Die Ernährungsstudie 2017 der Techniker Krankenkasse (TK), die im Januar in Berlin gemeinsam mit foodwatch vorgelegt wurde, hat gezeigt: Die Hälfte der Deutschen setzt auf gesunde Ernährung. Fast 50 Prozent finden sich allerdings zu dick.

Gesund essen wollen 45 Prozent der Befragten. In der Vorgängerstudie zum Ernährungsverhalten der Menschen in Deutschland von 2013 sagten das nur 35 Prozent. Damit stehe "gesund" erstmals noch vor "lecker" (41 Prozent), erklärt die Kasse. An Relevanz hätten auch die Kriterien "kalorienarm" und "schnell" verloren.

Status quo: Die Daten zum Körpergewicht aus der Ernährungsstudie

Zuviel Gewicht auf die Waage bringen 47 Prozent der Bürger in Deutschland. Knapp die Hälfte findet ihr Körpgergewicht auf das Kilo genau richtig: Sie finden sich weder zu dick noch zu dünn. Leichtes Übergewicht gaben 39 Prozent der Befragten an, starkes 8 Prozent. Eher als zu dünn empfinden sich 6 Prozent. Diese Verteilung kommt den Ergebnissen der letzten Befragung von 2013 nah, so die TK.

Zwischen 18 und 39 Jahren sind es noch 3 von 10 Personen, die sich als leicht übergewichtig beschreiben. Jenseits der 40 steigt die Zahl auf mehr als 4 von 10. Der Anteil der zu dünnen Menschen geht entsprechend mit dem Alter zurück. Nur die stark Übergewichtigen bleiben in allen Altersgruppen konstant.

Personen mit einfachem und mittlerem Schulabschluss sind etwas häufiger von leichtem Übergewicht betroffen. Der Anteil derer, die weder zu dick noch zu dünn sind, liegt bei Menschen mit Abitur oder Hochschulabschluss am höchsten bei 55 Prozent.

Auswirkungen des Übergewichts auf den Gesundheitszustand

Dass es einen Zusammenhang zwischen Gewicht und Gesundheit gibt, ist unbestritten. Übergewicht gilt u.a. als Risiko für Bluthochdruck und Typ-2-Diabetes. Von den Teilnehmern, die bei sehr guter Gesundheit sind, fühlt sich die Mehrheit von 54 Prozent weder zu dick noch zu dünn. Bei Personen mit zufriedenstellendem Gesundheitszustand sind es nur noch 36 Prozent. Als leicht übergewichtig bezeichnen sich 46 Prozent aus dieser Gruppe.

Menschen mit schlechtem Gesundheitszustand weichen am meisten von der Mitte ab: Nur 30 Prozent von ihnen fühlen sich genau richtig. 44 Prozent haben Übergewicht, weitere 18 Prozent sind sogar stark übergewichtig.

Bei den chronisch Kranken gaben 13 Prozent an, stark übergewichtig zu sein, bei Personen ohne chronische Krankheit dagegen nur 6 Prozent. Und auch bei konkreten Beschwerden wie Rückenschmerzen, Herz-Kreislauf-Beschwerden, Stoffwechselerkrankungen oder Erschöpfung zeigt sich: Von all diesen Beschwerden sind diejenigen Menschen stärker betroffen, die einige oder auch sehr viele Kilos zu viel haben.

Ernährungsphilosophie der Männer: "Hauptsache lecker"

Die Befragung zeigt zudem: Männer wollen Genuss, Frauen ist die Gesundheit wichtig. Bei über der Hälfte der Frauen (54 Prozent) steht der Gesundheitsaspekt im Fokus. 51 Prozent der Männer hingegen essen nach dem Motto "Hauptsache lecker".

Wie eingangs erwähnt, ergab die Studie, dass sich die Menschen gesünder ernähren wollen. Meist fehlt es dafür aber an Zeit und Ruhe. Für 3 von 4 Personen ist das der Grund für ihre unausgewogene Ernährung. Jeder 7. Befragte nennt fehlendes Wissen als Ursache einer ungesunden Ernährung. 36 Prozent halten die Essensauswahl am Arbeitsplatz für schwierig. Jede 4. Person isst demnach während der Arbeitszeiten nicht viel, dafür aber abends reichlich. 12 Prozent der 18- bis 25-Jährigen meinen – und damit 12 mal mehr vor 3 Jahren – dass sie lactoseintolerant sind.

Heute habe man den Eindruck, dass der Anstieg dieser Unverträglichkeiten auch marketingtechnische Ursachen habe, vermutet die Krankenkasse. Das Problem sei dabei aber nicht, ob vegetarische Produkte, Wurst oder Frikadelle heißen dürfen, sondern ob der Verbraucher weiß, was an Zusatzstoffen in seiner vermeintlich gesunden Alternative steckt.

Anstieg ernährungsbedingter Beschwerden

"Wir verzeichnen seit jahren einen Anstieg ernährungsbedingter Beschwerden, so Dr. jens Baas, Vorstandsvorsitzender der TK. "Allein im Bereich Herz-Kreislauf-Krankheiten, die hierzulande wie in vielen Industrienationen Haupttodesursache sind, sind die Arzneimittelverordnungen für Erwerbspersonen in den letzten 15 Jahren um über 80 Prozent gestiegen."

Oliver Huizinga von der Verbraucherorganisation foodwatch kritisierte, dass den Verbrauchern eine gesunde Lebensmittelwahl unnötig schwer gemacht werde. "Der Großteil der Erfrischungsgetränke ist überzuckert, die Kennzeichnung von Fett, Zucker und Salz ist eine Zumutung, und selbst Süßigkeiten werden wie gesunde Produkte beworben." Das sei kein Bildungsproblem, sondern eine Frage des Angebots, das die Lebensmittelwirtschaft den Kunden vorsetze. "Der Bundesregierung mangelt es offensichtlich an dem politischen Willen, sich mit der Branche anzulegen."

Biochemiestudium und Lupe für Zutatenlisten: "Da läuft etwas falsch"

Auch der TK-Chef sieht Industrie und Politik in der Pflicht: "Gesunde Ernährung liegt im Trend, fällt aber vielen schwer. Wenn ich für den Besuch im Supermarkt ein Biochemiestudium benötige, um Zucker in der Zutatenliste überhaupt identifizieren zu können, wenn ich Licht und Lupe brauche, um diese Liste überhaupt lesen zu können, läuft etwas falsch."

Die Ernährungsstudie zeigte zudem, dass die Verbraucher heute deutlich kritischer mit ihrem Fleischkonsum umgingen.

Veganer, Vegetarier, Flexitarier

Der Anteil der Veganer und Vegetarier sei mit 1 bzw. 2 Prozent immer noch sehr klein, erklärte Peter Wendt, der in der Marktforschung der TK für die Datenanalyse verantwortlich ist. Weitere 13 Prozent der Menschen in Deutschland sehen sich jedoch als sog. Flexitarier: Sie essen überwiegend vegetarisch und verzichten weitgehend auf Fleisch und Wurst. Auch der Anteil der Personen, die bevorzugt Bio-Lebensmittel kaufen, sei in den letzten 3 Jahren von einem Drittel auf 40 Prozent gestiegen.

Die Daten zeigen zudem, dass Ernährungsform und Gewicht zusammenhängen. Der Anteil der Befragten, deren Körpergewicht im Normalbereich liegt, ist bei den Gesundessern besonders groß (53 Prozent). 41 Prozent der Fleischesser sehen sich als leicht übergewichtig an. Bei den Veganern und Vegetariern gilt dies nur für 20 Prozent, bei den Flexitariern für 29 Prozent.

Die Studie

Das Meinungsforschungsinstitut Forsa hat im September 2016 für diese Studie 1.200 deutschsprachige Personen ab 18 Jahren zu ihrem Ernährungsverhalten in Alltag, Freizeit und Beruf befragt.



Autorin: Angela Monecke
Redaktion Diabetes-Forum, Kirchheim-Verlag
Kaiserstraße 41, 55116 Mainz
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Erschienen in: Diabetes-Forum, 2017; 29 (1/2) Seite 6-7