Am 27.3.25 fand die traditionelle Jahrestagung des Bundesverbandes Klinischer Diabetes Einrichtungen (BVKD) in Frankfurt am Main statt. Der Verband repräsentiert über einhundert Kliniken mit Schwerpunkt Diabetologie, die in unterschiedlicher Weise zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung beitragen. Der Vorstand des BVKD (Foto) begrüßte seine Mitglieder zum jährlichen Treffen.
Das Spektrum der BVKD-Mitgliedshäuser reicht von Fachkliniken mit überwiegend diabetologischem Zuschnitt, über Akutkrankenhäuser mit verschiedensten internistischen Schwerpunkten bis zu Rehabilitationskliniken. Das Treffen stand im Schatten der Umwälzungen im deutschen Gesundheitssystem, welche durch das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) ausgelöst wurden. Die Tragweite der Reformen zeichnet sich langsam ab und hält für viele Mitglieder einschneidende Veränderungen bereit. Nicht nur in der Diabetologie.
In seiner Einführung erläuterte der 1. Vorsitzende, Dr. Thomas Werner (Helios Klinikum Erfurt) die vielfältigen Aktivitäten des Verbandes, um der stationären Diabetesbehandlung in Deutschland eine Stimme zu geben, die auch im politischen Umfeld wahrgenommen wird. So wurde im Herbst 2024 nach Abstimmung mit dem BVND und dem VDBD in Kooperation mit dem Medtrix Verlag eine Kampagne über Social Media gestartet, um über die Patient:innen Druck auf die Entscheidungsträger in den gesundheitspolitischen Gremien des Bundes und der Länder aufzubauen.
Parallel zum gesetzlichen Prozess der Gesetzgebung wurden in drei "Wellen" die Abstimmungen in Bundestag und Bundesrat begleitet. Nach Rückmeldungen aus der Politik wurde diese Kampagne im politischen Berlin durchaus wahrgenommen. Parallel kontaktierte der Vorstand über verschiedene persönliche Kontakte in den Bundesländern Entscheidungsträger, die in diesem Jahr an der Ausgestaltung der Reform beteiligt sein werden. Die Früchte dieser Bemühungen werden sich, so die Hoffnung von Dr. Werner, in naher Zukunft zeigen.
Der Kassenbericht, vorgetragen von Dr. Bernd Liesenfeld (GK Bonn), zeigte stabile Zahlen bezüglich Mitgliedern und Finanzen, die dem BVKD zukünftig weiter eine solide Interessensvertretung ermöglichen wird. Nach der Entlastung des Vorstandes bestätigten die Wahlen zum Vorstand alle wiederangetretenen Kandidaten in ihren Ämtern. Aus dem Vorstand wird Dr. Bernd Liesenfeld aus persönlichen Gründen ausscheiden und das Amt des Schatzmeisters an Dr. Christian Graf abgeben. Nachrücken wird in den Vorstand PD Dr. Dominik Bergis, designierter neuer Chefarzt des Diabeteszentrums Bad Mergentheim als Nachfolger von Prof. Dr. Thomas Haak.
Reformversagen
Den Auftakt der Vorträge machte Frau Dr. Karin Overlack, 2. Vorsitzende des BVKD und Geschäftsführerin des HDZ Bad Oeynhausen, mit Ihrem Referat zu Auswirkungen des vor wenigen Wochen vom INEK veröffentlichten "Bundes-Groupers", der die DRG den Leistungsgruppen zuordnet und somit über wesentliche Bedingungen der Leistungserbringung entscheidet. Sie überraschte mit ihrer klaren Einschätzung des völligen Versagens der Reform hinsichtlich des erklärten Ziels der Verbesserung der Qualität der stationären Versorgung in der Diabetologie.
De facto werden durch die mögliche Zuordnung der diabetologischen Leistungen ohne Nachweis jeglicher Strukturqualität zur Leistungsgruppe "Allgemeine Innere Medizin" keinerlei Anreize für Klinikträger zur Unterhaltung teurer diabetologischer Behandlungsteams gesetzt. Gleiches gilt für die Behandlung des diabetischen Fußes, der in der Leistungsgruppe "Allgemeine Chirurgie" abgebildet werden kann. Besonders dramatisch verläuft die Entwicklung in der Pädiatrie. Hier werden Kinder unter 16 Jahren sicher nicht in die Leistungsgruppe "Diabetologie und Endokrinologie" landen, sondern in der "Allgemeinen Pädiatrie". Dies widerspricht aber der Versorgungsrealität vieler Kliniken, die Kinder mit Diabetes versorgen, aber keine allgemeine Kinderstation vorhalten.
Darüber hinaus wird es im System keinerlei "frisches Geld" geben. Die sogenannten Vorhaltebudgets entpuppen sich als Mogelpackung und sind prinzipiell als Abschläge für Fallsteigerungen zu verstehen. Dies wird die Innovations-und Investitionsfreudigkeit der Kliniken in medizinischen Fortschritt und Digitalisierung zum Erliegen bringen. Belohnt werden kurzfristig nur die Träger, die ihre Leistungszahlen absenken und Personal freisetzen. Einzig positiv schätzte Frau Dr. Overlack den Wegfall des existentiellen Drucks für diejenigen Träger ein, die die rigiden Anforderungen der Leistungsgruppe "Diabetologie und Endokrinologie" nicht erfüllen werden. Sie können durch Beantragung der Gruppe "Allgemeine Innere Medizin" weiter Diabetologie betreiben, teilen sich aber den Kuchen mit der großen Gruppe der internistischen Kliniken, die ebenfalls in dieses Modell wechseln wollen.
Viel Zeit bleibt nicht mehr. Bereits zum 1.1.25 hätten sich die Kliniken für die Zuordnung Ihrer Diabetesfälle zu einer Leistungsgruppe entscheiden sollen – leider lag der Grouper zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht vor! Diese Zuordnung wird aber für die Zuweisung der Vorhaltebudgets in den nächsten Jahren entscheidend sein, bis der Zyklus der Neuberechnung der Fallzahlen auf der Basis retrospektiver Daten erneut angepasst wird. Aktuell sind die Fallzahlen 2023/24 Grundlage zur Berechnung möglicher Abschläge bei Fallzahlsteigerungen in den nächsten Jahren. Es gilt also jetzt sich zu positionieren.
Zugeschaltet war dem Vortrag der Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft Prof. Dr. Andreas Fritsche (Universität Tübingen) und diskutierte im Anschluss mit den Teilnehmern mögliche Konsequenzen. Er betonte die vielfältigen Aktivitäten, die auch die DDG zum Erhalt der stationären Diabetologie betrieben habe und kündigte eine gemeinsame Eingabe mit der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie an den Leistungsgruppenausschuss des GbA an, um in einer Übergangsfrist zumindest eine Tolerierung von Diabetologen als ausreichendes Kriterium des Personalschlüssels zu erwirken.
Digitalisierung
Nach der Berufspolitik standen dann Themen der Digitalisierung im Mittelpunkt. Daniel Baumann von Telekom Healthcare stellte das erste integrierte Diabetesmodul eines Klinikinformationssystems (KIS) in Deutschland vor. Es ermöglicht die Hinterlegung komplexer diabetologischer Therapiestandards in der elektronischen Patientenakte ohne den Umweg einer Dokumentensteuerung in Subsystemen und kann verschiedenste Quellen der Glukosemessung integrieren.
Dr. Christian Graf, Schriftführer des BVKD und Leiter des Versorgungsmanagements der Barmer Ersatzkasse, stellte aktuell Entwicklungen um das Thema digitales DMP (dDMP) vor. Dieser Versorgungszweig wurde gesetzlich neben dem klassischen DMP verankert, um den zukünftigen Engpass in der Versorgung durch zunehmende Patientenzahlen bei abnehmender Anzahl von Leistungserbringern zu meistern. Hier können Videoschulungen, App´s und Telemedizin zumindest teilweise Entlastung in den Versorgungsebenen verschaffen. Die Rolle der Klinik ist in diesem Prozess aktuell noch nicht klar erkennbar.
Weiterhin erläuterte Frau Annette Ahollinger detailliert die Fallstricke und Änderungen der DRG-Kodierungen für dieses Jahr. Hier lohnt sich der Hinweis auf die regelmäßigen Kodierworkshops, die der BVKD für Mitglieder und Externe veranstaltet.
Die Dichte und Vielfalt der diskutierten Themen, die rege Teilnahme der Mitglieder an den Diskussionen und der Austausch am Rande machen die Jahrestagung zu einem idealen Treffpunkt zum Update für aktuelle Themen der stationären Diabetologie. Seien Sie auch im nächsten Jahr dabei.
|
|
Erschienen in: Diabetes-Forum, 2025; 37 (3) Seite 46-47
