Die Schilddrüse ist ein sehr komplexes Organ. In ihr werden die Schilddrüsenhormone produziert. Wie wichtig das Zusammenspiel dieser Hormone – auch in Hinblick auf den Diabetes – ist, erfahren sie im Fortbildungsbeitrag (inklusive Fragebogen) von Dr. Gerhard-W. Schmeisl.

Die Schilddrüse ist normalerweise ein kleines ungefähr 25 g schweres hufeisenförmiges Organ, das in der Halsregion vor der Luftröhre, dicht unterhalb des Schildknorpels liegt. Die Schilddrüse besteht aus zwei Seitenlappen und einer Gewebsbrücke, dem Isthmus, wodurch diese Lappen miteinander verbunden sind. In den Follikeln werden die Schilddrüsenhormone produziert und in kleinen Tröpfchen, dem Kolloid, gespeichert. Nebenbei sei erwähnt, dass zwischen den einzelnen Follikeln, in denen das Schilddrüsenhormon gespeichert wird, so genannte C-Zellen vorhanden sind, die das wichtige Hormon Calcitonin produzieren.

Diese winzige Schilddrüse kann vom Arzt in der Regel nicht einmal getastet werden, weil sie so klein ist. Vergrößert sie sich, wird sie schließlich zur "Struma". In früheren Jahren, als noch Jodmangel herrschte und man noch nicht diese Zusammenhänge kannte, wurde sie so groß, dass sie manchmal den Patienten die Luftröhre abdrückte, was schließlich zu schwierigen Operationen im Zusammenhang mit der Schilddrüse führte.

Zusammenhänge zwischen Schilddrüse und Diabetes

Bevor ich auf die genaue Wirkung der einzelnen Schilddrüsenhormone eingehe, und die bei Jodmangel häufig auftretende Schilddrüsenvergrößerung (Struma), kurz ein paar Worte über die Zusammenhänge zwischen Schilddrüse und Diabetes:

Ähnlich wie beim Typ-1-Diabetes mit einer Fehlsteuerung des Immunsystems, kann es bei der Schilddrüse zu einer Zerstörung des Schilddrüsengewebes durch Immunzellen kommen, der Hashimoto-Thyreoiditis (Autoimmunerkrankung). Ähnlich wie beim Typ-1-Diabetes, bei dem insulinproduzierende Zellen zerstört werden, sind es hier Schilddrüsenzellen, was schließlich in einer Unterfunktion der Schilddrüse endet. Menschen mit Typ-1-Diabetes erkranken 5-mal häufiger an einer Hashimoto-Thyreoiditis, aber auch Frauen mit Typ-2-Diabetes haben vor allem in der Zeit nach den Wechseljahren ein erhöhtes Risiko eine Hashimoto-Thyreoiditis zu bekommen.

Für Diabetiker wichtig ist darüber hinaus, dass eine Unterfunktion der Schilddrüse die Insulinempfindlichkeit der Zellen erhöht. Das bedeutet, dass Zucker besser aus dem Blut in die Zellen geschleust werden kann. Wenn aber Zucker in die Zellen geschleust wird, vermindert sich der Gehalt im Blut und es kann zur Unterzuckerung kommen. Insbesondere bei Diabetikern die mit Insulin oder blutzuckersenkenden Tabletten behandelt werden und bei unklaren Unterzuckerungen sollte deshalb auch immer an eine Schilddrüsenstörung gedacht werden.

Wichtig in diesem Zusammenhang: Die meisten Stoffwechselfunktionen beim Menschen steuern die Schilddrüsenhormone T3 und T4. Das bekannteste Stoffwechselhormon ist jedoch Insulin. Somit werden die wichtigsten dieser Botenstoffe von der Schilddrüse und der Bauchspeicheldrüse (Beta-Zellen) produziert.

Die Schilddrüse und ihre Hormone

Die Schilddrüse bildet die beiden Hormone Thyroxin T4 und Trijodthyronin T3. Beide werden aus Aminosäuren (Thyrosin) durch Anlagern von Jod gebildet. Das Thyroxin enthält 4 Jodatome, das Trijodthyronin 3 Jodatome. Das Thyroxin ist biologisch weniger wirksam als das Trijodthyronin, dafür aber in 10-fach höherer Konzentration vorhanden, wobei nach der Sekretion aus der Schilddrüse ein Großteil von T4 in T3 umgewandelt wird.

Die Schilddrüsen-Hormonproduktion unterliegt einem sehr ausgeklügelten Regelkreis, wobei im Gehirn der Hypothalamus (TRH) und die Hypophyse über die Produktion von TSH unmittelbar auf den Anstieg oder Abfall der Schilddrüsenhormone im Blut reagieren. Im Einzelfall müssen diese Hormone ebenfalls untersucht werden, um zu sehen, ob der Regelkreis zwischen Hypothalamus und Hypophyse (Hirnanhangdrüse) und den Schilddrüsenhormonen weiterhin funktioniert.

Wichtige Aufgaben der Schilddrüsenhormone
  • Erhöhen den Grundumsatz des Körpers indem die Herzarbeit aber auch die Temperatur und der Abbau von Fetten und Glykogen gesteigert werden
  • Fördert das Wachstum und die Gehirnreife (Anm: deshalb wird unmittelbar nach der Geburt bei jedem Neugeborenen die Schilddrüsenfunktion getestet (Bestimmung des TSH basal)
  • Aktivitätszunahme des Nervensystems: bei zu viel Hormonen kommt es zu einer Übererregbarkeit von Muskelreflexen

Die wichtigsten Krankheitszustände sind die Schilddrüsenüber (Hyperthyreose) und Unterfunktion (Hypothyreose) Die häufigste Ursache einer Überfunktion ist ein gutartiger Tumor der Schilddrüse (Adenom), dessen Zentrum und dessen Produktion nicht mehr der Kontrolle der Hirnanhangdrüse unterliegen.

Das rechtzeitige Erkennen einer Schilddrüsenerkrankung

Da es ein erhebliches Zusammenwirken von Diabetes und Schilddrüsenerkrankungen gibt, was oft nicht bekannt ist, sollte die Funktion der Schilddrüse bei Diabetikern mindestens 1x/Jahr kontrolliert werden. Dies insbesondere, da eine Schilddrüsenunterfunktion durch eine Gabe von Schilddrüsenhormonen zu einer völligen Stabilisierung der Stoffwechsellage und zur Normalisierung auch von Unterzuckerungen (Hypoglykämien) führen kann. Nur so kann eine bereits schlummernde Schilddrüsen-Unterfunktion mit der Gefahr von Unterzuckerungen entdeckt und entsprechend behandelt werden.

Durch eine Unterfunktion(Hypothyreose) kommt es bei Diabetespatienten zu einer gesteigerten Insulinempfindlichkeit (verminderte Insulinresistenz), wodurch der tägliche Insulinbedarf sinkt. Außerdem ist die Beweglichkeit des Magen-Darm-Traktes und auch die Zuckeraufnahme im Darm herabgesetzt.

Umgekehrt ist bei mehr als der Hälfte der Patienten mit unbehandelter Schilddrüsenüberfunktion die Glukosetoleranz, also die Empfindlichkeit auf Zucker (verstärkte Insulinresistenz), gestört. Bei vielen besteht ein Diabetes. Bei der Hyperthyreose ist die Insulinempfindlichkeit dagegen vermindert. Es wird aus dem Darm vermehrt Glukose ins Blut aufgenommen, zugleich wird vermehrt Glukagon freigesetzt. Die Auflösung von Glykogenspeichern in der Leber ist verstärkt.

Symptome bei Schilddrüsen­überfunktionSymptome bei Schilddrüsen­unterfunktion (auch bei Hashimoto-Thyreoiditis)
erhöhter Grundumsatzerniedrigter Grundumsatz
Erhöhung der KörpertemperaturKälteempfindlichkeit
Steigerung der Herzarbeit mit beschleunigter Herzfrequenz (Puls in Ruhe > 100/Min)niedrige Herzfrequenz
ggf. Durchfall (Diarrhoe)Verstopfung (Obstipation)
GewichtsabnahmeGewichtszunahme
innere Unruhe, psychische Labilitätgeistige Verlangsamung und Müdigkeit mit erhöhtem Schlafbedürfnis
teigige Hautveränderungen (Myxödem)
heisere, tiefere Stimme
trockene und schuppende Haut
Verlust der sexuellen Lust und der Potenz, Menstruationsunregelmäßigkeiten

Wird dagegen die Schilddrüse wieder in den Normalbereich überführt (euthyreote Stoffwechsellage) normalisiert sich auch der Kohlenhydratstoffwechsel wider. Bei bereits bestehendem Diabetes besteht die Gefahr, dass eine unbehandelte Hyperthyreose für eine zunehmende Entgleisung des Stoffwechsels sorgt, mit extrem hohen Blutzuckerwerten, bis hin zum Koma diabetikum.

Sonderform: die Hashimoto-Thyreoiditis

Benannt nach ihrem Erst-Beschreiber, einem japanischen Arzt, ist sie die häufigste Ursache einer Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose). Durch Fehlsteuerung des Immunsystems kommt es über Jahre durch die Produktion von Antikörpern gegen das Schilddrüsengewebe dazu, dass die Schilddrüsenzellen immer mehr abbauen. Als Folge resultiert schließlich eine Unterfunktion. Im Ultraschall entdeckt man manchmal eine sehr kleine, oder eine fast verschwundene Schilddrüse. Erst dann wird sie bemerkt. Diese Hashimoto-Thyreoiditis, eine Autoimmunerkrankung, findet man manchmal auch im Zusammenhang mit einem Typ-1-Diabetes, aber auch mit Rheuma oder einer Zöliakie.

Die typischen Symptome einer Hashimoto-Thyreoiditis sollte man kennen (Tab. S. 12) Bei Verdacht auf eine Hashimoto-Thyreoiditis genügt in der Regel eine Blutentnahme mit Bestimmung der Schilddrüsenhormone und des TSH basal, was Hinweise auf einen funktionierenden Regelkreis gibt oder nicht. Evtl. auch Bestimmung bestimmter Antikörper wie TPO und TG-Antikörper, ebenfalls eine Ultraschall-Untersuchung (Sonographie) der Schilddrüse. Hier kann man Hinweise auf den Zerstörungsprozess des Schilddrüsengewebes feststellen. Die Entnahme von Gewebeproben ist in der Regel nicht erforderlich.

Da die Erkrankung der Hashimoto eine Autoimmunerkrankung ist (also nicht durch Bakterien oder Viren verursacht), ist keine ursächliche Behandlung möglich, wie z.B. mit Antibiotika. Patienten mit Schilddrüsenunterfunktion müssen dann lebenslang Schilddrüsenhormone einnehmen und diese regelmäßig kontrollieren lassen.

Da etwa jeder dritte Erwachsene in Deutschland eine veränderte Schilddrüse hat, oft ohne Beschwerden oder Über- und Unterfunktion mit Einwirkungen auf den Blutzucker-Stoffwechsel und allgemein körperliche Funktionen, sollten gerade bei Diabetikern möglichst einmal im Jahr die Schilddrüsenhormone und der TSH basal als Hinweise auf einen funktionierenden Regelkreislauf untersucht und ggf. eine Ultraschall-Untersuchung stattfinden.

Schilddrüse allgegenwärtig

Die Schilddrüse mit ihren Hormonen mischt fast überall im Stoffwechsel mit. Sie beeinflusst mit ihren Hormonen sowohl positiv als auch negativ. Generell gilt, dass eine Überfunktion "hibbelig" macht, eine Unterfunktion trägt zur Verlangsamung bei. Eine weitere Diagnostik bringt in der Regel die bestätigende Diagnose.

Fragen zum Fortbildungsartikel „Diabetes und Schilddrüse“

In regelmäßigen Abständen gibt es in unseren Diabetes-Forum-Ausgaben Fortbildungsbeiträge. Zusammengestellt sind die informativen Artikel von Dr. Gerhard-W. Schmeisl aus Bad Kissingen. Dieses Mal geht es um das Thema "Schilddrüsenerkrankungen". Alle Interessierten haben an dieser Stelle die Möglichkeit, ihr Wissen über das jeweilige Thema zu überprüfen:


1. Deutschland ist angeblich kein Jodmangelgebiet mehr, seit wann?


2. Eine gesunde Schilddrüse eines Erwachsenen wiegt etwa:


3. Die wichtigsten Hormone der Schilddrüse sind:


4. Jod ist ein essentiell wichtiges Spurenelement – wir benötigen pro Tag etwa:


5. Die Produktion von Schilddrüsenhormonen unterliegt einem Rückkopplungsmechanismus. Welches Hormon ist das direkt stimulierende?


6. Welche Antikörper sind bei der Hashimoto-Thyreoiditis wegweisend?


7. Ein extrem niedriger TSH-Spiegel im Blut spricht für:


8. Was kann ein kalter Schilddrüsenknoten bedeuten?


9. Eine Schilddrüsenunterfunktion führt bei Menschen mit Diabetes oft zu?


10. Untersuchungen mit Röntgen-Kontrastmitteln können auslösen:


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Autor: Dr. Gerhard-W. Schmeisl
Internist/Angiologie/Diabetologie/Sozialmedizin/Rehabilitationswesen
Lehrbeauftragter der Universität Würzburg
Chefarzt Deegenbergklinik,
Burgstraße 21,
97688 Bad Kissingen
Tel: 0971/ 821-8434

Erschienen in: Diabetes-Forum, 2018; 30 (9) Seite 33-36