Bereits seit 1895 beschäftigt man sich im Krankenhaus Sachsenhausen (Frankfurt a. M.) mit der Diabetologie. Ralf Jung, Chefarzt der Diabetologie und Endokrinologie, stellt die Klinik vor.

Diabetesbehandlung stationär? Natürlich! In Deutschland haben sich über Jahrzehnte mehrere Kliniken etabliert, die sich auf die Behandlung dieser Stoffwechselerkrankung spezialisiert haben. Dabei änderten sich im Laufe der Jahre die Behandlungsschwerpunkte. Ging es früher häufig um Schulungen, stehen heute schwer einstellbare Patienten und Diabetiker mit Begleit- und Folgeerkrankungen im Vordergrund.

Eine dieser Traditionskliniken ist das Krankenhaus Sachsenhausen in Frankfurt am Main. Im folgenden Beitrag stellt uns der derzeitige Chefarzt Ralf Jung die Historie und aktuelle Ausrichtung der Einrichtung vor. Als Mitglied im Bundesverband Klinischer Diabetes Einrichtungen, BVKD, wurde die Klinik mit fünf Sternen auf der Transparenzliste ausgezeichnet.

Dr. med. Thomas Werner, Dr. med. Johannes Huber – BVKD-Vorstand

Diabetologische Tradition: erste Diabetesklinik in Europa

Innovation aus Tradition - so der Leitspruch der Abteilung Diabetologie am Krankenhaus Sachsenhausen in Frankfurt am Main. Diese Innovation begann bereits 1895 mit Gründung der europaweit erste Diabetesklinik durch Dr. Eduard Lampé und den bekannten Stoffwechselexperten Prof. Carl von Noorden im Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen als Privatklinik für Zuckerkranke und diätetische Kuren.

Gemeinsam engagierten sich die Gründerväter damals in der Erforschung und Weiterentwicklung von Diabetestherapien und Diagnostik. In der Klinik kamen bereits 1923 die ersten verfügbaren Insuline zum Einsatz, welche vielen an Diabetes erkrankten Menschen das Leben retteten.

Carl von Noorden erfand und etablierte die Broteinheit, die auch heute noch von Diabetikern zur Berechnung von Kohlehydraten verwendet wird. Darüber hinaus setzte er vermehrt diätetische Behandlungsformen ein. Der nach ihm benannte Kohlenhydrattag dient der Reduktion der Insulinresistenz und ist nach wie vor im klinischen Alltag präsent.

Pro Jahr mehr als 1.100 Patienten mit Diabetes

Heute verbindet der medizinische Fachbereich Diabetologie der Klinik einen hohen Anspruch an kompetenter Medizin mit einem Versorgungsbereich übergreifenden, breiten Therapiespektrum. Dabei wird auf eine umfassende, individuell-persönliche Behandlung Wert gelegt.

Im Krankenhaus Sachsenhausen werden pro Jahr mehr als 1.100 Patienten mit Diabetes mellitus stationär behandelt. Der größten Frankfurter Diabetesklinik stehen insgesamt 35 Betten auf zwei diabetologischen Stationen zur Verfügung. Auf der klinischen Station liegt der Fokus auf der Behandlung von Patienten mit akuten diabetologischen Problemen wie Stoffwechselentgleisungen und schweren Hypoglykämien sowie der Therapie der diabetischen Folgekrankheiten.

Einen ausgewiesenen Schwerpunkt stellt das diabetische Fußsyndrom dar. Um dieses komplexe Krankheitsbild adäquat therapieren zu können, kümmert sich ein interdisziplinäres Team aus Diabetologen, Orthopädieschuhmachern u. –technikern, Wundfachkräften, Chirurgen, Radiologen, Gefäßchirurgen, Podologen und Physiotherapeuten um die Patienten.

Angiologie: moderne bildgebende Verfahren

Neben gemeinsamen wöchentlichen diabetologisch-chirurgischen Visiten hat sich insbesondere die Integration eines hochspezialisierten interventionellen Radioangiologen auf Station bewährt. Erforderliche Gefäßinterventionen werden auf der hessenweit modernsten Angiographieanlage durchgeführt.

Zur weiterführenden Diagnostik stehen mit konventionellem Röntgen, Computertomographie (CT), Kernspintomographie (MRT), Szintigraphie sowie (Farbduplex)Sonographie alle erforderlichen bildgebenden Verfahren zur Verfügung. Die kompetente fachübergreifende Behandlung und konsequente Gefäßabklärung zeigen sich in einer niedrigen Major-Amputationsrate.

Schulung: Diabetes-Intensiv-Trainingseinheit

Die Station für strukturierte Diabetestherapie bietet mit einer Kapazität von elf Betten eine Diabetes-Intensiv-Trainingseinheit an. Ein hochqualifiziertes Team aus Diabetologen, DiabetesberaterInnen und einem Psychologen vermittelt alltagsnah Fertigkeiten und Fähigkeiten zur Selbsthilfe im Umgang mit der Erkrankung. Abwechselnd werden stationäre Kurse für Menschen mit Typ-1 oder Typ-2 Diabetes angeboten.

Die Schwerpunkte des therapeutischen Ansatzes liegen auf Hypoglykämiewahrnehmungsstörungen, starken Stoffwechselschwankungen sowie Insulinpumpeneinstellungen bei Typ-1-Diabetikern und Insulinresistenz bei Typ-2-Diabetes. Neben Sport- und Bewegungsangeboten wird eine gesunde und ausgewogene Ernährung durch Mahlzeitenzusammenstellung in Büffetform bzw. durch Kochen vermittelt. Gruppen- und Einzelschulungen zu allen diabetesrelevanten Themen ergänzen das Konzept.

Fortschritt: Digitalisierung in der Diabetestherapie

Die Digitalisierung und die rasante Entwicklung der Diabetestechnologie haben die Therapie des Diabetes in den letzten Jahren entscheidend verändert. Insbesondere die Weiterentwicklung von Insulinpumpen und v.a. auch die der kontinuierlichen Glukosemesssysteme (CGM/FGM), welche in immer besserer Qualität und Quantität Glukosedaten liefern, werden die Therapie auch zukünftig entscheidend prägen.

Die Effektivität und Zuverlässigkeit der kontinuierlichen Glukosemesssysteme im stationären Sektor werden derzeit in Form einer Studie auf der Station für strukturierte Diabetestherapie erprobt. Ziel ist, die Messsysteme dauerhaft im stationären Bereich zu implementieren und perspektivisch ganz auf herkömmliche Blutzuckermessungen zu verzichten. Eine enge Zusammenarbeit besteht mit weiteren Fachabteilungen am Krankenhaus Sachsenhausen.

Kardiologische und gastroenterologische Fachbetreuung

Stationäre Diabetiker mit Erkrankung der Herzkranzgefäße (KHK) werden durch die kardiologischen Kollegen der inneren Abteilung mitbetreut. Im Bedarfsfall wird eine invasive Diagnostik und Therapie mittels Herzkatheter durchgeführt. Im akkreditierten schlafmedizinischen Zentrum erfolgt die Diagnostik schlafbezogener Atmungsstörungen, insbesondere dem obstruktiven Schlafapnoesyndrom (OSAS), welches bei Menschen mit Typ-2-Diabetes gehäuft auftritt.

Diabetische Folge- und Begleiterkrankungen am Magen-Darm-Trakt, z.B. die Gastroparese, werden in der neu geschaffenen Abteilung für Gastroenterologie mitbehandelt. Zu diagnostischen Zwecken stehen hier neben den gängigen endoskopischen und sonographischen Untersuchungsmethoden auch szintigraphische Verfahren durch die nuklearmedizinische Einheit der Radiologie zur Verfügung.

Zentrum für Adipositastherapie bietet bariatrische Chirurgie an

Sollten konservative Ansätze zur Gewichtsreduktion bei stark übergewichtigen Diabetikern nicht erfolgreich sein, kann durch das zertifizierte Zentrum für Adipositastherapie das gesamte Spektrum der bariatrischen Maßnahmen (insbesondere Magenbybass- und Schlauchmagenoperation) angeboten werden. Diese operativen Therapien der Adipositas haben neben der Gewichtsreduktion einen sehr günstigen Effekt auf die diabetische Stoffwechsellage bis hin zur Diabetesremission.

Darüber hinaus werden Gestationsdiabetikerinnen oder schwangere Diabetikerinnen in Kooperation mit der geburtshilflichen Abteilung des Hauses leitliniengerecht behandelt. Primäres Ziel dabei ist die Optimierung einer Insulintherapie bzw. die Einleitung einer Insulinpumpentherapie (CSII) ggf. mit kontinuierlicher Gewebsglukosemessung (CGM).

Angegliederte DSP behandelt ambulant

Um die Verzahnung des stationären Sektors mit dem ambulanten zu stärken, wurde eine diabetologische Schwerpunktpraxis im am Standort befindlichen medizinischen Versorgungszentrum MVZ Sachsenhausen eröffnet. Drei Diabetologen betreuen zusammen mit Diabetes- und Ernährungsberaterinnen ambulant Menschen mit Diabetes. Auch die diabetologische Fußambulanz wurde in die Schwerpunktpraxis integriert.

An mehreren Tagen pro Woche besteht die Möglichkeit einer qualifizierten Nachbetreuung stationär behandelter Patienten durch eine spezialisierte Wundfachkraft und einen Diabetologen. Auch neu aufgetretene Fußläsionen werden im MVZ Sachsenhausen zuverlässig und kompetent versorgt. Gemeinsam mit dem Schulungsnetz Rhein Main e. V. bietet die diabetologische Schwerpunktpraxis ein großes Spektrum an ambulanten Schulungen für alle Diabetesformen. Das Schulungsnetz Rhein-Main e. V. ist ein Zusammenschluss von niedergelassenen Ärzten und Krankenhausärzten.

Einzigartig: Diabetesgarten

Neben den klassischen schulmedizinischen Therapieansätzen haben Patienten und Interessierte die Gelegenheit im bereits 2012 eröffneten ersten deutschen Diabetesgarten die helfende Wirkung von Pflanzen zu erkunden. Durch den Buchautor und Wirtschaftsjournalisten Hans Lauber, selbst Typ-2-Diabetiker, wurden fünf Beete mit mehr als 50 Pflanzen unter anderem zu den Themen Übergewicht, Entzündungszuständen und Insulinresistenz angelegt.

Auszeichnung: Krankenhaus Sachsenhausen
Das Krankenhaus Sachsenhausen bündelt das komplette Angebot diabetologischer Therapieoptionen unter einem Dach und gewährleistet Patienten die Beratung und Behandlung aus einer Hand.

Die hohe Qualität und Kompetenz der diabetologischen Abteilung wurden durch Anerkennung als 5-Sterne-Klinik durch den Bundesverband Klinischer Diabetes-Einrichtungen (BVKD) und durch Zertifizierung als Diabetologikum sowie als Fußbehandlungseinrichtung stationär und ambulant durch die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) bestätigt und dokumentiert.


Autor: Ralf Jung
Facharzt für Innere Medizin, Diabetologie (DDG) und Ernährungsmedizin (DAEM/ DGEM)
Krankenhaus Sachsenhausen
Schulstraße 31
60594 Frankfurt am Main

Erschienen in: Diabetes-Forum, 2019; 31 (4) Seite 33-37