Häufiges Thema bei der Beratung von Diabetes-Patienten ist der Schwerbehindertenausweis. Als schwerbehindert anerkannte Menschen können nicht nur vorzeitig in Altersrente gehen, sondern haben auch Anspruch auf Steuervergünstigungen und einen erhöhten Kündigungsschutz im Arbeitsleben. Mehr zur Rechtslage lesen Sie hier.

Der Begriff der Behinderung wird in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX definiert:

"Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung in diesem Sinne liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht". Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung ("GdB") auf einer Skala von 0 bis 100 ausgedrückt. Eine Schwerbehinderung liegt vor, wenn ein GdB von mindestens 50 festgestellt ist. Dann erhält man auch einen entsprechenden Ausweis, mit dem man die mit dem Schwerbehindertenstatus einhergehenden Nachteilsausgleiche beanspruchen kann.

Vorzeitige Altersrente

Einer der wichtigsten Nachteilsausgleiche ist die vorzeitige Altersrente für schwerbehinderte Menschen.

Mit einem Schwerbehindertenausweis können Patienten bereits mit 65 Jahren ohne Abzug vorzeitig in Altersrente gehen. Wer Abzüge bei der Rente in Kauf nimmt, kann sogar schon mit Vollendung des 62. Lebensjahres in Anspruch nehmen. In diesem Fall wird allerdings für jeden Monat eines Beginns vor Vollendung des 65. Lebensjahres ein Abschlag in Höhe von 0,3% fällig.

Wer also bereits mit Vollendung des 62. Lebensjahres die Rente in Anspruch nimmt, müsste dann einen monatlichen Rentenabzug von 10,8% (=36 Monate x 0,3%) in Kauf nehmen.

Wichtig:
Aufgrund diverser Übergangsregelungen hängen die jeweils geltenden Altersgrenzen vom Geburtsjahr ab. Für Personen, die in der Zeit vom 1. Januar 1952 bis zum 31. Dezember 1963 geboren sind und keinen Vertrauensschutz genießen, wurde die Altersgrenze für eine abschlagsfreie Rente schrittweise von 63 auf 65 Jahre angehoben. Die Altersgrenze, ab der die Rente frühestens – jedoch mit Abschlägen – in Anspruch genommen werden kann, stieg parallel dazu von 60 auf 62 Jahre.

Erhöhter Kündigungsschutz und Erleichterungen im Arbeitsleben

Ein weiterer wichtiger Nachteilsausgleich ist der erhöhte Kündigungsschutz im Arbeitsleben.

Dieser gilt unabhängig von der Betriebsgröße und greift daher auch in Kleinbetrieben bis 10 Mitarbeiter, in denen es ansonsten keinen gesetzlichen Kündigungsschutz gibt. Mitarbeiter können dort grundsätzlich ohne Abgabe von Gründen und ohne Anspruch auf Abfindung entlassen werden; Arbeitgeber müssen dazu lediglich die gesetzliche bzw. vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist einhalten.

Einem schwerbehinderten Mitarbeiter darf dagegen nur gekündigt werden, wenn der Arbeitgeber zuvor die Zustimmung des Integrationsamts eingeholt hat. Falls die Behörde die Zustimmung verweigert oder vom Arbeitgeber erst gar nicht über die beabsichtigte Kündigung informiert wurde, dann ist eine Kündigung immer unwirksam.

Für Arbeitgeber ist es nicht ganz einfach, die gesetzlich vorgeschriebene Vorgehensweise einzuhalten: selbst scheinbar geringfügig anmutende Fehler können dazu führen, dass eine Kündigung von Arbeitsgerichten später als unwirksam erachtet wird.

Natürlich gibt dies trotzdem keinen hundertprozentigen Schutz vor einer Kündigung. Aufgrund der Risiken und rechtlichen Unwägbarkeiten für den Arbeitgeber werden Patienten aber zumindest bei etwaigen Abfindungsverhandlungen wohl deutlich mehr "herausholen" können.

Gleichstellung: Kündigungsschutz auch mit GdB 30

Auch wenn dem Patienten nur ein GdB von 30 oder 40 zuerkannt wurde, kann er unter Umständen dennoch den besonderen Kündigungsschutz erhalten, eine sog. "Gleichstellung".

Die Gleichstellung erfolgt jedoch nicht automatisch, sondern muss gesondert (bei der Agentur für Arbeit) beantragt werden. Voraussetzung dafür ist, dass der Ppatient infolge seiner Behinderung ohne Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen oder nicht behalten können wird.

Wichtig:
Der Sonderkündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen greift nur, wenn der Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft bzw. auf Gleichstellung mindestens drei Wochen vor der Kündigung gestellt wurde.

Zusatzurlaub und Freistellung von Mehrarbeit

Schwerbehinderte Menschen, die vollzeitbeschäftigt sind, haben dazu auch Anspruch auf 5 Tage bezahlten Sonderurlaub, bei Teilzeitbeschäftigung reduziert sich der Urlaubsanspruch entsprechend.

Weiterhin können sie verlangen, "von Mehrarbeit" freigestellt zu werden. Dies heißt jedoch nicht, dass generell keine Überstunden mehr geleistet werden müssen: man kann sich nur weigern, länger als die gesetzliche Regelarbeitszeit von 8 Stunden werktäglich zu arbeiten.

Schwerbehinderte sind allerdings von Bereitschaftsdiensten, die Mehrarbeit bedeuten, freizustellen.

Daneben bringt der Schwerbehindertenausweis auch weitere Entlastungen. Man hat Anspruch auf begleitende Hilfe im Arbeitsleben, beispielsweise auf technische Arbeitshilfen oder Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz. Auch bringt der Schwerbehindertenstatus bessere Chancen auf Verbeamtung bzw. Übernahme in öffentlichen Dienst, denn behinderte Menschen sind bei gleicher Eignung und Befähigung grundsätzlich bevorzugt einzustellen.

Steuerfreibetrag

Wer Steuern zahlt, kann den mit dem Schwerbehindertenausweis verbundenen "Behinderten-Pauschbetrag" in Anspruch nehmen. Dies bedeutet, dass dieser Betrag dann vom zu versteuernde Jahreseinkommen abgezogen wird, man muss dann entsprechend weniger Steuern zahlen.

Die Höhe des Freibetrags – geregelt in § 33b EStG - ist gestaffelt und hängt vom Grad der Behinderung ab. Ein GdB von 50 berechtigt zu einem Steuerfreibetrag von 1.140 EUR.

Bei Kindern mit Diabetes wird in der Regel problemlos bis zum 16. Lebensjahr eine "Hilflosigkeit" festgestellt und zusätzlich zum Behinderungsgrad auch das sog. Merkzeichen "H" zuerkannt. Die Eltern können dann gem. § 33b Abs. 3 EStG einen erhöhten Steuerfreibetrag von 7400 EUR in Anspruch nehmen.

Für Kinder und Jugendliche bis zum 16. Lebensjahr: Merkzeichen "H" (Hilflosigkeit)

Das Merkzeichen H im Schwerbehindertenausweis signalisiert "hilflos", d.h. die Person benötigt dauernd und in erheblichem Maße fremde Hilfe, Überwachung oder Anleitung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens. Dies ist bei Kindern und Jugendlichen mit Diabetes bis zum 16. Lebensjahr oft der Fall, daher wird ohne weitere Nachweise das Merkzeichen "H" zuerkannt. Grund ist die erforderliche ständige Überwachung wegen der Gefahr von Unterzuckerungen, zur Mahlzeitenaufnahme und Insulingabe sowie im Hinblick auf die notwendigen körperlichen Betätigungen.

Ein Schwerbehindertenausweis mit Merkzeichen H berechtigt zur kostenlosen Beförderung im Nahverkehr. Dazu können weitere Steuererleichterungen (zB. Absetzbarkeit von Fahrten) oder soziale Vergünstigungen (z.B. ermäßigte Eintrittsgebühren) in Anspruch genommen werden.

Nur im Ausnahmefall: Merkzeichen "G"

Das Merkzeichen G im Schwerbehindertenausweis erhalten Personen mit erheblicher Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr bzw. erheblicher Geh- und/oder Stehbehinderung. Davon ist auszugehen, wenn eine Strecke von 2 km nicht ohne Gefahren für sich und andere zu Fuß in etwa einer halben Stunde zurückgelegt werden kann. Aufgrund des Diabetes wird dieses Merkzeichen nur im Ausnahmefall zuerkannt. Voraussetzung sind häufige, fremdhilfebedürftige Unterzuckerungen, die überwiegend am Tage auftreten. Wesentliche Nachteilsausgleiche des Merkzeichen G sind ergänzende Leistungen zur Reha und die Unentgeltliche Beförderung im Nahverkehr.

Wie ist das Verfahren?

Auf Antrag des behinderten Menschen stellt die zuständige Behörde – in der Regel das örtliche Versorgungsamt – das Vorliegen einer Behinderung zum Zeitpunkt der Antragstellung fest.

Zunächst wird anhand der eingereichten Unterlagen untersucht, welche dauerhaften Gesundheitsstörungen vorliegen und ob diese zu einer relevanten Beeinträchtigung der Teilhabe am Alltagsleben führen. Anschließend werden die Gesundheitsstörungen jeweils mit einem Einzel-GdB bewertet; hierbei hat sich die Behörde an den sog. versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VMG) zu orientieren, die als Anlage zu § 2 Versorgungsmedizinverordnung (VersMedVO) für zahlreiche Krankheitsbilder entsprechende Bewertungen vorgeben.

In einem dritten Schritt wird aus einer Gesamtschau der einzelnen Beeinträchtigungen dann ein Gesamt-GdB gebildet. Dabei wird u.a. geprüft, ob die einzelnen Beeinträchtigungen sich wechselseitig auswirken, beispielsweise ob diese ineinander aufgehen, sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinanderstehen. Die Behörde wird dabei auch prüfen, ob der resultierende Gesamt-GdB verhältnismäßig ist im Vergleich zu dem GdB, der typischerweise bei anderen Krankheiten zuerkannt wird.

Beispiel:
Jemand leidet an Schwerhörigkeit, Bluthochdruck und Bandscheibenproblemen. Die Behörde setzt hierfür jeweils einen Einzel-GdB von 10,20 und 30 fest. Im Rahmen der Gesamtbewertung würde dann trotzdem wohl nur ein Gesamt-GdB von 30 festgestellt werden.

Schwerbehinderung aufgrund des Diabetes?

Patienten, die mit Insulin behandelt werden, erhalten in der Regel problemlos einen GdB von 30 bis 40 anerkannt. Eine Schwerbehinderung liegt jedoch nur bei den Patienten vor, die eine "Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführen, wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbständig variiert werden muss, und durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden auf Grund dieses Therapieaufwands eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung". Damit der Diabetes zu einer Anerkennung als "schwerbehindert" führt, müssen folgende Voraussetzungen vorliegen:

  • Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen
  • selbstständige Anpassung der Insulindosis (ICT, Pumpentherapie) UND
  • erhebliche Einschnitte, welche gravierend die Lebensführung beeinträchtigen
  • Die Blutzuckerselbstmessungen und Insulindosen müssen dokumentiert sein.

Die Diabetes-Erkrankung mit Insulintherapie reicht allein daher nicht aus, um die Voraussetzungen für eine Schwerbehinderung zu erfüllen. Selbst ein hoher Therapieaufwand – also häufige Blutzuckermessungen, das Spritzen von Insulin bzw. der mit Insulinpumpe oder rtCGM verbundene Aufwand – stellen nach aktueller Rechtslage noch keine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung dar. Vielmehr muss die Krankheit noch andere Umstände mitbringen, durch die man - zusätzlich zum Therapieaufwand - erheblich in der Lebensführung und der Teilhabe am Alltagsleben beeinträchtigt wird.

Rechtsprechung: Gravierende Beeinträchtigungen im Alltag erforderlich

Solche gravierenden Beeinträchtigungen liegen nach Auffassung der Rechtsprechung selbst dann noch nicht vor, wenn es zu "spürbaren" Beeinträchtigungen bei Planung des Tagesablaufs, der Gestaltung der Freizeit, der Zubereitung der Mahlzeiten und der Mobilität zu Einschränkungen oder Belastungen kommt. Und auch wenn diese Aktivitäten "mit einem erhöhten planerischen Aufwand verbunden" bzw. nur "unter erschwerten Bedingungen (weitere Blutzuckermessungen; beim Schwimmen erneutes Anlegen der Pumpe), letztlich aber nicht ausgeschlossen" seien, lässt dies meist noch keinen Rückschluss auf gravierende Teilhabeeinschränkungen zu. Einer aktuellen Entscheidung des Landessozialgericht NRW (Urteil vom 02.12.21, AZ: L 6 SB 11/20) ist zu entnehmen, wie streng die Gerichte dies auslegen: "Die von dem Kläger geschilderten Einschränkungen beeinträchtigen seine Lebensführung zwar nachvollziehbarerweise spürbar, jedoch nicht gravierend, wie es die gesteigerten Voraussetzungen [..] für einen GdB von 50 erfordern. So kann er etwa nach wie vor seinen Beruf ausüben, ohne dass es bislang zu Arbeitsunfähigkeitszeiten gekommen ist, sowie nach eigenen Angaben zu Hause "die üblichen Mahlzeiten" einnehmen und auch im Betrieb essen. Längere Autofahrten (etwa in den Urlaub) sind möglich, wenn auch mit Pausen, die allerdings nicht in größerer Zahl erforderlich sind [..]). Soweit der Kläger anführt, er habe sein Hobby Motorradfahren aufgeben müssen und sei zudem in seinem Sexualleben eingeschränkt, sind auch dadurch gravierende Beeinträchtigungen im dargestellten Sinne nicht dargetan, weil die Gründe, die der Kläger insofern anführt – nämlich solche, die den Planungsaufwand beschreiben –, im Therapieaufwand selbst liegen bzw. zwangsläufig damit verbunden sind und keine zusätzlichen Einschnitte darstellen. "

Generell achten die Gerichte auch darauf, dass der Vergleichsmaßstab zu anderen Krankheitsbildern eingehalten wird. Ein GdB von 40, der bei insulinpflichtigem Diabetes fast immer festgestellt wird, ist nämlich schon recht hoch – der Verlust eines Auges führt im Vergleich dagegen nur zu einem GdB von 30. Für das Erreichen des Schwerbehindertenstatus müssen die funktionellen Beeinträchtigungen in der Auswirkung daher vergleichbar sein "wie etwa dem völligen Verlust der Nase, der ganzen Hand, eines Armes im Unterarm oder eines Beines im Unterschenkel, für die ein GdB von 50 und damit die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft vorgesehen sind." (LSG NRW, (Urteil vom 02.12.21, AZ: L 6 SB 11/20). Eine Schwerbehinderung aufgrund des Diabetes liegt daher beispielsweise nur vor, wenn "die zu berücksichtigende Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsstörungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft so schwer wie etwa die vollständige Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule, der Verlust eines Beins im Unterschenkel oder eine Aphasie (Sprachstörung) mit deutlicher Kommunikationsstörung beeinträchtigen." (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 09.03.2016 - L 7 SB 81/13)

GdB 50: mit Diabetes allein schwierig

Vor diesem Hintergrund ist es zwischenzeitlich schwierig, allein aufgrund des Diabetes einen GdB von 50 zu erreichen. Hat der Patient neben der Diabetes-Erkrankung allerdings noch andere erhebliche Gesundheitsbeeinträchtigungen, dann stehen die Chancen auf den Schwerbehindertenausweis besser. Relevant sein können hier insbesondere Störungen des Bewegungsapparates, Bandscheibenvorfälle, Allergien, oder Folgeerkrankungen wie Neuropathie, Retinopathie oder Nephropathie. Diese Erkrankungen werden dann jeweils gesondert bewertet und mit einem GdB eingestuft. Bei der Gesamtbewertung kann es im Ergebnis dann doch zur Feststellung einer Schwerbehinderung kommen.

Tipps zur Antragstellung

  • Im Antrag auf Feststellung einer Behinderung sollte der Patient ausführlich auf alle genannten Voraussetzungen eingehen – wer sich dort nur auf den hohen Aufwand seiner Insulin- bzw. Insulinpumpentherapie stützt, wird wahrscheinlich damit keinen Erfolg haben. Es sollte daher ausführlich beschrieben und begründet werden, inwiefern der Patient aufgrund des Diabetes erhebliche Einschränkungen erleidet, die sich "gravierend" auf seine Lebensführung auswirken. Hierzu sollte er möglichst umfassend schildern, wie sein reguläres Alltagsleben durch den Diabetes beeinträchtigt wird.
  • Bei stark schwankenden Blutzuckerwerten oder häufigen Unterzuckerungen könnte aus medizinischer Sicht möglicherweise eine außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellage vorliegen.
  • Weitere Informationen zum Thema sowie kostenlose Broschüren und Checklisten bietet die Deutsche Diabetes-Hilfe (DDH-M).

Bringt eine Schwerbehinderung auch Nachteile?

Der Schwerbehindertenstatus kann allerdings auch nachteilige Konsequenzen haben. Unmittelbare Nachteile gibt es zwar keine; niemand muss befürchten, deswegen vom Staat verfolgt oder diskriminiert zu werden. Aber das kann sich auch mal ändern. Für Menschen im mittleren oder fortgeschrittenen Lebensalter ist das zwar wohl nicht mehr ganz so relevant. Junge Menschen könnten dagegen im weiteren Lebensverlauf durchaus noch erhebliche Änderungen der politischen und sozialen Verhältnisse mitmachen (müssen). Auch muss man die Schwerbehinderung dem Arbeitgeber bei einer Bewerbung nicht mitteilen - Nachteile bei der Einstellung drohen allein durch den Ausweis also nicht. Wenn die Behinderung allerdings bekannt ist, dann kann es schon zu Mobbing oder anderen Problemen kommen.

Probleme kann ein Behindertenstatus auch bei Versicherungen machen, das ist vor allem bei Kindern und Jugendlichen relevant: Wer eine Berufsunfähigkeits-, Lebens- oder Krankenversicherung abschließen will, muss umfassende Gesundheitsfragen beantworten und muss dort wahrheitsgemäße Angaben machen. Es ist aus diesem Grund ohnehin schon recht schwierig, mit Diabetes oder anderen chronischen Krankheiten eine vernünftige Versicherung zu bekommen. Zwischenzeitlich wird im Versicherungsantrag aber meist auch noch gefragt, ob eine Behinderung festgestellt ist oder man dies in der Vergangenheit beantragt hat. Wenn man das dann wahrheitsgemäß angibt– wozu man verpflichtet ist - dann dürften die Chancen auf einen Versicherungsabschluss wohl gegen null tendieren.

Achtung: Verschlimmerungsantrag kann fatale Folgen haben

Wenn sich der Gesundheitszustand verschlimmert bzw. noch andere Beeinträchtigungen hinzukommen, kann ein Änderungsantrag (auch "Verschlimmerungsantrag") gestellt werden, um eine Erhöhung des GdB feststellen zu lassen. Patienten, die bereits den Schwerbehindertenausweis haben, sollten hier sehr vorsichtig sein. Denn die Behörde wird dann die Gesamtsituation neu bewerten und die aktuellen, strengeren Vorschriften anwenden. Dies kann im Ergebnis dazu führen, dass es womöglich sogar zu einer Herabstufung kommt, obwohl zusätzliche Krankheiten vorliegen.

Anlage zu § 2 VersorgungsMedVO (Auszug)

15.1 Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus)

Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie regelhaft keine Hypoglykämie auslösen kann und die somit in der Lebensführung kaum beeinträchtigt sind, erleiden auch durch den Therapieaufwand keine Teilhabebeeinträchtigung, die die Feststellung eines GdB rechtfertigt. Der GdB beträgt 0.

Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann und die durch Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden durch den Therapieaufwand eine signifikante Teilhabebeeinträchtigung. Der GdB beträgt 20.

Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann, die mindestens einmal täglich eine dokumentierte Überprüfung des Blutzuckers selbst durchführen müssen und durch weitere Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden je nach Ausmaß des Therapieaufwands und der Güte der Stoffwechseleinstellung eine stärkere Teilhabebeeinträchtigung. Der GdB beträgt 30-40.

Die an Diabetes erkrankten Menschen, die eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführen, wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbständig variiert werden muss, und durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden auf Grund dieses Therapieaufwands eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung. Die Blutzuckerselbstmessungen und Insulindosen (beziehungsweise Insulingaben über die Insulinpumpe) müssen dokumentiert sein. Der GdB beträgt 50.

Außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen können jeweils höhere GdB-Werte bedingen.


Autor:
RA Oliver Ebert
REK Rechtsanwälte Stuttgart ° Balingen
Nägelestr. 6a, 70597 Stuttgart
Friedrichstraße 49, 72336 Balingen
E-Mail: ebert@rek.de


Erschienen in: Diabetes-Forum, 2023; 35 (12) Seite 16-20