Die Antidiabetische Therapie richtet sich in den letzten Jahren nicht nur mehr auf die primäre Blutzuckersenkung – diese ist nach wie vor sehr wichtig – sondern hat die positive Beeinflussung vor allem kardiovaskulärer Risiken im Blick.

Begleit -und /oder Folgeerkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall und Herzinsuffizienz sind das primäre Ziel – ebenso die Vermeidung häufiger Krankenhausaufenthalte wegen dieser Erkrankungen, speziell der Herzinsuffizienz.

So wurden entsprechend dieser Ziele neue Leitlinien für die medikamentöse Therapie des Typ-2 -Diabetes verfasst, um in die alltägliche Behandlung von den Betroffenen zielgerichteter eingreifen zu können. Der langfristige Nutzen von antidiabetischen Medikamenten bezüglich einer Vermeidung beziehungsweise Verbesserung von kardiovaskulären Risiken steht aktuell demnach im Vordergrund bei allen Überlegungen.

Große Studien in den letzten etwa 20 Jahren hatten leider keine entscheidende Reduktion des Risikos für kardiovaskulärer Erkrankungen durch eine optimale Blutzuckersenkung aufgezeigt. Man hatte anderes erwartet!

Schwerpunkt: Begleit- und Folgeerkrankungen
Sind cardio-vaskulär Erkrankungen Begleiterkrankungen des Diabetes mellitus oder schon Folgeerkrankungen? Es scheint, bezogen auf die Einzelpersonen die davon betroffen sind, eine wechselseitige Beziehung zu bestehen. Der Diabetes kann, wenn er schlecht eingestellt ist, eine cardiale Erkrankung gerade im Zusammenspiel mit Fettstoffwechselstörungen und einer arteriellen Hypertonie massiv verschlechtern. Aber auch umgekehrt sieht man mittlerweile, dass sich durch diese Erkrankungen eine diabetische bzw. auch prädiabetische Stoffwechsellage (z.B. im Stadium des metabolischen Syndroms) rasch verschlechtern kann. Eine wechselseitige negative Beeinflussung kann sich aber auch ständig ändern! Im Folgenden sollen die cardialen Erkrankungen bei Diabetes und die wichtigsten Begleiterkrankungen wie Fettstoffwechselstörungen und die arterielle Hypertonie näher beleuchtet werden.

Endpunktstudien mit dem Ziel der intensiven Blutzuckersenkung (Beispiele)

  • UKPD Studie, 10 Jahre Follow-up
  • ACCORD
  • Advance
  • VADT
  • Steno 2
  • Proactive
  • Origin

Einige Antidiabetika hatten das Risiko sogar erhöht (Accord Studie), überraschend Positives ergaben dagegen wenige Studien zu Insulinsensitizern (Glitazone).

Die FDA (= Food and Drug Administration) in den USA hatte ab 2008 für die Neuzulassung von Medikamenten die kardiovaskuläre Sicherheit in Studien verlangt, die EMA (=Europäische Arzneimittel Agentur) ab 2010! Inzwischen werden einige antidiabetische Medikamente, die in großen Studien ihren Nutzen diesbezüglich nachgewiesen haben (SGLT- 2- Hemmer, GLP -1- Analoga), mittlerweile entsprechend neuer Leitlinien auch bei Menschen ohne Diabetes, aber mit einer Herzerkrankung, z.B. Herzinsuffizienz, eingesetzt (Leader-Studie zu Liraglutid, Empa-Reg-Studie zu Empagliflozin).

Diabetes und Angina pectoris – mit und ohne KHK

Positiv in Bezug auf die Sterblichkeit bei einem Herzinfarkt ist, dass diese auch bei Menschen mit Diabetes in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen ist. Trotzdem ist der Herzinfarkt mit über 60% noch immer die häufigste Einzel -Todesursache bei Diabetikern. Die Verweildauer und die Sterblichkeit sind im Krankenhaus immer noch deutlich höher als bei Menschen ohne Diabetes (Herzinsuffizienz, Niereninsuffizienz). Die Anzahl an "multimorbiden" Menschen mit Diabetes nimmt zu. Knapp jeder fünfte Krankenhaus - Patient hat Diabetes (Universität Ulm/ Studie 2015 – 2017) – meist Typ 2. Eine der häufigsten Nebendiagnosen sind Herzinsuffizienz und Vorhofflimmern (2016) – Die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Krankenhaus z.B. Herzspezialisten mit Nierenspezialisten, Neurologen oder Gefäßspezialisten ist dagegen immer noch nicht gut. Die Diagnose wird so oft verschleppt und/oder andere Gefäßbeteiligungen z.B. Gehirngefäße, Beinarterienverengungen werden nicht rechtzeitig erkannt. Der "herzkranke Diabetiker" sei laut Professor Tschöpe (Deutsche Herzstiftung DHD) ein Beispiel für eine Unterversorgung in Zeiten der allgemeinen Überversorgung!

Was versteht man unter einer Koronaren Herzerkrankung (KHK)?

Arteriosklerotische Ablagerungen in den Herzkranzgefäßen (=Koronarien) kennzeichnen die "Koronare Herzkrankheit" (=KHK). Bei Millionen Menschen bleibt dies über viele Jahre ohne jegliche Konsequenz, da sie keinerlei Beschwerden haben. Ursache für die Entwicklung einer Arteriosklerose sind die bekannten Risikofaktoren wie:

  • Bluthochdruck (Hypertonie)

  • Rauchen

  • Hohes LDL-Cholesterin (schlechtes Cholesterin)

  • Diabetes mellitus Typ 2

  • Übergewicht (Adipositas)

  • Vererbung

  • Stress.

Merke: Etwa 70-75% Stenosen machen in Ruhe weder am Herzen, noch an den Beinen oder am Gehirn Beschwerden, wenn nicht etwas Akutes passiert!

KHK-Risiko bei Frauen
  • Grundsätzlich die gleichen wie bei Männern
  • Aber Frauen sind meist bis zur Menopause geschützt
  • Allerdings: Frauen die die Pille nehmen und rauchen, haben ein vierfach erhöhtes Herzinfarkt-Risiko
  • Bei Diabetikerinnen ist das Risiko für einen Herzinfarkt um das Sechsfache erhöht, bei Männern um das Vierfache.
  • Der Blutdruck steigt schnell nach der Menopause und fordert deshalb besondere Aufmerksamkeit.

Ein "akutes Ereignis" entspricht meist einer Plaque-Ruptur, d.h. arteriosklerotische Wandverkalkungen aus Fettablagerungen und Kalk sind plötzlich eingerissen, und so hat die Gefäßinnenwand direkten Blutkontakt. An dieser "rauen Oberfläche" kann sich ein Blutgerinnsel bilden, das entweder nach kurzer Zeit fortgeschwemmt wird (Thrombus/Embolie), sich wieder auflöst oder im schlechtesten Fall das gesamte Lumen akut verschließt.

Dies entspricht meist einem "Herzinfarkt" aus "heiterem Himmel", also ganz ohne Vorboten! Denn der Einriss der Innenschicht der Gefäßinnenwand (Endothel) kündigt sich nicht an. Neben diesem "plötzlichen Ereignis" durch ein Einreißen einer Verkalkung gibt es aber auch noch einen anderen Mechanismus für Komplikationen bei einer KHK. In diesem Falle werden die arteriosklerotischen Veränderungen an den Gefäßinnenwänden immer dicker, das Gefäßlumen wird ebenfalls immer enger, und so kommt es schließlich beim Mehrbedarf an Blut bzw. Sauerstoff zu entsprechenden Beschwerden (=Sauerstoffmangel!) z.B. bei körperlicher Anstrengung wie Treppensteigen, aber auch bei psychischen Belastungen (Stress!).

Typische Beschwerden sind:

  • Angina pectoris (=Engegefühl in der Brust), die auch Ausstrahlen kann in den Bauch, die Arme, den Rücken und auch den Kiefer!

  • Brennendes Gefühl im Brust/Brustbein-Bereich, das oft als Sodbrennen verkannt wird.

  • Übelkeit und Brechreiz

  • Nackenbeschwerden

  • Luftnot (neu aufgetreten – schon bei geringer Belastung!)

  • Schwäche und Müdigkeit einige Tage vor dem Infarkt.

Da die Beschwerden und Symptome der koronaren Herzerkrankung nicht immer eindeutig sind und auch ein "normales" EKG einen Infarkt nicht ausschließt, gibt es eine Reihe von Untersuchungen, die die Wahrscheinlichkeit einer KHK erhärten oder auch ausschließen – dies hängt sowohl vom Geschlecht, aber auch vom Alter der Betroffenen ab.

Treten die genannten Beschwerden regelmäßig bei Belastung auf, spricht man von einer "stabilen Angina pectoris". Insbesondere bei Diabetikern mit einer bereits bekannten Polyneuropathie (=Nervenschaden) können entsprechende Symptome einer KHK aber völlig fehlen ("autonome Neuropathie des Herzens"). Dies muss trotz fehlender Beschwerden bei Diabetikern mit bekannt hohem Risiko berücksichtigt werden.

Diagnostik einer KHK

Ein "normales" Ruhe-EKG ist durchaus sinnvoll, besonders im Hinblick auf bereits abgelaufene Herzinfarkte, die sich darin meist zeigen oder auch Rhythmusstörungen. Ein unauffälliges Ruhe- EKG schließt aber eine KHK nicht aus!

Auch mittels Echokardiographie/Farbdoppler-Echokardiographie können die Herzkranzarterien nicht direkt betrachtet werden (manchmal die Abgänge an der Aorta!) – aber man kann, wie beim EKG, Hinweise auf einen abgelaufenen Infarkt finden.

Eine normale Echokardiographie sagt aber leider nichts über die Beschaffenheit der Herzkranzgefäße aus – es können hochgradige Engstellen vorliegen und die Echokardiographie ist unauffällig! Es kann allerdings damit sofort eine Herzinsuffizienz mit dilatierten Herzhöhlen, eine "systolische" sowie auch eine diastolische Dysfunktion oder ein Perikard-und Pleuraerguss erkannt werden – alles mögliche Folgen eines Herzinfarktes.

Da die meisten Befunde trotz einer Koronaren Herzerkrankung normal sein können, werden verschiedene Belastungs-Tests (z.B. Stress-EKG, MRT etc.) durchgeführt um diese doch noch bestätigen zu können. Alle Verfahren haben ihre Schwächen und Stärken. Welche Verfahren im Einzelnen eingesetzt werden, hängt von vielen Faktoren ab, z.B. auch – ganz banal- vom Gewicht (!) des Betroffenen, der Belastbarkeit und der Herzfrequenz.

Nicht vergessen sollte man auch die Untersuchung des "Umfeldes" – z.B. der Karotiden und der Becken-Bein-Arterien (besonders bei Rauchern!), denn die Arteriosklerose findet sich oft überall!

Angina pectoris trotz normaler Herzkranzgefäße
  • Rund 50% aller Patienten, die wegen des Verdachts auf koronare Herzkrankheit eine Herzkatheteruntersuchung erhalten, haben keine bedeutsamen Verengungen der Herzkranzgefäße (aber eine Funktionsstörung! Dt. Herzstiftung 2016).
  • Oft löst eine Fehlfunktion der kleinen Blutgefäße im Herzmuskel (mikrovaskuläre Dysfunktion) Angina-pectoris-Beschwerden und EKG-Veränderungen aus.

Angina pectoris ohne KHK

Ja, das gibt es – heute spricht man bei einem derartigen Befund von einer "koronaren mikrovasculären Dysregulation" (KMD = eine Funktionsstörung der sehr kleinen Blutgefäße am Herzen). Wenn im Rahmen einer Herzkatheter-Untersuchung keine stenosierende KHK festgestellt wurde, dann muss wegen des oft großen Leidensdruckes der Patienten, die Schmerzen im Sinne einer Angina pectoris haben, eine weitergehende Abklärung erfolgen. Ein derartiger Befund ist in der invasiven Kardiologie häufig. Oft wird dann eine psychische Komponente der Beschwerden angenommen, zumal die Patienten manchmal auf Nitrate sofort reagieren!

Andere Ursachen des im Thoraxbereich auftretenden Schmerzes ohne KHK sind häufig:

  • eine Refluxösophagitis

  • Atemwegs -Erkrankungen /Pleuraerkrankungen z.B. Pleuritis etc., Pneumothorax etc.

  • Musculo skeletale Ursachen

Die eigentlichen Ursachen einer Herzmuskel bedingten Angina pectoris ohne KHK-Nachweis ist eine Mikrozirkulationsstörung – auch genannt "INOCA" (= Ischaemia and no obstructive coronary arteries) mit einer Dysfunktion der epikardialen Koronargefäße mit z.B. einer inadäquaten Vasokonstriktion oder einer koronaren microvasculären Funktionsstörung.

Pathophysiologie

Der Muskel des linken Ventrikels wird vor allem in der Diastole durchblutet, dann wenn die Aortenklappe geschlossen ist, sich das Blut quasi davor zurückstaut und dann in die beiden Herzkranzarterien rechts und links abfliest. Während der Systole kommt es dagegen durch den starken Druck zu einer Kompression der im Herzmuskel liegenden Gefäße. Die subendokardiale Durchblutung kommt systolisch praktisch zum Erliegen.

Die Durchblutung des subkardialen Gewebes des linken Ventrikels erfolgt wie die des rechten Ventrikels gleichmäßig und kontinuierlich. Die schlechtere Durchblutung des linken Ventrikels subendokardial in der Systole wird bei gesunden Koronarien in der Diastole wieder ausgeglichen.

Bei einer epikardialen oder mikrovaskulären Durchblutungsstörung leiden zuerst die Innenschichten des Myokards - später kommt es dann zu einer transmuralen Störung der Durchblutung. Unter Belastung kann die Durchblutung der Koronararterien normalerweise um etwa das Fünffache gesteigert werden – viele Faktoren sind an der Herzmuskeldurchblutung beteiligt – bei gesunden Gefäßen funktioniert dies ausgezeichnet:

  • Adrenalin

  • Noradrenalin

  • intaktes Endothel, das darauf richtig (=Gefäßerweiterung!) reagiert

  • Adenosin (→ Gefäßerweiterung), auch als Test genutzt

Microvaskuläre Störungen ("Coronary and Microvaskulär Spasm") durch eine pathologische Engstelle der Koronarien oder einer pathologischen Mikrozirkulation können eine Unterversorgung des Herzmuskels verursachen. Die Überprüfung der Mikrozirkulationsstörung erfolgt durch:

  • Einen Messdraht, mit dem ein inadäquater Anstieg der Durchblutung gemessen werden kann IMR (=Index of Mikro circulatory resistence)

  • Die Bestimmung der koronaren Flussreserve (CFR =Coronary Flow reserve) mit dem gleichen Draht!

  • Messung des distalen Druckgradienten (Adenosin wird gespritzt) mit maximaler Durchblutungssteigerung

Therapie

Eine evidenzbasierte Therapieempfehlung zur symptomatischen Therapie der mikrovaskulären Angina pectoris existiert nicht. Allgemeine Maßnahmen wie Gewichtsreduktion, Lebensstiländerungen mit Reduktion des Alltagsstresses und Blutdrucksenkung scheinen effektiv.

Vasodilatierende Betablocker und Kalziumantagonisten, kombiniert mit ACE- Hemmern oder AT-1 Rezeptorblockern sollten bei der Blutdruckeinstellung dominieren! Bei Vasospastik wird Diltiazem empfohlen und Ranolazin, das relaxierend auf die Herzmuskelzellen wirkt.

Nicht-Medikamentöse Maßnahmen bei der Koronaren Herzerkrankung (KHK)

Die koronare Herzerkrankung ist eine chronische Krankheit, die die Tendenz hat, fortzuschreiten. Eine Heilung im eigentlichen Sinne ist nicht möglich, trotz neuer moderner Medikamente, Stents und Bypass-Chirurgie.

Menschen mit koronarer Herzerkrankung können jedoch meist, bei richtiger Behandlung ein fast so normales, gutes und auch langes Leben führen wie Menschen ohne KHK. Voraussetzung ist in der Regel die Umstellung auf einen mehr aktiven Lebensstil unter Ausschaltung möglichst vieler Risikofaktoren (z.B. Rauchen, träger Lebensstil/kein Sport, Fettstoffwechselstörungen etc.)

Medikamentös stehen an erster Stelle (ESC =Europäische Gesellschaft für Kardiologie):

  • Acetylsalizylsäure (ASS) (ggf. ADP-Hemmer) bzw. zusätzlich Blutgerinnungshemmer
  • Statine (=CSE-Hemmer)
  • Betablocker und Calziumantagonisten zur Beschwerdelinderung
  • ACE-Hemmer und Nitrate als Versuch!
  • Ggf. auch z.B. Ranolazin, Ivabradin oder Nicorandil oder auch Nitro-Spray vor einer geplanten körperlichen Anstrengung.

Große Studien der letzten Jahre legen nahe, dass das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen bei Menschen mit Typ 2- Diabetes durch die Gabe von GLP1- Analoga deutlich gesenkt werden kann. Eine der ersten Studien war die Leader-Studie (Liraglutid). Die Sterberate konnte um 35% gesenkt werden. Weitere Studien wie die Sustain--Studie zum Semaglutid und die Harmoni-Studie zum Albiglutud bestätigen diese Befunde – mit weniger Schlaganfällen und Herzinfarkten.

Wenn Medikamente nicht mehr helfen

Solange trotz "schwerer koronarer Herzerkrankung" Patienten mit ihren Medikamenten einigermaßen gut zurechtkommen, ist keine Katheter -Intervention oder auch eine Bypass-Operation erforderlich oder sinnvoll. Kommt es allerdings unter Belastung immer häufiger zu Beschwerden, sollte eine Intervention mittels Herzkatheter (=Ballondilatation) und ggf. einer Stent-Einlage bzw. bei Mehrgefäßerkrankungen auch ein Bypass (z.B. bei Patienten mit Diabetes) erwogen werden.

Die koronare Herzerkrankung zählt zu den gefährlichsten Erkrankungen auch von Menschen mit Diabetes – der Herzinfarkt ist mit etwa 60% bei ihnen immer noch die häufigste Einzeltodesursache.

Ein immer häufiger bewegungsarmer Lebensstil, die Beibehaltung einer hochkalorischen, unserer Tätigkeit oft nicht angepassten Ernährung, der übermäßige "Genuss" von Alkohol und das Rauchen sind bei genetischer Prädisposition mit die Hauptursachen – Gefäßveränderungen starten oft schon sehr früh bei anhaltender Schädigung.

Nur bei Änderung dieser "Gewohnheiten" macht die zusätzliche medikamentöse Therapie langfristig einen Sinn. Moderne neuere interventionelle Verfahren und eine moderne Bypass-Chirurgie kann unterstützen, besonders im Akutfall, ob dies auch langfristig die Prognose verbessert bleibt zunächst noch offen.

Zusammenfassung

Die Sterblichkeit durch einen Infarkt ist in den letzten Jahren auch bei Menschen mit Diabetes deutlich zurückgegangen – vor allem durch die besseren und schnelleren Möglichkeiten in der Akut-Versorgung.

Eine rechtzeitige Diagnose von Veränderungen an den Herzkranz-Gefäßen, aber auch an anderen Blutgefäßen, wie z.B. den Halsschlagadern bzw. auch der Beinarterien ist jedoch im Hinblick auf die Vermeidung von schwerwiegenden Komplikationen (Herzinfarkt, Schlaganfall, Amputation) notwendig. Dies erfordert eine bessere Zusammenarbeit von Ärzten verschiedener Fachdisziplinen – besonders im Krankenhaus. Eine rechtzeitige Erkennung von z.B. einer familiären Fettstoffwechselstörung gehört ebenfalls dazu. Allgemeinmaßnahmen wie Sport-, Ernährungsumstellung etc. sind zwar sinnvoll, ersetzen aber nicht eine gezieltere medikamentöse Therapie (auch z.B. des Diabetes selbst mit SGLT-2 Hemmern, GLP1-Analoga!).

Diabetes und Herzinsuffizienz

In einem gemeinsamen Positionspapier zu "Herzinsuffizienz und Diabetes" äußern sich die DDG (Deutsche Diabetes Gesellschaft) und die DKG (Deutsche Gesellschaft für Kardiologie) zum ersten Mal im Sinne von Handlungsempfehlungen bezüglich der Diagnose und Therapie.

Laut Professor Forst (Vorsitzender der AG Diabetes und Herz 9/22) ist die Sterblichkeit der Betroffenen um 50 % - 90 % erhöht. Ist die Herzinsuffizienz Ursache des Diabetes oder Begleiterkrankung mit manchmal rasch tödlichem Ausgang? Es scheint eine Wechselwirkung zu bestehen. Bei etwa 30% aller Diabetes -Patienten soll (Professor Müller-Wieland, Sprecher der AG Herz, Diabetes und Hormone der DDG, DGE und DGK) eine symptomatische Herzinsuffizienz vorliegen – deren Prognose schlecht ist und dies sowohl bei Patienten mit eingeschränkter linksventrikulärer Funktion z.B. in der Echokardiographie, als auch bei Patienten ohne Einschränkung.

Menschen mit Diabetes sind nach der Literatur auch schon in jüngeren Jahren etwa 5 mal häufiger von einer Herzinsuffizienz betroffen als Menschen ohne Diabetes.Andererseits findet man bei Menschen mit einer Herzinsuffizienz ohne bisher bekannten Diabetes in etwa 30 bis 40% der Fälle einen gestörten Glukosestoffwechsel (Professor Forst 10/22, Diabetes Congress Report). Die pathologische Glucoseverwertung könnte so schon Jahre zuvor das Fortschreiten einer Herzinsuffizienz unmerklich begünstigen – eine rechtzeitige Behandlung eines Menschen mit Adipositas und zunehmender Insulinresistenz könnte so auch der Progression oder Entstehung einer Herzinsuffizienz vorbeugen. Denn Menschen mit Diabetes und einer Herzinsuffizienz haben eine deutlich schlechtere Prognose als Menschen ohne Diabetes.

Durch neue antidiabetische Medikamente wie die SGLT-2-Hemmer, die einen sehr positiven Effekt auch auf die Herzinsuffizienz bei Menschen ohne Diabetes zeigen, hat die Therapie der Herzinsuffizienz insgesamt an Bedeutung auch bei den Menschen mit Diabetes erlangt. Die Herzinsuffizienz ist eine schleichende bösartige Erkrankung, die innerhalb weniger Jahre zum Tode führen kann. Deshalb ist eine rechtzeitige Diagnose und konsequente Therapie besonders wichtig.

Dies insbesondere, da eine häufige Form der Herzinsuffizienz, die diastolische Herzinsuffizienz, oft unerkannt zu einer unmerklichen Progression führt – bei dieser Form ist die üblicherweise in der Echokardiographie gemessene Auswurfleistung des linken Ventrikels noch normal (EF >55%) - nicht selten bei Menschen mit Diabetes.

Bei Menschen mit Diabetes sollte deshalb immer nach Zeichen einer Herzinsuffizienz gefahndet werden – umgekehrt muss bei Menschen mit einer Herzinsuffizienz ein Diabetes bzw. auch eine prädiabetische Stoffwechsellage sinnvollerweise ausgeschlossen werden.

Typische Symptome eine Herzinsuffizienz können sein:

  • Anfänglich manchmal nur reduzierte körperliche Belastbarkeit

  • Verlängerte Erholungsphasen nach Belastungen

  • Luftnot unter stärkerer oder auch geringerer Belastung

  • Unerklärliche Müdigkeit

  • Ödeme an den Knöcheln bzw. Unterschenkeln bds.

Das typische der Herzinsuffizienz ist, dass Phasen ohne wesentliche Beschwerden oft abgelöst werden von Phasen einer Verschlechterung ("worsening heart failure", WHF) – nicht selten mit immer wieder notwendigen kurzen Krankenhausaufenthalten!

Herzinsuffizienz ist die häufigste Einzeldiagnose für Klinikeinweisungen! Und sie stellt eine der häufigsten Todesursachen in Deutschland dar. Denn mit jeder Verschlechterung und erneuter weitgehender Rekompensation beginnt eine Spirale nach unten!

Bisher wurde die Herzinsuffizienz nur nach dem Ausmaß der noch vorhandenen Auswurfleistung (EF) des linken Ventrikels bewertet – eine neue Entität ist jetzt hinzugekommen. Mehr als die Hälfte aller Herzinsuffizienz -Patienten hat nur eine leichte Einschränkung der Funktion des linken Ventrikels (EF > 40%).

Therapie der Herzinsuffizienz

Die Therapie der Herzinsuffizienz ist bei Menschen mit Diabetes nicht anders als ohne Diabetes. Allerdings sollte auch ohne die Notwendigkeit einer Antidiabetischen oralen Therapie des Diabetikers dieser einen SGLT- 2 -Hemmer nach den Leitlinien der kardiologischen Gesellschaften erhalten – also unabhängig von seiner Blutzuckereinstellung! Bei Menschen mit nur geringer Einschränkung der Herzleistung sollten primär Diuretika gegeben werden, unter Beachtung des Kalium -Blutspiegels. Ansonsten folgt die Therapie einem Stufenplan der Europäischen und US -Amerikanischen kardiologischen Leitlinien. Als Basis erfolgt eine Blockade des Renin –Angiotensin- Aldosteron Systems (RAAS) mittels eines ACE- Hemmers (= Angiotensin converting Enzym) bzw. mit einem Angiotensin-Rezeptorblocker (ARB), sowie mit einer Beta-Blockade mit dem Ziel eine Herzfrequenz von <70/Min. zu erreichen.

Bei einer anhaltenden bzw. einer zunehmenden kardialen Symptomatik sollten zusätzlich Mineralokortikoid -Rezeptor -Antagonisten (MRA) wie z.B. Spironolacton oder Eplerenon eingesetzt werden. Diuretika werden insbesondere zur Symptomkontrolle (Luftnot, Ödem) ergänzt. Bei Sinusrhythmus und nicht erreichter Herzfrequenzsenkung von < 70/Minute kann zusätzlich Ivabradin versucht werden. Statt ACE- Hemmer oder AT1- Rezeptorblocker in der Initialtherapie, wird aktuell primär der Angiotensin -Rezeptor -Neprelysin- Inhibitor (ARNI, z.B. Entresto®) von Anfang an eingesetzt.

Zusätzlich zur medikamentösen Therapie wird bei Menschen mit einer anhaltenden Herzleistungsminderung von unter 35% die Implantation eines Defibrillators (= ICD = implantierbarer Kardio Defibrillator) empfohlen.

Neue Substanzen

Neben den SGLT-2- Hemmern sind eine ganze Reihe von neuen Substanzen in der Prüfung bzw. zugelassen z.B. auch die Guanylatcyclase (= Vericiguat®) ein Stimulator der löslichen zyklischen Guanylatcyclase intrazellulär.

Biomarker zur Diagnose der Herzinsuffizienz

Natriuretische Peptide, wie das NT-proBNP entstehen, wenn auf Druck am Myokard vorliegt – das NT-pro BNP ist ein mittlerweile zuverlässiger Indikator einer Herzinsuffizienz. Ein Protein (= Immunprotein), das schon bei der Entwicklung der Herzinsuffizienz aber auch bei bestimmten Nierenerkrankungen exprimiert wird, ist das lösliche Urokinase-Plasminogen =Aktivator-Rezeptor-Protein (suPAR) (Studie Michigan Medicine and Emory clinical vascular Research Institute). Nach neueren Veröffentlichungen könnte die Kombination beider Substanzen eine noch bessere Voraussage der Schwere einer Herzinsuffizienz ermöglichen.

Titelthema: Begleit- und Folgeerkrankungen

Autor:
Dr. Gerhard-W. Schmeisl
Internist, Angiologe, Diabetologe und Sozialmediziner
ehem. Lehrbeauftragter der Universität Würzburg und Chefarzt Deegenbergklinik
PrivAS Privatambulanz (Schulung)


Erschienen in: Diabetes-Forum, 2023; 35 (4) Seite 11-16