Stellungnahme zum Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) – aktueller Stand. Sie lesen einen offenen Brief von Toralf Schwarz, Vorsitzender des Bundesverbandes Niedergelassener Diabetologen e. V.
Das Bundeskabinett hat am 22.05.24 den Entwurf für das GVSG beschlossen. Im Vergleich zur ursprünglichen Fassung ist dieser nochmals schlanker, nun ist auch der HZV-Bonus weggefallen. Die für uns relevanten Probleme bleiben jedoch im Wesentlichen bestehen. Wir arbeiten auf Bundesebene mit Hochdruck daran, die absehbaren Verwerfungen abzuwenden. Es gab zu diesem Thema eine Abstimmung mit dem KBV-Vorstand am 30.04., die gemeinsame Stellungnahme mit der DDG für die AWMF (nur die ist beim BMG stellungnahmeberechtigt) wurde von uns erstellt. Im Ergebnis der Verbände-Anhörung beim BMG am 6.05. ist zwar die Regelung zur jährlichen Versorgungspauschale für chronisch Kranke abgemildert worden (jetzt nur noch für Erkrankungen, die keinen intensiven Betreuungsaufwand begründet). Eine praktikable Umsetzung dieser Regelung ohne ausufernde Bürokratie erscheint zumindest schwierig. Der Zeitrahmen für die weitere Bearbeitung steht noch nicht fest, wird aber vermutlich wieder sehr eng gefasst. Die Zeit drängt also. Hier ist gemeinsames und entschlossenes Handeln erforderlich, um Schäden von uns aber auch von unseren Patienten abzuwenden. Der BVND arbeitet daran im engen Schulterschluss mit DDG und KBV.
Die hauptsächlichen Probleme
Es ist geplant, die bisherigen Quartalspauschalen für die Chronikerversorgung als Jahrespauschalen zu gestalten. Außerdem sollen die Vorhaltepauschalen an bestimmte Kriterien geknüpft werden und gestaffelt zur Auszahlung kommen. Ein Teil dieser Kriterien sind für typische Schwerpunktpraxen kaum umsetzbar. Daher haben wir im Gespräch mit dem KBV-Vorstand vorgeschlagen, den Status als Schwerpunktpraxis als alternatives Kriterium mit aufzunehmen. Die KBV hat das Problem erkannt und auch in ihrer Stellungnahme berücksichtigt. Die im Gesetz angedachten Jahresvergütungen sind so schon aus organisatorischen Gründen nicht umsetzbar - eine gestaffelte Zahlung erscheint als einzige Möglichkeit. Wie in vielen anderen Bereichen auch hilft jedoch Pauschalieren nicht weiter, wenn man die Versorgung verbessern will. Jahrespauschalen - egal wie sie umgesetzt werden - können bei bestimmten Erkrankungen, wie z. B. einer kompensierten Hypothyreose sehr sinnvoll sein, nicht aber bei multimorbiden
Patienten, Menschen mit Typ-1-Diabetes oder Typ-2-Diabetes mit Folgeerkrankungen. Hier besteht die Fallführung in einem engen Kontakt zum Patienten, häufige Praxisbesuche sind schon allein wegen der unverzichtbaren Laborkontrollen notwendig. Schwerpunktpraxen wie z. B. in der Diabetologie versorgen genau diese vulnerabel Erkrankten - eine Umsetzung des Referentenentwurfs ohne wesentliche Korrekturen würde nicht nur die wirtschaftliche Existenz unserer Praxen bedrohen, sondern auch die Versorgung vor allem der schwer Erkrankten erheblich verschlechtern. dies trifft übrigens nicht nur für die Diabetologie, sondern z. B. auch für Patienten mit HIV oder unter Substitutionstherapie zu.
Es kommt zur Umverteilung von 7 Milliarden € des hausärztlichen Honorars, das entspricht 50% des über die (gedeckelte) morbiditätsbedingte Gesamtvergütung (MGV) verteilten hausärztlichen Honorars.
Steht nun fast die Hälfte unseres Honorars auf der Kippe?
Abhängig von ihrer Struktur und der Qualität der regionalen DMP-Verträge wird eine Schwerpunktpraxis in der Regel 60 % und mehr ihres Umsatzes aus der extrabudgetären Vergütung (EBV) generieren. Käme das Gesetz ohne Änderungen, könnten somit etwa 15-20 % des Gesamtumsatzes ausbleiben. Wir brauchen nicht die vollen 2,5 Milliarden, die zur Erhöhung des Konkurrenzdrucks gegen unsere bestehenden ambulanten Strukturen von BM Karl Lauterbach in das stationäre System gepumpt werden sollen. Mit den 300 Mio., die Lauterbach über den 30 €-Bonus an die HZV-Patient:innen ausschütten will, wären die hausärztlichen Leistungen im KV-System komplett entbudgetiert (Zitat KBV-Vize Dr. Hofmeister). Das Gesetz ist unsinnig teuer - es gibt preiswertere Alternativen.
Niemand soll glauben, die versprochene Entbudgetierung der Hausärztlichen Versorgung brächte mehr Geld ins System - schon im Referentenentwurf ist ja ausdrücklich von möglichen (nicht bezifferbaren) Einsparungen die Rede. Übrigens: mit der (in gesonderten Verträgen geregelten) HZV hat die Gesetzesvorlage nichts zu tun.
Unterstützung ist jetzt vor allem auch auf politischer Ebene in den Ländern nötig. Bitte gehen Sie auf Ihre Gesundheitsministerien und KVen zu und intervenieren! Nie waren die Grundpfeiler der ambulanten Strukturen durch Diabetes-Schwerpunktpraxen als Rückgrat der diabetologischen Versorgung so bedroht wie heute! Helfen Sie uns und unterstützen Sie auf allen Ebenen die Aktivitäten des BVND.
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Erschienen in: Diabetes-Forum, 2024; 36 (6) Seite 38-39