Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) spricht von einem Durchbruch: die Nationale Diabetes-Strategie, für die sie jahrelang gekämpft hat, steht im Koalitionsvertrag. Bei der Jahrespressekonferenz der DDG im Februar in Berlin machte die Fachgesellschaft deutlich, welche Diabetesthemen 2018 noch auf der politischen Agenda stehen.

Prof. Dr. Dirk Müller-Wieland sprach vom "bisher nicht erfassten Leid der Patienten": der Lebensqualität. Diese sei "für den Betroffenen relevant" und werde "vor allem durch die persönlichen Ängste und Erwartungen getrieben." Doch obwohl solche individuellen Beeinträchtigungen sehr relevant seien – etwa, um therapeutische Strategien wie die Wirkung neuer Medizinprodukte zu beurteilen – würden sie bisher nur unzureichend abgebildet.

"Der eine Betroffene hat vor allem Angst vor der unbemerkten Unterzuckerung, die andere fürchtet um ihren Führerschein, der alte Patient um seine soziale Unabhängigkeit", fasste der DDG-Präsident zusammen.

Methodische Standards zur Erfassung der Lebensqualität

Die DDG arbeitet deshalb an der Entwicklung methodischer Standards, mit denen man die Lebensqualität von Diabetespatienten stärker erfassen kann. Auch der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) und das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) sind sich darin einig, dass es mit dem Thema "Lebensqualität" so nicht weitergehen kann. Die krankheitsbezogene Gesundheitslast sollte bei der Evaluierung und Nutzenbewertung therapeutischer Strategien, zum Beispiel bei neuen Medikamenten oder neuen Medizinprodukten, miterfasst werden.

Ziel der Diabetestherapie und bisheriger Therapiestudien ist es ja, diabetesbedingte Komplikationen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu verhindern. Die Lebensqualität eines Diabetes-
patienten nach Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erhalten und seine krankheitsbezogene Last zu reduzieren – Informationen darüber fallen auch in aktuellen Studien immer wieder unter den Tisch.

Anders gesagt: Für die Erfassung patientenrelevanter Endpunkte, die auch diese persönliche Beeinträchtigung sensitiv und krankheitsspezifisch beinhaltet, gibt es bisher leider nur unzureichende Methoden. "Hier müssen die Weichen gestellt werden, nicht nur durch die Organe der Selbstverwaltung, sondern auch durch die Gesundheitspolitik einer neuen Regierung", sagte er.

Bessere Lebensqualität durch Digitalisierung

Vor allem die Digitalisierung könne die Lebensqualität und gute Therapie von Patienten mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes, aber auch der vielen anderen Diabetesformen (allein mehr als 10 verschiedene MODY-Formen sind bekannt) positiv beeinflussen: durch neue Technologien und eine bessere patientenrelevante Evaluierung großer Datensätze, machte der DDG-Präsident deutlich.

Der Schlüssel liege dabei in der patientenzentrierten Verbindung von Daten, Methoden und Studien- sowie Versorgungsergebnissen. Durch deren klinisch relevante Vernetzung entstehe ein Mehrwert für die künftige Prävention, Differentialdiagnostik, Verlaufsbeurteilung und Therapie nicht nur der häufigen, sondern auch der seltenen Diabetesformen, so Müller-Wieland.

100. Klinik "für Diabetespatienten geeignet"

Fast jeder vierte Patient, der in eine deutsche Klinik kommt, hat Typ-2-Diabetes. Das sind pro Jahr etwa 2 Millionen Diabetespatienten. Diese aktuellen Zahlen hat die DDG im März bekannt gegeben. Dabei wies sie darauf hin, dass die Grunderkrankung Diabetes auch bei der stationären Behandlung immer mitberücksichtigt werden müsse.

So fordert die Fachgesellschaft etwa eine regelhafte Blutzuckermessung bei der Aufnahme, die Abstimmung der Narkose auf den Diabetes und das Bereithalten von Notfall-Equipment für kritische Blutzuckerkonstellationen. Als 100. Klinik hat die DDG vor kurzem das St. Marien-Krankenhaus in Ratingen bei Düsseldorf ausgezeichnet. Das Prädikat "Klinik für Diabetespatienten geeignet" helfe Patienten und Zuweisern, die richtige Klinik zu wählen und sei ein Garant für eine gute Versorgung, betont die Deutsche Diabetes Gesellschaft (wir berichteten).

Zertifizierte Klinik darf Titel für 3 Jahre tragen

"Wir haben vor fast 5 Jahren die Zertifizierung ‚Klinik für Diabetespatienten geeignet‘ entwickelt, weil wir hier ein großes Defizit festgestellt hatten", betont Barbara Bitzer, Geschäftsführerin der DDG. "Der Nebendiagnose Diabetes wird in deutschen Kliniken nicht die Aufmerksamkeit geschenkt, die dringend für eine hohe Behandlungsqualität notwendig ist." Für das Zertifikat muss die Klinik mehrere Kriterien erfüllen: Ein Arzt muss mit spezifischen Diabeteskenntnissen verfügbar sein, die Pflegekräfte eine diabetologische Schulung durchlaufen haben und bei jedem Patienten muss bei Aufnahme der Blutzuckerwert getestet werden.

Die zertifizierte Klinik darf den Titel "Klinik für Diabetespatienten geeignet (DDG)" für 3 Jahre tragen, danach muss sie sich rezertifizieren lassen. Weitere Infos zum Zertifikat finden Sie auf der Website der DDG.



Autorin: Angela Monecke
Redaktion Diabetes-Forum, Kirchheim-Verlag
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Erschienen in: Diabetes-Forum, 2018; 30 (4) Seite 6-8