Wie geht es weiter in der Diabetologie? Nach dem Weggang von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach skizziert Dr. Bernd Liesenfeld die aktuelle Situation und gibt einen Ausblick.
Wer hätte das gedacht? Der einst von breiten Bevölkerungsgruppen gefeierte Erneuerer des Gesundheitswesens zu Coronazeiten, Karl Lauterbach, hat sein Amt als vielgescholtener Sündenbock verlassen.
Er hat auch die diabetologische Versorgungslandschaft heftig erschüttert und große Ängste um den Fortbestand von Fachkliniken und Fachpraxen ausgelöst. Die Interessensverbände der Diabetologie waren in diesem Thema einig wie selten zuvor, liefen dagegen Sturm und begannen Kampagnen, um für ihre Mitglieder zu streiten. Kurz vor Torschluss schob die Regierung aber dennoch wichtige Gesetze zur Reform der Kliniken (KHVVG, 11.12.24) und Praxen (GSVG, 1.3.25) über die Ziellinie. Jetzt reibt sich manch einer die Augen: die so angefeindeten Lauterbach‘schen Reformen werden von der neuen Regierung weitergeführt und in Teilen sogar noch ausgebaut. Zurückgenommen wird aber nichts.
Was bedeutet das nun für die Diabetesteams und ihre Patienten in der Republik? In den Kliniken darf mit ziemlicher Sicherheit erstmal durchgeatmet werden, denn es wird sich vermutlich zunächst nicht sehr viel ändern. Die wenigen spezialisierten Fachkliniken ohne Einbindung in ein Klinikum werden wahrscheinlich durch Sonderregelungen am Netz bleiben, und die weitaus größere Anzahl diabetologischer Sektionen innerhalb internistischer Abteilungen werden Bestand haben. Dafür sorgt der gerade veröffentlichte Katalog des Instituts für Entgelte im Krankenhaus (InEK), der die Leistungen der Diabetologie auf Bundesebene im Wesentlichen der Allgemeinen Inneren Medizin oder der Allgemeinen Chirurgie zuordnet. Diabetes kann also jeder – kommt Ihnen das bekannt vor?
Das bedeutet andererseits aber auch, dass die angekündigte Verbesserung der diabetologischen Behandlungsqualität in den Kliniken mangels fehlender Verankerung jedweder diabetologischer Strukturkriterien im Abrechnungssystem wohl nicht stattfinden wird. Auch die bis zum Sommer angekündigte Anpassung der Personalschlüssel für bestimmte Leistungsgruppen wird daran wohl nichts mehr ändern. Selbst eine Berücksichtigung der Forderungen von VDBD und DDG zur Vorhaltung von Diabetesteams zur Abrechnung einer eigenen diabetologisch-endokrinologischen Leistungsgruppe wird ohne relevante Fallzahlen in der Zukunft keinen Fortschritt bringen. Kliniken werden keine Leistungsgruppen mit hohen Personalauflagen beantragen, wenn sie diese auch ohne teures Personal in bereits vorhanden Leistungsgruppen erlösen können.
Die mühsam aufgebauten Zertifizierungen der DDG werden in der geplanten Reform wohl keine Rolle mehr spielen. Im Gegenteil, es steht zu erwarten das alle Zertifikate, die ohne persönliche Begehung und Überprüfung durch unabhängige Gutachter erworben werden, nicht im Bundes-Klinik-Atlas des IQTIG gelistet werden.
Für die Schwerpunktpraxen mit überwiegender Spezialisierung auf Menschen mit Diabetes dürfte die Luft bald deutlich dünner werden. Das GSVG erlaubt ab Herbst nur noch eine Versorgungspauschale pro Jahr pro Patient für die Behandlung einer chronischen Erkrankung. Hier ist Streit programmiert, denn diesen Posten werden sich die Hausärzte nicht nehmen lassen. Die bislang automatisch gewährte Vorhaltepauschale einer Praxis wird an klassische hausärztliche Leistungen gekoppelt und könnte ebenso für viele reine Diabetespraxen wegfallen. Dazu kommt die massive Abwertung der Hba1c-Bestimmung, die Öffnung des Schulungsmarktes für digitale überregionale Anbieter per dDMP und die Stärkung der Apotheken zur Teilnahme an Präventionsmaßnahmen. Werden Apotheken neben den Impfungen zukünftig auch HbA1c und Glukose anbieten und bei Bedarf gleich die digitale App dazu mitgeben?
Erinnern wir uns: Lauterbauch war einer der Architekten des umwälzenden Abrechnungssystems für Kliniken (DRG) im Jahre 2003, das unter einer rot-grünen Regierung 2003 die Pflegetage ersetzte und ebenso heftig diskutiert wurde wie die aktuellen Reformen. Die nachfolgenden Regierungen anderer politischer Couleur hatten dies nie rückgängig gemacht. Aus gutem Grund, denn seither sind die Klinikaufenthalte immer kürzer und effektiver geworden. Die Kosten hat das allerdings nicht im Zaum gehalten. Heute sind die DRG fester Bestandteil geworden. Ich vermute, dass dies bei Begriffen wie "Vorhaltebudget" oder "Leistungsgruppen" ganz ähnlich sein wird. Wie werden wir diese Reformen 2055 rückblickend beurteilen? Minister gehen, Reformen bleiben. Ich mach mir da schon mal ein paar Notizen falls Herr Lauterbach doch nochmal...
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Erschienen in: Diabetes-Forum, 2025; 37 (3) Seite 5
