Die Auswirkungen einer Schlafapnoe können erheblich sein. das weiß Dr. Marina Rippl vom Diabeteszentrum Bad Lauterberg. Was man bei der Therapie im Zusammenhang mit dem Diabetes beachten sollte, erfahren Sie hier.

Eine diabetische Stoffwechselentgleisung kann viele Ursachen haben. Nicht selten können schlafbezogene Atemstörungen verantwortlich gemacht werden. Dies trifft nicht nur bei metabolischem Syndrom und Typ-2-Diabetes zu. Auch Patienten mit Diabetes mellitus Typ1 sind davon betroffen. In den nächsten beiden Ausgaben des Diabetes-Forums wird uns die Internistin Dr. Marina Rippl eine Übersicht über schlafbezogene Atemerkrankungen, deren Klassifikation und mögliche Behandlungsstrategien geben.

Dr. med. Thomas Werner, BVKD-Vorstand

Schlaf ist lebensnotwendig. Es kann niemand darauf verzichten. Der Verlauf eines gesunden Schlafes folgt einem festen Ablauf. Während des Schlafes durchläuft der Mensch ca. 4 Schlafzyklen. Jeder Zyklus besteht aus 4 Stadien: Schlafstadium 1 und 2 werden als Leichtschlaf klassifiziert, Schlafstadium 3 als Tiefschlaf. Zusätzlich gibt es noch den REM-Schlaf (Rapid Eye Movement). Die Schlafstadien werden über das EEG gemessen. Die Schlafdauer bzw. das Schlafbedürfnis verringert sich mit dem Alter.

Es gibt jedoch auch große Unterschiede wie viel Schlaf der Einzelne benötigt. So wird in der Schlafmedizin zwischen Morgentypen (stehen früh auf und gehen früh zu Bett), Abendtypen (stehen spät auf und gehen spät zu Bett) und Mischchronotypen unterschieden sowie zwischen Lang- und Kurzschläfern. Während unseres Schlafes finden eine Vielzahl hormoneller und neuronaler Prozesse statt (z.B. bezüglich der Regeneration, des Immunsystems), welche auch unser Tagesbefinden beeinflussen.

Unspezifischen Symptome, aufwendige Diagnostik

Schlafstörungen äußern sich häufig mit unspezifischen Symptomen wie z.B. Ein- und Durchschlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten, Tagesmüdigkeit bzw. Tages-schläfrigkeit. Halten die Beschwerden länger als einen Monat an, ist eine medizinische Abklärung sinnvoll. Aufgrund der unspezifischen Symptome kann eine Diagnostik aufwendig sein.

Endokrinologischen Erkrankungen wie Schilddrüsen-funktionsstörungen, chronische Schmerzen, Inkontinenz, kardiovaskuläre Erkrankungen sowie neurologische und psychische Erkrankungen können zu einem gestörten Schlafverhalten führen. Auch ein bestimmtes Verhalten, z.B. Schichtarbeit oder bestimmte Umstände, z.B. häufige nächtliche Hypoglykämien können zu einem nicht erholsamen Schlaf führen.

Die Schlafmedizin beschäftigt sich vor allem mit Erkrankungen, welche sich unmittelbar auf unseren Schlaf auswirken können. So gibt es gemäß der deutschen Leitlinie für nicht erholsamen Schlaf die ICSD-2 Klassifikation. Darin werden sechs Hauptkategorien beschrieben, auf die hier näher eingegangen wird.

1. Insomnien

Ein- und Durchschlafstörungen sind häufig jedoch nicht spezifisch für eine psychische oder organische Erkrankung und können auch als eigenständiges Störungsbild auftreten, als sog. primäre Insomnie. Man schätzt, dass etwa 10 % der Bevölkerung von einer Insomnie betroffen ist, ein Drittel davon leidet unter einer primären Insomnie. Die Beschwerden treten mindesten dreimal pro Woche über einem Monat auf.

Betroffene denken vor allem in der Nacht viel an ihre Schlafstörung und machen sich während des Tages übertriebene Sorgen über deren negative Auswirkungen. Eine gefühlt unbefriedigende Schlafdauer und Schlafqualität verursacht einen Leidensdruck. Dabei muss die empfundene Schlafdauer nicht mit der EEG-gemessenen übereinstimmen. Die Patienten beschreiben Tagesmüdigkeit, kognitive Einschränkungen, Stimmungsschwankungen. Insomnie stellt einen Risikofaktor für eine Depression dar.

Um ein Bild über die Schlafstörungen zu bekommen, kann das Führen eines Schlaftagebuches über 14 Tage sinnvoll sein. Indikationen für eine schlafmedizinische Vorstellung und Durchführung einer Polysomnographie sind signifikante Beeinträchtigung im Sinne von Tagesmüdigkeit, Schläfrigkeit, eine therapieresistente Insomnie über 6 Monate Behandlungsdauer, Verdacht auf organisch bedingte Insomnie (OSA, RLS, Herzrhythmusstörungen, Epilepsie), in Verbindung mit Schlafwandeln und Restless-Legs-Syndrom, bei Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen (Schichtarbeit).

Differenzialdiagnostisch empfiehlt sich die Überprüfung der eingenommen Medikamente, ein EKG, ein EEG, eine psychiatrische Untersuchung, Schilddrüsen-, Leber- Nieren- und Entzündungswerte sowie ein Blutbild. Als Therapie bei primären Insomnien kommen kognitive verhaltenstherapeutische Ansätze zur Anwendung (Schlafhygiene. Entspannungstechniken, kognitive Techniken, Stimuluskontrolle, Schlafrestriktion), eine begleitende kurzzeitige medikamentöse Therapie kann zudem hilfreich sein.

2. Schlafbezogene Atmungsstörungen

Sie treten ausschließlich oder primär im Schlaf auf und stören den Schlaf. Charakteristische Muster sind Apnoen und Hypnoen mit und ohne pharyngeale Obstruktionen und Hypoventilationen. Diese beruhen auf zentralnervösen bzw. neuromuskulären Prozessen, bei denen die zentrale Atmungsregulation oder der Tonus der Muskulatur der oberen Atemwege verändert ist. Sie verursachen eine Reduktion des Sauerstoffgehaltes im Blut (Hypoxämien).

In besonders schweren Fällen kann es auch zu einem Anstieg des CO2 oder zu einer respiratorischen Azidose kommen. Typische Symptome sind neben der Tagesschläfrigkeit hohe Blutdruckwerte, Herzrhythmusstörungen, Cor pulmonale, Myokardinfarkt und die zerebrale Ischämie.

Abb. 1: Schlafbezogene Atmungsstörung (Quelle: Universitätsklinikum Ulm).

Bezüglich der Pathogenese wird zwischen zentralen, obstruktiven Schlafapnoe-Syndromen sowie Hypoventilations-Syndromen unterschieden:

Zentralen Schlafapnoe

Hier liegt eine Störung in der Atmungsregulation vor. Die Apnoen treten trotz offener Atemwege auf. Der Atemantrieb fehlt, eine inspiratorische Atemanstrengung erfolgt somit nicht. Ein bekanntes Beispiel ist die Cheyne Stokes- Atmung. So kann die zentrale Schlafapnoe neben einem primären Auftreten auch durch andere Erkrankungen wie eine Herzinsuffizienz bedingt sein, aber auch bei neurologischen Erkrankungen oder bei Niereninsuffizienz sowie auch bei Diabetes im Rahmen von Neuropathien. Sie sind ebenfalls bei Opiat- oder Antidepressiva-Einnahme häufiger zu sehen.

Patienten berichten über häufiges Erwachen und begleitende Dyspnoe. Die Diagnostik erfolgt mittels Polysomnographie. Als Therapie wurden noninvasive Beatmungsverfahren beschrieben. Es gibt jedoch widersprüchliche Studien zur Effektivität. Auch Sauersstoffinsufflation über eine Nasensonde kann angewendet werden.

Obstruktive Schlafapnoe

Bei dieser Schlafapnoe sind die oberen Atemwege durch einen Tonusverlust der Muskulatur verengt oder komplett verschlossen. Auch hier äußern Betroffene Symptome wie Tagesschläfrigkeit, nächtliches Aufschrecken, Atemnot, insomnische Beschwerden, Palpitationen, Nykturie, Nachtschweiß, Kopfschmerzen beim Erwachen, Beeinträchtigung des Gedächtnisses, Impotenz und depressive Störungen. Schnarchen tritt bei den Betroffenen häufig auf.

Schnarchen allein ist jedoch kein Behandlungsgrund. Prädisponierende Faktoren sind der BMI, das Alter, kraniofaziale Besonderheiten (ggf. ist eine HNO- und kraniofaziale Diagnostik nötig), das Geschlecht (Männer sind häufiger betroffen), aber auch Rauchen, Alkohol, Schwangerschaft, Chemosensitivität im Bereich der Atmungsregulation sowie Rheuma, Akromegalie und das polyzystische Ovarsyndrom wirken begünstigend. Zusammenhänge mit der arteriellen Hypertonie, kardiovaskulären Erkrankungen und dem Glukosestoffwechsel sind beschrieben.

Pathophysiologisch wird angenommen, dass die Apnoen und Hypnoen zu einer intermittierenden Hypoxie führen und dadurch das sympathische Nervensystem aktivieren, welches zu oxidativem Stress, Entzündungsreaktionen und auch zur Insulinresistenz führt.

Alveoläre Hypoventilation

Bei diesem Syndrom ist die CO2-Elimination in der Lunge im Vergleich zur Produktion vermindert. Im Schlaf sinkt physiologisch die alveoläre Ventilation um ca. 10 % ab, gleichzeitig vermindert sich die CO2-Produktion leicht. Insgesamt steigt dadurch der CO2-Partialdruck um 4 mmHg. Ein Anstieg von 10 mmHg bzw. über 55 mmHg ist pathologisch und spricht für eine relevante schlafbezogene alveoläre Hypoventilation.

Die idiopathische kongenitale Hypoventilation ist selten, dagegen sind schlafbezogene Hypoventilationen durch körperliche Erkrankungen häufig, beispielsweise durch interstitielle Lungenerkrankungen, pulmonale Hypertonie, COPD, neuromuskuläre Erkrankungen, Brustwanderkrankungen, Obesitas. In der Frühphase tritt die Hyperkapnie für einige Minuten im REM-Schlaf auf. Die Symptome sind unspezifisch wie Belastungsdyspnoe, Leistungsminderung, oft bestehen Beinödeme und infolge der Hyperkapnie Kopfschmerzen, Durch-schlafstörungen und Erwachen mit Dyspnoe.

Die Grunderkrankung führt zu einer verminderten Kapazität bzw. zu einer erhöhten Last für den Atempumpapparat. Die Diagnostik erfolgt mittels transkutaner pCO2-Messung und Polysomnographie. Blutgasanalyse und Messung der Atemmuskel-kraft. Auch Sauerstoffsättigungsabfälle unter 85 % für mehr als 5 Min. der Schlafzeit entsprechen einer Hypoventilation. Oft ist zur Therapie eine noninvasive Beatmung notwendig, welche die Ventilation steigert und die Atemmuskelarbeit im Schlaf übernehmen kann, so dass der Atemmuskulatur eine Erholung ermöglicht wird.

3. Hypersomnien zentralnervösen Ursprungs

Dies sind Schlafstörungen mit vermehrter Tagesschläfrigkeit. Die bekannteste Erkrankung aus diesem Kreis ist wohl die Narkolepsie. Aber auch durch Schädel-Hirntraumata, neurologische Erkrankungen oder durch Tumore kann es zu Hypersomnien kommen. Zur Diagnostik werden eine Polysomnographie sowie ein multipler Schlaflatenztest empfohlen. Zur Therapie werden medikamentöse Stimulantien (Modafinil) sowie Verhaltenstherapie eingesetzt.

4. Zirkadiane Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen

Zu der heterogenen Gruppe gehören sowohl intrinsisch als auch extrinsisch bedingte Schlaf-Wach-Störungen. Es besteht die Unfähigkeit, zu gewünschten bzw. sozial erwünschten Zeiten einzu-schlafen bzw. aufzuwachen. Der Jetlag sowie das Schichtarbeiter-Syndrom gehören z.B. dazu und stellen die häufigsten Fälle.

5. Parasomnien

Dies sind unerwünschte, unangemessene Verhaltensauffälligkeiten während des Schlafes, wie z. B. das Schlafwandeln (Somnabulismus), der Parvor nocturnus (Nachttremor) sowie die REM-Schlaf-Verhaltensstörung. Unter Schlafwandeln leiden ca. 30 % der Kinder zwischen 4-6 Jahren und 4 % der Erwachsenen. Es können Beschwerden wie Abgeschlagenheit oder Tages-schläfrigkeit auftreten.

6. Schlafbezogenen Bewegungsstörungen

Dazu gehören u. a. das Restless Legs-Syndrom mit einem unangenehmen Bewegungsdrang der Beine, dieser tritt vor allem bei Entspannung am Abend und in der Nacht auf. Die Beschwerden bessern sich durch Bewegung. Dies führt zu Ein- und Durchschlafstörungen. Bei Periodic Limb Movements in Sleep kommt es zu unwillkürlichen Zuckungen der Beine während des Schlafes, so dass die Betroffenen erwachen, Durchschlafstörungen sind die Folge.

Häufige sekundäre Ursachen sind Eisenmangel, Schwangerschaft sowie Neuropathien, Multiple Sklerose und Morbus Parkinson. Aber auch Medikamente wie dopaminantagonistisch wirkende Substanzen aus der Gruppe der Neuroleptika, Metoclopramid, tri- und tetrazyklische Antidepressiva, Serotonin-Wiederaufnahmehemmer können zu unwillkürlichen Bewegungen der Beine führen.

Als medikamenöse Therapie kann L-Dopa verwendet werden sowie Dopamin-agonisten (Pramipexol, Ropinirol).

Hier finden Sie den zweiten Teil des Beitrags.


Autorin: Dr. Marina Rippl
Fachärztin für Innere Medizin
Diabeteszentrum Bad Lauterberg

Erschienen in: Diabetes-Forum, 2019; 18 (6) Seite 34-38