Kommen Patienten mit Typ-2-Diabetes ins Krankenhaus, liegen die Behandlungsziele klar auf der Hand: Die Insulinresistenz sollte durchbrochen werden, außerdem sollten die Patienten nicht mehr an Gewicht zunehmen.

Im folgenden Beitrag untersuchen die Autoren die Nachhaltigkeit einer Stoffwechseleinstellung in einer Fachklinik für Diabetes bei adipösen Typ 2-Diabetikern. Sie schildern uns das Behandlungskonzept und beobachteten die Patienten über ein Jahr nach Intervention.

Dabei zeigen sich erstaunliche Effekte. Die vorgenommenen Änderungen der Medikation und die in der Klinik erlernten neuen Verhaltensweisen in Bezug auf die Ernährung führten bei der Mehrzahl der Patienten zu einer dauerhaften Verbesserung der Stoffwechseleinstellung. Ebenso wurde eine Gewichtsabnahme beobachtet, die auch noch nach 12 Monaten signifikant nachgewiesen wurde.

Dr. med. Thomas Werner, Dr. med. Johannes Huber vom BVKD

Ein ambulant nicht beherrschbarer, chronisch dekompensierter Diabetes mellitus Typ 2 ist ein stationärer Einweisungsgrund. Häufig liegt dem eine Insulinresistenz zugrunde. Darunter versteht man eine verminderte Glukoseaufnahme in den peripheren insulinabhängigen Geweben. Der Körper reagiert darauf mit einer vermehrten Insulinfreisetzung - bis das System überlastet und der Glukosestoffwechsel massiv entgleist. Typisch ist die Insulinresistenz bei adipösen Menschen. Aber auch Infektionen und seltene Erkrankungen können diese auslösen.

Extrem hoher Insulinbedarf bei adipösen Patienten

Eine chronische Hyperglykämie bewirkt über verschiedene Mechanismen nicht nur die gefürchteten vaskulären Folgeerkrankungen. Sie schädigt ebenso die Funktion der Betazellen und ist für eine weitere Verschlechterung der Glukosetransportproteine in den Zellen verantwortlich – ein cirulus vitiosus, der zu einem Aufschaukeln der Dosen von Antidiabetika führt.

Die eingewiesenen Patienten zeichnet ein extrem hoher Insulinbedarf aus. Während normalgewichtige, gesunde Erwachsene etwa 30 - 40 IE Insulin pro Tag benötigen, gibt es adipöse Typ-2-Diabetiker, die mehrere hundert Einheiten exogenes Insulin pro Tag subcutan verabreicht bekommen, ohne dass eine Normalisierung der Glukosespiegel eintritt. Durch die hohen Insulindosen resultieren in der Folge negative Auswirkungen auf das Körpergewicht.

Bestimmte Tumorerkrankungen treten deutlich häufiger auf. Somit ist letztendlich auch eine erhöhte Morbidität und Mortalität der Patienten die Folge. Dieser Teufelskreis ist eine besondere Herausforderung bei der Behandlung von adipösen Menschen mit Diabetes mellitus Typ 2. Ziel eines Krankenhausaufenthaltes sollte die Durchbrechung der Insulinresistenz und die Einstellung auf Medikamente sein, die eine weitere Zunahme des Gewichtes verhindern. Letzteres ist in S3-Leitlinien als wichtiges Therapieziel formuliert.

Durchbrechen der Insulinresistenz

Wie kann eine Insulinresistenz bei Menschen mit Diabetes mellitus Typ 2 durchbrochen werden? Natürlich sollte nach Faktoren gesucht werden, die als Auslöser in Frage kommen. Dazu zählen insbesondere Infektionen; aber auch eine gesteigerte Freisetzung kontrainsulinärer Hormone - zum Beispiel beim Vorliegen eines Schlafapnoe-Syndroms. Nachdem diese Ursachen ausgeschlossen oder behandelt sind, sollte man versuchen, die Glukosetoxizität zu beeinflussen.

Der entgleiste Blutzucker muss zwingend verbessert werden. Dazu werden häufig zusätzlich passager intravenös hohe Insulinmengen verabreicht. Wichtig sind ebenso die Basismaßnahmen der Behandlung von Diabetes mellitus Typ 2: Bewegung und eine Umstellung der Ernährung. Eine Ernährungstherapie kann hier ein hilfreicher Behandlungsbaustein sein, diesen circulus vitiosus zu durchbrechen. Aufgrund der metabolischen Flexibilität kann eine zeitlich begrenzte fett- und eiweißfreie Ernährung zu Verbesserungen in der Diabetestherapie führen.

Kohlenhydrattage im Diabeteszentrum Bad Lauterberg

Dieser ernährungsmedizinische Ansatz wird im Diabeteszentrum Bad Lauterberg in Form von Kohlenhydrattagen umgesetzt. Daran interessierte Patienten erhalten während des stationären Aufenthaltes zwei Tage hintereinander fett- und eiweißfreie Kost. Vor der Maßnahme werden die Betroffenen ausführlich aufgeklärt (Bedeutung, Ablauf u.a.). Trotz oft vorhandener Skepsis ("Das kann gar nicht schmecken") lassen sich die meisten Patienten auf diese Intervention ein.

Dazu trägt sicher bei, dass für diese Kohlenhydrattage eine Reihe unterschiedlicher Rezepte für z.B. Brotaufstriche und Mittagsgerichte erstellt wurden. Daraus kann das Passende gewählt werden. Die für die Patienten typische tägliche Kohlenhydratmenge wird auch an den Stoffwechseltagen beibehalten, außerdem kann unbegrenzt Gemüse gegessen werden. Den Patienten wird geraten, die Kohlenhydrattage über den stationären Aufenthalt hinaus einmal wöchentlich zu Hause beizubehalten. Dafür werden Rezepte ausgehändigt.

Untersuchung zur Effektivität des Bad Lauterberger Konzeptes

Neben Kohlenhydrattagen beinhaltet das im Diabeteszentrum Bad Lauterberg umgesetzte Konzept der Behandlung von insulinresistenten Typ-2-Diabetikern einen Optimierungsversuch der Medikation unter diesem speziellen Gesichtspunkt. Die Wirksamkeit dieser Maßnahmen wurde an einer Gruppe von 25 stationär behandelten adipösen Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 untersucht.

Diese Patienten wiesen einen BMI > 30 kg/m² und einen Insulinbedarf von > 1 IE/kg Körpergewicht auf. Es wurden die Entwicklung der Diabetestherapie, d.h. der eingesetzten Medikamente und der Insulindosen, des HbA1c sowie des Körpergewichts zu Beginn des stationären Aufenthaltes, 8 Wochen nach Intervention und nach 12 Monaten analysiert.

Ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom (OSAS) lag bei 56% der Patienten vor. Bei 42% der Betroffenen wurde dieses mit einer CPAP-Therapie behandelt. Infektionen als Auslöser der Insulinresistenz waren in der Untersuchungsgruppe nicht nachweisbar. Die Patienten erhielten alle eine intensivierte Insulintherapie. Dazu wurde bei Verträglichkeit und nach Ausschluss von Kontraindikationen vermehrt mit oralen Antidiabetika und Inkretinmimetika kombiniert.

Differenziertes Bild nach 12 Monaten Behandlung

Besonders häufig kamen Metformin und ein DPP4-Hemmer zum Einsatz. 8 Wochen nach Entlassung wurde die medikamentöse Umstellung des Krankenhauses bei den Patienten im Wesentlichen beibehalten. Nach 12 Monaten sieht man ein differenziertes Bild. Während Metformin nicht abgesetzt wurde, reduzierte sich die Anzahl der Patienten mit DPP4-Hemmern deutlich. Eingesetzte SGLT2-Blocker und Inkretinmimetika wurden in der Regel belassen (siehe Grafik 1).

Der Anteil der Patienten, die zusätzlich zum Insulin eine Tripletherapie bekamen, stieg auf 50% (siehe Grafik 2). Spannend ist die zur Stoffwechselkontrolle eingesetzte Insulinmenge. Hier konnte innerhalb von 12 Monaten eine signifikante (p<0,0001) Reduktion von 167 IE (± 95) auf 133 IE (± 57) erreicht werden (siehe Grafik 3). Über die Hälfte der Patienten führte ein Jahr nach Entlassung aus dem Krankenhaus ambulant noch Kohlenhydrattage durch (siehe Grafik 4).

Auswirkungen der Therapie auf HbA1c und Gewicht

Durch das Behandlungskonzept des Diabeteszentrums Bad Lauterberg besserte sich 8 Wochen nach stationärem Aufenthalt der HbA1c von 9,4% (± 1,3) auf 7,9% (± 2,5). Dieser Effekt ließ sich auch nach 12 Monaten nachweisen. Der HbA1c konnte dauerhaft signifikant (p<0,0001) gesenkt werden. Er betrug ein Jahr nach stationärer Intervention 7,8% (± 2,0) und war damit nochmals niedriger als 8 Wochen nach stationärer Behandlung (siehe Grafik 5).

Auch beim Gewichtsverhalten gab es einen signifikanten Effekt. Bereits nach 8 Wochen erreichten 72% der Patienten eine Gewichtsreduktion. Nach 12 Monaten nahmen viele Patienten nochmals Gewicht ab (siehe Grafik 6). Das Durchschnittsgewicht der Patienten sank von 114,4 (± 25,1) auf 108,9 (± 21,7). Wie auch in anderen Untersuchungen beschrieben, profitierten nicht alle Patienten.

Grafik 7 stellt die unterschiedliche Höhe des Gewichtsverlustes der Patienten - eingeteilt in 6 Kategorien - dar. Es zeigt sich, dass ein Viertel der Patienten nicht profitieren. Sie nahmen trotz Intervention an Gewicht zu.

Die vorgelegte Untersuchung zeigt Behandlungsverläufe unter Alltagsbedingungen. Demzufolge können viele Variablen nicht wie in einer kontrollierten Studie sicher beurteilt werden. Auch die Anzahl von 25 Patienten limitierte die statistische Aussagefähigkeit. Neue, mit einer intensivierten Insulintherapie kombinierbare Inkretinmimentika hielten 2015 erst Einzug in den Therapiealltag.

Weniger Medikamente

Heute stehen noch potentere Medikamente zur Verfügung. Trotzdem wurde gezeigt, dass es durch das Bad Lauterberger Konzept zur Behandlung von Typ-2-Diabetikern mit hohem Insulinbedarf gelingen kann, dauerhaft eine bessere Stoffwechseleinstellung zu gewährleisten. Sehr viele Patienten erreichten sogar nach 12 Monaten eine weitere Gewichtsreduktion.

Erfreulich ist die Motivation der Patienten, ihre Ernährung unter Einbezug von Kohlenhydrattagen zu verändern. Die Zahl der Medikamente wurde bei vielen im Verlauf wieder reduziert.



Autoren: Isabel Rother, Martin Janert, Thomas Werner
Diabeteszentrum Bad Lauterberg,
Kirchberg 21, 37431 Bad Lauterberg,
Tel.: 05524 / 81-1, E-Mail: klinik@diabeteszentrum.de

Erschienen in: Diabetes-Forum, 2016; 28 (12) Seite 26-30