Das Bundeskabinett in Berlin hat diese Woche den Entwurf des Präventionsgesetzes beschlossen. Ein Kernstück sind die sieben Nationalen Gesundheitsziele, die vom Kooperationsverbund „gesundheitsziele.de“ seit dem Jahr 2000 entwickelt wurden. Auf Platz 1 steht dabei „Diabetes mellitus Typ 2: Erkrankungsrisiko senken, Erkrankte früh erkennen und behandeln“, ein Ziel, das bereits 2003 entwickelt wurde. Vor elf Jahren schon hatte „gesundheitsziele.de“ einen Bericht zu Diabetes mellitus Typ 2 vorgelegt und auf 30 Seiten ausführlich die Schwächen in der Versorgung, der Prävention und Früherkennung analysiert, operationale Ziele entwickelt, Instrumente vorgeschlagen und enormen und dringenden Handlungsbedarf konstatiert. Passiert ist seitdem wenig. Bei der Bekämpfung von Diabetes mellitus ist Deutschland eine Präventionswüste.(1)

Auch die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) kritisierte den Ansatz, der dem geplanten Gesetz zugrunde liegt mit den Worten: „Bereits heute gibt es hunderte von Präventionsangeboten, sowie vielfältige Informationen und Appelle an die Vernunft des Einzelnen. Die in den letzten Jahrzehnten dramatisch gestiegene Zahl der chronischen Krankheiten macht deutlich, dass diese Strategie gescheitert ist. Das Präventionsgesetz wird zum Scheitern verurteilt sein, wenn es nicht gelingt, statt einer Ausweitung der Projektitis zu einer nachhaltigen Veränderung von Strukturen zu kommen.“

In Europa hat Deutschland die höchste Rate an Diabeteserkrankten

Dringlichkeit ist geboten. Denn die Zahl der Diabetiker ist inzwischen auf 7.5 Millionen angewachsen.(2) Damit steht Deutschland weltweit an achter Stelle der Länder mit der höchsten Anzahl an Diabeteserkrankten im Jahr 2014. In Europa hat Deutschland die höchste Rate an Diabeteserkrankten.

Nierenerkrankung ist eine der häufigsten Folgen der Zuckerkrankheit

Dabei ist der Diabetes selbst leicht beherrschbar und kostet im Rahmen der Medikamenteneinstellung nicht mehr als 600 Euro jährlich. Das Problem stellen ausschließlich die Folgeerkrankungen des Diabetes dar. Eine Nierenerkrankung ist eine der häufigsten und gefährlichsten Folgen der Zuckerkrankheit. Mehr als ein Drittel aller Diabetiker entwickeln im Laufe ihres Lebens eine diabetische Nephropathie, die in fortgeschrittenem Stadium – also ohne Nierenersatztherapie – zum Tode führt. Diese diabetische Folgeerkrankung macht mittlerweile etwa 40% aller an die Dialyse geführten Patienten mit weiter steigender Tendenz aus. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Diabetiker diese Komplikationsphase erreicht, hat sich durch das ständig sinkende Eintrittsalter in den Diabetes erheblich erhöht. Während vor einiger Zeit nur 0,7 % der Diabetiker die Phase des Nierenfunktionsverlustes erlitten haben, sind es jetzt 0,9 % und dies erhöht sich mit zunehmender Dynamik.

Die meisten der 80.000 dialysepflichtigen Schwerstkranken in Deutschland müssen ihr Leben lang mindestens drei Mal wöchentlich für jeweils vier bis acht Stunden zur Blutwäsche – neben vielen anderen Einschränkungen ihrer Gesundheit, ihrer Lebensqualität und ihrer Lebensdauer. Das New England Journal of Medicine berichtete in einer über 20 Jahre dauernden Langzeitstudie von einer nicht relevanten Eindämmung der Folgeerkrankung der DN.(3)

Globalen Bedrohung der Menschheit

Das ‎Leid der betroffenen Patienten und volkswirtschaftliche Schäden erreichen eine bedrohliche Dimension. Diabetes wurde deshalb von den Vereinten Nationen als erste nicht durch eine Infektion ausgelöste Erkrankung zu einer globalen Bedrohung der Menschheit erklärt. Die Folgeerkrankung DN gewinnt auch in Deutschland zunehmend an Dynamik. Bisherige Präventionsmaßnahmen der gesetzlichen Krankenversicherung konnten weder die Dynamik eindämmen noch einen anderweitig messbaren Erfolg erzielen.

Inzwischen haben Wissenschaftler den Nachweis erbracht, dass durch eine früher einsetzende, intensive Behandlung der DN ein signifikanter Therapieerfolg erzielbar ist, wenn eine frühere sichere Diagnose erfolgen kann.(4,5) Mit traditioneller Diagnostik – vor allem der Messung eines einzigen Proteins (dem Albumin-Eiweiß-Anteil im Urin, Mikroalbuminurie) – wird die lebensbedrohliche Nierenschädigung jedoch erst spät erkannt. Oft sogar so spät, dass krankhafte Funktionsstörungen oder Organschäden bereits unumkehrbar weit fortgeschritten sind. Das derzeit modernste und leistungsfähigste Diagnose-Verfahren, die Urin-Proteom-Analyse mit 273 Proteinen/Proteinfragmenten (DiaPat-DN-Test), kann die diabetische Nephropathie hingegen schon in ihren allerersten Anfängen nachweisen. Dies ermöglicht eine optimierte Behandlung des Diabetes und seiner Begleiterkrankungen. Dadurch kann das Fortschreiten der diabetischen Nephropathie tatsächlich noch wirksam aufgehalten werden.

Höhere Lebensqualität

Studien zeigen, dass der DiaPat-DN-Test die DN nicht nur erheblich genauer erkennt als die Mikroalbuminurie, sondern dass diese Erkennung auch erheblich früher - etwa bis zu zwei Jahre - mit hoher Genauigkeit erfolgt.(6) Durch diese frühere Erkennung können die DN Erkrankungen in der entscheidenden Progressionsphase erstmalig gezielt behandelt werden. Dies ermöglicht neben der rechtzeitigen Therapieeinleitung auch das notwenige Monitoring im Rahmen einer optimierten Therapieeinstellung. Für die Patienten bedeutet das eine höhere Lebensqualität durch die Vermeidung von zu frühen Nierenersatztherapien und weiteren kardio-vaskulären Komplikationen und für das Gesundheitssystem eine Vermeidung von erhöhten Kosten.

Integration innovativer Diagnoseverfahren

So innovativ und wertig ein neues Diagnoseverfahren auch ist, es müssen viele bürokratische Hürden genommen werden, bevor es allgemein angewandt werden kann. In Deutschland haben sich die Entscheidungsgremien der Selbstverwaltung (Gemeinsamer Bundesausschuss) nach vier Jahren noch nicht zu einer Bezahlung der Proteom-Diagnostik, auf der die Diapat-Tests beruhen, durchgerungen. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hatte die Bewertung im Jahr 2011 beim G-BA beantragt. Angesichts der wachsenden Herausforderung durch die Folgeerkrankungen von Diabetes mellitus fordern viele Experten eine zügige Integration solcher innovativer Diagnoseverfahren und eine Berücksichtigung im neuen Präventionsgesetz. Der europäische Nephrologenverband ERA-EDTA hat kürzlich erklärt, dass die Urin-Proteom-Analyse bei der Risikoabschätzung einer chronischen Nierenkrankheit, einschließlich der DN, nützlich sein kann.(7)


Literatur:
(1) Ärzte Zeitung online 19.11.2014: Diabetes – Präventionswüste Deutschland.
(2) diabetesDE. Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2015. Mainz, Kirchheim + Co GmbH.
(3) Gregg et al., 2014. Changes in diabetes-related complications in the United States, 1990-2010. N. Engl. J Med 370, 1514-1523.
(4) Andresdottir et al., 2014. Improved survival and renal prognosis of patients with type 2 diabetes and nephropathy with improved control of risk factors. Diabetes Care 37, 1660-1667.
(5) Farmer et al., 2014. Optimal strategies for identifying kidney disease in diabetes: properties of screening tests, progression of renal dysfunction and impact of treatment - systematic review and modelling of progression and cost-effectiveness. Health Technol. Assess. 18, 1-128.
(6) Zürbig et al., 2012. Urinary Proteomics for Early Diagnosis in Diabetic Nephropathy. Diabetes 61, 3304-3313.
(7) ERA-EDTA 22. Oktober 2014: Urinary Proteome Analysis Refines Diagnosis of Renal Dysfunction

Quelle:mosaiques diagnostics