Lesen Sie hier das Editorial aus der Fachzeitschrift „Diabetes, Stoffwechsel und Herz“, Ausgabe 3/2015.
"Der Blutzucker ist super eingestellt", meinte die 52-jährige Patientin mit Typ-1-Diabetes, als sie sich zum ersten Mal vorstellte. Und in der Tat: Mit einem HbA1c von 6,1 % unter einer intensivierten Insulintherapie gab es nichts zu nörgeln. Dem Hausarzt allerdings würde ihr EKG nicht gefallen ...
Bei Durchsicht der mitgebrachten EKGs fiel ein neu aufgetretener kompletter Rechtsschenkelblock auf, typische Angina-pectoris-Symptome kannte die Patientin nicht. Bei der weiteren kardiologischen Untersuchung wurde letztlich eine schwere operationspflichtige koronare 3-Gefäß-Erkrankung diagnostiziert. Diese klinische Vignette erinnert an das hohe Risiko für ischämische Herzerkrankungen auch bei Patienten mit Typ-1-Diabetes.
Diese atherosklerotische Last vermindert die Lebenserwartung erheblich, wie eine aktuelle schottische Arbeit im JAMA 2015 analysiert (siehe "Für Ihre Praxis"). In der Tat ist die Lebenserwartung durch Koma, Ketoazidose, Nephropathie und koronare Herzkrankheit (KHK) um ca. 10 Jahre verkürzt. Grund genug, diese Erkrankungen im Fokus der Diagnostik und Therapie von Patienten mit Typ-1-Diabetes zu halten.
Auch zwei weitere Arbeiten konzentrieren sich auf die Atherosklerose als Begleiterkrankung der Patienten mit Diabetes. Burgard und Pfützner schildern eine innovative Therapieform mit Hyaluronidase bei einem Patienten mit weit fortgeschrittener, "austherapierter" KHK. Die intravenöse Therapie mit Hyaluronidase führte zu einer beeindruckenden klinischen und angiographischen Verbesserung des Befunds. Inwieweit diese Therapie zur Glykokalix-Remodelierung sich etablieren kann, müssen die Ergebnisse randomisierter Studien zeigen.
In unserer interdisziplinären Falldiskussion steht eine Patientin mit Typ-2-Diabetes und Hinterwandinfarkt im Mittelpunkt. Ziegelasch und Motz diskutieren hier insbesondere die Bedeutung und Therapiemöglichkeiten des Lp(a) als Risikofaktor. Aktuell wird man bei Patienten mit massiv erhöhtem Lp(a) und Atherosklerose die Apherese empfehlen, aber eine neue Klasse der Lipidtherapeutika (die PCSK9-Inhibition) könnte in naher Zukunft Bedeutung für diese Patienten gewinnen.
Ausführlich stellt Lottmann die Ergebnisse eines Delphi-Verfahrens zur Versorgungssituation von Patienten mit Typ-2-Diabetes vor. Die Ergebnisse spiegeln auch unsere Erfahrungen wider: Bei 60 % der Patienten findet sich ein HbA1c ≤ 7,5% und bei nur ca. 35 % ein LDL-Cholesterin < 100 mg/dl und ein Blutdruck ≤ 140/80 mmHg. Offensichtlich besteht hier noch erheblicher Raum für die Verbesserung der Therapie atherosklerotischer Risikofaktoren.
Wir wünschen viel Spaß beim Lesen und Nachdenken!Ihre Prof. Dr. Oliver Schnell, Prof. Dr. Dr. h. c. Diethelm Tschöpe, Prof. Dr. Christian Schneider
Erschienen in: Diabetes, Stoffwechsel und Herz, 2015; 25 (3) Seite 153
