen zur Stabilisierung der Finanzierung. Dies ist ein deutliches Signal, was sowohl für die Bundesgesundheitsministerin als auch für den Gesundheitsausschuss des Bundestages Priorität hat und haben muss. Dennoch sollten die Akteure im Gesundheitswesen, insbesondere die Diabetesverbände, darauf achten, ob Warken Wort hält und den Beschäftigten in den Gesundheitsberufen mehr zuhören, ihre Eigenständigkeit stärken und vor allem deren Expertise in die politische Arbeit einbinden wird.

Autorin:
© privat
Dr. Gottlobe Fabisch
Geschäftsführerin VDBD e.V. und VDBD AKADEMIE GmbH


Erschienen in: Diabetes-Forum, 2025; 37 (3) Seite 6-8