Mit dem offiziellen ersten Spatenstich hat am Montag (3. Dezember 2018) der Bau des neuen Zentrums für Metabolisch-Immunologische Erkrankungen und Therapietechnologien Sachsen der Medizinischen Fakultät an der Technischen Universität Dresden und des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus begonnen.

In den kommenden Monaten entsteht an der Ecke Augsburger Straße/Fiedlerstraße ein moderner Forschungsneubau, in dem Experten der Inneren Medizin, Endokrinologie, Immunologie, Chirurgie, Transplantationsmedizin, Zellbiologie und den Materialwissenschaften gemeinsam neue medizinische Ansätze entwickeln. Bund und Land unterstützen den Neubau, für den Investitionen über 35,5 Millionen Euro notwendig sind.

2023 soll die Arbeit in dem Zentrum beginnen. Wissenschaftler und Mediziner wollen hier neue Methoden für die Diagnostik, Therapie und Vorbeugung von Stoffwechselkrankheiten wie Diabetes entwickeln. Der Aufbau von hochmodernen Kommunikationsschnittstellen zwischen Patienten, Ärzten und Wissenschaftlern sowie zu digitalen Daten wird international wegweisend für die zukünftige Behandlung nicht nur von Diabetespatienten sein.

Neue Strategien aus Erkenntnissen der metabolisch-immunologischen Biomedizin

In Deutschland leiden mehr als acht Millionen Menschen unter Diabetes, der hinsichtlich der Häufigkeit und Sterblichkeit an vierter Stelle aller Erkrankungen steht. Denn die Folge der Stoffwechselkrankheit ist nicht nur ein sichtbares Übergewicht. Diabetes heißt auch, ein gesteigertes Herzinfarktrisiko, die Gefahr zu erblinden oder Durchblutungsstörungen zu entwickeln. In den letzten 20 Jahren stieg in Deutschland die Zahl der Betroffenen um fast 40 Prozent. Unter der älteren Bevölkerung ist jeder Fünfte daran erkrankt. Allein in der Bundesrepublik steigt die Zahl der Diabetespatienten jeden Tag um 1.000 Menschen. Weltweit sind eine halbe Milliarde Menschen von dieser Zivilisationskrankheit betroffen.

Dies bringt gesellschaftliche und sozio-ökonomische Herausforderungen für Politik, Gesellschaft und Wirtschaft mit. „Um die epidemische Ausbreitung zu mindern und für Patienten neue komplikationsarme Behandlungsansätze zu entwickeln, müssen wir ausgetretene Pfade verlassen“, sagt Prof. Stefan R. Bornstein, Sprecher des Zentrums für Metabolisch-Immunologische Erkrankungen und Therapietechnologien Sachsen (MITS). „Es bedarf breit gefächerter interdisziplinärer Ansätze, um die neuen Erkenntnisse aus der metabolisch-immunologischen Biomedizin hin zu neuartigen und effektiven Strategien für die Diagnostik und Therapie von Diabetes und seinen Folgekrankheiten zu entwickeln.“

Neuen Technologien und Therapien auch am Patienten anwenden

Ein Beispiel dafür ist ein Bioreaktor: „Man kann ihn sich wie einen Herzschrittmacher vorstellen. Eine kleine Dose von fünf bis sechs Zentimetern Durchmesser, die auf das Bauchfell, also unter die Haut, transplantiert wird“, sagt Prof. Bornstein. In der Dose sind Betazellen beispielsweise des Schweins verpackt und so vor den Abwehrmechanismen des menschlichen Körpers geschützt. Über einen Port werden die Zellen von außen mit Sauerstoff versorgt, über eine Membran bekommen sie körpereigene Nährstoffe. Der Reaktor kann selbstständig nach Bedarf Insulin produzieren und an den Körper abgeben.

Die Gabe von Insulin über Spritze oder Pumpe in den Körper wäre damit überflüssig. Bis der Bioreaktor allen Menschen mit Typ-1-Diabetes helfen kann, müssen Mediziner, Zellbiologen, Ingenieure und Materialwissenschaftler weiter forschen. Das MITS wird dafür das Zentrum sein.

„Es geht um ein neues, innovatives Verständnis, wie die Regulation des Immunsystems funktioniert“, fährt der MITS-Sprecher fort. Unter anderem sollen Mechanismen erforscht werden, die eine Abstoßung von Zellen und Organen durch das eigene Immunsystem sowie die Entstehung und das Fortschreiten der Krankheit verhindern. Zudem wollen die Wissenschaftler im MITS neue Materialien testen, die im menschlichen Körper die Stamm- oder Spenderzellen vor Abstoßung schützen.

Es geht um Prävention und um Heilung. Folgeerkrankungen an Gefäßen, Herz, Niere, Leber sowie an den Knochen, die durch Diabetes und andere Stoffwechselerkrankungen hervorgerufen werden, sollen verhindert und die Regeneration der Zellfunktionen ermöglicht werden. „Und wir wollen die neuen Technologien und Therapien auch am Patienten anwenden“, sagt Prof. Stefan R. Bornstein. „Ärzte des Universitätsklinikums und Wissenschaftler der Medizinischen Fakultät der TU Dresden arbeiten Hand in Hand“, so Prof. Dr. D. Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand des Universitätsklinikums Dresden. „Damit stellt dieses Institut die klassische Translationsfunktion des Hochschulmedizinstandortes Dresden dar.“

Wissenschaftler auf dem Gebiet der Diabetesforschung zusammenbringen

Prof. Michele Solimena, Sprecher des Paul Langerhans Instituts Dresden des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung und Professor für Molekulare Diabetologie an der Medizinischen Fakultät Dresden profitiert bereits davon. Zusammen mit seinem Team erforscht er die Funktionsweise der Betazellen – unter anderem auch mithilfe von menschlichen Gewebeproben. Die Betazellen der Bauchspeicheldrüse sind die einzigen Zellen, die im menschlichen Körper das blutzuckersenkende Hormon Insulin freisetzen. Die autoimmune Zerstörung der Betazellen lässt den Typ-1-Diabetes entstehen, wohingegen eine beeinträchtigte Insulinausschüttung eine Rolle beim Entstehen des Typ-2 Diabetes spielt.

Mit dem Wissen über die Funktionsweise der Zellen und der Abläufe im Körper beim Fortschreiten der Erkrankung könnte Diabetes langfristig verhindert beziehungsweise bestehende Therapien optimiert werden. Unter anderem arbeiten verschiedene Forschungsgruppen bereits daran, die im Bioreaktor eingesetzten Zellen weiter zu verbessern. „Das MITS bietet exzellente Möglichkeiten, Wissenschaftler auf dem Gebiet der Diabetesforschung zusammenzubringen“, sagt Prof. Michele Solimena.

Die Visualisierung zeigt die Westseite des Neubaus für das MITS.

Mit dem Zentrum für Metabolisch-Immunologische Erkrankungen und Therapietechnologien Sachsen (MITS) bekommen Dresden und Sachsen ein weiteres Domizil der Spitzenforschung. Hier arbeiten Wissenschaftler und Mediziner in
13 Arbeitsgruppen Hand in Hand, auch um eine bessere Patientenversorgung zu gewährleisten. „Damit werden Arbeitsbedingungen für Wissenschaftler und Ärzte geschaffen, die deutlich über dem internationalen Standard liegen und die zukunftsweisende Forschung am Standort Dresden weiter beflügeln werden“, sagt Prof. Heinz Reichmann, Dekan der Medizinischen Fakultät der TU Dresden.

Mit dem MITS wird das deutschlandweit einzigartige Konzept einer eng verzahnten synergistischen Arbeitskette von zellulärer bis metabolischer Regeneration umgesetzt. Die enge Verzahnung innerhalb der über 2.000 Quadratmeter Forschungsfläche des MITS wird die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Medizinischen Fakultät und des Universitätsklinikums Dresden weiter stärken. Zu sehen ist diese Innovation künftig auch an der Fassade des Neubaus. Dort stellen verschiedene Öffnungen die kreisrunde Struktur des Bioreaktors dar. „Das MITS soll Wahrzeichen für Innovation in Dresden und Sachsen sein“, sagt Prof. Stefan R. Bornstein.

Stoffwechselerkrankungen nicht nur therapieren, sondern verhindern

„Der Neubau ist der Startschuss für ein weiteres Domizil der Spitzenforschung. Mittelfristig ist diese Investition auch ein Garant für eine bessere Patientenversorgung, da genau hier die neuen Erkenntnisse gewonnen werden, die später in die Therapie einfließen werden. Für Wissenschaftler aus allen Ländern wird das MITS künftig eine erste Adresse sein. Stoffwechselerkrankungen sollen hier nicht nur therapiert, sondern sogar verhindert werden. Die 35,5 Millionen Euro für dieses Bauvorhaben ist daher eine höchst sinnvolle Investition in die Zukunft, in die wir – vor dem Hintergrund der Erwartungen an die Medizin – dann auch zum Glück optimistisch blicken dürfen“, erklärt Sachsens Wissenschaftsministerin Dr. Eva-Maria Stange.

Der Neubau entsteht direkt neben dem Medizinisch-Theoretischen Zentrum (MTZ) der Medizinischen Fakultät an der Fiedlerstraße, das im Jahr 2000 eröffnet wurde. Bevor der Bau des MITS beginnen konnte, wurde eine Industriebrache abgerissen. Abriss und Neubau kosten über 28 Millionen Euro. Für Erstausstattung und Großgeräte sind weitere sieben Millionen Euro notwendig. Unter anderem wollen die Wissenschaftler damit den Stoffwechsel im Organismus vollständig erfassen, Zellen isolieren und einen Einblick in die Zellfunktionen erhalten.



Quelle: Pressemitteilung des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden