Bei der 57. Jahrestagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft diskutieren Forschende und Behandelnde Chancen, Risiken und ethische Aspekte eines derzeit in Studien angewandten Antikörperscreenings, das bei Kindern eine in der Zukunft auftretende Diabeteserkrankung nachweisen soll. Die Früherkennung dieser Risikopatientinnen und -patienten könnte zudem in eine die Erkrankung verzögernde Therapie mit einem monoklonalen Antikörper münden, welche in den USA bereits zugelassen ist. Vor- und Nachteile des Screenings werden in einem Kongress-Symposium gemeinsam mit dem Ethiker Giovanni Maio diskutiert werden.

Rund 300.000 Menschen mit Typ-1-Diabetes leben in Deutschland. Etwas mehr als 30.000 davon sind Kinder und Jugendliche unter 20 Jahren. Jährlich erkranken etwa 3000 junge Menschen neu an der chronischen Stoffwechselerkrankung. „Typ-1-Diabetes ist nicht heilbar, lässt sich aber mit den modernen Methoden der Insulintherapie gut behandeln“, sagt Professor Dr. med. Andreas Neu, Präsident der DDG und Kommissarischer Ärztlicher Direktor der Abteilung Neuropädiatrie, Entwicklungsneurologie und Sozialpädiatrie an der Kinderklinik Tübingen. „Dennoch bleibt für die Betroffenen die Belastung durch eine chronische Erkrankung. Nicht nur für die Erkrankten selbst, auch für deren Familien verändert sich mit der Diagnose das Leben oft massiv.“

Fortschritte in Diagnostik und Therapie

In den letzten Jahren habe die Diagnostik, aber auch die Therapie des Typ-1-Diabetes bedeutende Fortschritte gemacht, erläutert Neu. Auch eine Früherkennung ist mittlerweile möglich: „Durch ein in Studien bereits durchgeführtes Antikörperscreening besteht die Möglichkeit, bei Kindern ein künftiges Erkrankungsrisiko zu identifizieren, lange bevor erste Symptome auftreten und die Krankheit ausbricht. Seit kurzem in den USA zugelassen und in Europa beantragt ist die Gabe des monoklonalen Antikörpers Teplizumab, der in Studien die Manifestation der Erkrankung nicht verhindern, aber um einige Jahre verzögern konnte.“

Nutzen der Früherkennung unklar

Doch welchen Nutzen die Früherkennung für die betroffenen Kinder und deren Familie tatsächlich hat und ob ein Screening auf Diabetes Typ 1 wirklich sinnvoll sein könnte, sei derzeit unklar. „Dazu müssen noch viele offene Fragen geklärt werden – sowohl medizinische als auch ethische“, betont der Kinderdiabetologe: „So beispielsweise, wie treffsicher das Screening tatsächlich ist und wie mit falsch-positiven Befunden von Betroffenen umgegangen wird, die dann mit der Belastung eines nicht vorhandenen Risikos leben.

Zum anderen sollte nicht unterschätzt werden, dass das Wissen um eine künftige Erkrankung schon im Vorfeld ihrer Entstehung eine jahrelange Bürde sein kann. Und ist der Einsatz von Teplizumab zur Krankheitsverzögerung ein Gewinn, wenn wir dafür den Einsatz einer Immunintervention mit möglichen Nebenwirkungen bei einem noch gesunden Kind in Kauf nehmen müssen? Ist eine Intervention gerechtfertigt bei einer heute gut behandelbaren Erkrankung und modernen Therapie-Optionen, die in vielen Bereichen ein nahezu normales Leben ermöglichen?“ Besonders die ethischen Aspekte müssten intensiv diskutiert werden.

Typ-1-Diabetes bei vielen zu spät erkannt

Klar ist, dass der Diabetes Typ 1 bei vielen Kindern und Jugendlichen immer noch zu spät erkannt wird - häufig erst mit einer schweren Stoffwechselentgleisung, der sogenannten diabetischen Ketoazidose (DKA). „Hier ist unverzichtbar, die Aufklärung von Eltern, aber auch bei KiTa- und Schulpersonal zu verbessern, wie wir es mit der Kampagne zur Früherkennung des Typ-1-Diabetes machen“, sagt Neu.

Das Symposium „Typ-1-Diabetes Screening: Chancen, Nutzen, Risiken“ findet am Donnerstag, den 18. Mai 2023, von 10:30 Uhr bis 12:00 Uhr in Raum A2 im CityCube Berlin statt und wird auch live gestreamt.

Der diesjährige Diabetes Kongress wird wieder als Hybrid-Veranstaltung stattfinden. Vor Ort können sich Teilnehmende mit Kolleginnen und Kollegen austauschen und vom gesamten Vortragsangebot profitieren. Zeitgleich werden einige Vorträge live gestreamt, die Teilnahme an Workshops ist jedoch ausschließlich vor Ort in Berlin möglich. Im Nachgang der Tagung sind alle Vorträge 6 Monate digital on demand abrufbar. Die 57. Jahrestagung der DDG beginnt offiziell am Mittwoch, den 17. Mai 2023, um 17.00 Uhr mit einer Eröffnungsveranstaltung. Das Kongressprogramm ist im Internet unter Diabetes Kongress 2023 abrufbar. Interessierte können sich ab sofort direkt online anmelden unter Registrierung | Diabetes Kongress 2023.


Quelle: Deutsche Diabetes Gesellschaft | Redaktion