Über 9 Millionen diagnostizierte Diabetes-Patienten leben in Deutschland – Tendenz steigend. Mit den geplanten Früherkennungsmaßnahmen des Gesundes-Herz-Gesetz (GHG) wird die Anzahl der diagnostizierten Diabetes-Patienten noch einmal stark steigen.

Vor dieser besonderen Herausforderung in der Versorgung ist es wichtig, die nicht-medikamentöse Therapie wieder in den Fokus zu rücken und die neuen Möglichkeiten in der Praxis anzuwenden.

Der Entwurf des GHG vom 19.06.2024 sieht u.a. vor, durch zusätzliche Früherkennungsmaßnahmen in Apotheken sowie durch eine stärkere Nutzung der Check-up Untersuchungen im Alter von 25, 40 und 50 Jahren Risikopatienten frühzeitiger zu diagnostizieren. Ein wichtiger Schwerpunkt der im Gesetzesentwurf hervorgehoben wird ist das systematische Erkennen von lebensstilbezogenen Risikofaktoren und die notwendigen Interventionsangebote. Die geplanten Maßnahmen, wie z.B. das Versenden von Einladungen mit Gutscheinen durch die Krankenkassen an ihre Versicherten für eine Beratung sowie Messungen zu Risikofaktoren (z.B. Diabetes) in Apotheken, wird viel Licht in die Dunkelziffer von geschätzten 1,3 Millionen nicht diagnostizierten Diabetes-Erkrankten bringen. Doch haben wir genügend Ressourcen in der Diabetesversorgung, um die zusätzlichen neuen Patienten mit ärztlich begleiteten Maßnahmen bei der Lebensstilintervention zu unterstützen?

10 Jahre kein Update zur Basistherapie in der Leitlinie

Die erste Auflage der Nationalen Versorgungs-Leitlinie (NVL) Typ-2-Diabetes erschien im Mai 2002 und beinhaltete lediglich eine Seite zur Basistherapie und zur Einflussnahme auf den Lebensstil von Diabetikern. Die zuletzt im November 2014 geänderte Version 4 der ersten Auflage enthält 37 Seiten Informationen, auch zum Hintergrund und zur Evid++enz der Basistherapie-Optionen. Die aktuelle 2. Auflage der NVL weist darauf hin, dass erst wenn alle nicht-medikamentösen Maßnahmen ausgeschöpft sind, die Leitliniengruppe die Indikation zur medikamentösen Therapie vorsieht, doch fehlt das gesamte Kapitel zur Basistherapie in Gänze. Auch in der Version 3 vom Mai 2023 fehlt das dringend benötigte Update zur Basistherapie nach wie vor. Wir befinden uns in einer Situation, in welcher diese Therapieoptionen so wichtig sind wie noch nie, gleichzeitig haben wir es in den letzten Jahren versäumt, diesen Therapieoptionen die notwendige Aufmerksamkeit zu schenken.

Die neuen digitalen Möglichkeiten sind eine große Chance

Es lohnt sich mehr denn je, sich wieder verstärkt der nicht-medikamentösen Therapie in der Praxis zu widmen. Am 9. März 2024 ist der Beschluss des G-BA in Kraft getreten, der es ermöglicht, ab sofort Schulungen ganz oder teilweise im Videoformat umzusetzen. Die Erbringung der Schulungen erfolgte bisher, im Rahmen des Disease-Management-Programms (DMP), vor Ort in den Räumlichkeiten der schulenden Praxis zu einem festgelegten Termin. Mit dem Beschluss des G-BA entfällt nun erstmals die räumliche Abhängigkeit, wodurch der Zugang zu den Schulungsangeboten erleichtert und die Schulungsrate erheblich verbessert werden kann. Nur einen Monat später, am 12. April 2024, wurde zusätzlich zur räumlichen Dimension auch die zeitliche Dimension gesprengt. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat erstmals in Deutschland den medizinischen Nutzen (Senkung HbA1c) einer digitalen Gesundheitsanwendung (DiGA) für ein verbessertes Diabetesmanagement anerkannt. Dies ermöglicht eine asynchrone Basistherapie für alle Typ-2-Diabetes-Patienten, denn die DiGA Vitadio kann unabhängig von Raum und Zeit genutzt werden Des Weiteren wird die digitale Basistherapie vollumfänglich von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet, auch unabhängig davon, ob der Patient in ein DMP eingeschrieben ist oder nicht und ist eine wichtige Ergänzung zu den Schulungsmaßnahmen.

© Vitadio | Abb. 1: Die neue Vielfalt der Basistherapie.

Asynchrone Basistherapie für die Hosentasche

Nach der dauerhaften Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis des BfArM haben sich der GKV-Spitzenverband und die Vitadio Health Technologies GmbH im regulären Verfahren der Preisverhandlung auf einen Erstattungsbetrag für die DiGA geeinigt. Rückwirkend zum 15.04.2023 gilt der neue Preis von 224,01 €. Vitadio kann jederzeit auf dem Smartphone angewendet werden, wodurch die Lebensstilintervention tief in die digitalen Lebenswelten der Patienten vordringt und sie dort abholt. Eine asynchrone Intervention, welche in den digitalen sowie analogen Lebenswelten stattfindet, hebt die Qualität der Basistherapie auf ein neues Niveau und trägt nachweislich zu einer gesünderen Lebensweise der Patienten bei. In der RCT Zulassungsstudie (EIVEL) lag die durchschnittliche Senkung des HbA1c nach 3 Monaten bei -0,68% und nach 6 Monaten bei -0,8%. Somit wird deutlich, dass sich der positive Effekt von Vitadio über einen längeren Zeitraum verstetigt. Zusätzlich zu diesem primären Endpunkt zeigten sich auch positive Effekte in den Bereichen Gewichtsreduktion, Blutdruck, Diabetes-bedingte Belastung und Diabetes-Selbstmanagement. Die DiGA hat einen multimodalen Ansatz und geht dabei auf die folgenden Themenbereiche ein: Edukation, Ernährungstherapie, Steigerung der körperlichen Aktivitäten, Stoffwechselkontrolle, Stressbewältigung und Resilienz sowie Gewichtsmanagement.

Vitadio motiviert, befähigt und aktiviert

Um die Patienten nachhaltig bei einer Verhaltensänderung hin zu einem gesunden Lebensstil bestmöglich zu unterstützen, nutzt die DiGA das wissenschaftlich erprobte transtheoretische Modell. Die richtige Dosierung von Motivation, Befähigung und Aktivierung spielt dabei eine wichtige Rolle. Die DiGA ist sehr einfach und übersichtlich aufgebaut. Auf der Startseite hat man eine Gesamtübersicht und kann schnell auf alle Hauptfunktionen zugreifen. In der anpassbaren Aufgabenliste werden individuelle Ziele, neue Lektionen, eine Erinnerung an das Eintragen von z.B. Körpergewicht und der Stimmung sowie jeden Tag ein neuer Tipp des Tages angezeigt. Das Erfüllen der Aufgaben motiviert und aktiviert die Nutzenden täglich.

© Vitadio
Abb. 2: Die multimodale Basistherapie mit Vitadio.

Der Tipp des Tages beinhaltet praktische Hinweise und Alternativen, um den Alltag gesünder zu gestalten, soll zur Reflektion der eigenen Gewohnheiten anregen und jeden Tag aufs Neue Wissen vermitteln. Regelmäßig wird eine neue Infolektion freigeschaltet, wodurch das aktive Lernen und die Befähigung zum Selbstmanagement gefördert werden. Die Lesedauer der Lektionen beträgt nur 5–12 Minuten und es wird evidenzbasiertes Wissen, gut verständlich in den Bereichen Diabetes, Ernährung, psychisches Wohlbefinden, Stressmanagement und Schlafqualität vermittelt. Mithilfe von Lebensmittelbeispielen, Bildern und Reflexionsfragen wird spielerisch geschult und wiederholt. Angeknüpft an jede Lektion kann ein individuelles Ziel ausgewählt werden, um die Nutzenden zu aktivieren. Es kann ein eigenes Ziel eingegeben oder ein bereits vorgegebenes Ziel ausgewählt werden. In den Einstellungen befindet sich außerdem der Fortschrittsbericht, welcher als PDF oder ausgedruckt mit dem medizinischen Fachpersonal oder dem Arzt oder Ärztin geteilt werden kann. Hier sind unter anderem die Veränderungen der Blutzuckerwerte, des Körpergewichts und des Bauchumfangs ersichtlich.

Vereinfachte Anwendung durch KI

Ein besonderes Merkmal von Vitadio ist die sinnvolle Integration von KI, um die Nutzerfreundlichkeit zu erhöhen. Ein intelligenter persönlicher Assistent hilft den Patienten dabei, ein Ernährungstagebuch zu führen. Der Assistent ALFRED verfügt über eine KI-Funktionalität (Convolutional Neural Network) zur automatischen Erkennung von Lebensmitteln in hochgeladenen Bildern von Mahlzeiten sowie einen fortschrittlichen Autovervollständigungsmechanismus für manuelle Eingaben durch die Patienten. Die KI-Komponente zielt darauf ab, die Zeit zu reduzieren, die der Patient zum Protokollieren der Mahlzeit benötigt. Die zweite assistierende Rolle des Mechanismus bietet gezieltes und zeitnahes Feedback zu den hochgeladenen Mahlzeiten, um die Motivation zu steigern und die Einhaltung des Programms zu erhöhen. Diese KI-Lösung stimuliert auf natürliche Weise eine Verhaltensänderung in den Essgewohnheiten der Patienten und identifiziert wesentliche Ernährungsmuster.

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Vitadio­Startseite und KI-gestütztes Ernährungstagebuch.

Patientenforum fördert den Austausch und die Motivation

Die Patienten können entscheiden, ob sie das sichere Patientenforum innerhalb von Vitadio nutzen möchten. Hier wird ein Gemeinschaftsgefühl geschaffen und die Möglichkeit geboten, in den Austausch zu kommen, von Erfahrungen zu berichten und sich gegenseitig zu ermutigen. Dies kann wesentlich zur Steigerung der Motivation beitragen.

Das Forum wird von einer ausgebildeten Fachkraft moderiert und jede Woche wird ein neues Diskussionsthema gepostet, aber auch die Nutzenden selbst können ein neues Thema beginnen. Außerdem wird das Forum täglich überprüft, um die fachliche Richtigkeit sicherzustellen.


Literatur
1. Icks, A. & Rathmann, W. (n.d.). Diabetes in Deutschland – Zahlen und Fakten. Zuletzt abgerufen 23.07.2024, auf https://www.diabinfo.de/zahlen-und-fakten.html#:~:text=Die%20Hochrechnung%20zeigt%2C%20dass%20im,Diabetes%20aller%20Voraussicht%20%C3%BCberschritten%20wird
2. Del Prato, S. et al., Diabetologia, Ausgabe 67, S. 1155–1158, Mai 2024
3: Diabetesnetz Deutschland. (n.d.). Diabetesprävention. Zuletzt abgerufen 23.07.2024, auf rhttps://www.diabetesnetz.info/diabetes/#:~:text=Die%20gesch%C3%A4tzte%20Dunkelziffer%20liegt%20bei,sowie%20weitere%20spezifische%20Formen%20unterschieden,
4. Bundesärztekammer (BÄK), Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ), Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG), Fachkommission Diabetes Sachsen (FDS), Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale Versorgungs-Leitlinie Diabetes mellitus Typ 2 - Kurzfassung, 1. Auflage. Version 1. Mai 2002. https://www.leitlinien.de/themen/diabetes/archiv/archiv-nvl-therapie-typ-2-diabetes
5. Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale Versorgungs-Leitlinie Therapie des Typ-2-Diabetes – Langfassung, 1. Auflage. Version 4. 2013, zuletzt geändert: November 2014. https://www.leitlinien.de/themen/diabetes/archiv/archiv-nvl-therapie-typ-2-diabetes; DOI: 10.6101/AZQ/000213
6. Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale Versorgungs-Leitlinie Therapie des Typ-2-Diabetes – Langfassung, 2. Auflage . Version 3. 2023.
https://www.leitlinien.de/themen/diabetes/version-3

Autor:
© privat
Arvid Ziegler
Vitadio Health ­Technologies GmbH, Rudi-Dutschke-Str. 23, 10969 Berlin


Erschienen in: Diabetes-Forum, 2024; 36 (11) Seite 35-37