Die Behandlungsqualität in medizinischen Einrichtungen unterliegt strengen Auflagen. Zum einen besteht durch den Behandlungsvertrag eine Verpflichtung, zum anderen regeln gesetzliche Vorschriften z.B. die Sicherheit der Behandlung. Mehr darüber weiß Dr. Ulrich Paschen.

Medizinische Leistungen sollten stets in hoher Qualität durchgeführt werden. Dieser Forderung wird sich jeder sofort anschließen. Doch was bedeutet Qualität in der Medizin? Wie soll man Qualität messen? Gibt es Methoden, die einen Vergleich der "Qualität medizinischer Einrichtungen" erlauben? Ist die Aussagekraft der vielen erhobenen Daten in Bezug auf die Vergleichbarkeit unterschiedlicher Behandlungseinrichtungen wissenschaftlich bewiesen? Oder treiben wir nur den Verwaltungsaufwand in die Höhe, ohne dass der Patient davon profitiert?

Mit diesen Fragen beschäftigt sich der Autor des folgenden Artikels. Dr. med. Ulrich Paschen ist ausgebildeter Chirurg und beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit Qualitätsmanagement in Krankenhäusern. Das von ihm geführte IQ-Institut hat für Krankenhäuser, ärztliche und zahnärztliche Praxen und für wissenschaftliche Einrichtungen umfassende Qualitätsmanagement-Systeme entwickelt.

Dr. med. Thomas Werner, 1. Vorsitzender des BVKD

Jeder Leistungserbringer ist vertraglich verpflichtet, seine Leistungen in der gebotenen Qualität zu erbringen. Der Patient hat aus dem Behandlungsvertrag Anspruch auf eine Behandlung nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis, erbracht in einem beherrschten Prozess. Der Staat stellt weitere Anforderungen an medizinische Behandlungen, insbesondere solche, die die Sicherheit der Leistungserbringung betreffen (Hygienepflichten, Strahlenschutz, Arbeitssicherheit usw.).

Der Staat kann im Rahmen einer Krankenhausplanung die Zulassung davon abhängig machen, ob das Leistungsangebot für die Versorgung hinreicht und das notwendige Maß nicht überschreitet. Die Krankenversicherungen können Anforderungen zur Wirtschaftlichkeit und zum Umfang der Leistungserbringung stellen.

Wichtig: Qualitätsnachweis

Kommen Zweifel an der Erfüllung der Vertragspflichten oder der allgemeinen Anforderungen auf, stellt sich die Frage, wie ein überzeugender Nachweis gelingen kann, dass die geforderte Qualität erbracht wurde. Der Nachweis kann gegenüber einem Patienten beim Vorwurf eines Behandlungsfehlers nötig werden, gegenüber den für die Aufsicht über den Krankenhausbetrieb verantwortlichen Behörden oder den Stellen, die die Kosten der Behandlung übernehmen.

Auch die Leitung einer Einrichtung ist aufgrund ihrer Organisationsverantwortung verpflichtet, sich davon zu überzeugen, dass sie jederzeit ihre vertraglichen Verpflichtungen erfüllt. Vernachlässigt sie ihre Pflichten, haftet sie für alle Schäden. Dies gilt allgemein, für alle Unternehmen – nicht nur für Krankenhäuser.

Zur Bewältigung dieser Aufgabe wurden zahlreiche Maßnahmen eingeführt, die unter der Bezeichnung "Qualitätssicherung" zusammengefasst werden. Während in der Vergangenheit das Hauptgewicht auf die Leistungserbringung (Produktion) gelegt wurde, hat sich inzwischen eine mehr umfassende Betrachtungsweise durchgesetzt. Man spricht deswegen oft von Qualitätsmanagement mit ebenderselben Zielrichtung: einem Nachweis dafür, dass die Einrichtung die gebotene Qualität einhält.

Anstöße zur Qualitätsverbesserung

Aus der Befürchtung, die Qualität der Gesundheitsversorgung könne hinter den heutigen Möglichkeiten zurückbleiben und den Leistungsanbietern der Anreiz fehlen, die Qualität ihrer Leistungen zu verbessern, wurden Maßnahmen ersonnen, die von außen eine Qualitätssteigerung anstoßen sollen.

Zu nennen sind die Messung der Qualität der Leistungserbringer durch statistische Vergleiche; ihre Bewertung in einem Ranking; die öffentliche Darstellung der Ergebnisse, um den Patienten begründete Auswahlentscheidungen zu ermöglichen; eine qualitätsorientierte Vergütung oder eine Beschränkung der Teilnahme an der Krankenversorgung bei offensichtlichen Mängeln.

Solche Maßnahmen kann man als Stärkung der Verantwortlichkeit (accountability nach Solberg et al. 1997), als Überwachungs- und Kontrollfunktion (Geraedts 2009) oder Verbesserung durch Selektion (improvement through selection Berwick et al. 2003) ansehen. Gemeinsam ist hier der Gedanke, dass der Anstoß von außen (extern) kommen muss, um die Einrichtungen zur Verbesserung ihrer internen Organisation anzuspornen (internes Qualitätsmanagement).

Tracer-Diagnosen: Vergleiche, keine Messungen

Die von außen kommende, "extern" genannte Qualitätssicherung war ursprünglich als Methode zur Ermittlung eines verlässlichen Qualitätsmaßstabes gedacht. Man wählte einzelne häufige und wenig komplexe Behandlungsleistungen für einen statistischen Vergleich aus (Tracer-Diagnosen nach KESSLER). Aus den gesammelten Einzeldaten werden Mittelwerte und Referenzbereiche errechnet. Das Mittelmaß ist dann empirisch die geforderte Qualität.

Auf diese Weise könnten – so die Überzeugung - unzureichende und überragende Qualität identifiziert werden. Statistische Vergleiche von einigen Parametern wurden dann später "Qualitätsmessung" genannt – was sie aber, das sei ausdrücklich betont, nicht sind. Sie sind Vergleiche, keine Messungen.

Kaum eine Annahme der Methode eines einrichtungsübergreifenden statistischen Vergleiches lässt sich halten. Die geeigneten Tracer-Diagnosen sind nicht repräsentativ für das Leistungsgeschehen. Von einigen wenigen Behandlungen und ihren Ergebnissen kann man nicht auf die Qualität einer ganzen Abteilung, noch viel weniger auf die eines ganzen Krankenhauses mit mehreren Abteilungen schließen.

Die Behandlungsverfahren bei den ausgewählten Diagnosen sind in den Krankenhäusern nicht gleich, die Indikationen werden in den Häusern unterschiedlich gestellt – ein einfacher Vergleich mit Mittelwertbildung verbietet sich bei solchen Unterschieden. Die Datenaggregation ist erst nach längeren Beobachtungszeiträumen sinnvoll, wenn die Anzahl der berichteten Eingriffe endlich ausreicht, um valide statistische Aussagen zu machen. Sie kommen dann immer zu spät.

Datenveröffentlichung erzeugt positiven Druck

Die Ergebnisse der Auswertung sagen etwas über die Vergangenheit, aber wenig über den Ist-Zustand. Wie bewertet man Ergebnisse der unteren Hälfte einer Verteilung, wenn doch die andere Hälfte der Krankenhausabteilungen zeigen konnte, dass sie bessere Behandlungsergebnisse erzielen können? Warum entscheiden statistisch errechnete Perzentile über das was Qualität ist, wenn doch gezeigt wurde, wie es besser geht?

Das ist natürlich längst aufgefallen. Man verspricht sich vom Verfahren der statistischen Vergleiche nach § 136 Abs.1 SGB V heute eher eine Qualitätsförderung als eine trennscharfe Bewertung. (Negativ) auffällige Leistungserbringer müssen sich einem strukturierten Dialog stellen, damit sie Verbesserungsprozesse anstoßen wie Teilnahme an Fortbildungen, Peer Reviews, Implementation von Behandlungspfaden oder Beachtung von Leitlinien. Wie weit die Ergebnisse tatsächlich hinter der erforderlichen Qualität zurückbleiben, wird dabei selten vertieft.

Immer aber sollen die aggregierten Daten auch einrichtungsbezogen veröffentlicht werden, damit sich die Patienten über die Versorgungsqualität einzelner Leistungserbringer informieren können (§ 137a Abs. 1 und Abs. 3, Satz 2, Nr. 5 SGB V). Ob die Daten im Internet tatsächlich bei relevanten Entscheidungen brauchbar sind und wieweit die Patienten diese Informationen auch nutzen, wissen wir nicht (Geraedts 2010). Auf jeden Fall verspricht man sich von der Veröffentlichung einen gewissen Druck auf die Leistungserbringer hin zur Qualitätsverbesserung.

Erweiterung der externen Qualitätssicherung

Zukünftig sollen die Daten aus dem Versorgungsgeschehen weit ehrgeizigeren Zielen dienen:


1. In ausgewählten Verträgen sollen Anreize für eine Qualitätsverbesserung gesetzt werden (Qualitätsverträge nach§ 110a SGB V)

Die Krankenkassen können mit ausgewählten Krankenhäusern Qualitätsverträge nach § 110a SGB V in ausgewählten Versorgungsbereichen abschließen (bisher vier: Endoprothetische Gelenkversorgung; Prävention des postoperativen Delirs bei der Versorgung von älteren Patientinnen und Patienten; Respirator-Entwöhnung von langzeitbeatmeten Patientinnen und Patienten; Versorgung von Menschen mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen im Krankenhaus).

Die Anforderungen an diese Versorgungsbereiche sind noch nicht bekannt. Ob die Anforderungen über die vertraglich ohnehin geforderte Qualität hinausgehen können, wird sich zeigen. Ebenfalls ist noch offen, ob die Anforderungen sich auf qualitative oder quantitative Merkmale beziehen.


2. Die Qualität der Leistungserbringer soll in die Planung der Versorgungsstrukturen eingehen (planungsrelevante Qualitätsindikatoren nach § 136c SGBV)

Das Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG, Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Kran-kenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze) ermöglicht den Planungsbehörden der Bundesländer, Versorgungsqualität in ihrer Krankenhausplanung zu berücksichtigen. Der Gesetzestext sagt nichts dazu, welche Aspekte der Versorgung planungsrelevant sein könnten.

Ist z. B. die Verfügbarkeit des Leistungsangebotes nach Ort und Menge gemeint? Oder die Zugänglichkeit für alle Bürgerinnen und Bürger? Oder die Bereitstellung von Information? Die Annehmbarkeit der Leistungen und ihrer Erstellung? Oder sollen Krankenhäuser allein wegen schlechter Ergebnisse, einer ,,in einem erheblichen Maß unzureichende[n] Qualität"(§ 8 KHG) von der Aufnahme in den Krankenhausplan ausgeschlossen werden? Welche Quali-tätsindikatoren zeigen uns die Erfüllung oder Nicht-Erfüllung solcher Anforderungen mit einer gerichtsfesten Richtigkeit und Genauigkeit der Messung an? Das ist noch offen.


3. Qualitätszu- und -abschläge (qualitätsabhängige Vergütung mit Zu- und Abschlägen nach § 136b SGB V)

Qualitätsmessungen (gemeint sind die einrichtungsübergreifenden statistischen Vergleiche) sollen auch qualitätsbezogene Zu- oder Abschläge bei der Vergütung begründen (§ 136b SGB V). Mit ihnen soll die Versorgungsqualität gesteuert werden. Die Ausgestaltung der Zu- und Abschläge obliegt den Vertragspartnern.

Wieweit Abschläge jedoch einen Beitrag zur Verbes-serung von Krankenhausleistungen leisten können, leuchtet nicht unmittelbar ein. Vielmehr kann die Kürzung der Ressourcen zu einer Abwärtsspirale führen. In § 8 Abs. 1 b KHG ist sogar vorgesehen, dass Krankenhäuser, für die in drei aufeinanderfolgenden Jahren Qualitätsabschläge erhoben wurden, ganz oder teilweise aus dem Krankenhausplan herauszunehmen sind.

Ausblick und Herausforderungen

Zu welchem Zweck sollen die Daten aus den statistischen Vergleichen der externen Qualitätssicherung (Qualitätsmessungen) zukünftig verwandt werden? Diese Frage muss das Institut für Qualität in Transparenz im Gesundheitswesen (IQTiG, Institut nach § 137a Abs. 1 SGB V) beantworten, um sein Instrumentarium auf die neuen Aufgaben hin anzupassen.

Sollen sie Verbesserungsprozesse anstoßen? Entscheidungsgrundlagen für Patienten und Einweiser legen? Die Erfüllung von Selektivverträgen belegen? Oder in die Planung von Versorgungsstrukturen eingehen? Sollen die Daten die Steue-rungsinstrumente rechtfertigen, die zur Behebung von Qualitätsdefiziten eingesetzt werden? Oder sind sie geeignet, die Wirksamkeit solcher Maßnahmen zu prüfen? Hier sind erhebliche Unterschiede in der Methodik zu erwarten.

Wie genau und richtig muss die Qualitätsmessung sein, damit sich das Ergebnis in der klingenden Münze von Zu- und Abschlägen niederschlagen kann? Oder gar zum Ausschluss aus der stationären Krankenversorgung führt? Um Qualitätsmessungen anzustellen, muss zunächst der methodische Rahmen stehen.

Was sind die Anforderungen? Welche sind die Merkmale, an denen man messen und prüfen kann, ob die Anforderungen erfüllt wurden? Wenn man die Qualitätsmerkmale nicht direkt messen kann, gibt es Indikatoren, die an ihrer Stelle valide Schlussfolgerungen erlauben? Sollen Vergleiche angestellt oder Entwicklungen über die Zeit beobachtet werden?

Die Messung der Qualität muss methodisch unabhängig davon sein, wozu am Ende das Ergebnis benutzt wird. Sonst verzweckt die Messung und versagt bei der Beantwortung der Frage: Wurden die Anforderungen an die Leistung erfüllt oder nicht? Denn mehr als die geforderte Qualität kann man von einem Leistungserbringer nicht verlangen.

Qualitätssicherung muss eben mehr sein als statistische Begründung des Mittelmaßes, Sicherung von Mindestanforderungen oder Identifizierung von unzureichender Qualität.


Literatur
Literatur über die Redaktion


Autor: Dr. med. Ulrich Paschen
QM-Beratung in Medizin und ­Wissenschaft
Dorfstr. 38, 24857 Fahrdorf

Erschienen in: Diabetes-Forum, 2019; 31 (9) Seite 38-40