In einer aktuellen Studie wurden erneut signifikant erniedrigte Vitamin-B1-Spiegel bei Diabetes-Patienten nachgewiesen. Die Wissenschaftler beobachteten bei den Studienteilnehmern mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes um durchschnittlich 89 bzw. 79 Prozent niedrigere Konzentrationen an Vitamin B1 (Thiamin) im Blut-Serum als bei Gesunden (1). Damit bestätigen sie die Studienergebnisse anderer Forscherteams, die ebenfalls deutlich erniedrigte Thiamin-Spiegel bei Personen mit Diabetes aufzeigten. Der Mangel kann für die Patienten fatale Folgen haben: Da Vitamin B1 unter anderem für den Glukose-Stoffwechsel und für die Funktion der Nerven essenziell ist, kann das Defizit Folgeerkrankungen wie Neuropathien forcieren.

Die Forscher um Adnan Anwar vom Al-Tibri Medical College und Krankenhaus in Karachi, Pakistan, verglichen in einer Fall-Kontroll-Studie verschiedene biochemische Parameter im Blut der insgesamt 90 Teilnehmer mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes sowie der gesunden Kontroll-Personen, unter anderem untersuchten sie den Thiamin-Gehalt im Blut-Serum.

Erwartungsgemäß wiesen sie bei Diabetes-Patienten signifikant höhere Blutzucker- und HbA1c-Werte nach als in der Kontroll-Gruppe. Auch die Triglycerid- und Cholesterin-Werte waren sowohl bei Typ-1- als auch bei Typ-2-Diabetes-Patienten signifikant höher und die HDL-Werte niedriger als im gesunden Vergleichskollektiv.

Bis zu 89 Prozent weniger Vitamin B1 im Blut

„Eine bemerkenswerte Erkenntnis aus unserer Studie ist, dass die durchschnittlichen Thiamin-Serum-Level bei Patienten mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes signifikant niedriger sind als bei den gesunden Kontrollen“, betonen die Autoren. Bei Typ-2-Diabetes-Patienten beobachteten sie im Mittel um 79 Prozent und bei Typ-1-Diabetes-Patienten um 89 Prozent niedrigere Werte als bei Gesunden (14,89 ± 4,82 und 7,35 ± 1,90 vs. 69,56 ± 12,75, p<0,001) [1].

Damit bestätigen sie die Erkenntnisse anderer Forschergruppen, die ebenfalls eine Assoziation zwischen Diabetes und Vitamin-B1-Mangel nachwiesen. So beobachteten Wissenschaftler um Paul Thornalley von der Universität Warwick in England bei Typ-1- und Typ-2-Diabetikern um durchschnittlich 76 bzw. 75 Prozent niedrigere Thiamin-Spiegel als bei Gesunden. Als Ursache dafür identifizierten sie eine um 16- bis 24-fach gesteigerte renale Thiamin-Clearance bei Typ-2- bzw. Typ-1-Diabetikern [2].

Vitamin-Verluste über die Nieren gefährden Nerven und Gefäße

Die renalen Verluste führen zu einem Mangel, der bei diesen Patienten eine Supplementations-Therapie erforderlich mache, so die Autoren um Anwar. Denn Thiamin spielt ein zentrale Rolle im Stoffwechsel, insbesondere im Kohlenhydrat-Metabolismus. Ein Mangel kann die Bildung schädlicher Glukose-Abbauprodukte forcieren, die Nerven- und Gefäßschäden verursachen [1,3]. Die Entwicklung von Folgeerkrankungen wird dadurch begünstigt.

Mangel ausgleichen

Zu den typischen Symptomen eines Vitamin-B1-Defizit zählen auch neurologische Störungen wie Neuropathien, die gleichzeitig zu den häufigsten Folgeerkrankungen des Diabetes zählen. Neuropathien in Folge eines Vitamin-B1-Mangels können nur durch Ausgleich dieses Defizits erfolgreich behandelt werden. In Studien zeigte sich, dass durch eine Therapie mit der Vitamin-B1-Vorstufe Benfotiamin bei Diabetikern neuropathische Symptome wie Kribbeln, Brennen und Taubheit in den Füßen gelindert werden können [4,5]. Benfotiamin (z.B. milgamma® protekt) weist eine 5-fach höhere Bioverfügbarkeit auf als Thiamin [6]. So werden nach oraler Gabe des Provitamins therapeutische Wirkspiegel erzielt, die einen Mangel und dadurch verursachte Neuropathien beheben können. Benfotiamin wird auch in den aktuellen Praxisempfehlungen der Deutschen Diabetes-Gesellschaft bei diabetischer Neuropathie als Therapie-Option aufgeführt [7].


Quellen:
(1) Anwar A, Ahmed Azmi M, Siddiqui J, et al. (May 08, 2020) Thiamine Level in Type I and Type II Diabetes mellitus Patients: A Comparative Study Focusing on Hematological and Biochemical Evaluations. Cureus 12(5): e8027. DOI 10.7759/cureus.8027
(2) Thornalley PJ et al. High prevalence of low plasma thiamine concentration in diabetes linked to a marker of vascular disease. Diabetologia 2007; 50: 2164-2170
(3) Hammes HP, Du X, Edelstein D, Taguchi T, Matsumura T, Ju Q, Lin J, Bierhaus A, Nawroth P, Hannak D, Neumaier M, Bergfeld R, Giardino I, Brownlee M. Benfotiamine blocks three major pathways of hyperglycemic damage and prevents experimental diabetic retinopathy. Nat Med. 2003;9(3):294-9.
(4) Stracke H, Gaus W, Achenbach U, Federlin K, Bretzel RG. Benfotiamine in diabetic polyneuropathy (BENDIP): results of a randomised, double blind, placebo-controlled clinical study. Exp Clin Endocrinol Diabetes. 2008;116(10):600-5.
(5) Haupt E, Ledermann H, Köpcke Wl. Bemfotiamine in the treatment of diabetic polyneuropathy – a tree-week randomized controlled pilot study (BEDIP-Study). Int J Clin Pharmacol Ther 2005; 43: 71-77
(6) Schreeb K.H. et al. Comparative bioavailability of two vitamin B1 preparations: benfotiamine and thiamine mononitrate. Eur J Clin Pharmacol 1997; 52: 319-320
(7) Ziegler et al. Praxisempfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft Diabetische Neuropathie; Diabetologie 2019; 14 (Suppl 2): S243-S257

Quelle: Mitteilung Wörwag