Experten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) informierten anlässlich der 5. Deutschen Hormonwoche auf einer Online-Pressekonferenz darüber, wie Fettstoffwechsel, Hormone und Diabetes Typ 2 zusammenhängen und welche Lösungsansätze es für eine Therapie von Menschen mit Adipositas und Diabetes Typ 2 gibt. Dabei stellten Sie auch neue mögliche Strategien für eine Diabetestherapie vor.

Wissenschaftliche Erkenntnisse der letzten Jahre zeigen, dass in überschüssigem Fettgewebe niederschwellige chronische Entzündungen stattfinden können. Dies gilt auch für im Energiestoffwechsel aktive Gewebe wie Leber, Bauchspeicheldrüse und Gehirn. Diese von den Patienten oft gar nicht wahrnehmbare, „stille“ Entzündungsreaktion hat vielfältige nachteilige Wirkungen auf den Organismus. Sie senkt beispielsweise die Empfindlichkeit des blutzuckersenkenden Hormons Insulins herab.

„Dadurch verbleibt nach der Nahrungsaufnahme der Zucker im Blut und wird nicht oder schlecht von den Geweben aufgenommen“, erläutert Professor Dr. rer. nat. Jan Tuckermann, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie e.V. (DGE). Entsprechend produziert die Bauchspeicheldrüse immer mehr Insulin, um den Blutzucker zu senken. Schließlich erschöpfen sich die insulinproduzierenden Zellen und es kann sich ein Diabetes Typ 2 entwickeln.

5. Deutsche Hormonwoche
Vom 12. bis 19. September 2020 informiert die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie e.V. über endokrinologische Krankheiten. Mehr...

Neues Forschungsfeld: Immuno-Metabolismus

„Wir sehen diese schwelende Entzündung nicht mehr nur als „passiven“ Begleitprozess von Erkrankungen. Wir wissen heute, dass sie vielmehr eine wesentliche, ursächliche Rolle in der Krankheitsentstehung spielt“, so Tuckermann, der das Institut für Molekulare Endokrinologie der Tiere an der Universität Ulm leitet.

Diese chronischen Entzündungen wurden zunächst in Tierversuchen entdeckt und später beim Menschen nachgewiesen. Dies hat ein neues Forschungsfeld begründet: den Immuno-Metabolismus. . Dieser befasst sich mit den Zusammenhängen von Immunabwehr, Stoffwechsel und Hormonen.

Teufelskreis der Entzündung als Folge von Adipositas

Makrophagen, Zellen die eigentlich bei der Abwehr von Krankheitserregern und bei der Reparatur von Verletzungen eine Rolle spielen, werden in diesen Geweben angeregt, sich zu vermehren, Fettzellen aufzulösen und reagieren auf freigelöste Fettsäuren. Damit entsteht ein Teufelskreislauf, da Entzündungsmediatoren von den Makrophagen freigesetzt werden und mehr Zellen des Immunsystems angelockt werden und die Entzündung am Laufen halten, so lange immer mehr Fettgewebe aufgebaut wird. Diese niederschwellige chronische Entzündungsreaktion verursacht aber vor allen Dingen eines. Sie senkt die Empfindlichkeit des blutzuckersenkenden Hormons Insulins herab.

Gewichtsabnahme

Umso wichtiger sei es, überschüssiges Körperfett abzubauen. Um abzunehmen gelten als etablierte Maßnahmen Diät, Bewegung und Sport sowie eine Verhaltenstherapie und Medikamente. In schweren Fällen verkleinern Chirurgen den Magen und Darmtrakt. Und tatsächlich zeigen viele Studien, dass eine Gewichtsabnahme Diabetes zurückdrängen kann. Doch oftmals sind die Effekte nicht langanhaltend (Jo-Jo-Effekt), Patienten sprechen auf Diäten kaum oder gar nicht an. Und manche Patienten, die an chronischen Krankheiten leiden, dürfen aus gesundheitlichen Gründen nicht fasten. „Deshalb sind wir auf der Suche nach neuen Ansatzpunkten, um die Entzündungen als Folge von Adipositas wirkungsvoll und schonend zu behandeln oder um ihnen sogar vorzubeugen,“ so Tuckermann.

„...Akteure im schädlichen Entzündungsstoffwechsel punktgenau ausschalten“

Der Hormonexperte weist jedoch darauf hin, dass die generelle Unterdrückung der Entzündungsreaktion vermutlich nicht der richtige Weg sei: „Wenn man das Immunsystem komplett unterdrückt, schwächt dies die Abwehrkräfte derart, dass man Infektionen schutzlos ausgeliefert ist“, sagt Tuckermann. Wichtiger sei es eher, Strategien zu entwickeln, immunabschwächende und damit entzündungshemmende Hormone und Substanzen gezielt an die (Entstehungs-)Orte der niederschwelligen Entzündung zu bringen. „Wir wollen wichtige Akteure im schädlichen Entzündungsstoffwechsel punktgenau ausschalten“, so Tuckermann.

Wenn man das am stärksten anti-entzündlich wirkende Hormon Kortison, oder verwandte Moleküle mit anderen hormonellen Substanzen verbindet, so dass nur noch bestimmte Zellen, zum Beispiel bestimmte Schaltzellen im Gehirn oder Makrophagen im Fettgewebe, angesteuert werden, könne man die Entstehung von Diabetes, der durch Fettleibigkeit ausgelöst wird, zumindest im Prinzip verhindern. Erste Experimente in Tieren beweisen das. So kann man das künstliche Kortison-Derivat Dexamethason an ein Hormon koppeln, das weitgehend im Hypothalamus wirkt und bekommt trotz ungesunder Diät eine geringere Gewichtssteigerung und eine Verringerung der Insulin Resistenz und damit eine Vermeidung der Diabetesentstehung.

„Wir setzen große Hoffnungen in den spezifisch wirkenden Einsatz von Entzündungsmodulatoren. Damit könnten wir auch denjenigen Patienten helfen, bei denen die bisherigen Maßnahmen nicht greifen“, sagt auch Professor Dr. med. Matthias M. Weber, Mediensprecher der DGE, Leiter des Schwerpunktes Endokrinologie und Stoffwechselerkrankungen der Universitätsmedizin Mainz.


Quelle: Online-Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie e.V. (DGE)