Der orale Glukosetoleranztest (oGTT) ist ein zentrales Diagnoseinstrument, insbesondere beim Verdacht auf Diabetes mellitus (DM) oder Gestationsdiabetes (GDM).
Das "Gemeinsame Positionspapier der Kommission Labordiagnostik in der Diabetologie der DDG und DGKL (KLD) und der Kommission Apotheker in der Diabetologie BAK/DDG" hat schon 2020 auf die Berücksichtigung aller notwendigen Qualitätssicherungsaspekte hingewiesen [1]. Die Zusammensetzung der Lösung sollte der optimierten Rezeptur für den oGTT (NRF-Vorschrift 13.8.) entsprechen. Der Einsatz von Glukose-Monohydrat erhöht die Löslichkeit und der Austausch von Benzoesäure zu Natriumbenzoat und das Weglassen von Glycerol die Verträglichkeit.
Bei der Durchführung des oGTT sollten ausschließlich kommerziell hergestellte Fertigarzneimittel mit einem Gesamtvolumen von maximal 300 ml verwendet werden. Die Selbstherstellung der Glukoselösung in der Arztpraxis für die Durchführung des oGTT wird nach DDG Praxisleitlinie, Definition, Klassifikation, Diagnostik und Differenzialdiagnostik des Diabetes mellitus: Update 2024 aus Gründen der Qualitätssicherung abgelehnt [2,3].
Der Rückzug des Marktführers ("Accu-Chek Dextrose O.G-T.") erzeugte Verunsicherung und zeitweilige Versorgungsengpässe. Dies ist erfreulicherweise inzwischen behoben. Mit der Zulassung eines Arzneimittels nach NRF 13.8 Rezeptur (Inory, GlucoTest®), rezepturmäßig hergestellten Lösungen und Pulvern aus Apotheken und weiteren Fertiglösungen nach der alten Standardzulassung (Glucosetest oGTT InfectoPharm®, Valena Glucose Toleranztest® u.a.) ist eine sichere Versorgung gewährleistet. Inzwischen ist auch bestätigt, dass sich die Ergebnisqualität zwischen der optimierten Zusammensetzung und der alten Standardzulassung nicht entscheidend unterscheidet. [4]
Der Glukosetoleranztest folgt einem standardisierten Verfahren: nüchtern, mit einer ersten Messung einer venösen Plasmaglukose, einer definierten Glukoselösung (meist 75 g in 300 ml Wasser) und nach festgelegtem Zeitplan mit der Messung weiterer Blutzuckerwerte (nach ein und zwei Stunden).
Der Test wird beeinflusst durch die gleichzeitige Einnahme von Arzneimitteln, die Auswirkungen auf die Glukosetoleranz haben können wie z.B. nichtsteroidale Antirheumatika, Glukokortikoide u.w., aber auch freiverkäufliche Abführmittel (Macrogol). Wenn kein Absetzen frühzeitig möglich ist, braucht es eine differenzierte Interpretation der Ergebnisse.
Selten treten Nebenwirkungen auf wie Übelkeit, Schwindel oder Kreislaufprobleme. [4] Als Alternativen gelten unter anderem die Bestimmung des HbA1c-Werts. [2]
Abrechnung und Vergütung
Die verwirrenden und mit Abwertung verbundenen Veränderungen bei den Ziffern EBM, GOÄ ab 3. Quartal 2025 für die Glukosebestimmung im Rahmen des oGTT sind ja schon im Diabetes Forum 3/2025 durch Toralf Schwarz hinreichend dargestellt worden. [5]. Genauso ärgerlich sind die immer noch unterschiedlichen Vorgaben der Kassenärztlichen Vereinigungen der Länder, was den Einsatz von Lösungen und Pulvern betrifft. Im Rahmen der Verordnung im Bereich Sprechstundenbedarf (SSB) muss also jeweils die Prüfung erfolgen, was für wen verordnungsfähig ist. Als Beispiel hier aus den Vorgaben der KVNO: die Lösung darf nur in Verbindung mit der EBM Ziffer 01777 (Screening auf Gestationsdiabetes) und bei der gewichtsadaptierten Gabe bei Kindern und Jugendlichen als Sprechstundenbedarf verordnet werden.
Es bleibt nach wie vor unverständlich, warum Risiken bei einem so entscheidenden Diagnoseinstrument wie dem oGTT im Sinne der Qualitätssicherung eingegangen werden, vor allem auch in Hinblick auf die gravierenden Folgen für betroffene Patientinnen und Patienten. Preise zwischen 5,61€ und 9,38€ für Einzelflaschen der Lösungen weichen minimal von den Preisen für Pulverbeutel ab. Hier besteht also dringender Handlungsbedarf bei anstehenden, neuen Vereinbarungen mit den Krankenkassen.
oGTT und Gestationsdiabetes
Screening und Diagnostik auf GDM ist bei jeder der jährlich rund 700 000 Schwangeren in Deutschland indiziert. Die Inzidenz des GDM variiert je nach Bevölkerungsgruppe, Ethnizität und Screening Methode und beträgt zwischen 7,41 % (ca. 50 000 Schwangerschaften jährlich) [6] und 16,5% (Krankenkassendaten 2020, Tabelle E8 Anhang 5) [7].
Die Diagnosestellung und Behandlung des GDM zielen auf die Verringerung von Komplikationen der Schwangerschaft selbst. Nach der Schwangerschaft ist die Hyperglykämie bei den meisten Frauen zurückgebildet. Der GDM ist jedoch auch ein Ereignis im Lebenszyklus der Frauen, das eine metabolische Risikogruppe identifiziert mit einem 7-fach erhöhten Risiko für DM [8], einem darüber hinaus erhöhten kardiovaskulären Risiko [9] und Wiederholungsrisiko für einen GDM in der nächsten Schwangerschaft. Sollte sich vor der nächsten Schwangerschaft bereits ein manifester DM entwickelt haben, kann dies zu einer ungünstigen Entwicklung der Schwangerschaftsprognose und des Fehlbildungsrisikos führen. Hieraus ergeben sich vier diagnostische Abschnitte im Zusammenhang mit GDM:
1. GDM-Screening in der Schwangerschaftswoche (SSW) 24+0 bis 27+6:
Seit 2012 ist das Screening auf GDM in den Mutterschaftsrichtlinien verankert: allen Schwangeren, die nicht schon vor der Schwangerschaft einen DM hatten, muss zwischen SSW 24+0 und SSW 27+6 ein Screening angeboten werden mit einem 50 g Glukosebelastungstest (Glucose Challenge Test – GCT). Dieser kann zu jeder Tageszeit, auch nicht nüchtern durchgeführt werden [10]. Bei einem pathologischen Ergebnis schließt sich ein 75 g oGTT an: "Schwangere mit Blutzuckerwerten … ≥ 7,5 mmol/l (≥ 135 mg/dl) und ≤ 11,1 mmol/l (≤ 200 mg/dl) erhalten zeitnah einen oGTT mit 75g Glukoselösung".
Diagnostische Grenzen des 75g oGTT in der Schwangerschaft:
- Nüchtern: ≥ 5,1 mmol/l (92 mg/dl)
- nach 1 Stunde: ≥ 10,0 mmol/l (180 mg/dl)
- nach 2 Stunden: ≥ 8,5 mmol/l (153 mg/dl)
Diese zweistufige und in den Mutterschaftsrichtlinien festgelegte Screening Strategie in der SSW 24+0 bis 27+6 ist im EBM mit den GOP 01776 (GCT), 01777 (oGTT) und 01812 (qualitätsgesicherte Glukosebestimmungen) abgebildet – aber außerhalb dieser Strategie und dieses Zeitfensters sieht der EBM keine spezifische Abrechnungsmöglichkeit für die Testdurchführung vor.
Werden die Glukosewerte, die für die Diagnose eine DM außerhalb der Schwangerschaft gelten, erreicht, wird die Diagnose "Overt Diabetes in Pregnancy" (ODIP) gestellt und die Schwangere behandelt wie bei präkonzeptionell bekanntem DM.
Das Screening in der SSW 24+0 bis 27+6 entfällt, wenn bereits in der Frühschwangerschaft ein GDM diagnostiziert und behandelt wurde, bleibt aber nach normalen Frühscreening-Werten indiziert. Zusätzliche Diagnostik kann je nach individueller ärztlicher Risikoeinschätzung auch zu anderen Zeitpunkten sinnvoll sein.
2. Frühscreening auf GDM
Der starke Anstieg der Insulinresistenz im dritten Trimenon ist Teil der heterogenen Pathophysiologie des GDM. Das Frühscreening im ersten Trimenon wurde daher ursprünglich als Screening auf bereits vor der Schwangerschaft bestehenden DM gedacht. Aktuelle wissenschaftliche Befunde weisen auf einen Behandlungsvorteil bei Erkennung eines GDM bereits in der Frühschwangerschaft hin, insbesondere (TOBOGM-Studie) bei höheren Werten in einem oGTT in der Frühschwangerschaft [11,12,13].
Die GDM-Leitlinie der DDG aus dem Jahr 2018, die aktuell überarbeitet wird, empfiehlt für Frauen mit Risikofaktoren für einen DM bzw. GDM ein Frühscreening bei Erstvorstellung bevorzugt mit der Bestimmung einer venösen Nüchternplasmaglukose (NPG) [14]. Die Evidenz für einen oGTT und dessen Bewertung beim Frühscreening wird hingegen aktuell als nicht ausreichend bewertet. Liegt die NPG >92 und <126mg/dl (5,1–7,0 mmol/L) und wird dies am folgenden Tag bestätigt, soll die Diagnose eines GDM (in diesem Fall "early GDM") gestellt werden. Wird ein HbA1c bestimmt und liegt dieser zwischen 5,9–6,5% (40–48 mmol/mol), soll ein oGTT durchgeführt werden. Bei Diagnose eines early GDM sollen Ernährungsberatung und Blutzuckerkontrollen angeboten werden.
Die "Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin" und die "Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe" haben im Juli 2025 die AWMF-Leitlinie "085-002la_S2e_Ersttrimester-Diagnostik und Therapie @11-13+6_Schwangerschaftswochen" veröffentlicht [15]. Hierin wird für alle Schwangeren mit Risikofaktoren ein Frühscreening für GDM in der SSW 11-13+6 mit einem 75g oGTT empfohlen. Lehnt die Schwangere den oGTT ab oder ist der Test nicht durchführbar, soll alternativ eine NPG und eine HbA1c-Bestimmung eingesetzt werden.
Die oGTT-Bewertung sieht hier für die Indikation einer Behandlungsintervention mit einer Ernährungsberatung, einer Anleitung zu körperlicher Aktivität und gegebenenfalls einer Insulintherapie Grenzwerte vor, die sich auf die TOBOGM-Studie (2023)
stützt [12]:
- nüchtern-BZ: 95 mg/dl (5,3 mmol/l),
- nach einer Stunde: 191 mg/dl (10,6 mmol/l),
- nach zwei Stunden: 162 mg/dl (9,0 mmol/l)
Die aktuell unterschiedlichen Empfehlungen und die wissenschaftliche Evidenz zu diesen Fragestellungen in diesen beiden Leitlinien gehören zu den offenen Fragen, die möglichst bald durch weitere Studien geklärt werden müssen.
3. Nach der Schwangerschaft: postpartales Diabetesscreening
Das postpartale Diabetesscreening soll 6 bis 12 Wochen nach der Geburt mit einem 75g oGTT durchgeführt werden, unabhängig vom Stillen (Bewertung des oGTT wie außerhalb der Schwangerschaft nach den Richtlinien der WHO) [14,16]. Allerdings ist der 75 g oGTT zeitaufwendig und kann Nebenwirkungen haben. Nur ca. 40 % der Mütter nehmen den Termin für das postpartale Diabetesscreening wahr [17]. Um Barrieren bei den Müttern und in den Praxen abzubauen, diesen wichtigen Untersuchungs- und Beratungstermin anzunehmen, wurden verschiedene Strategien untersucht [17,18]. Liegen z.B. die klinische Vortestwahrscheinlichkeiten und die NPG beim postpartalen Diabetes Screening im niedrigen Bereich, kann bei den betreffenden Frauen risikoadaptiert auf einen oGTT verzichtet werden [17].
Dieser selektive Screening-Ansatz optimiert die Ressourcennutzung und entlastet die Frauen und die Praxisteams. Die Überleitung in die langfristige Nachsorge ist neben dem eigentlichen DM-Screening die wichtigste Funktion des postpartalen Termins bei Frauen jeder Risikokategorie [17,19].
4. Langfristige Nachsorge nach GDM
Die lebenslange GDM-Nachsorge ist ein wesentlicher Bestandteil der DM-Prävention in dieser Hochrisikogruppe. Sie kann sich in risikoadaptierter Frequenz an den Empfehlungen der Nationalen Versorgungsleitlinie Diabetes ausrichten und wird dort im Kapitel 3.1. für Menschen mit erhöhtem Diabetes-Risiko beschrieben. Das DM Screening besteht hierbei im ersten Schritt aus der Bestimmung des HbA1c und der NPG, ein oGTT ist nur bei Laborergebnissen im Grenzbereich vorgesehen [20] . Lipidstatus und Blutdruckkontrollen sind wegen des erhöhten kardiovaskulären und metabolischen Risikos Bestandteil der Nachsorge, insbesondere in den ersten Jahren nach GDM.
Fazit
Der Einsatz von qualitätsgesicherten und optimierten Lösungen zur Durchführung einer Glucose Bestimmung im Rahmen eines oGTT ist inzwischen problemlos und kostengünstig möglich. Der oGTT ist je nach individueller Konstellation mehrfach im Zusammenhang einer Schwangerschaft indiziert: beim GDM-Frühscreening bei Risikofaktoren, beim Screening aller Schwangeren in der SSW 24+0 bis 27+6, beim postpartalen Diabetes Screening und u.U. auch in der langfristigen Nachsorge. Eine bundeseinheitliche Regelung der Erstattung von Fertiglösungen, aber auch der oGTT-Untersuchung selbst ist dringend zu fordern und im Rahmen des SSB zu vereinbaren.
Literatur über die Redaktion.
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Erschienen in: Diabetes-Forum, 2025; 37 (4) Seite 32-34
