Eine Möglichkeit, Adipositas bei Typ-2-Diabetes wirksam zu behandeln, ist die bariatrische Chirurgie. Unser Autorenteam erklärt hier, was ein solcher Eingriff bringt und welche Risiken existieren.

Übergewicht und Adipositas haben in den letzten Jahrzehnten weltweit in dramatischem Ausmaß zugenommen. Sie repräsentieren damit eine der größten medizinischen und sozioökonomischen Herausforderungen unserer Zeit und stellen viele Gesundheitssysteme vor große Probleme. Weltweit sind derzeit die höchsten Übergewichts- und Adipositasprävalenzen für Männer und Frauen in den USA und auf einigen Inseln im Pazifik zu beobachten [1,2]. Aber auch Deutschland nimmt im europäischen Vergleich eine Spitzenposition bezüglich der Prävalenz von Adipositas und Übergewicht ein.

In der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland zeigte sich, dass über die Hälfte der deutschen Population übergewichtig ist. In der Altersgruppe der 18- bis 79-Jährigen litten 67,1 % der Männer und 53 % der Frauen an Übergewicht. In gleicher Weise konnte eine deutliche Zunahme der Adipositasprävalenz demonstriert werden. Sie betrug in dieser Studie 23,3 % bei Männern sowie 23,9 % bei Frauen [3]. Diese Entwicklung beschränkt sich jedoch nicht nur auf das Erwachsenenalter.

Auch Kinder und Jugendliche betroffen

Eine vergleichbare, besorgniserregende Zunahme von Übergewicht und Adipositas zeigt sich ebenfalls bei Kindern und Jugendlichen. Im Rahmen des bundesweiten Kinder- und Jugendgesundheitssurveys (KiGGS) wurde ein steigender Anteil übergewichtiger bzw. adipöser Kinder und Jugendliche in Deutschland bestätigt.

In dieser Studie waren insgesamt 15 % der Kinder und Jugendlichen übergewichtig, 6,3 % litten unter Adipositas. Im Vergleich zu den 1980er- und 1990er-Jahren hat sich somit der Anteil von Übergewichtigen und Adipösen in dieser Altersgruppe um 50 % erhöht [4].

Vermehrung des Körperfettes

Die Adipositas ist definiert als eine über das physiologische Maß hinausgehende Vermehrung des Körperfetts. Berechnungsgrundlage für die Gewichtsklassifikation ist der Körpermassenindex (Body Mass Index; BMI). Der BMI entspricht dem Quotienten aus Gewicht und Körpergröße zum Quadrat (kg/m2). Als übergewichtig werden im Allgemeinen Personen mit einem BMI ≥ 25 kg / m2 bezeichnet. Die Adipositas ist durch einen BMI ≥ 30 kg / m2 definiert (Tabelle 1).

Übergewicht und Adipositas sind mit einem erhöhten Risiko für Erkrankungen wie Diabetes mellitus Typ II, arterielle Hypertonie, Schlafapnoe, Fettstoffwechselstörungen, Gelenk- und Herz-Kreislauferkrankungen, nichtalkoholische Steatosis hepatis, Gallensteinleiden sowie verschiedenen Malignomen assoziiert. Die Inzidenz der Folgeerkrankungen erhöht sich deutlich in Abhängigkeit vom steigenden BMI. Zudem verringert sich mit zunehmendem Körpergewicht die Lebensqualität der Betroffenen.

Hohes Mortalitätsrisiko

Das Vorliegen einer Adipositas Grad III erhöht darüber hinaus das Mortalitätsrisiko auf das sechs- bis 12fache der Normalbevölkerung [6]. Der Diabetes mellitus Typ II (T2DM) ist eine der wichtigsten Stoffwechsel-erkrankungen der Gegenwart, die durch den Anstieg des Körpergewichts bei genetischen Voraussetzungen induziert wird. Übergewicht bzw. die Adipositas tragen in erheblichem Maße zur Entwicklung der Insulinresistenz in Zielgeweben (Leber, Muskulatur, Fettgewebe) bei.

Als zugrundeliegende Mechanismen werden hormonelle Dysbalancen (Adiponektin, Leptin, Ghrelin), erhöhte Zytokinkonzentrationen (TNFα, IL-6) sowie die vermehrte Freisetzung von nicht-veresterten Fettsäuren aus dem viszeralen Fettgewebe diskutiert [7-9].

Initiale Therapie: konservative Maßnahmen im Vordergrund

Eine erfolgreiche Behandlung der Adipositas setzt ausreichende Motivation, Kooperationsfähigkeit sowie umfassende Information des Patienten voraus. Traditionell stehen bei der initialen Therapie konservative Maßnahmen im Vordergrund. Diese beinhalten multimodale Therapieansätze und umfassen neben Diäten, Ernährung- und Bewegungstherapien auch verhaltenstherapeutische Maßnahmen sowie eine psychologische Betreuung.

Bei konsequenter Umsetzung dieser komplexen Behandlungsansätze und einer hohen Patientencompliance lässt sich zumindest kurzfristig eine zufriedenstellende Reduktion des Körpergewichts erzielen. Problematisch für die meisten Betroffenen ist jedoch die langfristige Gewichtskontrolle nach erfolgreicher Gewichtsabnahme. Zudem zeigt die Erfahrung, dass sich diese komplexen Therapien gerade im ländlichen Bereich aufgrund der fehlenden Infrastruktur nur schwerlich umsetzen lassen.

In manchen Fällen mangelt es aber auch an entsprechenden Angeboten der Krankenkassen. Untersuchungen der letzten Jahre zeigen, dass der Effekt konservativer Therapien auch bei konsequenter Umsetzung bei der Mehrzahl der Patienten zeitlich limitiert ist [10]. Eine Ursache hierfür liegt in der geringen Langzeitakzeptanz konservativer Maßnahmen. Zudem muss die Adipositas als chronische Erkrankung mit hoher Rezidivneigung betrachtet werden.

Voraussetzungen für einen bariatrischen Eingriff

Die bariatrische Chirurgie hat sich insbesondere in den letzten drei Jahrzehnten zu einer sicheren und effektiven Therapieoption bei der Behandlung der Adipositas Grad II und III etablieren können. Sie repräsentiert darüber hinaus die derzeit einzige Behandlungsoption mit deren Hilfe bei der Mehrzahl der Betroffenen ein signifikanter Gewichtsverlust erreicht und erhalten werden kann. Zusätzlich werden adipositas-assoziierte Nebenerkrankungen positiv beeinflusst.

Von den Fachgesellschaften gibt es klare Vorgaben, die vor Durchführung eines solchen Eingriffs erfüllt sein müssen (Tab. 2). Bezüglich der Evaluation der Patienten empfiehlt sich die Vorstellung in einem Adipositaszentrum. Eine bariatrische Operation sollte nach erfolgloser, mindestens 6-monatiger konservativer Therapie in Erwägung gezogen werden. Zudem muss eine behandelbare Ursache der Adipositas (z.B. endokrinologische Störung) und eine psychisch bedingte pathologische Essstörung oder Suchterkrankung ausgeschlossen werden.

Wichtig ist darüber hinaus die ausführliche Aufklärung des Patienten über die Risiken und Folgen der Operation unter Berücksichtigung des individuellen Komorbiditätsprofils sowie über das realistische Ausmaß der zu erwartenden Gewichtsreduktion. Nach eingehender Evaluation der Patienten erfolgt in der Regel die Beantragung eines solchen Eingriffs bei der betreuenden Krankenkasse.

Strukturierte lebenslange Nachsorge

Für den Erfolg der Operation ist ebenfalls eine strukturierte lebenslange Nachsorge von außerordentlicher Bedeutung. Hierbei werden der Gewichtsverlauf sowie der Einfluss auf Nebenerkrankungen mit einer eventuellen Reduktion der Therapieintensität bzw. Beendigung der Therapie dokumentiert. Zudem erfolgen regelmäßige Kontrollen um Spätkomplikationen oder Mangelerscheinungen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.

Zusätzlich sollten die Patienten auch nach dem Eingriff begleitend ernährungsmedizinisch und psychologisch betreut werden. In diesem Zusammenhang muss auf die fehlende Finanzierung der Nachsorge durch die Kostenträger hingewiesen werden, die jedoch Gegenstand aktueller Diskussionen ist.

Formen der bariatrischen Chirurgie

Die chirurgische Behandlung der morbiden Adipositas basiert im Wesentlichen auf den Prinzipien der Restriktion (Reduktion der gastralen Kapazität) oder Malabsorption (Reduktion der intestinalen Resorptionsfläche) bzw. der Kombination beider Verfahren. Nachdem in den 1990er Jahren die Implantation eines Magenbandes den häufigsten bariatrischen Eingriff in Deutschland darstellte, hat dessen Bedeutung aufgrund effektiverer Operationen aktuell deutlich abgenommen.

Weltweit stellt der Roux-Y-Magenbypass (RYGB) das am häufigsten durchgeführte Verfahren dar [12]. Die Schlauchmagenbildung (Sleeve Gastrektomie, SG) avancierte innerhalb kürzester Zeit zum zweithäufigsten Eingriff. In Deutschland hat die SG den RYGB in den letzten Jahren sogar an Häufigkeit übertroffen. Beide Operationen repräsentieren mit einem Anteil von über 90 % an der Gesamtzahl der in Deutschland durchgeführten Eingriffe bei Adipositas somit die wichtigsten operativen Verfahren.

Empfehlungen zur Durchführung eines bariatrischen Eingriffs auf der Grundlage der aktuellen S3-Leitlinie [11]
  1. . Adipositas Grad III (BMI > 40 kg/m2) oder
  2. Adipositas Grad II (BMI ≥ 35 und < 40 kg/m2) mit erheblichen Komorbiditäten (z. B. T2DM) oder
  3. Adipositas Grad I (BMI >30 und <35 kg/m2) bei Patienten mit T2DM (Sonderfälle).
  4. Eine chirurgische Therapie kann auch primär ohne eine präoperative konservative Therapie durchgeführt werden, wenn die konservative Therapie ohne Aussicht auf Erfolg ist oder der Gesundheitszustand des Patienten keinen Aufschub eines operativen Eingriffs zur Besserung durch Gewichtsreduktion erlaubt.

Dies ist unter folgenden Umständen gegeben:
  • besondere Schwere von Begleit- und Folgekrankheiten der Adipositas
  • BMI > 50 kg/m2
  • persönliche psychosoziale Umstände, die keinen Erfolg einer Lebensstiländerung in Aussicht stellen
Kontraindikationen für bariatrische Operationen:
  1. Suchterkrankungen (z.B. Drogen, Alkohol)
  2. konsumierende und immundefizitäre Erkrankungen
  3. psychische Erkrankungen wie schwere Depressionen, Psychosen und Essstörungen (Bulimie, Binge eating disorder)

Minimalinvasive Technik

Bei der SG erfolgt in minimalinvasiver Technik die Entfernung des Magenfundus sowie großer Teile des Magenkorpus. Es verbleibt ein kleinkurvaturseitiger Schlauchmagen, dessen Größe durch einen intraoperativ eingelegten Bougie (ca. 12-14 mm Durchmesser) kalibriert wird (Abb. 1).

Neben der restriktiven Komponente mit Reduktion der Nahrungsmenge scheinen auch hormonelle Effekte, eine frühere Antrumdehnung sowie eine beschleunigte Magenentleerung für das verbesserte Sättigungsgefühl und somit für die Gewichtsabnahme von Bedeutung zu sein. Der Gewichtsverlust vollzieht sich insbesondere in den ersten zwei Jahren und beträgt ca. 60 % des initialen Übergewichts [13,14].

Beim RYGB erfolgt ebenfalls in minimal invasiver Technik zunächst die Bildung eines kardianahen Magenpouches unter kompletter Separation vom Restmagen. Nach Durchtrennung des oberen Dünndarms, wird der untere Abschnitt mit dem Magenpouch anastomosiert. Der somit entstandene alimentäre Dünndarm-Schenkel (Nahrungsbrei) wird mit dem biliopankreatischen Schenkel (Verdauungssekrete) ca. 150 cm unterhalb dieser Anastomose verbunden (Abb. 2).

Hierdurch wird zusätzlich zu der restriktiven Komponente auch eine "milde" Malabsorption erreicht. Aus diesem Grund müssen Patienten nach diesem Eingriff täglich zusätzlich zur Nahrung Vitamine, Spurenelemente und Mineralien zuführen und regelmäßig untersucht werden um Mangelerscheinungen vorzubeugen. Bezüglich der Gewichtsreduktion ist der RYGB etwas effektiver mit einem durchschnittlichen Übergewichtsverlust zwischen 56 % und 78 % [15].

Die Komplikationsraten und die Mortalität nach beiden Eingriffen sind niedrig und mit denen anderer abdominal-chirurgischer Operationen vergleichbar. In der deutschen Qualitätssicherungsstudie betrug die perioperative Mortalität bei mehr als 10.000 dokumentierten Eingriffen 0,25 % [6].

Auswirkungen auf assoziierte Nebenerkrankungen

Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass bariatrische Eingriffe nicht nur zu einer signifikanten Gewichtsreduktion führen, sondern darüber hinaus auch die assoziierten Nebenerkrankungen, wie z.B. den T2DM, die arterielle Hypertonie, die Schlafapnoe und die Hyperlipidämie positiv beeinflussen. Dieser eindrucksvolle Effekt hat dazu beigetragen, dass man in der heutigen Zeit auch von metabolischer Chirurgie spricht. Die meisten Erfahrungen bestehen bezüglich des Effektes auf den T2DM.

In einigen Studien konnte gezeigt werden, dass es nach Durchführung einer SG bzw. RYGB bei ca. 80 % der Patienten nach dem Eingriff zu einer Remission (keine Behandlung mehr notwendig) bzw. zu einer Reduktion der Therapieintensität kommt [16]. In einer randomisierten Studie zu diesem Thema wurde die Effektivität der SG und des RYGB mit der einer intensivierten konservativen antidiabetischen Therapie verglichen.

Nach drei Jahren hatten lediglich 5 % der konservativ Therapierten das Studienziel (Absenkung des HbA1c < 6 %) im Vergleich zu 38 % nach RYGB bzw. 24 % nach SG erreicht. Bei über 50 % der Patienten ohne Operation war noch immer eine Insulintherapie notwendig (RYGB: 6 %; SG 8 %) [17]. Interessanterweise konnte in einer der bekanntesten Langzeit-Untersuchungen demonstriert werden, dass die Chirurgie auch einen präventiven Effekt bezüglich der Diabetes-Neuerkrankung bei Adipösen besitzt. In der chirurgischen Gruppe war die Langzeit-Inzidenz des T2DM um 78 % geringer als in der Kontrollgruppe (konservative Therapie) [18].

Als Ursache für die Remission des T2DM werden neben der Gewichtsreduktion mit einer Verbesserung der Insulinresistenz auch hormonelle Effekte vermutet. Die Erkenntnisse hinsichtlich der Wirkung bariatrischer Eingriffe auf adipositas-assoziierte Nebenerkrankungen haben bei einigen Arbeitsgruppen zu einem Umdenken bezüglich der Indikationsstellung für eine solche Operation geführt. Somit soll nicht der BMI als alleiniger Indikator für einen Eingriff sondern insbesondere die Nebenerkrankungen, psychische Probleme und die Lebensqualität berücksichtigt werden [19].

Sichere Thrapieoption

Die bariatrische bzw. metabolische Chirurgie hat sich zu einer sicheren und effektiven Therapieoption bei Adipositas und insbesondere bei adipösen Diabetikern etablieren können. Wichtig sind eine sorgfältige Evaluation der Patienten sowie eine ausführliche Aufklärung über Risiken, Folgen und Therapieziele. Von großer Bedeutung für den Erfolg einer Operation ist darüber hinaus eine strukturierte lebenslange Nachsorge. Aus diesen Gründen ist eine Vorstellung der Patienten in Adipositaszentren empfehlenswert.

Zertifiziertes Adipositaszentrum in Magdeburg
Das zertifizierte Adipositaszentrum der Uniklinik Magdeburg betreut seit Ende der 90ger Jahre Patienten mit Adipositas. Alle gängigen Operationen inklusive von Re-Operationen und Folgeeingriffen (plastisch-ästhetische Operationen) werden hier angeboten. In der wöchentlich durchgeführten Sprechstunde erfolgt bei Erstvorstellung die ausführliche Befunderhebung sowie die Prüfung inwiefern ein Patient für eine Operation geeignet ist. Auch nach erfolgtem Eingriff wird über diese Sprechstunde die interdisziplinäre Nachsorge organisiert.

Die Patienten und die betreuenden Ärzte können sich bei Interesse direkt an die Koordinatorin des Zentrums (Frau Lumma; Tel.: 0391-67 21442 oder sabrina.lumma@med.ovgu.de ) wenden. Diese ist auch Ansprechpartner bei Problemen und Fragen im Rahmen der Organisation von Terminen bzw. bei der Antragstellung.

Alternativ ist ebenfalls eine direkte Kontaktaufnahme mit der adipositas-chirurgischen Ambulanz (Haus 60a, 1. Etage; montags: 9.00 – 12.00 Uhr, Tel.: 0391-67 21472) möglich.

Quellen
Literatur beim Autor: frankbenedix@gmx.de


Autor: PD Dr. med. Frank Benedix
Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie, Universitätsklinikum Magdeburg A.ö.R.
Leipziger Straße 44, 39120 Magdeburg
Tel.: 0391/67 15500, Fax: 039 /67 15570,

Erschienen in: Diabetes-Forum, 2017; 29 (6) Seite 46-49