Im Darm leben 38 Billionen Bakterien und diese sind maßgebend, ob wir gesund bleiben oder krank werden. Eine Arbeitsgruppe an der Universitätsmedizin Greifswald hat bei 1.800 SHIP-Probanden (Study of Health in Pomerania) entdeckt, dass die Zusammensetzung der Darmbakterien viel stärker von der Funktion der Bauchspeicheldrüse kontrolliert wird als von allen anderen bekannten Faktoren.

„Was uns sehr überrascht hat ist die Stärke des Effekts“, betonte der Direktor der Inneren Klinik A an der Unimedizin Greifswald, Prof. Markus M. Lerch. „Die Bauchspeicheldrüse kontrolliert die Artenvielfalt der Bakterien im Darm viel tiefgreifender als alle bisher bekannten Wirtsfaktoren wie Alter, Geschlecht, die Art der Ernährung oder zum Beispiel die Einnahme von Magensäureblockern.“

Der menschliche Körper besteht nicht nur aus Milliarden spezialisierter Zellen, in ihm leben auch zahllose Mikroorganismen mit uns zusammen, in der Regel friedlich und nutzbringend. Allein im Darm finden sich etwa 38 Billionen Bakterien (3,8 x 1013), somit deutlich mehr als alle unsere Körperzellen zusammen. Weil Bakterien sehr viel kleiner sind als menschliche Körperzellen, kommen diese Bakterien zusammen auf ein Gewicht von nur 2 Kilogramm.

Vielfalt im Darm ist gesundheitsfördernd

Durch die rasante technische Entwicklung bei Untersuchungen des Erbmaterials von Bakterien in den letzten Jahren können inzwischen sämtliche im Darm lebende Mikroorganismen identifiziert werden. So wissen wir heute, dass dort fast 40.000 verschiedene Bakterienarten zu Hause sind. Wie diese sich in ihrer Art und Menge zusammensetzen, hat großen Einfluss auf unsere Gesundheit und ist nicht nur bei Darminfektionen Ursache von Krankheiten. Ein besonders artenreiches Darmmikrobiom hat gesundheitsfördernde Wirkungen und viele Erkrankungen gehen mit einer Abnahme der Diversität oder Artenvielfalt der Bakterien im Darm einher.

Umgekehrt gibt es Bakterienzusammensetzungen, für die ein Zusammenhang mit ganz verschiedenen Erkrankungen hergestellt wurde, die von Diabetes und Fettleber bis zu Depression und Alzheimer-Demenz reichen. Bei Krankheiten wie dem durch Antibiotika verursachten Durchfall (Clostridium difficile Colitis) wird sogar schon der Austausch des gesamten Darmmikrobioms therapeutisch eingesetzt und kann zur Heilung führen.

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Zusammensetzung des Mikrobioms von unterschiedlichen Faktoren abhängig

Einerseits ist die Mischung der Bakterienarten des Menschen erblich bedingt und kann fast als persönlicher Fingerabdruck angesehen werden. Andererseits führt schon ein zweiwöchiger Auslandsaufenthalt in Vietnam oder Mexiko aufgrund der andersartigen Ernährung zu starken Änderungen des Mikrobioms, die sich allerdings nach der Rückkehr in die vertraute Umgebung schnell zurückbilden. Andere bekannte Einflussfaktoren für die Zusammensetzung des Mikrobioms sind die Präferenz des Essens, etwa tierische Proteine oder vegane Kost, Tabakrauchen, Alkoholkonsum oder bestimmte Medikamente.

Verdauungsenzym Elastase hat großen Einfluss

Eine auf Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse spezialisierte Arbeitsgruppe der Universitätsmedizin Greifswald um die Klinik für Innere Medizin A und die Abteilung für Funktionelle Genomforschung hat nun untersucht, ob und wie dieses Organ das Mikrobiom beeinflusst. Hierzu wurden bei 1.800 Probanden der Greifswalder Gesundheitsstudie SHIP die Zusammensetzung des Stuhlmikrobioms mittels Sequenzierung der bakteriellen Erbinformation (16S rRNA) analysiert. Neben vielen anderen Faktoren maßen die Wissenschaftler sowohl die Konzentration von Elastase, einem Verdauungsenzym der Bauchspeicheldrüse, im Stuhl, als auch die stimulierte Ausscheidung von Pankreassaft in den Dünndarm mittels Kernspintomographie.

Eine verminderte Konzentration der Elastase war mit starken Veränderungen der Zusammensetzung und Artenvielfalt des Mikrobioms verknüpft. Beispielsweise fanden sich ein Anstieg der eher gesundheitsschädlichen Prevotella-Bakterien und eine Abnahme der gesundheitsförderlichen Bacteroides-Arten. Der Einfluss des Volumens des Pankreassaftes auf die Vielfalt der Bakterienstämme war dabei deutlich geringer als die Konzentration des Verdauungsenzyms Elastase.

Weiterer Schritt zum besseren Verständnis

„Ob dieser Effekt durch Peptid-Antibiotika, die die Bauchspeicheldrüse selbst produziert, oder durch eine Änderung der Verdauungsfunktion verursacht wird, ist noch unbekannt“, sagten die Erstautoren der Arbeit, Dr. Fabian Frost und Dr. Tim Kacprowski. „Auf jeden Fall bedeutet diese Entdeckung einen wirklichen Fortschritt im Verständnis über den Zusammenhang zwischen Verdauung und Darmmikrobiom“, unterstrich Dr. Georg Homuth aus der funktionellen Genomforschung. Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift Gastroenterology veröffentlicht.


Quelle: Pressemitteilung der Universität Greifswald