In aktuellen Artikeln zu neuen Perspektiven der Behandlung des Typ-1-Diabetes mellitus mit therapeutischen Antikörpern werden mögliche Kombinationstherapien nicht eingehend beleuchtet [Wabitsch 2024]. Das ist insofern bedauerlich, als dass zumindest einige dieser Kombinationstherapieansätze über ein Heilungspotenzial verfügen, was bei Monotherapien offenbar nicht der Fall ist.
Diagnose erfolgt oft zu spät
Eine Kombination von Wirkstoffen in der Therapie ist insbesondere erforderlich, weil bisher verfügbare diagnostische Marker leider nicht über das Potenzial verfügen, einen Typ-1-Diabetes frühzeitig vorherzusagen. Es wären verlässliche diagnostische Marker notwendig, die messbar sind, bevor eine Autoimmunzellinfiltration im endokrinen Pankreas des Patienten auftritt. Dies ist jedoch leider bei den etablierten Antikörpern, die in der Diagnostik zur möglichst frühen Erkennung einer sich entwickelnden diabetischen Stoffwechsellage heutzutage standardmäßig eingesetzt werden, nicht der Fall [Wabitsch 2024]. Denn auch bereits bei Auftreten nur eines einzigen positiven Antikörpers, ist ein Autoimmunprozess im endokrinen Pankreas, der letztlich zur Zerstörung fast aller Betazellen in den Pankreasinseln führt, nicht mehr zu stoppen, insbesondere nicht durch eine Monotherapie [Lenzen 2024].
Das gilt auch für eine Monotherapie mit dem bisher vielversprechendsten Anti-CD3-Antikörper Teplizumab (Tzield®). Bei Patienten mit Typ-1-Diabetes mellitus ist lediglich eine Verzögerung des Krankheitsverlaufs um maximal zwei bis drei Jahre zu erzielen [Lenzen 2024]. Deshalb bezeichnet man diese Behandlung auch als eine die Erkrankung modifizierende Therapie, die jedoch letztlich über kein Heilungspotenzial verfügt.
Dennoch ist nicht jede Kombinationstherapie automatisch besser wirksam. Es gibt auch Kombinationen, die kontraproduktiv sind. Ein Beispiel dafür sind Kombinationen, die Wirkstoffe enthalten, die zu einer Betazellproliferation führen können, bevor das betazellzerstörerische Potenzial des Autoimmunzellinfiltrats in den Pankreasinseln beseitigt ist. Ein solches Beispiel ist die Therapie mit einer Kombination, die einen GLP-1-Agonisten beinhaltet.
Pathomechanismen besser verstehen
Für eine Etablierung von Kombinationstherapien, die dem zentralen Erfordernis einer Beseitigung des betazelldestruktiven Immunzellinfiltrats gerecht werden, ist ein möglichst genaues Verständnis der Pathomechanismen erforderlich, die zur Zerstörung der insulinproduzierenden Betazellen in den Langerhans’schen Inseln des Pankreas führen. In dieser Hinsicht hat die Forschung in den letzten Jahren substanzielle Fortschritte gemacht. Möglich wurde dies durch einen Vergleich von Pankreata gesunder Menschen mit denjenigen von Patienten mit einem Autoimmundiabetes, sowohl mit einem frühen Typ-1-Diabetes mellitus als auch mit einem späten LADA-Diabetes [Jörns 2020b]. Dabei wurden die darin ablaufenden Interaktionen von Zellen des Autoimmunzellinfiltrats mit den insulinproduzierenden Betazellen in den Langerhans’schen Inseln untersucht.
Leider gibt es jedoch keine Möglichkeit, Pankreata von Menschen zu untersuchen, die eine Therapie mit potenziell kurativen Antikörperkombinationen erfolgreich durchgeführt haben. Daher muss für derartige Untersuchungen auf ein verlässliches Tiermodell des humanen Typ-1-Diabetes mellitus zurückgegriffen werden [Jörns 2020a]. Dafür kommt das NOD-Mausmodell (Non-Obese Diabetic Mouse) nicht in Frage, weil sich herausgestellt hat, dass dieses Modell hinsichtlich eines Therapieerfolgs mit verschiedensten Wirkstoffen in großer Zahl falsch positive Befunde geliefert hat, die sich dann später bei Patienten mit Typ-1-Diabetes nicht verifizieren ließen [Lenzen 2017].
Von den drei etablierten Rattenmodellen des humanen Typ-1-Diabetes mellitus spiegelt eines, das Modell der IDDM Ratte, die Situation bei Patienten mit einem Typ-1-Diabetes sehr gut wider [Lenzen 2020]. In diesem Tiermodell hat sich eine Kombinationstherapie des Anti-CD3-Antikörpers Teplizumab (Tzield®) mit dem anti-TNFα-Antikörper Adalimumab (Humira®) als die vielversprechendste erwiesen, was die Mobilisierung eines Regenerationspotenzials der Betazellen nach einer Beseitigung der betazellzerstörerischen Immunzellinfiltration und somit eines Heilungspotenzials der Behandlung dieser Autoimmunerkrankung angeht [Lenzen 2024].
Potenziell kurative Therapien in Deutschland
Um nach mehr als 100 Jahren der supplementären Insulintherapie durch lebenslange Injektionen einen Schritt hin zu einer Heilungstherapie zu machen, die im Idealfall lebenslänglich, jedoch mindestens viele Jahre Krankheitsfreiheit gewährt, was durch eine Immunzellinfiltrationsfreiheit des endokrinen Pankreas zu erzielen wäre, sind die Voraussetzungen in Deutschland im Vergleich zu vielen anderen Ländern besonders günstig.
Die beiden zuvor genannten Antikörper sind mittlerweile für die Therapie verfügbar. Der in den USA zugelassene Anti-CD3-Antikörper Teplizumab (Tzield®) kann in Deutschland für Therapiezwecke über eine internationale Apotheke bezogen werden. Der anti-TNFα-Antikörper Adalimumab ist seit vielen Jahren auch in Deutschland unter dem Markennamen Humira® verfügbar und mittlerweile nach dem Patentablauf auch in Form von Biosimilarpräparaten. Adalimumab wird derzeit in der Therapie von mindestens 16 verschiedenen Autoimmunerkrankungen erfolgreich eingesetzt.
Somit können diese beiden therapeutischen Antikörper schon jetzt im Rahmen einer Kombinationstherapie in Deutschland innerhalb eines Heilversuchs angewendet werden. Mögliche Therapieschemata sind bereits vorgeschlagen worden [Lenzen 2024]. Eine bevorzugte Zielgruppe für erste derartige Behandlungen könnten ältere Jugendliche und junge Erwachsene innerhalb der ersten Wochen nach Diagnose eines Typ-1-Diabetes mellitus sein. Ein frühzeitiger Therapiebeginn ist deshalb unbedingt nötig, weil aus experimentellen Studien bekannt ist, dass noch eine Betazell-Restfunktion von mindestens 30 % erforderlich ist, damit sich ausreichend viele Betazellen erfolgreich regenerieren können, die in der Lage sind, eine Normoglykämie wiederherzustellen.
Letztlich würde dies auch die Rolle des Diabetologen weg von der Betreuung der Patienten mit Diabetes hin zu einer begleitenden ärztlichen Überwachung der Stoffwechsellage der Betroffenen verändern.
- Monotherapien mit therapeutischen Antikörpern können die Progression der Erkrankung verlangsamen, jedoch verfügen sie über kein Heilungspotenzial.
- Demgegenüber verfügen kluge Kombinationstherapien mit therapeutischen Antikörpern offenbar über ein solches Heilungspotenzial.
- Die Voraussetzung für eine erfolgreiche Entwicklung solcher Therapien ist ein detailliertes Verständnis der zugrundeliegenden Pathomechanismen des Autoimmundiabetes. Das gilt insbesondere für die toxische Wirkung auf die Betazellen, die von den proinflammatorischen Zytokinen ausgeht, die aus den die Pankreasinseln infiltrierenden Immunzellen freigesetzt werden.
- Um dieses Heilungspotenzial zu nutzen, ist zudem ein Therapiebeginn unmittelbar nach Krankheitsmanifestation erforderlich.
- Ein früherer Therapiebeginn ist zwar theoretisch wünschenswert, wird jedoch nur selten möglich sein. Zumal prognostische diagnostische Marker, die frühzeitig einen Hinweis auf ein sich entwickelndes Immunzellinfiltrat in den Pankreasinseln geben, bisher nicht verfügbar sind. Derzeitig genutzte diagnostische Marker wie der GAD-Antikörper sind diesbezüglich nur begrenzt aussagekräftig.
|
|
Erschienen in: Diabetes, Stoffwechsel und Herz, 2025; 34 (1) Seite 16-17