Seitdem das kontinuierliche Glukosemonitoring (CGM) durch den Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) [Gemeinsamer Bundesausschuss 2016] in Deutschland für alle Menschen mit Diabetes und einer intensivierten Insulintherapie zu Lasten der Kostenträger verordnet werden kann, ist die Zahl der Nutzer besonders unter Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes (T1D) rasant gestiegen. Derzeit nutzen über 95 % der pädiatrischen Patienten mit Diabetes in Deutschland ein real-time CGM-System (rtCGM) [Kamrath 2024].
Zusammenfassung
Einleitung: Kontinuierliches Glukosemonitoring (CGM) ist ein Standard in der pädiatrischen Diabetologie. Die erfolgreiche Nutzung, z. B. als Element eines AID-Systems (automatische Insulindosierung), setzt umfassende Kenntnisse und Kompetenzen voraus. SPECTRUM ist ein herstellerunabhängiges strukturiertes Schulungsprogramm. Die CGM-TRAIN-Studie evaluierte Wirksamkeit und Akzeptanz von SPECTRUM unter Jugendlichen und Eltern von jüngeren Kindern mit Diabetes.Methodik: Insgesamt 60 Jugendliche und 65 Eltern aus 12 pädiatrischen Diabeteszentren wurden rekrutiert. Studienendpunkte waren das rtCGM-spezifische Wissen, praktische Kompetenzen, Zufriedenheit mit dem Programm, Akzeptanz von CGM sowie HbA1c. Die Daten wurden initial, nach der Schulung und nach sechs Monaten erhoben.Ergebnisse: Die Schulungen wurden von 57 Jugendlichen und 64 Eltern besucht (Drop-out-Rate 6 Monate: 13 %; 11 %). Das rtCGM-Wissen verbesserte sich in beiden Gruppen signifikant und relevant, die Schulungen wurden jeweils mit 1,2 bzw. 1,4 (Schulnote) bewertet. Fast alle praktischen Aufgaben wurden bewältigt. Die Akzeptanz von rtCGM war in beiden Gruppen sehr hoch. Während der sechsmonatigen Nachbeobachtung traten keine schweren Hypoglykämien auf, das mittlere HbA1c blieb konstant (Kinder 7,3 % vs. 7,4 %; Jugendliche 8,0 % vs. 7,8 %).Schlussfolgerung: SPECTRUM verbesserte das rtCGM-spezifische Wissen und die praktische Kompetenz von Jugendlichen und Eltern jüngerer Kindern mit Diabetes. Die Zufriedenheit und Akzeptanz von rtCGM war sehr hoch.
Schlüsselwörter
Kontinuierliches Glukosemonitoring, Diabetesschulungsprogramm, Kinder und Jugendliche, Selbstmanagement, Eltern von Kindern mit Diabetes
Evaluation of the SPECTRUM training and treatment programme for rtCGM in pediatric diabetology
Summary
Background:Continuous glucose monitoring (CGM) is standard practice in pediatric diabetes care. Successful use, e. g., as part of an AID system (automated insulin delivery), requires comprehensive knowledge and skills. SPECTRUM is a manufacturer-independent, structured training programme. The CGM-TRAIN study evaluated the effectiveness and acceptance of SPECTRUM among adolescents and parents of children with diabetes.Methods: A total of 60 adolescents and 65 parents from 12 pediatric diabetes centers participated. The study endpoints were rtCGM-specific knowledge, practical skills, satisfaction with the programme, acceptance of rtCGM, and HbA1c. Data were collected initially, after training, and after six months.Results: The training sessions were attended by 57 adolescents and 64 parents (dropout rate after 6 months: 13 %; 11 %). rtCGM knowledge improved significantly and relevantly in both groups, with the training courses being rated 1.2 and 1.4 (school grade) respectively. Almost all practical tasks were completed successfully. Acceptance of rtCGM was very high in both groups. No severe hypoglycaemic episodes occurred during the six-month follow-up period, the mean HbA1c remained constant (children 7.3 % vs. 7.4 %; adolescents 8.0 % vs. 7.8 %).Conclusion: SPECTRUM improved rtCGM-specific knowledge and practical skills among adolescents and parents of younger children with diabetes. This was associated with high satisfaction and acceptance of rtCGM.
Keywords
Continuous Glucose Monitoring, Diabetes education programme, children and adolescents, self-management, parents of children with diabetes
Einleitung
In der aktuellen pädiatrischen S3-Leitlinie zum Diabetes wird CGM als Standard der Stoffwechselselbstkontrolle bei T1D definiert [DDG 2023]. Internationale pädiatrische Leitlinien [z. B. ADA 2025a, ADA 2025b, NICE 2023, Limbert 2022, Biester 2024] empfehlen den Einsatz von CGM in vergleichbarer Weise. Gegenüber punktuellen Blutglukosemessungen informieren CGM-Systeme kontinuierlich über den aktuellen Glukosewert und das Glukoseprofil der letzten Stunden. Trendpfeile und Alarmfunktionen ermöglichen detaillierte Einblicke in Glukoseschwankungen im Zeitverlauf und warnen vor Dysglykämien [Danne 2017, Graham 2017, Petrie 2017, Battelino 2019]. Die Vorteile von CGM in der pädiatrischen Diabetologie betreffen vor allem eine verbesserte Lebensqualität, mehr Sicherheit, weniger Ängste vor Hypoglykämien und weniger diabetesspezifische Belastungen der Kinder und Jugendlichen mit T1D und ihrer Eltern [Hilliard 2019, Lange 2024]. Internationale Vergleichsstudien mit Registerdaten zeigen, dass die Nutzung von CGM in der Pädiatrie mit einer geringeren Hypoglykämierate und einem (leicht) reduzierten HbA1c-Wert assoziiert ist [DeSalvo 2018, DeSalvo 2022, Laffel 2020]. Die Vielzahl an Informationen erfordert die Bereitschaft und vor allem die kognitive Kompetenz, CGM-Systeme sachgerecht zu nutzen, die Daten systematisch zu analysieren und daraus Konsequenzen für die Insulintherapie abzuleiten [Messer 2020a, Messer 2020b, Forster 2019]. Dies kann vor allem Jugendliche und junge Erwachsene in der "Rush-hour" ihres Lebens überfordern. Trotz der zunehmenden Verwendung von CGM-Systemen ist die Umsetzung der CGM-Daten in angemessene therapeutische Maßnahmen oft nicht optimal, insbesondere unter Jugendlichen mit T1D [Laffel 2020, Hilliard 2019, Huhn 2023], aber auch bei Kindern mit T1D im Vorschulalter [Sandy 2024].
Inzwischen sind CGM-Systeme zentrale Elemente von Systemen zur automatisierten Insulindosierung (AID-Systeme), die in der Pädiatrie zunehmend an Bedeutung gewinnen und zu eindrucksvollen Verbesserungen der Glukosewerte sowohl bei Kindern wie auch Jugendlichen führen [Phillip 2022, DDG 2023, Zeng 2023]. Aber auch diese Systeme sind nur erfolgreich, wenn deren einzelne Bestandteile, d. h. CGM, Insulinpumpe und Algorithmus, sachgerecht eingesetzt werden. Daher stellt die Nutzung aktueller Diabetestechnologien sowohl für junge Menschen mit Diabetes als auch für ihre Diabetesteams weiterhin eine Herausforderung dar [Tanenbaum 2025].
Damit Kinder und Jugendliche mit Diabetes und ihre Betreuer CGM effektiv nutzen können, ist im ersten Schritt eine adäquate Schulung zur Handhabung der CGM-Systeme essenziell (= technische Einweisung). Im nächsten Schritt geht es darum, dass Nutzer lernen, die vielen Informationen, die CGM-Systeme anbieten, bei der Insulindosierung sachkundig einzusetzen. Dazu fordert der G-BA, dass vor Nutzung dieser Technologie eine rtCGM-spezifische Schulung durch das behandelnde Diabetesteam angeboten werden soll [G-BA 2016]. Ein solches Programm soll nicht nur die korrekte Handhabung vermitteln, sondern den Fokus auf die systematische Analyse der Glukosedaten sowie die adäquate Interpretation und Umsetzung in therapeutische Maßnahmen legen [Tanenbaum 2025, Lange 2023].
Von einer Gruppe aus Diabetologen, zertifizierten Diabetesberatern und Wissenschaftlern der Arbeitsgemeinschaft Diabetes und Technologie (AGDT) der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und der Arbeitsgemeinschaft für Pädiatrische Diabetologie der DDG (AGPD) wurde dafür ein umfassendes und herstellerunabhängiges Schulungsprogramm für rtCGM-Systeme entwickelt [Gehr 2017]. Das strukturierte Schulungsprogramm SPECTRUM (Structured Patient Education and Treatment Programme for Self-Reliant Continuous Glucose Monitoring) besteht aus einem Einführungsmodul, gefolgt von sechs Schulungsmodulen à 90 Minuten. Es ist für die drei Zielgruppen Erwachsene, Eltern von jüngeren Kindern und Jugendliche mit T1D verfügbar und für alle rtCGM-Systeme und Therapieformen anwendbar. Es umfasst neben einem differenzierten Curriculum für jede Zielgruppe didaktische Hilfsmittel und diverse Arbeitsmaterialien. Um eine Schulung auf inhaltlich und didaktisch hohem Niveau zu ermöglichen, werden dazu für Mitglieder von Diabetesteams "Train-the-Trainer"-Seminare angeboten [Holder 2017]. Nähere Details zu SPECTRUM wurden an anderer Stelle beschrieben [Gehr 2017, Holder 2017]. Die SPECTRUM-Versionen für Jugendliche mit T1D und Eltern von jüngeren Kindern mit T1D sprechen auch die besonderen Herausforderungen beider Gruppen im Alltag an, z. B. Hautschutz und -pflege [Burgmann 2020, Cameli 2022, Berg 2025], Tragemöglichkeiten im Alltag, Akzeptanz der Technik durch sehr junge Kinder, Einstellungen der Alarme in Kindertageseinrichtungen und Schule, emotionale Reaktionen auf zu hohe oder zu niedrige Glukosewerte, die Therapieverantwortung in der Familie, Umgang mit Stigmatisierung und sinnvolle Nutzung der Follower-Funktion. Tabelle 1 stellt die zentralen Inhalte der SPECTRUM-Schulungsmodule für Jugendliche und Eltern von jüngeren Kindern dar.
Tab. 1: Inhalte der SPECTRUM-Schulungsmodule für Jugendliche und Eltern von jüngeren Kindern mit T1D entsprechend dem jeweiligen Curriculum [Gehr 2017].
Der hier dargestellte Teil der CGM-TRAIN-Studie untersuchte die Wirksamkeit und Akzeptanz des Schulungsprogramms SPECTRUM unter den Bedingungen der Regelversorgung in der pädiatrischen Diabetologie. Zur Beurteilung der Wirksamkeit des Programms wurden das rtCGM-spezifische Wissen und die praktischen Fertigkeiten der Jugendlichen mit T1D und der Eltern von jüngeren Kindern mit T1D direkt nach der Schulung und nach weiteren sechs Monaten erfasst. Die Ergebnisse der Evaluation von SPECTRUM mit 120 erwachsenen Teilnehmern wurden bereits publiziert [Schlüter 2021a, Schlüter 2021b].
AGDT: Arbeitsgemeinschaft Diabetes und Technologie
AGPD: Arbeitsgemeinschaft für Pädiatrische Diabetologie
AID: automatische Insulindosierung
ANOVA: Analysis of Variance
CGM: kontinuierliches Glukosemonitoring
DDG: Deutsche Diabetes Gesellschaft
DMP: Disease Management Programm
HbA1c: glykiertes Hämoglobin
ISPAD: International Society of Pediatric and Adolescent Diabetes
NICE: International Society of Pediatric and Adolescent Diabetes
RCT: randomised controlled trial (randomisierte kontrollierte Studie)
rtCGM: real-time CGM
SD: Standardabweichung
SPECTRUM: Structured Patient Education and Treatment Programme for self-reliant Continuous Glucose Monitoring
TAM: Technology Acceptance Model
T1D: Typ-1-Diabetes
WHO: World Health Organization (Weltgesundheitsorganisation)
Methodik
Die multizentrische CGM-TRAIN-Studie in der Pädiatrie fand in Zusammenarbeit mit 12 pädiatrischen Diabeteszentren oder -schwerpunktpraxen in Deutschland statt. Dabei wurden zwei Zielgruppen altersspezifisch geschult: Eltern von Kindern mit T1D unter 12 Jahren und Jugendliche mit T1D.
Insgesamt nahmen an der Studie 60 Jugendliche mit T1D und die Eltern von 60 jüngeren Kindern mit T1D im Zeitraum zwischen 2018 und 2020 teil. Es handelte sich um eine Längsschnitt-Beobachtungsstudie über acht Monate unter realen Versorgungsbedingungen in der pädiatrischen Diabetologie. Ein randomisiertes Kontrollgruppen-Design schloss sich sowohl aus logischen wie auch ethischen Gründen aus [Bradley 1996, Sullivan 2011]. Die Nutzung eines rtCGM-Systems ohne qualifizierte Schulung (als Kontrollgruppe) und die damit verbundenen Risiken durch Fehlinterpretationen der Daten waren nicht vertretbar.
Das Studienprotokoll wurde von der Ethikkommission der Ärztekammer Niedersachsen in Hannover (Ärztekammer Niedersachsen, Hannover: Bo/14/2018) und den lokalen Ethikkommissionen geprüft. Die Studie wurde unter Berücksichtigung der Deklaration von Helsinki und der Leitlinie der Guten Klinischen Praxis durchgeführt und im Deutschen Register Klinischer Studien (DRKS00014380) registriert.
Stichprobe
Für die Teilnahme von Kindern und Jugendlichen mit T1D galten folgende Einschlusskriterien: eine intensivierte Insulintherapie, eine Indikation für die Nutzung eines rtCGM-Systems und die Bereitschaft, das jeweilige rtCGM-System acht Monate lang zu nutzen. Die Jugendlichen sollten zwischen 12 und 18 Jahre alt sein. Die Eltern sollten ein Kind mit T1D im Alter unter 12 Jahren betreuen. Alle Teilnehmer mussten über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen, um dem Schulungsprogramm folgen und die Fragebogen bearbeiten zu können. Jugendliche mit T1D oder Eltern von Kindern mit T1D, die bereits zuvor an einer CGM-Schulung teilgenommen hatten, waren von der Studienteilnahme ausgeschlossen.
Da keine Vergleichsdaten zur Wirksamkeit eines rtCGM-Schulungsprogramms verfügbar waren, war eine formale Fallzahlberechnung nicht möglich. Auch die Zusammensetzung der Stichproben und der Zugewinn an Wissen konnten nur grob geschätzt werden. In einer Studie zur Demonstration der Akzeptanz und Wirksamkeit eines anderen Schulungsprogramms in pädiatrischen Diabeteszentren hatte sich eine Stichprobe von 100 Teilnehmenden als ausreichend erwiesen [Lange 2001]. Da der Einsatz des Programms in mehreren Einrichtungen unter realen Versorgungsbedingungen überprüft werden sollte, wurde eine Zahl von 100 vollständig teilnehmenden Personen angestrebt. Unter der Annahme, dass mindestens 80 % der rekrutierten Teilnehmenden die Schulung abschließen und sich an der Folgeuntersuchung nach sechs Monaten beteiligen würden, wurde für die pädiatrische CGM-TRAIN-Studie eine Stichprobengröße von 120 Teilnehmern, d. h. 60 Eltern und 60 Jugendlichen, als ausreichend erachtet.
Intervention
Die SPECTRUM-Schulungen für die Jugendlichen und für die Eltern von Kindern mit T1D wurden nach dem jeweiligen Curriculum [Gehr 2017, Holder 2018] unter Nutzung der SPECTRUM-Schulungsmaterialien von zertifizierten Trainern in Kleingruppen durchgeführt. Die Trainer hatten zuvor an entsprechenden Train-the-Trainer-Seminaren der AGPD für pädiatrische Diabetesteams teilgenommen. Den Ablauf der Studie mit vier Studienvisiten und der strukturierten Schulung skizziert Abbildung 1. Vor und nach der SPECTRUM- Schulung (Visite 2) sowie sechs Monate danach bearbeiteten die Teilnehmer den Wissenstest "rtCGM Profi-Check". Zudem wurden die praktischen Fertigkeiten in einem strukturierten Handlungstest direkt nach der Schulung und nach sechs Monaten überprüft. Die Zufriedenheit der Teilnehmer mit der Schulung wurde im Anschluss an den Kurs mit einem Fragebogen evaluiert.
Zusätzlich wurden diabetesspezifische Parameter, wie die Anzahl schwerer Hypoglykämien während der vorrangegangenen sechs Monate sowie der aktuelle HbA1c-Wert beim Start der Studienteilnahme (Visite 0) und sechs Monate nach der Teilnahme (Visite 3) erfasst.
Abb. 1: CGM-TRAIN-Studienablauf in der Pädiatrie.
Ergebnisparameter
rtCGM-Wissen
Das primäre Ziel der Studie war es, die Kompetenz zur erfolgreichen Nutzung eines rtCGM-Systems durch eine strukturierte Schulung in Kleingruppen zu ermitteln. Zu diesem Zweck wurden die Teilnehmer gebeten, vor und direkt nach der SPECTRUM-Schulung sowie sechs Monate nach der Schulung den Wissenstest "rtCGM-Profi-Check" zu bearbeiten [Schlüter 2019, Schlüter 2022]. Dieser teststatistisch validierte Wissenstest besteht aus 40 Multiple-Choice-Items und deckt die wichtigsten inhaltlichen Informationen zu rtCGM-Systemen ab. Er wurde von rtCGM-Experten entwickelt. Ein Cronbach’s Alpha von 0,92 spiegelt eine ausgesprochen gute interne Konsistenz wider.
Praktische Kompetenz
Außerdem wurden die praktischen Fertigkeiten in Bezug auf sieben zentrale Kernkompetenzen in einem strukturierten Handlungstest überprüft. Dieser fand direkt nach der Schulung (Visite 2) und nach sechs Monaten (Visite 3) statt. Das Studienpersonal bewertete den Grad der Kompetenz (0 = nicht bewältigt, 1 = mit Hilfe bewältigt, 2 = ohne Hilfe bewältigt), wodurch ein Summenwert zwischen 0 und maximal 14 Punkten möglich war.
Zufriedenheit mit Schulung und rtCGM
Die Zufriedenheit der Teilnehmenden mit der SPECTRUM-Schulung wurde im Anschluss an den Kurs mit einem Fragebogen evaluiert, der auf einem von Lange et al. entwickelten Modell basiert (sechs Items, Bewertung auf einer Schulnoten-Skala von 1 = sehr gut bis 6 = ungenügend) [Lange 2001]. Der Fragebogen zur Zufriedenheit und Akzeptanz des rtCGM-Systems orientierte sich an dem "Technology Acceptance Model" (TAM)-Fragebogen [van Bon 2011] (neun Items, Skala von 1 bis 5 für geringe bis hohe Zufriedenheit). Die Akzeptanz des rtCGM-Systems wurde über 14 Items mit einer Skala von 1 bis 7 (geringe bis hohe Akzeptanz) erfasst. Diese Bögen wurden direkt nach der Schulung (Visite 2) und nach sechs Monaten (Visite 3) eingesetzt. Weiterhin wurden in zwei offenen Fragen die subjektiv erlebten Vor- und Nachteile der kontinuierlichen Glukosemessung erfasst.
Somatische Parameter
Beim Start der Studie und sechs Monate nach der Teilnahme wurden diabetes-spezifische Parameter der Kinder und Jugendlichen mit T1D erfasst: die Anzahl schwerer Hypoglykämien mit Koma und/oder Krampfanfall während der vorangegangenen sechs Monate und jeweils der aktuelle HbA1c-Wert. Außerdem wurden die Art der Insulintherapie und die verwendeten Diabetestechnologien dokumentiert.
Zusätzlich wurden zentrale demografische Parameter der Teilnehmer, d. h. Alter, Diabetesdauer, Geschlecht, Komorbidität der Kinder und Jugendlichen mit T1D sowie der höchste Bildungsabschluss der Eltern erfasst.
Statistische Analyse
Der primäre Endpunkt dieser Studie war die Veränderung des rtCGM-spezifischen Wissens von Jugendlichen oder Eltern junger Kinder mit T1D nach der Teilnahme am Schulungsprogramm SPECTRUM im Vergleich zu den Ausgangswerten. Es wurde davon ausgegangen, dass im Mittel eine Verbesserung des rtCGM-spezifischen Wissens infolge der Schulung um 30 % erreicht wird.
Die Eingabe der Fragebogendaten und der somatischen Parameter erfolgte pseudonymisiert in das Programm IBM SPSS Statistics for Windows, Version 29.0 (IBM Corporation, Armonk, N. Y., USA). Die Daten wurden auf dem Server des Rechenzentrums der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) in pseudonymisierter Form gemäß den Datenschutzgesetzen gespeichert und verarbeitet.
Die Ergebnisse der Auswertungen werden als Mittelwert und Standardabweichung (SD) dargestellt. Außerdem werden Boxplots mit Median, unterem und oberem Quartil sowie Minimum und Maximum als grafische Darstellung genutzt. Um den Datenverlust möglichst gering zu halten, wurde bei fehlenden Daten ein paarweises Löschen (pairwise deletion) vorgenommen.
Für Gruppenvergleiche sowohl zwischen Subgruppen als auch den primären und sekundären Endpunkten über die Zeit wurden statistische Standardverfahren eingesetzt (t-Test, Mann-Whitney U-test, ANOVA, Kruskal-Wallis Test). Um die Normalverteilung zu überprüfen, wurde der Shapiro-Wilk-Test genutzt, der besonders bei kleineren Stichprobenumfängen empfohlen wird. Für Längsschnittanalysen wurden t-tests für verbundene Stichproben, der Wilcoxon-Vorzeichen-Rang-Test oder der Friedman-Test verwendet. Zur Abschätzung der Effekte von Geschlecht, Alter, Diabetesdauer, Art der Insulintherapie, rtCGM-System und Schulungszentrum auf das rtCGM-Wissen wurden multiple lineare Regressionen zu allen drei Untersuchungszeitpunkten berechnet. Als Signifikanzniveau wurde p = 0,05 gewählt.
Ergebnisse
Jugendliche mit T1D
Insgesamt wurden 60 Jugendliche (42 % weiblich) in die CGM-TRAIN-Studie eingeschlossen. Das mittlere Alter betrug 14,8 (1,4) Jahre, die mittlere Diabetesdauer 6,4 (4,2) Jahre. Alle Teilnehmer waren noch Schüler.
Während der sechs Monate vor dem Studienstart hatten drei der Jugendlichen je eine schwere Hypoglykämie erlebt. Das mittlere HbA1c betrug 8,0 % (1,5 %) bzw. 64 (16) mmol/mol.
Die Mehrheit der Jugendlichen (82 %) nutzte eine Insulinpumpe, die anderen Insulinpens. Bei Studienstart hatten sich 30 % der Jugendlichen für ein damals zugelassenes rtCGM-System des Herstellers Medtronic und 70 % für ein System des Herstellers Dexcom entschieden.
Am Schulungskurs nahmen zunächst 60 Jugendliche teil, 57 davon besuchten ihn vollständig und beantworteten die Fragebogen nach Abschluss des Kurses. Nach weiteren sechs Monaten beteiligten sich 52 Jugendliche mit T1D an der Evaluation (Drop-out-Rate 13,3 %). Jugendliche, die die Studie abgebrochen hatten, unterschieden sich hinsichtlich zentraler somatischer oder demographischer Parameter nicht signifikant von denen, die die Studie abgeschlossen hatten (jeweils p > 0,1).
Eltern von Kindern mit T1D
Insgesamt wurden 65 Eltern (49 Frauen und 16 Männer; Alter 40,0 (6,6) Jahre) von 60 Kindern (57 % Mädchen) mit T1D in die Studie eingeschlossen. Die Kinder waren 7,4 (3,6) Jahre alt, ihre Diabetesdauer betrug 2,7 (2,5) Jahre. Fast die Hälfte der Eltern (44,6 %) gab ein Abitur als höchsten Schulabschluss an.
Schwere Hypoglykämien in den letzten sechs Monaten vor Studienstart wurden für drei Kinder (insgesamt 4 Ereignisse) berichtet. Das mittlere HbA1c der Kinder bei Visite 0 betrug 7,3 % (0,8 %) bzw. 56 (8,6) mmol/mol.
Die meisten Kinder (88 %) verwendeten eine Insulinpumpe, die anderen Insulinpens. Bei Studienstart hatten sich 73 % der Familien für das damals zugelassene rtCGM-System des Hersteller Medtronic und 27 % für das System des Herstellers Dexcom entschieden.
Am Schulungskurs nahmen 65 Eltern teil, 64 davon besuchten ihn vollständig und beantworteten die Fragebogen nach Abschluss des Kurses. Nach weiteren sechs Monaten beteiligten sich 58 Eltern von 55 jüngeren Kindern mit T1D an der Evaluation (Drop-out-Rate 10,8 %). Kinder, deren Eltern die Studie abgebrochen hatten, unterschieden sich hinsichtlich zentraler somatischer oder demographischer Parameter nicht signifikant von denen, die die Studie abgeschlossen hatten (jeweils p > 0,1), außer, dass die Diabetesdauer ihrer Kinder signifikant kürzer war (p < 0,001).
Primäres Ergebnis: rtCGM-Wissen
Bei den Jugendlichen erhöhte sich das rtCGM-spezifische Wissen (Skala 0 – 40) um 53 % von 16,8 (7,7) Punkten vor der Schulung (Visite 1) auf 25,5 (6,8) Punkte danach (Visite 2) (p < 0,001) und erreichte 27,0 (5,7) Punkte bei Visite 3 (Abbildung 2). Die Effektstärke – Cohen’s d = 1,13 – entspricht einem großen Effekt der Schulung.
Das Wissen der Eltern erhöhte sich ebenfalls signifikant um 67 %: Visite 1: 17,7 (8,3) Punkte vs. Visite 2: 29,5 (4,8) Punkte und Visite 3: 30,1 (4,5) Punkte (p < 0,001) (Abbildung 2). Die Effektstärke – Cohen’s d = 1,63 – entspricht einem großen Effekt der Schulung. Das bereits vorhandene Wissen über CGM vor der Kursteilnahme unterschied sich signifikant zwischen den Zentren (p = 0,020). Nach der Schulung konnten keine zentrums-spezifischen Unterschiede mehr nachgewiesen werden (p = 0,112). Der höchste Schulabschluss der Eltern und die von den Jugendlichen besuchte Schulform war zu keinem Zeitpunkt mit dem rtCGM-spezifischen Wissen assoziiert (jeweils p > 0,1).
In beiden Gruppen blieb das verbesserte rtCGM-spezifische Wissen nach sechs Monaten auf einem vergleichbar hohen Niveau. Insbesondere das Wissen über die zeitliche Differenz zwischen Blut- und Gewebeglukosewerten, die korrekte Insertion des Glukosesensors, die Interpretation der Trendpfeile und die korrekte Kalibration verbesserten sich eindrücklich.
Multiple lineare Regressionsanalysen zeigten, dass vor der Schulung weder Geschlecht, Schulabschluss, Alter des Kindes mit T1D, Diabetesdauer, Art der Insulintherapie, noch das verwendete rtCGM-System mit dem rtCGM-spezifischen Wissen assoziiert waren (jeweils p > 0,1).
Nach der Schulung waren das Alter und das Geschlecht der teilnehmenden Jugendlichen signifikant mit dem rtCGM-spezifischen Wissen assoziiert (p < 0,01), d. h. ältere und weibliche Jugendliche erreichten etwas höhere Punktwerte. In der Gruppe der Eltern war das Wissen über rtCGM signifikant invers mit dem HbA1c-Wert des Kindes assoziiert.
Abb. 2: rtCGM-spezifisches Wissen der Jugendlichen (links) und der Eltern (rechts), jeweils vor und nach der Schulung und 6 Monate später. Hinweis: Werte außerhalb des 10. und 90. Perzentils werden als Ausreißer (Punkte) dargestellt.
Sekundäre Endpunkte
Praktische Handlungskompetenz
Die wichtigsten praktischen Kompetenzen zur rtCGM-Nutzung wurden von nahezu allen Jugendlichen erlernt und über sechs Monate noch etwas erweitert (Visite 2: 12,5 (1,3) Punkte, Visite 3: 13,1 (1,2) Punkte von maximal 14 Punkten; p = 0,009). Gleiches gilt für die Eltern junger Kinder (Visite 2: 12,5 (1,6) Punkte, Visite 3: 13,0 (1,7) Punkte; p = 0,008). Wenn überhaupt, bestanden Defizite beim Download der Daten auf einen Computer und bei der strukturierten Datenanalyse.
Zufriedenheit mit der SPECTRUM-Schulung
Im Mittel war die Zufriedenheit mit dem Schulungsprogramm SPECTRUM in beiden Gruppen ausgesprochen hoch (Jugendliche: Schulnote 1,24 (0,33); Eltern: Schulnote 1,37 (0,58)). Die positiven Noten betrafen in gleicher Weise die Verständlichkeit, die Unterrichtszeit, die Möglichkeit, Fragen zu stellen, die Vorbereitung auf die selbständige Nutzung, die Vermittlung von Sicherheit und die Therapiemotivation für den Alltag. In freien Antworten schätzten die Teilnehmer besonders den Austausch mit anderen, einige wünschten sich noch mehr Zeit, um die Datenanalyse zu erlernen.
Zufriedenheit mit dem rtCGM-System
Nach der Schulung (Visite 2) war die mittlere Zufriedenheit der Jugendlichen mit dem rtCGM-System mit 4,2 (0,6) Punkten auf einer Skala von 1 bis 5 hoch. Diese Zufriedenheit blieb auch bei kontinuierlicher rtCGM-Nutzung unverändert (Visite 3: 4,2 (0,6) Punkte). Aus Sicht der Eltern ergab sich ein vergleichbares Bild der mittleren Zufriedenheit (Visite 2: 4,2 (0,6) Punkte; Visite 3: 4,1 (0,5) Punkte). Über die sechs Monate der Nutzung gab es in beiden Gruppen keine signifikante Veränderung (jeweils p > 0,1).
Insgesamt berichteten die Teilnehmer beider Gruppen über eine hohe Zufriedenheit mit der rtCGM-Nutzung, ein Gefühl von Sicherheit und, dass die rtCGM-Systeme wertvolle Informationen liefern. Die Eltern jüngerer Kinder berichteten von mehr Sicherheit durch die Follower-Funktion im Alltag, vor allem auch nachts. Negative Aspekte betrafen Alarme, die als störend oder unpassend empfunden wurden. In den Freitext-Kommentaren machten die meisten Teilnehmer jedoch positive Angaben, wie z. B. eine verbesserte Übersicht über den Glukoseverlauf oder mehr Sicherheit vor Hypoglykämien.
Akzeptanz des rtCGM-Systems
Die Akzeptanz von rtCGM-Systemen war unter den Jugendlichen direkt nach dem Schulungsprogramm bei Visite 2 mit 6,0 (0,9) Punkten auf einer Skala von 1 bis 7 hoch und blieb auch sechs Monate später unverändert positiv (6,1 (1,0) Punkte). Tabelle 2 zeigt exemplarisch die Antworten der Jugendlichen, die sich kaum von denen der Eltern unterschieden. Zwischen beiden Zeitpunkten kam es zu keinen signifikanten Veränderungen.
Auch die Eltern der jüngeren Kinder mit T1D berichteten von einer gleichbleibend hohen Akzeptanz des rtCGM-Systems (Visite 2: 6,0 (0,7) Punkte; Visite 3: 6,1 (0,8) Punkte). In den qualitativen Antworten wurde an erster Stelle die größere Sicherheit (vor Hypoglykämien, nachts, tagsüber) genannt, an zweiter Stelle die ständig verfügbaren Informationen über den Glukosewert, an dritte Stelle die deutliche Reduktion blutiger Messungen und die diskrete Glukosebestimmung in der Öffentlichkeit. Als einen Nachteil berichteten einige Eltern, dass sich externe Betreuer ihres Kindes durch die Technik überfordert fühlten. Auch wünschten sich die Eltern und auch die Jugendlichen weniger blutige Kalibrationen.
Diabetes-spezifische somatische Parameter
Das mittlere HbA1c der 52 Jugendlichen, die die Studie abgeschlossen hatten, blieb nach sechs Monaten etwa gleich (8,04 % (1,44 %) vs. 7,83 % (1,14 %); p = 0,286), jedoch deutet sich eine Verbesserung an. Während der sechsmonatigen Nachbeobachtungszeit kam es bei diesen Jugendlichen zu keiner schweren Hypoglykämie.
Das mittlere HbA1c der 55 Kinder, deren Eltern die Studie vollständig abgeschlossen hatten, blieb nach sechs Monaten nahezu unverändert (7,31 % (0,79 %) vs. 7,44 % (0,73 %); p = 0,172) auf einem relativ guten Niveau. Dabei war das rtCGM-Wissen der Eltern signifikant invers mit dem HbA1c-Wert des Kindes assoziiert (p = 0,048). Während der sechs Monate der Nachbeobachtung kam es bei den jüngeren Kindern zu keiner schweren Hypoglykämie, auch nicht bei den drei Kindern, die im Halbjahr zuvor davon betroffen waren. In beiden Gruppen war das HbA1c weder initial noch bei Visite 3 mit der Nutzung einer Insulinpumpe oder einem bestimmten rtCGM-System oder dem höchsten Schulabschluss der Eltern assoziiert (jeweils p > 0,1).
Tab. 2: Selbsteinschätzung der Jugendlichen im Fragebogen zur Akzeptanz des rtCGM-Systems direkt nach der Schulung (Visite 2) und 6 Monate später (Visite 3).
Diskussion
Die Effektivität und Notwendigkeit von strukturierten Schulungs- und Behandlungsprogrammen in der pädiatrischen Diabetologie stehen seit langem außer Frage [DDG 2023, Lindholm Olinder 2022]. Alters- und bedarfsgemäße Schulungen für Kinder, Jugendliche und ihre Familien sind heute unverzichtbarer Bestandteil der Disease Management Programme (DMP) in Deutschland [G-BA 2020]. Entsprechend wurde das rtCGM-Programm SPECTRUM aufgrund seiner nachgewiesenen Effektivität vom Bundesamt für soziale Sicherung (BAS) für verwendungsfähig im DMP Typ-1-Diabetes für Erwachsene erklärt [BAS 2024]. Die CGM-TRAIN-Studie war die erste Studie, die die Wirksamkeit eines rtCGM-spezifischen Schulungsprogramms unter den Bedingungen der Regelversorgung sowohl in internistischen als auch pädiatrischen Diabetesschwerpunktpraxen und -kliniken evaluiert hat.
Die vorliegenden Studienergebnisse zeigen, dass SPECTRUM, bei dem der Fokus auf der Förderung des Selbstmanagements und der Problemlösefähigkeiten liegt [WHO 2022], Jugendliche mit T1D und Eltern jüngerer Kinder mit T1D auf den Einsatz von rtCGM im Alltag vorbereiten kann. Sowohl in der Gruppe der Jugendlichen wie auch in der Gruppe der Eltern war die Teilnahme an den pädiatrischen SPECTRUM-Schulungsmodulen mit einem signifikanten und relevanten Zugewinn an Wissen über rtCGM-Systeme assoziiert. Ebenso konnten die zentralen praktischen Kompetenzen zur rtCGM-Nutzung vermittelt werden. Die Verbesserungen blieben auch sechs Monate nach der Schulung bestehen und weisen damit auf die Nachhaltigkeit des Programms hin. Die Ergebnisse aus der Pädiatrie decken sich mit denen der SPECTRUM-Schulung für Erwachsene mit einer intensivierten Insulintherapie [Schlüter 2021a, Schlüter 2021b].
Die positiven personenbezogenen Endpunkte zur Zufriedenheit und Akzeptanz der rtCGM-Systeme bei Visite 2 und 3 spiegeln die anhaltende Zufriedenheit der Teilnehmer wider. Zusätzlich wurde auch das Schulungsprogramm selbst sehr positiv beurteilt, die Teilnahmeraten an den einzelnen Sitzungen waren kontinuierlich hoch. Lediglich Handlungen, die eher selten eigenständig durchgeführt wurden, wie z. B. der Datendownload oder Datenanalyse, wurden nicht von allen Teilnehmern eigenständig bewältigt. Dies unterstreicht die Notwendigkeit von häufigeren und wiederholenden praktischen Schulungen zur Datenanalyse insbesondere bei Menschen mit geringer IT-Erfahrung, Gesundheitskompetenz (health literacy) oder mathematischen Kenntnissen (health numeracy) [Milani 2025, Medina 2025]. Die kontinuierliche Messung der Glukosewerte bedeutet nicht, dass jeder Nutzer eines rtCGM-Systems in der Lage ist, jederzeit komplexe Überlegungen anzustellen (d. h. Algorithmen anzuwenden), um die richtige Insulindosierung festzulegen. Und gerade bei Jugendlichen oder externen Betreuern jüngerer Kinder stellt sich oft die Frage, ob sie bereit sind, diese Überlegungen täglich konsequent anzustellen [Goss 2024]. Dagegen konnte in den letzten Jahren in der Pädiatrie eindrucksvoll gezeigt werden, dass ein sachgerechter Einsatz von rtCGM in Kombination mit einer Insulinpumpe und einem automatischen Algorithmus zu eindrucksvollen Verbesserungen der Glukosewerte gerade auch bei Jugendlichen mit lange unzureichender Stoffwechsellage geführt hat [Zhou 2025].
Das mittlere HbA1c der Kinder in der vorliegenden Studie war bereits initial mit 7,3 % niedriger als in vielen großen Registerstudien für diese Altersgruppe [De Salvo 2018], sodass eine weitere Senkung nicht realistisch war. Über die Hälfte der Kinder hatte bereits initial das Ziel für das HbA1c < 7,5 % erreicht. Auch das Ausgangs-HbA1c der Jugendlichen war mit 8,04 % für diese Altersgruppe relativ niedrig, sodass zwar eine geringe, aber nicht signifikante Senkung dieses Parameters beobachtet werden konnte. Hier ist zu bedenken, dass das HbA1c nicht der primäre Zielparameter der Studie war und deshalb keine weiteren Interventionen zur Optimierung der Stoffwechselwerte vorgesehen waren. Demgegenüber berichten randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) mit dem primären Ziel der HbA1c-Senkung durch den Einsatz von CGM-Systemen bei Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes über eine Reduktion des mittleren HbA1c um 0,4 % – 0,5 % [Miller 2023, Laffel 2020]. Die HbA1c-Werte dieser Teilnehmer lagen im Vergleich zu den Werten der Teilnehmer der vorliegenden CGM-TRAIN-Studie initial und auch noch nach der CGM-Nutzung deutlich über 8 %. In diesen Studien zeigte sich auch, dass die stärkste Reduktion des initialen HbA1c bei sehr hohen Ausgangswerten zu beobachten war.
Bei der CGM-TRAIN-Studie war es während der sechs Monate mit rtCGM sowohl bei den Kindern wie auch den Jugendlichen zu keiner schweren Hypoglykämie gekommen. Die relative Seltenheit dieser akuten Komplikation limitierte hier jedoch eine belastbare inferenzstatistische Überprüfung. Die Reduktion schwerer Hypoglykämien nach rtCGM-Nutzung deckt sich mit den entsprechenden Daten großer Registerstudien [Zimmermann 2025].
Limitationen
Eine Limitation dieser Studie stellt die fehlende Kontrollgruppe dar. Eine Evaluation der Schulung in einem Doppelblind-RCT-Design war ausgeschlossen, da Geschulte und Schulende wissen, dass sie an einer Schulung teilnehmen [Bradley 1993, Sullivan 2011]. Zudem wäre eine CGM-Nutzung ohne strukturierte Schulung – als Kontrollgruppe – aus therapeutischer Sicht nicht vertretbar, da sie mit therapeutischen Risiken durch Fehlinterpretation der Daten verbunden gewesen wäre. Alternative
hersteller-unabhängige rtCGM-Schulungsprogramme und somit Vergleichsdaten zur Wirksamkeit anderer evaluierter rtCGM-Schulungsprogramme sind für die pädiatrische Diabetologie nicht verfügbar. Eine a priori Fallzahlberechnung war für diese Längsschnittstudie nicht möglich, da zur Wirksamkeit eines rtCGM-Schulungsprogramms bezogen auf den primären Ergebnisparameter keine Vergleichsdaten vorlagen.
Da in dieser Studie nur wenige Vergleiche im Längsschnitt (CGM-spezifisches Wissen, Zufriedenheit, Akzeptanz, HbA1c und die Anzahl schwerer Hypoglykämien) gemacht wurden, könnte die Interpretation der Wirksamkeit von SPECTRUM eingeschränkt sein. Allerdings hätten andere Parameter, wie z. B. die Zeit im Zielbereich oder die unter dem Zielbereich, nur verglichen werden können, wenn alle Teilnehmer bereits vor Trainingsbeginn Zugang zu einem CGM-System gehabt hätten. Dies war in der vorliegenden Studie nicht der Fall.
Klinische Studien mit CGM-Systemen berücksichtigen häufig die Gesundheitskompetenz der potenziellen Teilnehmer für die Studienrekrutierung [Shan 2019] insofern, dass Personen, die keine adäquate Adhärenz bei der Nutzung der jeweiligen Technologie und keine Compliance gegenüber dem Studienprotokoll gewährleisten können, gar nicht erst eingeschlossen werden. Ein Vorteil der CGM-TRAIN-Studie ist, dass sie an mehreren Zentren in ganz Deutschland mit einer nicht selektierten Population durchgeführt wurde und so die Realität der pädiatrischen Diabetesversorgung in Deutschland eher repräsentiert.
Der technische Fortschritt in der Diabetologie ist rasant, sodass Schulungsinhalte durch die Diabetesteams und damit auch SPECTRUM kontinuierlich aktualisiert werden sollten. RtCGM-Systeme der neusten Generation erfordern weniger Kalibrierungen, die Sensoren haben längere Laufzeiten und die Hautverträglichkeit wurde verbessert. Aktuelle Informationen dazu liefern die Praxisempfehlungen Glukosemessung und -kontrolle der AGDT [Schlüter 2025]. Zukünftig ist in der pädiatrischen Diabetologie davon auszugehen, dass AID-Systeme, die ein rtCGM, eine Insulinpumpe und einen Algorithmus zur Insulindosierung vereinen, zum Standard der Therapie des T1D werden. Der kompetente Umgang mit einem rtCGM-System ist dafür eine Voraussetzung, das Wissen um die Integration aller Elemente eine andere. Deshalb plant die AGDT, SPECTRUM zu aktualisieren und um ein Modul zur AID-Therapie mit Bezug zu den AID-Steckbriefen auf der Website der AGDT [AGDT 2025] zu entwickeln und interessierten Nutzern zur Verfügung zu stellen.
- Die Studie "CGM-TRAIN" evaluierte den Nutzen und die Wirksamkeit des strukturierten Schulungsprogramms SPECTRUM in der pädiatrischen Diabetologie.
- Die Schulung konnte Jugendlichen mit T1D und Eltern von jüngeren Kindern mit T1D nachhaltig die notwendigen Kenntnisse und Kompetenzen vermitteln, um ein rtCGM-System sachgerecht zu nutzen.
- Damit verbunden war eine hohe Zufriedenheit mit dem Schulungsangebot und eine anhaltende Akzeptanz des rtCGM-Systems.
- Der Einsatz eines CGM-Systems als ein zentrales Element jedes AID-Systems kann durch SPECTRUM in der Pädiatrie effektiv unterstützt werden.
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Erschienen in: Diabetes, Stoffwechsel und Herz, 2025; 34 (6) Seite 325-334
