Welche Auswirkungen hat der Klimawandel auf die Gesundheit von Menschen mit Diabetes? Wie wird die neue Bundesregierung den steigenden Diabeteszahlen begegnen? Diesen und anderen aktuellen Fragen, etwa zum Klimawandel und dem Anstieg von Diabeteserkrankungen, stellten sich Experten bei der Hy­brid-Pressekonferenz der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) im September in Berlin.

Eine Pressekonferenz als Präsenzveranstaltung ist auch im September 2021 – und nach fast zwei Jahren Corona-Pandemie – noch immer keine Selbstverständlichkeit. Die DDG jedenfalls richtete ihre Pressekonferenz, die zwei Wochen vor der Bundestagswahl stattfand, als Hybrid-Veranstaltung im Haus der Bundespressekonferenz aus.

Vor Ort waren die Podiumsteilnehmenden aus Sicherheitsgründen durch Plexiglasscheiben voneinander getrennt, mehrere Kameras standen bereit für den Live-Stream und die anwesenden Journalist:innen hatten jede Menge Platz im Konferenzraum. Das lag zum einen daran, dass anderthalb Meter Abstand zwischen den Stühlen eingehalten wurden, zum anderen, weil nur wenige Pressevertreter tatsächlich präsent waren: Die meisten hatten den virtuellen Weg vorgezogen, verfolgten die Konferenz in Berlin an ihren Rechnern in Mainz oder anderswo in Deutschland und stellten ihre Fragen online über die Chatfunktion.

Wie sind Klimaschutz und Diabetesprävention miteinander verbunden? Was können die Verbraucher:innen hier konkret tun und wie sind die politisch Verantwortlichen bei der Umgestaltung der Lebensverhältnisse gefordert? Ein ganzes Bündel an politischen Maßnahmen ist jedenfalls nötig, damit endlich ein Paradigmenwechsel herbeigeführt wird, wie ihn die DDG schon lange fordert, denn: Eine gesunde Lebensführung mit körperlicher Bewegung und frischen heimischen Nahrungsmitteln beugt am besten gegen Typ-2-Diabetes vor und schützt gleichzeitig das Klima.

Hitze und Diabetes – wie hängt das zusammen?

Warum Menschen mit Diabetes besonders hohe Temperaturen gesundheitlich zu schaffen machen, erklärte Dr. Eckart von Hirschhausen, der die Pressekonferenz moderierte. Als Gründer der Stiftung „Gesunde Erde – Gesunde Menschen“ richtete er seine Worte in einem eigenen Kurzreferat zum Klimawandel an die Journalisten. „Menschen mit Dia­betes sind besonders durch Hitze und Extremwetter gefährdet“, stellte er klar, und dass diese Erkenntnisse wissenschaftlich belegt seien.

Den Zusammenhang zwischen heißen Sommmertagen und Diabetes erklärte der Arzt so: Eine Diabetes­erkrankung sei nicht nur eine Frage der Blutzuckereinstellung, sondern habe auch maßgeblich mit der Flüssigkeitsregulation zu tun – mit der Nierenfunktion, mit dem Blutdruck und dem häufigen Auftreten einer diabetischen Polyneuropathie, die „eine Zerstörung der peripheren, kleinen, feinen Nerven“ bedeute.

Diese Nervenfasern regulierten nicht nur den Blutdruck, sondern auch die Schweißdrüsen jedes Menschen. Diabetespatient:innen allerdings, die in vielen Fällen nicht nur von der Grunderkrankung betroffen seien, sondern häufig zusätzliche Erkrankungen wie eine diabetische Nervenerkrankung aufwiesen, seien daher „extrem gefährdet, mit der Hitzeregulation überfordert zu sein“, so der Wissenschaftsjournalist.

Viele Menschen mit Diabetes würden zudem ein höheres Lebensalter (über 60 Jahre) mitbringen und zum Teil in Pflegeeinrichtungen leben. In heißen Sommern und in manchen dieser Häuser könne man auch in Deutschland nicht selten um die 40 Grad Celsius messen, etwa in direkt unter dem Dach liegenden Zimmern, die in der Regel nicht mit Klimaanlagen ausgestattet seien.

„Es gibt in Deutschland praktisch keine Pflegeheime, die eine Kühlungsfunktion vorgesehen haben“, so von Hirschhausen. Hier müsse in den nächsten Jahren nachgebessert werden, findet er. „Unser Gesundheitssystem ist überhaupt nicht hitzeresilient“, fasste der Moderator zusammen – und appellierte an die Politik: „Warum begreifen wir nicht Klimaschutz als Gesundheitsschutz?“

„Gesunde Mehrwehrtsteuer“ dringend gefordert!

Von einer „Pandemie hinter der Pandemie“ sprach die DDG-Geschäftsführerin Barbara Bitzer, vom bereits häufig zitierten „Tsunami“ nichtübertragbarer Krankheiten. „Es ist dringend notwendig, gesunde Lebensmittel von der Mehrwertsteuer zu befreien und gleichzeitig die Mehrwertsteuer für ungesunde Produkte anzuheben“, forderte sie. Vor allem Kinder müssten – wie es bereits internationaler Konsens sei – vor Werbung für gesundheitsgefährdende Produkte durch ein entsprechenden Verbot geschützt werden. „Nur so erreichen wir auch die sozial benachteiligten Menschen“, die ein deutlich höheres Diabetesrisiko mitbringen würden, betonte sie.

Wie Kindern quasi auf allen Kanälen Lust auf Süßigkeiten gemacht wird, zeigt sich besonders im Medienverhalten dieser jungen Konsument:innen: Jedes mediennutzende Kind zwischen 3 und 13 Jahren sieht pro Tag durchschnittlich mehr als 15 Werbungen für ungesunde Lebensmittel. Und 92 % der Werbespots, die Kinder im Fernsehen und im Netz konsumieren, zeigen ungesunde Produkte, sagte die Sprecherin der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK).

Prof. Dr. Andreas Fritsche, Vizepräsident der DDG, verwies darauf, dass man heute Personen mit einem Prädiabetes bereits gut erkennen könne, „die das höchste Risiko haben, einen Diabetes zu entwickeln“.
Diese Hochrisikopatienten benötigten individuelle Konzepte, um ihren Lebensstil ändern zu können. Solche Phänotypen zu identifizieren, steht seit Jahren im Fokus der Arbeit des Deutschen Zen­trums für Diabetesforschung (DZD). Heute weiß man auch: Es gibt eine „präventive Unterversorgung bei den Hochrisikogruppen und eine Überversorgung bei jenen, die nie einen Diabetes entwickeln werden“, stellte er klar. „One size fits all passt in der Diabetologie nicht!“

Aus diesen und weiteren Gründen, wie den meist langen und behandlungsbedürftigen Komplikationen beim Typ-2-Diabetes, fordert die DDG für die nächste Legislaturperiode, endlich die Diabetesprävention zu stärken und das Präventionsgesetz weiter zu entwickeln. Dies könne aber nur erfolgreich gelingen, wenn man die Wissenschaftler:innen des DZD und der DDG in die politischen Entscheidungen mit einbinde, so die Fachgesellschaft.


Autorin:
Angela Monecke
Redaktionsbüro Angela Monecke
Kopenhagener Str. 74, 10437 Berlin


Erschienen in: Diabetes-Forum, 2021; 33 (10) Seite 8-9