Die Behandlung des Diabetischen Fußsyndroms braucht besondere Ressourcen. Das gilt für die Behandlungsteams, aber auch für die Hardware, z.B. die Behandlungsräume. Wie solche Standards aussehen könnten, darüber berichtet Dr. Joachim Kersken.
In Deutschland gibt es etwa 300 ambulante und stationäre, ärztlich geleitete Fußbehandlungseinrichtungen DDG. Bislang gibt es hierzu keinen Standard und keinerlei Empfehlungen zur Einrichtung. Oftmals wurde der Autor dieses Artikels aus dem Kreis der Einrichtungen (auch zur Unterstützung gegenüber dem Arbeitgeber) und von Interessenten auf dem Weg zur Fußbehandlungseinrichtung gebeten, eine Orientierungshilfe für die Einrichtung von Fußbehandlungseirichtungen zu formulieren. Der Autor ist seit Jahren mitverantwortlich für die Zertifizierung von Fußbehandlungseinrichtungen DDG und bezieht in diesem Artikel Stellung hinsichtlich der Einrichtung und Ausstattung eines Fußbehandlungsraumes in einer Praxis oder Klinik. Der Text gründet sich auf persönliche, langjährige Erfahrung und Arbeit in ambulanten und klinischen Fußbehandlungseinrichtungen und Kenntnis zahlreicher ambulanter wie klinischer Einrichtungen in ganz Deutschland. Aufgenommen wurden auch Kommentare und Ergänzungen anderer KollegInnen, die der Autor beratend um Ihre Einschätzung hierzu gebeten hat.
Einführung
Im Fußbehandlungsraum einer Fußbehandlungseinrichtung werden Patienten mit DFS hinsichtlich Diagnostik, Therapie und Prophylaxe eines diabetischen Fuß-Syndroms in Praxis, Ambulanz oder Klinik versorgt. Hier findet die eigentliche Versorgung der Wunden und grundsätzlich die Option zur Verbesserung der Wundheilung, die Langzeitbetreuung und letztlich die strukturierte Versorgung zur Reduktion von Amputationen statt. Oftmals halten sich die Patienten in diesem Raum länger, häufiger und auch mit Ängsten und Sorgen hinsichtlich des Fußbefundes auf. In vielen Kliniken und Praxen steht bislang für diese Patienten ein wenig prominenter, ja ausgesprochen nachgeordneter Raum zur Verfügung. Es geht aber auch anders. Viele Beispiele aus Praxen und Kliniken zeigen: freundliche, ausreichend große, gut zu erreichende Räume mit Blick nach draußen und ggfs. Visualisierung des eigenen Befundes (über die Insensibilität wird die Realität am Fuß zumindest anders wahrgenommen) sind möglich.
Ausstattung
Allgemein
Klassische OP-Bedingungen sind in der Regel nicht erforderlich. Der Raum sollte ausschließlich als Fußbehandlungsraum ausgewiesen sein (in chirurgischen Praxen/Ambulanzen wird das anders sein). Eine Schwerpunkteinrichtung für das DFS benötigt sicher einen (optional mehrere) speziell eingerichteten Raum.
Die Raumgröße sollte etwa 16-20 qm betragen. Ein größerer Raum ist im Regelfall nicht erforderlich, ein deutlich kleinerer Raum ist für Patient und Behandler eher ungeeignet.
Wünschenswert und zu empfehlen ist mindestens ein Fenster (für Sicht und Lüftung). Ein Luftverwirbler für den Raum ist, nicht nur aus hygienischen Gründen, ungeeignet. Eine eigentliche Klimaanlage ist noch nicht (zwingend) erforderlich – jedoch unter den merkbaren Klimaveränderungen der letzten Jahre vermutlich bald sehr sinnvoll bis notwendig, um den Aufenthalt für Patienten wie die Arbeit für das Personal erträglich zu halten.
Der Zugang sollte generell für Patienten mit Handicap problemlos möglich sein: ausreichende Türbreite. In der Klinik geeignet für ein Bett und in der Praxis/Ambulanz geeignet für übergroße/weite Rollstühle (auch E-Rollstuhl). Achtung: Betten und Rollstühle sind in den letzten Jahren breiter geworden. Bisherige Standardmaße hinterfragen.
Behandlungsliege/Behandlungsstuhl
Wozu man sich vor Ort entscheidet ist weniger relevant. Wichtig ist jedoch eine bequeme und ausreichende Höhenverstellbarkeit. Liege wie Stuhl sollten schwerlastgeeignet sein. Achtung: Arbeiten an der Ferse bei einem auf der Seite liegenden Patienten sollte entspannt für alle möglich sein. Wichtig: ausreichende Arbeits- und Ablagefläche am Fußbereich, mit einer Liege besser möglich. Entscheidet man sich für einen Strombetrieb zur Höhenverstellbarkeit ist eine Stromquelle an der (oft abgehängten) Decke sinnvoll (Kabel ist nicht im Weg, kein Stolpern, kein Kurzschluss beim Reinigen des Bodens und einer sich dort befindlichen Steckdose).
Günstig ist ein freier und ausreichender Zugang von beiden Seiten an Liege bzw. Stuhl.
Empfehlenswert und darauf zu achten ist, dass der Patient zur Durchführung der Ratschow-Lagerungsprobe (orientierend zur Beurteilung der Perfusion) und zur Dopperdiagnostik leicht flach zu lagern ist.
Bei einer Behandlungsliege ist zu empfehlen darauf zu achten, dass der Patient in Bauchlage (Fersenwunde) den Kopf entspannt lagern kann (Loch im Rückenteil der Liege). Sinnvoll: Unterlegrolle/Kissen zur Extremitätenlagerung. Mindestens zwei Sitzgelegenheiten im Raum für Angehörige und Behandler.
Beleuchtung
Klares, helles Deckenlicht für den Patientenkontakt, für die Arbeit am Fuß, für die Vorbereitung an der Arbeitsfläche und die Dokumentation.
Ergänzend ist ein variabel und gezielt auf die Wunde einzustellender Deckenstrahler (OP-Leuchte, evtl. mit spezieller Lupenlampen) sehr zu empfehlen; alternativ ist ein Standstrahler möglich, der die Wunde ebenso gut und gezielt ausleuchten kann.
Die Möglichkeit einer am Kopf des Behandlers mit einem Riemen befestigten Leuchte hat sich bislang kaum durchgesetzt und ist aus Erfahrung nicht zu empfehlen (allenfalls provisorisch bei der Versorgung im Patientenzimmer).
Fußboden und Wände
Es empfiehlt sich ein klar und einfach zu reinigender und zu desinfizierender Boden und Wandbereich. Von Teppich- und Holzböden ist aus dieser Hinsicht dringend abzuraten. Empfehlungen, ob alles gefliest oder an den Wänden waschbare Tapeten erforderlich sind, können nicht gegeben werden. Aus hygienischen Gründen sei jedoch von Wandteppichen und Staubfängern an den Wänden abgeraten.
PS: Nicht jedoch von Bildern an den Wänden, die den Aufenthalt entspannen können.
Schränke
Stauplatz zum Verstauen von Verbandmaterial, Ansichtsmaterial, Geräten ist im Verlauf immer zu wenig im Raum vorhanden! Hängeschränke und Unterschränke im Bereich der Arbeitsfläche, nach Möglichkeit mit Schiebetüren (platzsparend und weniger Stoßverletzungen als Türöffnung in den Raum, trifft insbesondere auch für Hängeschränke zu), glatte Oberfläche zur desinfizierenden Reinigung. Schubladen unter der Arbeitsfläche können Wundauflagen und Instrumentarium übersichtlich bevorraten.
Hygiene
Mund-/Nasenschutz, Schutzbrille, Kittel, Handschuhe (versch. Größen), ausreichend großes Waschbecken, Seifen- und Desinfektionsspender; ausreichend großer Abwurf (Fußbedienung) im Bereich des Arbeitsbereichs und des Waschbeckens. Keine Topfblumen. Hygieneplan. Besonderes Augenmerk ist auf die Tastatur des PC zu richten hinsichtlich bakterielle Kontamination, unterschiedliche Kontakte mit und ohne Handschuhe, vor und nach Wundbehandlung, Reinigung. Neben Plastiküberzug (eingeschränkt komfortabel) ist eine Einhausung mit UV-Licht eine gute Option. Fliegengitter vor dem Fenster reduzieren im Sommer ungebetene, fliegende Besucher."
Arbeitsfläche, Schreibtisch, PC
Ausreichend lang (etwa 2 m), Stromanschluss für verschiedenste Geräte, glatte Oberfläche, abgerundete Ecken und Kanten. Ein separater, übersichtlicher und verschiebbarer Verbandstisch hat sich in größeren Einrichtungen für sauberes und übersichtliches Arbeiten als sehr hilfreich gezeigt.
Diagnostik
Handspiegel (für Patient), Zentimetermaß.
Neuropathiediagnostik: Tip-Term, Monofilament, evtl. Pin-Prick-Stimulator (52Nm Monofilament), Stimmgabel.
Perfusion: (bidirektionaler) Doppler, RR-Manschette zur Verschlussdruckmessung am Unterschenkel und an den Zehen, evtl. Duplex, Blutdruckmessgerät; Lippenstift zur Markierung einer prominenten Stelle/Wunde am Fuß mit Abdruck auf Bettung oder Papier, Stift, DIN A 4 Papier, Diagnostikmaterial (Röhrchen und Becher) zur MiBi-Diagnostik und Pathologie.
Steriles Instrumentarium
Scharfe Löffel (klein und mittelgroß), Pinzetten (chirurg./anatom.), Splitterpinzette, Skalpellhalter, Skalpellklingen Gr 15 (Cave: Verletzungsgefahr, ggfs. hier Einmalprodukte erwägen), Luer-Löffel, evtl. Ringkürette, Spülsonden, Nadeln und Spritzen zur diagnostischen Punktion und Diagnostik, Tamponadenstopfer, weiche Einmalzahnbürste. Einmalmaterial sollte aus ökologischen Gründen reduziert und kritisch überdacht werden.
Wundauflagen (eine Auswahl, Konzentration auf wenige Produkte, es muss nicht alles vorrätig sein)
Isotonische Spüllösung, Alginat, antiseptische Gaze, Salbengaze/Distanzgitter, Wundverband, Kompressen, evtl. Kohleauflage, Superabsorber, Polyurethan-Wundauflage, Hydro-Gel, Wundzugpflaster, Hautschutz, Hautpflege, Polsterwatte, Binden und Schlauchverbände, Kurzzug- und Langzugbinde, wirkstoffhaltige Wundspüllösung, Desinfektion, Filzplatten.
Fotodokumentation
Ist im Bereich der Fuß-/Wundbehandlung besonders wichtig – zur Verlaufsdokumentation und Vergleich, möglichst einfach und direkt im Dokumentationssystem speicherbar.
Dokumentation
Kaum eine Einrichtung wird noch papiergestützt dokumentieren, übersichtliche und standardisierte Verlaufsdokumentation, Möglichkeit von extern mitgebrachte Rö-/MRT-Bilder zu betrachten (solange diese noch nicht verlässlich auf der ePA gespeichert sind). Sichtschutz für Unbefugte beim Blick auf den PC.
Sinnvoll: Liste mehrerer regionaler Pflegedienste, Orthopädieschuhmacher, Podologie.
Schlussbetrachtung
Die oben dargestellt Auflistung soll nur beispielhaft und übersichtlich Ausstattung und Materialien darlegen. Sie gründet sich auf langjährige klinische und praktische Erfahrung. Sie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Natürlich kann es immer mehr sein, manchmal ist jedoch weniger sogar besser. Veränderungen und Anpassungen einer solchen Orientierung sind im Rahmen von Innovationen in der Zukunft erforderlich. Viele Einrichtungen haben und planen bereits zu Beginn mit mehr als einem Fußbehandlungsraum: leichteres Infektionsmanagement, weniger Wartezeiten, einfachere Prozessabläufe. Im Rahmen gegenseitiger Hospitation lassen sich etablierte Standards in anderen Einrichtungen anschauen und so das eigene Arbeiten verbessern und hierdurch der Strukturstandard erhalten.
Sicher ist in dieser Auflistung nur ein in jeder Hinsicht grober Rahmen dargestellt. Besonders aktive Einrichtungen gehen über das beschrieben Maß sicher weit hinaus. Weitere sinnvolle Optionen sind z.b.: Pin-Prick-Stimulator (52Nm Monofilament), evtl. tcPO2-Messung, mehrere unterschiedliche ausgestattete Räume, Strukturen, Material und Personal zur Cast-Anfertigung, Laufstrecke zur Überprüfung von Hilfsmitteln, Anschauungsmaterial.
Eingegangen in diesen Text sind Anregungen/Kommentare von Dr. D. Hochlenert, Köln, Dr. C. Metzger, Gelsenkirchen, Dr. A. Trocha, Essen, Dr. K. Zink, Bad Mergentheim, Dr. F. Thienel, Quakenbrück – alle mit langjähriger Erfahrung in ambulanter und klinischer Versorgung von Patienten mit DFS
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Erschienen in: Diabetes-Forum, 2023; 35 (10) Seite 38-40