Fettleibigkeit und altersbedingter Muskelabbau (Sarkopenie) können sich im Alter gegenseitig verstärken und so ihre Effekte auf körperliche Einschränkungen, Erkrankungen und Lebensdauer maximieren. Entsprechend ist die vorhandene Muskelmasse ein wichtiger Vorhersagefaktor für die zukünftige körperliche Funktion und Lebenserwartung. Das sind die Ergebnisse von Studien, die unter anderem von der Forschungsplattform Körperzusammensetzung des Kompetenznetzes Adipositas durchgeführt wurden.

Bis zum Ende dieses Jahrhunderts wird bei aktuell anhaltender demografischer Entwicklung ein Drittel der Weltbevölkerung über 60 Jahre alt sein. Gleichzeitig steigt die Anzahl der Menschen mit Adipositas in den Industrieländern deutlich an. Die bei älteren Personen häufig auftretende Kombination von Übergewicht/Adipositas und einem Verlust an Muskelmasse und -kraft wird als sarkopene Adipositas bezeichnet. Sie wird durch altersbedingte Veränderungen der Körperzusammensetzung und durch den im Alter erhöhten Körperfettanteil begünstigt. Die sarkopene Adipositas kommt relativ häufig vor. Daten aus USA zeigen, dass bei den Männern 15 Prozent und bei den Frauen 10 Prozent eine sarkopene Adipositas aufweisen.

Auch Stoffwechselstörungen sind zu erwarten

Die Veränderungen der Körperzusammensetzung, die auch dann stattfinden, wenn sich der Body Mass Index (BMI) nicht signifikant verändert, erhöhen das Risiko für die Entwicklung eines Metabolischen Syndroms und weiteren Krankheiten wie Osteoporose und Gebrechlichkeit. Kommt eine Zunahme der Fettmasse mit einer verringerten Muskelmasse zusammen, sind nicht nur funktionelle Einschränkungen, sondern auch Stoffwechselstörungen zu erwarten. Vor allem aber bei schweren Erkrankungen sowie bei Tumortherapien wirkt sich eine vorhandene sarkopene Adipositas negativ auf den Krankheits- bzw. Therapieverlauf aus.

Mangel an diagnostischen Methoden

„Eine zu niedrige Muskelmasse ist ein Risikofaktor, der häufig übersehen wird“, sagt Prof. Dr. Bosy-Westphal vom Institut für Ernährungsmedizin an der Universität Hohenheim. Der Abbau von Muskelmasse könne dabei viele Ursachen haben wie etwa einen ungünstigen Lebensstil (wenig Bewegung, hohe Energiezufuhr) oder Erkrankungen. Häufig gehe eine Gewichtszunahme mit einer unterproportionalen Zunahme der Muskelmasse einher, was nicht nur ein Risiko für Typ 2 Diabetes mellitus darstelle, sondern auch eine Beeinträchtigung der muskuloskeletalen Funktion (d.h. Krafteinbußen, Sturzneigung und Gebrechlichkeit) zur Folge haben kann. Bei Übergewicht kann eine zu geringe Muskelmasse durch die hohe Fettmasse “maskiert“ werden, auch "versteckte Sarkopenie" genannt, da indirekte Methoden der Körperzusammensetzung wie der BMI oder der Taillenumfang zur Beurteilung der Muskelmasse ungeeignet sind.

Mangel an diagnostischen Methoden

"Es gibt hier eindeutig einen Mangel an standardisierten, diagnostischen Methoden, welche die physiologische Beziehung zwischen Fett- und Muskelmasse mit einbeziehen“, sagt BosyWestphal, Projektleiterin im Kompetenznetz Adipositas. Es reiche nicht, neben Parametern wie Körpergröße, Alter, Geschlecht und BMI nur die Muskelmasse zu betrachten. Denn dann hätten alle Menschen mit Adipositas eine hohe Muskelmasse, so die Medizinerin und Ernährungswissenschaftlerin. Eine „normale“ Muskelmasse hänge jedoch von der Körperfettmasse ab. Dieselbe Menge an Muskelmasse sei also bei Menschen mit Adipositas im Vergleich zu Personen mit Normalgewicht „weniger wert“, da die hohe Fettmasse mit
einer Beeinträchtigung der Muskelqualität und -funktion einhergehe.

Folgen rechtzeitig verringern

Da Altern und Übergewicht/Adipositas erhebliche Auswirkungen auf die Volksgesundheit haben, stellt eine älter werdende, zunehmend übergewichtige Bevölkerung für das Gesundheitswesen unseres Landes zweifellos ein großes finanzielles Risiko dar. Somit ist es notwendig, diesen Bereich intensiver zu erforschen. Adipositas und Sarkopenie verstärken sich im Alter gegenseitig, so dass auch körperliche Einschränkungen und Beschwerden, Morbidität und Mortalität zunehmen. Die rechtzeitige Identifizierung älterer Menschen mit sarkopener Adipositas und die Sicherstellung der wirkungsvollsten Therapie sollte daher mehr in den Fokus, sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis, rücken. Eine effektive Behandlung könnte die klinischen Auswirkungen dieser Krankheit verringern.


Literatur:
Bosy-Westphal A, Müller MJ: Identification of skeletal muscle mass depletion across age and BMI groups in health and disease - there is need for a unified definition. International Journal of Obesity (2015), 39: 379 - 386

Quelle: Pressemeldung Kompetenznetz Adipositas