Was gilt bei der Versorgung mit Blutzuckermesssystemen, Insulinpumpen und rtCGM – wir haben Krankenkassen befragt. Was passiert beispielsweise, wenn Patienten ihre persönlichen Daten nicht an die Hersteller weitergeben wollen. Rechtsanwalt Oliver Ebert klärt auf.

Der Kostendruck im Gesundheitswesen ist auch im Diabetes-Bereich spürbar. Immer mehr Praxen berichten uns, dass sie vor allem zur Verordnung von Blutzuckermessgeräten und Teststreifen regelmäßig „Brandbriefe“ von Krankenkassen erhalten, die so gestaltet sind, dass diese als unverhohlene Regressandrohung empfunden werden.

Offensichtlich wird darauf spekuliert, dass man aus Sorge vor einem Regress den dortigen „Empfehlungen“ der Krankenkassen unkritisch folgt und nicht weiter hinterfrägt. Oft sind diese Schreiben – sicherlich nicht ganz ohne Hintergedanken – auch missverständlich formuliert. Nicht wenige Praxen verstehen das so, dass die ärztliche Therapie- und Verordnungsfreiheit bezüglich der Blutzuckerselbstkontrolle zwischenzeitlich deutlich eingeschränkt sei.

Auch bei Insulinpumpen und kontinuierlichen Glukose-Systemen (rtCGM) kommt es immer öfter zu Problemen, die Praxen unnötige Arbeit machen und das Verhältnis zum Patienten belasten: So sollen Patienten, die bereits jahrelang eine Insulinpumpe nutzen und mit dieser gut klarkommen, im Rahmen einer Folgeverordnung dann mit ungewissem Erfolg plötzlich auf ein ganz anderes System umsteigen.

Oder der Arzt verordnet aus gutem Grund ein bestimmtes rtCGM-System, damit dieses mit der vorhandenen Insulinpumpe gekoppelt werden kann – beispielsweise für eine automatische Hypo-Abschaltung oder Dosis­berechnung. Die Krankenkasse bewilligt dann aber nur ein rtCGM, welches mit der vorhandenen Pumpe gar nicht kompatibel ist.

Kopfzerbrechen: das Datenschutzproblem

Schließlich bereitet auch die mit bestimmten Hilfsmitteln einhergehende Datenschutzproblematik zunehmend Kopfzerbrechen. Immer öfter wollen Patienten nicht mehr akzeptieren, dass ihre vertraulichen Diabetes-Daten an die Gerätehersteller oder sonstige Dritte übermittelt und dort kommerziell verwendet werden. Auch Behandler haben zunehmend Zweifel, ob sie den Beteuerungen von Geräteanbietern wirklich vertrauen dürfen, dass sie die Daten ihrer Patienten vollkommen risikolos dorthin übermitteln könnten.

Manche Praxis­inhaber folgen vernünftigerweise zwischenzeitlich auch der dringenden Empfehlung, bevorzugt an solchen Fortbildungen zum Datenschutz teilzunehmen, die nicht von der Geräteindustrie gesponsort sind und wo keine Gefahr besteht, dass Referenten aus Sorge um lukrative Honorareinkünfte manche für Praxen wichtigen Tatsachen verschweigen. Vor allem in solchen unabhängigen Fortbildungen erfahren Ärzte dann, dass eine Übermittlung von Patientendaten an Hersteller nur unter strikter Einhaltung strenger Voraussetzungen zulässig und zudem mit erheblichen organisatorischen Aufwendungen und Kosten verbunden ist.

Angesichts der Bedingungen im Praxis- bzw. Klinik­alltag ist eine legale Datenübermittlung daher wahrscheinlich nur selten möglich. Datenschutzbehörden haben bereits massive Bußgelder gegen Gesundheitseinrichtungen festgesetzt, die illegal handeln und sich nicht an die (Datenschutz-)Gesetze halten. Zudem gelten die berufs- und strafrechtlichen Stellungnahmen von Bundesärztekammer und KV‘en zur Weitergabe von Patientendaten selbstverständlich auch für diabetologisch tätige Einrichtigungen und sollten dort keinesfalls ignoriert werden.

Angesichts der klaren Gesetzeslage und der erheblichen Risiken fragen sich daher immer mehr Praxen, wie sie denn überhaupt eine adäquate, datengestützte Pumpen- oder rtCGM-Therapie leisten können sollen, wenn das von der Krankenkasse übernommene Hilfsmittel hierzu doch eine Datenübermittlung an den jeweiligen Gerätehersteller erzwingt.

Um Klarheit zu schaffen und für Praxen Rechtssicherheit zu erhalten, haben wir dem Spitzenverband GKV, dem Verband der Ersatzkassen (vdek), dem AOK Bundesverband sowie den exemplarisch ausgewählten Krankenkassen DAK, AOK Bayern, BKK Oil, TKK, Barmer und SBK konkrete Fragen gestellt.

Bis zum Redaktionsschluss (15.11.2020) haben geantwortet: AOK Bundesverband, DAK, AOK Bayern, sowie der vdek.


Dürfen nur noch rabattierte Messgeräte verordnet werden?

In Schreiben von Krankenkassen wird unter Verwendung von Ampelsystemen pauschal suggeriert, dass nur die Verordnung bestimmter, von Rabattverträgen umfasster Blutzuckermesssysteme bzw. -Teststreifen als wirtschaftlich im Sinne des § 12 SGB V anzusehen sei. Durch die Formulierungen in Begleitbriefen wird dabei der Eindruck erweckt, dass Verordnungen anderer Blutzuckermesssysteme bzw. -Teststreifen, die nicht ampelhaft als „grün“ gekennzeichnet sind, zu Einzelfallprüfungen bzw. Nachforderungen führen werden.

Sicherlich ist es nicht ganz ungewollt, dass hierdurch mitunter der Eindruck entsteht, man dürfe nun nur noch die in Rabattverträgen gelisteten Systemen verordnen, um nicht mit einem Regress konfrontiert zu werden. Diese – für jeden sicherlich nachvollziehbare – Sorge führt dazu, dass dann immer öfter tatsächlich nur noch Systeme aus solchen Listen verordnet werden, selbst wenn für den betreffenden Patienten und die konkrete Behandlungssituation keines der dort aufgelisteten Hilfsmittel wirklich medizinisch geeignet, zweckmäßig und sinnvoll ist.

Tatsächlich ist die Rechtslage dahingehend unverändert, dass die ärztliche Verordnungsfreiheit auch in Bezug auf Blutzuckermesssysteme bzw. -Teststreifen nicht eingeschränkt ist. Nach § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V muss „die Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen und den medizinischen Fortschritt berücksichtigen“.

Es ist die Aufgabe des Arztes, für jeden Einzelfall zu prüfen und aufgrund medizinisch anerkannter Grundsätze zu entscheiden, ob ein Messsystem für den individuellen Patienten überhaupt geeignet ist und ob der mit der Verordnung intendierte Therapiezweck damit überhaupt erreicht werden kann.

Die Bewertung der Wirtschaftlichkeit einer medizinisch ausreichenden Versorgung im Sinne des § 12 SGB V kann nach daher nicht lediglich von den Kosten oder der Teilnahme des Anbieters an einem Rabattvertrag abhängen.

Vor diesem Hintergrund haben wir die Krankenkassen um die Beantwortung folgender Fragen gebeten:

Für den Fall, dass ein Rabattvertrag besteht: Ist eine Verordnung von Blutzuckermessgeräten und Teststreifen tatsächlich nur dann wirtschaftlich im Sinne des § 12 SGB V, wenn ein rabattiertes System verordnet wird, auch wenn keines der rabattierten Systeme für den Patienten aus ärztlicher Sicht in gleicher Weise geeignet ist wie ein nicht rabattiertes System und/oder der vom Arzt mit der Verordnung intendierte Therapiezweck mit keinem der rabattierten Systeme sicher erreicht werden kann?

Falls nein: Muss ein Arzt trotzdem ein Regressrisiko befürchten, auch wenn er die Verordnung eines nicht rabattierten Systems ordnungsgemäß begründen kann?

Die DAK weist in ihrer Antwort darauf hin, dass eine Verordnung von Rabattpartnerprodukten „für alle am Vertrag beteiligten Krankenkassen die wirtschaftlichste Versorgung“ darstelle. Gleichzeitig wird dies aber durch den Hinweis auf § 2 Abs. 4 SGB V wieder relativiert. Dort ist geregelt, dass vom Arzt auch geprüft werden muss, ob die Verordnung im jeweiligen Fall überhaupt „wirksam“ ist.

Das bedeutet: die Wirtschaftlichkeit darf nicht das alleinige Kriterium sein. In diesem Sinne kann auch die Antwort des AOK Bundesverbands verstanden werden: „Die Auswahl geeigneter Blutzuckermessgeräte und dazu passender, rabattierter Blutzuckerteststreifen erfolgt auch unter der Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebotes.“ (Hervorhebung seitens der Redaktion).

Der vdek schreibt, dass „generell auf die wirtschaftliche Verordnung und Versorgung der Versicherten […] zu achten“ sei. Es wird über den bestehenden Arzneiversorgungsvertrag des vdek mit dem deutschen Apothekerverband informiert. Korrekterweise wird aber darauf hingewiesen, dass dieser die Abgabe und Abrechnung der Blutzuckerteststreifen nur „für Apotheken (und nur für diese)“ regelt.

Die AOK Bayern teilt mit, dass der Arzt „in der Regel die allgemeine Produktart, also beispielsweise ein ,Blutzuckermessgerät'.“ verordnet, anschließend werde ohne Zutun des Arztes das passende System ausgewählt. „Verordnet ein Arzt namentlich ein Gerät, welches nicht mit rabattierten Teststreifen betrieben werden kann, ist dafür eine medizinische Begründung notwendig. Diese wird im Rahmen des Genehmigungsverfahrens geprüft und bei der Leistungsentscheidung berücksichtigt.“

Hinsichtlich der Teststreifen gibt es keine Vorgabe, es wird seitens der AOK Bayern lediglich „empfohlen“, nach ärztlichem Ermessen rabattierte Blutzuckerteststreifen zu verordnen. Erfreulich ist auch die ausdrückliche Bestätigung, dass Patienten, die bereits ein Blutzuckermessgerät besitzen, auch „weiterhin die zu ihrem vorhandenen Messgerät passenden Teststreifen“ erhalten können.

    Die ausführlichen Antworten der Krankenkassen (zum Ausklappen bitte anklicken)

DAK

Im Bereich Blutzuckerteststreifen wurde von der ARGE BZT (DAK-G, TK, KKH, hkk und HEK) ein gemeinsamer Rabattvertrag abgeschlossen. Eine Verordnung von Rabattpartnerprodukten stellt für alle am Vertrag beteiligten Krankenassen die wirtschaftlichste Versorgung dar. Hierbei haben alle beteiligten Parteien, also Krankenkassen, Ärzte, Apotheken und Versicherte darauf zu achten, dass „die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.“ (§ 2 Absatz 4 SGB V)
Bei den Verordnungen ist der Arzt verpflichtet, das Wirtschaftlichkeitsgebot, wie in § 12 SGB V geregelt, zu beachten. Es gilt: „Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.“
Ärztliches Verordnungsverhalten unterliegt folglich dem sogenannten ökonomischen Minimalprinzip.
Krankenkassen und deren Verbände sind gesetzlich dazu verpflichtet, im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsprüfungen zu kontrollieren, ob Ärzte sich an das Wirtschaftlichkeitsgebot halten (§§ 106 ff. SGB V). Eine unterlassene beziehungsweise eine nicht ordnungsgemäße Durchführung der Wirtschaftlichkeitsprüfung zieht die Vorstandshaftung nach § 106 Absatz 4 SGB V nach sich.


vdek

In der Anlage 4 des Arzneiversorgungsvertrages (dieser Vertrag besteht ergänzend zum Rahmenvertrag nach §129 SGB V und ist zwischen vdek und dem Deutschen Apothekerverband e. V. (DAV) geschlossen) ist die Abgabe und Abrechnung der Blutzuckerteststreifen für Apotheken (und nur für diese) geregelt. Dies umfasst sowohl drei Preiskategorien als auch eine Quotierung dieser Preisgruppen. Generell ist auf die wirtschaftliche Verordnung und Versorgung der Versicherten von allen Leistungserbringern zu achten. Damit das gewährleistet ist, sind u. a. die Blutzuckerteststreifen auch Bestandteil zahlreicher Vereinbarungen auf Landesebene.
Der Vertrag ist auch auf unserer Website veröffentlicht: www.vdek.com/vertragspartner/apotheken/arzneiversorgungsvertrag.html


AOK Bayern

Die Blutzuckermessgeräte unserer Vertragspartner sind alle im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführt, erfüllen den Zweck einer verlässlichen Bestimmung der Glukose-Konzentration im Blut und sind daher in der notwendigen Funktionalität grundsätzlich vergleichbar. Zudem sind alle Produkte unserer Rabattvertragspartner CE-zertifiziert und erfüllen die seit 2017 verschärften Kriterien der neuen DIN EN ISO 15197:2015 Norm. Derzeit können unsere Versicherten zwischen Blutzuckermessgeräten von 13 Herstellern wählen, die mit rabattierten Teststreifen betrieben werden können. Für die Verordnung von Hilfsmitteln gilt grundsätzlich und kassenübergreifend: Der Arzt verordnet in der Regel die allgemeine Produktart, also beispielsweise ein „Blutzuckermessgerät“. Unsere Versicherten wählen dann zusammen mit unseren Vertragspartnern unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten das für sie passende Gerät aus (§ 6 Abs. 4-6 HilfsM-RL). Seit Oktober 2020 besteht bei uns für alle Verordnungen von Blutzuckermessgeräten eine Genehmigungspflicht. Verordnet ein Arzt namentlich ein Gerät, welches nicht mit rabattierten Teststreifen betrieben werden kann, ist dafür eine medizinische Begründung notwendig. Diese wird im Rahmen des Genehmigungsverfahrens geprüft und bei der Leistungsentscheidung berücksichtigt. Für die Verordnung von Blutzuckerteststreifen empfehlen wir – nach ärztlichem Ermessen – rabattierte Blutzuckerteststreifen. Patienten, die bereits ein Blutzuckermessgerät besitzen, können entweder auf ein Messsystem, welches mit rabattierten Teststreifen betrieben werden kann, umgestellt werden oder sie erhalten weiterhin die zu ihrem vorhandenen Messgerät passenden Teststreifen.


AOK Bundesverband

Die Verordnung von Hilfsmitteln durch Vertragsärztinnen und Vertragsärzte ist in der Hilfsmittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) geregelt. Das nach diesen Vorgaben erstellte GKV-Hilfsmittelverzeichnis führt sämtliche verordnungsfähige Produkte auf. Ärztinnen und Ärzte verordnen regelhaft eine allgemeine Produktart. Die Auswahl geeigneter Blutzuckermessgeräte und dazu passender, rabattierter Blutzuckerteststreifen erfolgt auch unter der Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebotes. Konkretere Regelungen können regional unterschiedlich sein. Insofern muss eine Betrachtung immer im konkreten Einzelfall erfolgen.

Fazit

Keine der befragten Krankenkassen behauptet, dass nur eine Versorgung mit einem rabattierten System wirtschaftlich sei. Natürlich müssen Ärzte darauf achten, dass ihre Verordnungen keine unnötigen Kosten verursachen. Solche Sparzwänge müssen – und dürfen – aber nicht über dem Wohl des Patienten stehen. Wenn die Notwendigkeit der Verordnung eines nicht in Rabattverträgen enthaltenen Systems vom Arzt hinreichend begründet werden kann, dann wird er dafür also keinen Regress befürchten müssen. Auch Patienten, die bereits ein Blutzuckermessgerät besitzen, müssen nicht zwingend umgestellt werden.

Praxen sollten sich daher nicht verwirren oder gar einschüchtern lassen. Auch die Einteilung von Blutzuckerteststreifen in sog. „Preisgruppen“ in den Arzneimittelverträgen der Kassen bezieht sich nur auf Apotheken. Eine Verordnung von Teststreifen der günstigsten Preisgruppe 1 ist daher keine Garantie, dass nicht doch ein ganz anderer Preis zur Abrechnung kommt: Der Arzt hat nämlich keinen Einfluss darauf, ob der Patient sein Teststreifenrezept in einer Apotheke oder bei einem Diabetes-Fach(versand-)händler einlöst.


Gibt es eine Obergrenze bzw. Höchstverordnungsmenge für Blutzucker-Teststreifen?

Schon seit einigen Jahren sorgt manche Kommunikation von Krankenkassen und kassenärztlichen Vereinigungen zur Rechtslage bezüglich der Verordnungsmengen von Blutzuckerteststreifen für Verwirrung. So wird oft der Eindruck erweckt, dass abhängig von der Therapieform (u. a. intensivierte Insulintherapie, Insulinpumpentherapie) auch für insulinpflichtige Diabetiker verbindliche Verordnungsobergrenzen bestünden und der Arzt im Falle einer Überschreitung dieser Höchstmengen zwingend mit einer Einzelfallprüfung rechnen müsse.

Tatsächlich gibt es für insulinpflichtige Diabetiker aber keine solchen Verordnungsobergrenzen für Blutzuckerteststreifen. Die Entscheidung über die in der Behandlungssituation notwendige Verordnungsmenge trifft daher allein der Arzt nach Maßgabe des § 12 SGB V.

Da es an dieser klaren Rechtslage trotzdem immer wieder Zweifel gibt, haben wir die Krankenkassen um Beantwortung folgender Frage gebeten:

Gibt es auch bei insulinpflichtigen Diabetes-Patienten eine verbindliche Verordnungsobergrenze bzw. Verordnungshöchstmenge für Blutzuckerteststreifen?

Falls ja: Welche Verordnungsmengen sind konkret zulässig?

Wo sind diese Obergrenzen bzw. Höchstmengen gesetzlich bzw. normativ geregelt?

Die Antworten der Krankenkassen bestätigen mehr oder weniger ausdrücklich, dass es bei insulinpflichtigen Diabetes-Patienten – also sowohl Typ-1 oder Typ-2 – keine verbindliche Verordnungsobergrenze bzw. Verordnungshöchstmenge für Blutzuckerteststreifen gibt.

Der AOK Bundesverband teilt mit, dass „prinzipiell die Menge an verordneten Blutzuckerteststreifen im Ermessen der behandelnden Ärztin/des behandelnden Arztes für den konkreten Einzelfall“ liege. Die DAK informiert, dass es bezüglich Verordnungsobergrenzen lediglich „Empfehlungen“ von Kassenärztlichen Vereinigungen gebe, die diese an ihre Ärzte verteilen. Auch der vdek behauptet keine verbindliche Obergrenze.

Erfreulich ist die ausdrückliche Aussage der AOK Bayern, dass es eine Beschränkung der Teststreifenmenge lediglich für Patienten mit nicht-insulinpflichtigem Diabetes Typ 2“ (Hervorhebung seitens der Redaktion) gibt.

    Die ausführlichen Antworten der Krankenkassen (zum Ausklappen bitte anklicken)

DAK

Bezüglich der Verordnungsobergrenzen gibt es Empfehlungen von Kassenärztlichen Vereinigungen, die diese an ihre Ärzte verteilen.


vdek

In der Anlage 4 des Arzneiversorgungsvertrages (dieser Vertrag besteht ergänzend zum Rahmenvertrag nach §129 SGB V und ist zwischen vdek und dem Deutschen Apothekerverband e. V. (DAV) geschlossen) ist die Abgabe und Abrechnung der Blutzuckerteststreifen für Apotheken (und nur für diese) geregelt. Dies umfasst sowohl drei Preiskategorien als auch eine Quotierung dieser Preisgruppen. Generell ist auf die wirtschaftliche Verordnung und Versorgung der Versicherten von allen Leistungserbringern zu achten. Damit das gewährleistet ist, sind u. a. die Blutzuckerteststreifen auch Bestandteil zahlreicher Vereinbarungen auf Landesebene.
Der Vertrag ist auch auf unserer Website veröffentlicht: www.vdek.com/vertragspartner/apotheken/arzneiversorgungsvertrag.html


AOK Bayern

Eine gesetzlich festgelegte Beschränkung der Teststreifenmenge besteht lediglich für Patienten mit nicht-insulinpflichtigem Diabetes Typ 2. Hier gilt quartalsunabhängig eine Obergrenze von 50 Teststreifen je Behandlungssituation (AM-RL, Anlage III, Nr. 52). Darüber hinaus soll der nicht-bindende gemeinsame Orientierungsrahmen der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) und der gesetzlichen Krankenkassen in Bayern Ärzte bei der wirtschaftlichen Verordnungsweise von Blutzuckerteststreifen unterstützen. Für weiterführende Informationen dazu bitten wir Sie, sich direkt an die KVB zu wenden.


AOK Bundesverband

Prinzipiell liegt die Menge an verordneten Blutzuckerteststreifen im Ermessen der behandelnden Ärztin/des behandelnden Arztes für den konkreten Einzelfall. Für die Patientengruppe der Typ-2-Diabetiker ohne Insulintherapie hat der G-BA in Nr. 52 der Anlage III der Arzneimittel-Richtlinie quartalsunabhängig eine Obergrenze von 50 Teststreifen je Behandlungssituation definiert.

Fazit

Die Verordnungsmenge von Blutzuckerteststreifen für insulinpflichtigen Patienten ist auch weiterhin nicht begrenzt. Soweit Ärzte von Krankenkassen oder KVen insoweit über „Höchstmengen“ oder „Obergrenzen“ informiert werden, dann handelt es sich hierbei lediglich um unverbindliche Richtwerte. Die Festlegung der für den konkreten Patienten medizinisch notwendigen Bedarfs ist allein vom Arzt auf Grundlage des § 12 SGB V zu treffen. Selbst eine Verordnungsmenge von 1000 oder mehr Teststreifen pro Quartal wäre im Erfordernisfall möglich: wenn der Arzt die Notwendigkeit dieser Menge plausibel begründen kann, dann muss er keinen Regress befürchten.


Was tun, wenn nur ein anderes als das beantragte Hilfsmittel genehmigt wird?

Immer öfter sind Praxen damit konfrontiert, dass Krankenkassen die Genehmigung des beantragten Insulinpumpen- bzw. rtCGM-Systems unter Hinweis auf Wirtschaftlichkeitsgründe ablehnen. Stattdessen wird eine alternative Versorgung mit dem Hilfsmittel eines Vertragspartners der Krankenkasse angeboten, welches allerdings nicht immer die Funktionen bietet, die für die Behandlungssituation konkret benötigt werden.

Grundsätzlich ist nichts dagegen einzuwenden, dass die Krankenkassen unnötige Mehrkosten vermeiden. Auch wenn moderne Insulinpumpen- oder CGM-Systeme zahlreiche Möglichkeiten bieten: maßgeblich sind allein die Funktionen, die zur Erreichung des Therapiezwecks medizinisch notwendig und ausreichend sind und deren medizinischer Nutzen auch belegt ist. Alles andere ist zwar vielleicht ebenfalls sinnvoll und wichtig, aber aus medizinischer Sicht eben nicht zwingend notwendig.

Beispiel eines Ablehnungsschreibens, das der Redaktion vorliegt.

Kassenpatienten haben auch keinen Anspruch darauf, von der Krankenkasse mit dem modernsten oder „besten“ System versorgt zu werden. Vor diesem Hintergrund wird der Patient die gewünschte Insulinpumpe bzw. das CGM nur dann bekommen können, wenn sich mit dem von der Krankenkasse angebotenen System der medizinische Zweck nicht oder nur ungenügend erreichen ließe.

So könnte das von der Krankenkasse angebotene System aus medizinischer Sicht aber beispielsweise nicht geeignet sein, falls es dort zu einer Pflasterallergie kommt oder der Patient die zugehörigen Katheter-/Kanülen nicht verträgt. Bei manchen Patienten ist eine tageszeitlich sehr häufig angepasste Basalrate erforderlich; in diesem Fall wird eine Insulinpumpe benötigt, die eine entsprechend engmaschige Programmierung ermöglicht.

Manche Insulinpumpen erlauben die Programmierung der Basalrate in 30minütigen Intervallen, während andere Modelle für den 24stündigen Tag nur 16 Basalratensegmente erlauben. Auch die Dosiergenauigkeit (1/10 oder 1/100 Einheiten) kann aus medizinischer Sicht wichtig sein. Nicht zu unterschätzen ist auch die Komplexität der Bedienbarkeit: wenn der Patient mit dem von der Kasse angebotenen System nicht zurechtkommen kann bzw. damit überfordert ist, dann wird der Einsatz dieses Hilfsmittels nur wenig Sinn machen. Es muss dann auf ein anderes, einfacher bedienbares Modell ausgewichen werden, mit dem sich der medizinische Zweck dann erreichen lässt.

Dies betrifft auch die Handhabbarkeit: wenn ein Patient beispielsweise aufgrund von Neuropathien oder rheumatischer Erkrankung eine Insulinpumpe wegen der dort für ihn zu kleinen Tasten nicht oder nur schwer betätigen kann, dann muss er mit einem anderen, geeigneteren System versorgt werden. Und wenn aufgrund der Therapiesituation eine automatische Hypo-Abschaltung notwendig ist, dann muss das von der Krankenkasse angebotene rtCGM -System natürlich auch mit der Insulinpumpe zusammenarbeiten.

Vor diesem Hintergrund haben wir den Krankenkassen folgende Frage gestellt:

Wie kann der Anspruch des Versicherten gem. § 33 SGB V auf Versorgung mit einem medizinisch notwendigen und für den medizinischen Zweck geeigneten Insulinpumpen- bzw. rtCGM-System sichergestellt werden, wenn die Krankenkasse nur die Versorgung mit einem solchen System eines Vertragspartners übernehmen will, welches aufgrund fehlender oder unzureichender Funktionalität aber nicht äquivalent zu dem vom Arzt verordneten Hilfsmittel und/oder zur Erreichung des Therapiezwecks nicht in gleicher Weise (sicher) geeignet ist?

Der vdek sowie die DAK teilen hierzu mit: „wenn in einem Einzelfall nachweislich aus medizinischen Gründen die Versorgung ausschließlich mit einem bestimmten Einzelprodukt möglich sein, so wäre dies bei der Antragstellung dazulegen. Zur Überprüfung der medizinischen Gründe würde eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes eingeholt werden.“

Auch der AOK Bundesverband bzw. die AOK Bayern bestätigen ausdrücklich, dass im begründeten Ausnahmefall auch eine Versorgung mit einem Hilfsmittel erfolgen kann, das nicht von einem bestehenden Hilfsmittelvertrag gem. § 127 Abs. 1 SGB V umfasst ist. Die Entscheidung werde im Einzelfall getroffen.

    Die ausführlichen Antworten der Krankenkassen (zum Ausklappen bitte anklicken)

DAK & vdek

Die Versorgung erfolgt durch die Vertragspartner der Kasse (§ 33 Abs. 6 SGB V). Sollte in einem Einzelfall nachweislich aus medizinischen Gründen die Versorgung ausschließlich mit einem bestimmten Einzelprodukt möglich sein, so wäre dies bei der Antragstellung dazulegen. Zur Überprüfung der medizinischen Gründe würde eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes eingeholt


AOK Bayern

Die Insulinpumpen- bzw. rtCGM-System um die es hier geht, sind alle im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführt, in der Funktionalität grundsätzlich vergleichbar und zur Erreichung des Therapiezwecks grundsätzlich geeignet und zweckmäßig. Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind (§ 33 Abs. 6 S. 1 SGB V). Eine Versorgung nach § 127 Abs. 3 SGB V ist - soweit für ein Hilfsmittel Verträge nach § 127 Abs. 1 SGB V bestehen – nur im begründeten Ausnahmefall möglich. Die Entscheidung wird im Einzelfall getroffen.


AOK Bundesverband

Nach Paragraph 33 Abs. 6 des fünften Sozialgesetzbuches (SGB V) erfolgt die Versorgung durch die Vertragspartner der Krankenkasse. Regelhaft erfolgt sie dabei auf Basis von Verträgen nach Paragraph 127 Abs. 1 SGB V. Sollte die Versorgung im Einzelfall mit einem bestimmten, aber nicht entsprechend vertraglich eingebundenen Produkt für erforderlich gehalten werden, wäre dies entsprechend zu begründen, damit im Sinne des Paragraphen 127 Abs. 3 SGB V eine Einzelfallentscheidung getroffen werden kann.

Fazit

Wenn aus medizinischer Sicht für den Patienten nur ein bestimmtes Insulinpumpen-/rtCGM-System zweckmäßig und sinnvoll ist, wird die Krankenkasse dieses wohl einzelvertraglich genehmigen müssen, selbst wenn ein Hilfsmittelvertrag mit einem anderen Anbieter besteht. Wichtig ist aber, dass die medizinische Notwendigkeit für das benötigte System bereits bei der Antragstellung nachvollziehbar begründet wird.


Ist ein Zwang zur Datenübermittlung zulässig?

Eine medizinisch sinnvolle Insulinpumpen- bzw. rtCGM-Therapie setzt voraus, dass die Insulinausschüttungen bzw. die Sensordaten digital ausgewertet und von der Praxis dokumentiert werden können. Hierzu zählt u.a. die Erstellung von Auswertungen, die dem Arzt eine zielgerichtete Analyse von Auffälligkeiten erlauben, beispielsweise bestimmter Zeiträume, Uhrzeitkorridore oder Wochentage.

Das Ambulante Glukoseprofil (AGP), entwickelt von der International Diabetes Federation (IDF), ist der weltweite Standard für die Darstellung, Analyse und Interpretation kontinuierlicher Glukosedaten. Trends in den kontinuierlichen Glukosewerten, wie sie von rtCGM-Systemen aufgezeichnet werden, können Korrelationen zwischen Insulin, Ernährung und Bewegung und deren Auswirkungen auf den Glukosespiegel aufzeigen.

Auch das von der AGDT und AGPD entwickelte Schulungsprogramm SPECTRUM oder die AGP-Fibel für die Anwendung von rtCGM-Systemen in der Diabetestherapie belegen, dass die computergestützte Datenauswertung elementarer Bestandteil einer zeitgemäßen und medizinisch sinnvollen rtCGM-Therapie ist.

Einige Insulinpumpen-. bzw. rtCGM-Systeme lassen allerdings nur dann eine elektronische Datenauswertung zu, wenn und solange der Patient einwilligt, dass die mit dem Gerät erhobenen Gesundheitsdaten an den Gerätehersteller oder sonstige Dritte übermittelt werden und/oder dort kommerziell genutzt werden dürfen.

Eine technische bzw. medizinische Notwendigkeit für solche Datenübermittlungen besteht indes nicht, es geht den Herstellern hier definitiv nur um die eigene Nutzung dieser Daten. Die Datenschutzgrundverordnung (Art. 7 DSGVO) schreibt aber vor, dass eine Einwilligung zur Verarbeitung personenbezogener Daten grundsätzlich freiwillig und selbstbestimmt erfolgen muss. Gem. Art 5 Abs. 1 lit c DSGVO muss eine Datenverarbeitung auch auf das notwendige Maß beschränkt sein, zumal bei gem. Art. 9 DSGVO besonders geschützten Gesundheitsdaten.

Anfrage eines Arztes, wie sie in letzter Zeit vermehrt gestellt werden. Die personenbezogenen Daten sowie die Angaben zum betreffenden Hersteller haben wir geschwärzt. Ärzte sollten zudem bedenken, dass „clevere“ Patienten das Datenschutzargument durchaus auch taktisch nutzen können, um jeweils mit neuester Technologie versorgt zu werden.

Da die Cloud-Anbieter die Patientendaten für eigene Zwecke (mit-)nutzen, kommt schließlich auch eine privilegierende Auftragsverarbeitung (Art. 28 DSGVO) nicht in Betracht. Die Cloud-Nutzung dürfte daher nur zulässig sein, wenn der Arzt verständlich und vollumfänglich über alle relevanten Datenverarbeitungsvorgänge aufgeklärt hat und der Patient hierin dann selbstbestimmt und freiwillig einwilligt.

Die erforderliche Freiwilligkeit liegt aber nur vor, wenn der Patient tatsächlich eine echte Wahlmöglichkeit hat. Auch kommt es immer öfter vor, dass Patienten zwar anfänglich keine Bedenken haben, dass ihre Daten an die Hersteller übermittelt werden, später aber ihre Meinung ändern. Denn selbst wenn der Patient nicht grundsätzlich gegen eine Datenweitergabe ist: es kann viele Gründe dafür geben, dass er dem Anbieter eines Insulinpumpen-/rtCGM-Systems irgendwann nicht mehr vertraut und spätestens ab diesem Zeitpunkt dann auch nicht mehr will, dass seine Daten dorthin weiter übermittelt werden.

Ohne Datenmanagement ist eine vernünftige Insulinpumpen- bzw. rtCGM-Therapie aber selten möglich. Manche neueren Insulinpumpen bzw. CGM-Systeme lassen sich sogar nicht einmal in Betrieb nehmen, wenn keine solche Einwilligung in die Datenübermittlung erfolgt.

Um solche Probleme zu vermeiden, dürfen nach der „Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung“ (im Folgenden: „RL-MVV“, auch bekannt als „GBA-Beschluss“) nur solche rtCGM-Systeme als Kassenleistung verordnet bzw. übernommen werden, welche die datenschutzrechtliche Entscheidungsfreiheit der Patienten garantieren.

Gem. § 3 Abs. 1, 6 RL-MVV gilt folgende Voraussetzung für eine Kostenübernahme: „Soweit der Einsatz des Gerätes eine Verwendung, Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener oder personenbeziehbarer Daten vorsieht, muss sichergestellt sein, dass diese allein zum Zwecke der Behandlung der Patientin oder des Patienten erfolgen und eine Nutzung ohne Zugriff Dritter, insbesondere der Hersteller, möglich ist.“ In der Praxis wird diese zwingende Voraussetzung von Ärzten allerdings so gut wie nie beachtet.

Aufgrund der zunehmenden Sensibilisierung der Bevölkerung für den Datenschutz sollte aber damit gerechnet werden, dass sich immer mehr Patienten künftig nicht (länger) zur Weitergabe ihrer Gesundheitsdaten an Hersteller zwingen lassen.

Beispiel: Der Arzt verordnet dem Patienten ein rtCGM-System, welches zum Datenmanagement eine Übermittlung der Gerätedaten an Dritte erfordert; der Patient hat hiergegen nichts einzuwenden. Nun kommt ein neues rtCGM-System auf den Markt, welches dem Patienten mehr zusagt. Da er aber bereits „ausreichend“ versorgt ist, kommt eine Umversorgung auf das neue System grundsätzlich erst in Betracht, wenn das vorhandenen rtCGM nicht mehr sinnvoll bzw, sicher genutzt werden kann, beispielsweise nach Ablauf der Gerätelaufzeit.

Der Patient möchte aber nicht warten. Er willigt nun plötzlich nicht mehr länger ein, dass die Daten seines vorhandenen rtCGM irgendwohin übermittelt werden. Damit ist mit seinem vorhandenen System dann kein vernünftiges Datenmanagement mehr möglich, so dass das Hilfsmittel auch nicht mehr sinnvoll zur rtCGM-Therapie genutzt werden kann. Der Patient möchte daher von seiner Krankenkasse mit dem neuen System versorgt werden.

Angesichts der klaren Vorgaben des G-BA und der Datenschutzgesetze ist nicht abwegig, dass die Krankenkasse in solchen Fällen eine Umversorgung genehmigen muss, auch wenn der Patient erst kurze Zeit zuvor bereits mit einem anderen System versorgt wurde. Dies ist für Patienten natürlich eine durchaus positive Auswirkung des Datenschutzes. Allerdings gibt es einen Wermutstropfen: wenn der Arzt im Rahmen seiner vorausgegangenen Verordnungsentscheidung geprüft hätte, ob das System die Voraussetzungen des G-BA erfüllt, dann wäre eine solche Neuversorgung nicht erforderlich geworden.

Es könnte sich dann möglicherweise die Frage stellen, ob Ärzte für die Mehrkosten der vermeidbaren Neuversorgung in Regress genommen werden.

Vor diesem Hintergrund haben wir die Kassen um die Beantwortung folgender Fragen gebeten:

Entspricht es auch der Rechtsauffassung der [Name der Krankenkasse], dass die im Rahmen des Verordnungszwecks bestimmungsgemäße Nutzung eines Insulinpumpen- bzw. rtCGM-Systems möglich sein muss, ohne dass die mit dem Hilfsmittel erhobenen Gesundheitsdaten an den Hersteller und/oder Dritte übermittelt werden und/oder dort kommerziell genutzt werden dürfen?

Falls nein: auf welcher gesetzlichen Grundlage fußt die Auffassung der [Name der Krankenkasse], dass die im Rahmen des Verordnungszwecks bestimmungsgemäße Nutzung eines Insulinpumpen- bzw. rtCGM-Systems von der Einwilligung des Versicherten in die geschäftsmäßige Verarbeitung seiner mit dem Hilfsmittel erhobenen Gesundheitsdaten durch den Gerätehersteller und/oder Dritte abhängig gemacht werden darf, insbesondere vor dem Hintergrund des Koppelungsverbots aus Art. 7 DSGVO, dem Grundsatz der Datenminimierung aus Art. 5 DSGVO sowie der Voraussetzung des § 3 Abs. 1, 6 RL-MVV?

Falls ja: Ist es zutreffend, dass ein Versicherter, der bereits mit einem solchen Insulinpumpen- bzw. rtCGM-System versorgt ist und künftig aber keiner Datenübermittlung mehr zustimmen möchte, daher Anspruch auf erneute Versorgung mit einem anderen Insulinpumpen- bzw. rtCGM-System hat, welches ohne Datenübermittlung bestimmungsgemäß genutzt werden kann?

Falls nein: Wie erklärt und begründet sich der dann sich eröffnende Widerspruch zu der ja auch von der [Name der Krankenkasse] geteilten Rechtsauffassung, dass die im Rahmen des Verordnungszwecks bestimmungsgemäße Nutzung eines Insulinpumpen- bzw. rtCGM-Systems nicht die Einwilligung des Versicherten voraussetzen darf, dass dessen mit dem Hilfsmittel erhobenen Gesundheitsdaten an den Hersteller und/oder Dritte übermittelt werden und/oder dort kommerziell genutzt werden dürfen?

Falls ja: Droht dem Arzt, der zuvor ein solches rtCGM-System entgegen der Voraussetzungen des § 3 Abs. 1, 6 RL-MVV verordnet hat, ein Regressrisiko hinsichtlich der mit der Umversorgung entstehenden Mehrkosten?

Der vdek und die DAK bestätigen beide ausdrücklich, dass ein rtCGM-System keine Datenweitergabe erzwingen darf: „Ja, dies entspricht unserer Rechtsauffassung.“

Die diesbezüglichen Verträge mit den Anbietern sähen auch entsprechende Regelungen vor. Weiterhin lässt sich der Antwort auch entnehmen, dass der Patient ansonsten wohl tatsächlich einen Anspruch auf Versorgung mit einem rechtskonformen System hat: „Sofern der von Ihnen beigefügte Versorgungsfall eine unserer Mitgliedskassen betreffen sollte, bitten wir um eine gesonderte Kontaktaufnahme mit uns. Den Schilderungen des Arztes können wir nur dann nachgehen, wenn uns hierfür alle erforderlichen Informationen vorliegen“.

Insoweit auch klar zustimmend die Antwort des AOK Bundesverbandes: „Voraussetzung für die Aufnahme von rtCGM-Systemen in das GKV-Hilfsmittelverzeichnis ist die Möglichkeit einer datenschutzkonformen Nutzung entsprechend dem G-BA Beschluss zur Einbindung in die Versorgung.“

Die AOK bestätigt dabei, dass eine etwaige Einwilligung in die Datenpreisgabe vollkommen freiwillig sein muss. Der Patient muss das System auch dann noch uneingeschränkt (weiter-)nutzen können, wenn er einer weiteren Nutzung seiner Daten nicht (mehr) zustimmen will: „Wir gehen daher davon aus, dass auch bei einem Versicherten, der zunächst der Nutzung seiner Daten zugestimmt hat, ein Widerruf ohne Umversorgung möglich sein muss und möglich ist.“

Dies bedeutet: die Zustimmung des Patienten muss freiwillig sein. Auch die AOK Bayern bestätigt, dass die vom G-BA geforderten Datenschutzvorgaben eine „notwendige Produkteigenschaft“ seien. Ansonsten weist die Kasse alle Verantwortlichkeit von sich: „Die rtCGM-Systeme unserer Vertragspartner sind alle im Hilfsmittelverzeichnis (HMVZ) gelistet. Ob die notwendigen Produkteigenschaften erfüllt werden – dazu gehört laut G-BA-Beschluss auch der Datenschutz – prüft der GKV-Spitzenverband und nicht die gesetzlichen Krankenkassen“.

Selbst wenn ein Versicherter der AOK Bayern „begründete Zweifel am Datenschutz eines im HMVZ-gelisteten Produktes“ habe, mit dem er von der AOK Bayern versorgt wurde, sieht man sich nicht zuständig: der Versicherte solle sich dann „direkt an den GKV-Spitzenverband“ wenden. Dennoch wird beteuert „Wir nehmen den Datenschutz sehr ernst.“ Es ist muss allerdings auch der AOK Bayern klar sein, dass sie selbst – und nicht etwa der GKV-Spitzenverband – für die Versorgung bzw. die Leistungsansprüche ihrer Versicherten zuständig ist.

Die erhaltenen Antworten zeigen auch: Keine der Krankenkassen will ausschließen, dass dem Arzt hinsichtlich der mit einer dann notwendigen Umversorgung ein Regressrisiko drohen könnte.

    Die ausführlichen Antworten der Krankenkassen (zum Ausklappen bitte anklicken)

DAK & vdek

Ja, dies entspricht unserer Rechtsauffassung. So hat es auch der G-BA in seinem Beschluss vom 16.6.2016 zu den rtCGM-Systemen formuliert.

Antwort auf Anschlussfrage:
Der bestimmungsgemäße Gebrauch eines rtCGM-Systems hat unabhängig einer zugestimmten Datennutzung zu erfolgen. Unsere Verträge sehen hierzu auch entsprechende Regelungen vor. Sofern der von Ihnen beigefügte Versorgungsfall eine unserer Mitgliedskassen betreffen sollte, bitten wir um eine gesonderte Kontaktaufnahme mit uns. Den Schilderungen des Arztes können wir nur dann nachgehen, wenn uns hierfür alle erforderlichen Informationen vorliegen.


AOK Bayern

Die rtCGM-Systeme unserer Vertragspartner sind alle im Hilfsmittelverzeichnis (HMVZ) gelistet. Ob die notwendigen Produkteigenschaften erfüllt werden – dazu gehört laut G-BA-Beschluss auch der Datenschutz – prüft der GKV-Spitzenverband und nicht die gesetzlichen Krankenkassen bei der Aufnahme jedes einzelnen Produkts ins HMVZ. Der GKV-SV prüft auch, ob das Produkt in dem vom G-BA-Beschluss genannten Umfang genutzt bzw. unbedenklich genutzt werden kann. Nach § 139 Abs. 1 S. 2 SGB V sind wir für die im HMVZ gelisteten Produkte gesetzlich zur Leistung verpflichtet, wenn diese medizinisch notwendig, zweckmäßig und wirtschaftlich sind. Dies gilt für alle gesetzlichen Krankenkassen gleichermaßen, daher handelt es sich auch nicht um eine "Rechtsauffassung" der AOK Bayern.
Wir nehmen den Datenschutz sehr ernst. Deshalb bitten wir Sie, sofern Sie begründete Zweifel am Datenschutz eines im HMVZ-gelisteten Produktes haben, sich direkt an den GKV-SV zu wenden.


AOK Bundesverband

Voraussetzung für die Aufnahme von rtCGM-Systemen in das GKV-Hilfsmittelverzeichnis ist die Möglichkeit einer datenschutzkonformen Nutzung entsprechend dem G-BA Beschluss zur Einbindung in die Versorgung. Wir gehen daher davon aus, dass auch bei einem Versicherten, der zunächst der Nutzung seiner Daten zugestimmt hat, ein Widerruf ohne Umversorgung möglich sein muss und möglich ist.

Fazit

Kassenversicherte müssen nicht hinnehmen, dass ein auf Rezept erhaltenes rtCGM-System nur dann sinnvoll genutzt werden kann, wenn die damit erhobenen Daten an Hersteller oder sonstige Dritte weitergegeben werden. Gleiches dürfte auch für Insulinpumpen gelten. Patienten, die eine solche Datenpreisgabe nicht (mehr) akzeptieren wollen, können die Versorgung mit einem anderen System verlangen.

Ärzten kann dann durchaus ein Regress für die entstehenden Umversorgungskosten drohen. Praxen sollten bei der Verordnung daher in eigenem Interesse sorgfältig prüfen, ob das vorgesehene System wirklich die Verordnungsvoraussetzungen des G-BA erfüllt bzw. datenschutzkonform genutzt werden kann.


Autor:
RA Oliver Ebert
REK Rechtsanwälte Stuttgart, Balingen
Friedrichstraße 49, 72336 Balingen


Erschienen in: Diabetes-Forum, 2020; 32 (12) Seite 30-37