Bei der Nutzung von Medizinprodukten durch Patienten mit Diabetes treten immer wieder "Vorkommnisse" auf. Diese werden auch als "unerwünschte Ereignisse" (Adverse Events, AE) bezeichnet. Dabei stellt sich die Frage, ob es sich um isolierte Einzelfälle oder um systematische Probleme handelt.

Üblicherweise wird von den zuständigen Behörden und Herstellern erst reagiert, wenn eine kritische Masse an Meldungen zu einem Medizinprodukt vorliegt oder eine Meldung ein besonders schwerwiegendes Vorkommnis beschreibt. Um die Sicherheit der Patienten zu gewährleisten, ist es daher entscheidend, dass Vorkommnisse gemeldet werden. Doch solche Meldungen erfolgen in der Realität eher selten – warum?

Ein Grund ist, dass solche Meldungen mit Aufwand, Unsicherheit und möglicherweise Ärger verbunden sind, während es keine Anreize dafür gibt, diese zu machen. Auf der anderen Seite bedeuten erkannte Probleme für Hersteller oft umfangreiche und kostspielige Maßnahmen, wie Änderungen an Materialien oder Produktionsprozessen. Dies kann sogar Rückrufe ganzer Chargen oder die Marktrücknahme von Produkten zur Folge haben.

Ein Beispiel aus der Praxis sind Hautreaktionen auf die Pflaster und Kunststoffe von Systemen zur kontinuierlichen Glukosemessung (CGM). Zunächst wurden entsprechende Berichte von den Herstellern kaum beachtet. Erst die zunehmende Häufung und Belastung durch weitere Meldungen führte zu Produktanpassungen, die das Problem schließlich eindämmten.

Vermutlich werden sich im Alltag viele Patienten und auch das Fachpersonal fragen: Wann ist ein Vorkommnis relevant genug für eine Meldung? Die Patienten werden dazu tendieren, die Ursache für ein Vorkommnis in einer fehlerhaften Anwendung durch sie selbst zu sehen und verzichten daher auf eine Meldung. Fachkräfte reagieren vermutlich vielfach ähnlich, es sei denn, das Ereignis führt zu schwerwiegenden Folgen wie Krankenhausaufenthalten.

Ein aktuelles Beispiel aus der Praxis

Im Spätsommer 2024 berichtete ein Patient im Newsletter "DiaTec-weekly" über einen Abszess, der sich bei der Nutzung einer Insulin-Patch-Pumpe gebildet hatte. Nach Rücksprache mit dem Hersteller wurde der Patient aufgefordert, das Vorkommnis über die Hotline des Herstellers zu melden. Nach dem Bekanntwerden dieses Falls erhielt "DiaTec-weekly" weitere ähnliche Berichte, zum Teil mit Fotos. Auch diese Patienten wurden an die Hotline verwiesen.

Dieser Vorfall weist darauf hin, wie wichtig die öffentliche Wahrnehmung solcher Probleme ist. Erst durch das Melden und Sichtbarmachen mehrerer Fälle können Hersteller erkennen, ob ein systematisches Problem vorliegt und entsprechend reagieren.

Wo und wie Vorkommnisse melden?

Patienten mit Diabetes können Vorkommnisse auf mehreren Wegen melden:

  1. Diabetes-Team: Erste Anlaufstelle sind häufig Diabetesberaterinnen und -berater oder behandelnde Ärztinnen und Ärzte.
  2. Hersteller-Hotline: Hersteller sind gesetzlich verpflichtet, jede Meldung zu erfassen und weiterzuleiten.
  3. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM): Eine direkte Meldung kann über die Webseite des BfArM erfolgen [BfArM 2025].

Allerdings ist die Meldung bei der Behörde mit einem gewissen administrativen Aufwand verbunden. Die Vielzahl der abgefragten Details und die komplexe Fachsprache wirken vermutlich auf viele Betroffene abschreckend.

Das Medizinproduktegesetz (MPG) verpflichtet nicht nur Hersteller, sondern auch Betreiber, Anwender und Inverkehrbringer (z. B. Ärzte, Zahnärzte, Therapeuten) zur Meldung [Medicro 2019].

Warum werden Vorkommnisse so selten gemeldet?

Dennoch bleibt die Frage, ob diese Meldewege in ihrer aktuellen Form ausreichend benutzerfreundlich gestaltet sind. Wenn das nicht der Fall ist, was die Annahme ist, führt dies zu dem bekannten Problem des sogenannten "Under-reporting". Es werden also deutlich weniger Vorkommnisse gemeldet als tatsächlich auftreten. Die Gründe dafür sind vielfältig:

  • Der administrative Aufwand schreckt die Betroffenen ab.
  • Es bestehen Unklarheiten darüber, wann ein Ereignis als meldepflichtig gilt.
  • Fehlendes Feedback oder sichtbare Konsequenzen nach einer Meldung führen zu Frustration.

Auch in den USA ist dieses Problem bekannt. Die dortige Gesundheitsbehörde Food and Drug Administration (FDA) arbeitet mit Datenbanken wie dem MAUDE-System (Manufacturer and User Facility Device Experience), um Vorkommnisse zu erfassen. In dieser gehen wohl täglich diverse Meldungen ein [FDA 2024]. Die Zuordnung von Ereignissen zu einem spezifischen Gerät ist allerdings oft schwierig, da viele Meldungen unvollständige Informationen enthalten. Dabei ist nicht klar, wie gut eingehende Meldungen von Relevanz in der Masse von Berichten erkannt werden.

Was passiert nach einer Meldung?

Hersteller und Behörden sollten zeitnah auf Meldungen reagieren, um das Vertrauen der Melder aufrechtzuerhalten. Eine Eingangsbestätigung und regelmäßige Status-Updates sind dabei essenziell. Ohne sichtbare Reaktionen entsteht bei den Betroffenen schnell der Eindruck, dass ihre Meldungen wirkungslos sind. Dies kann dazu führen, dass in Zukunft Vorkommnisse nicht mehr gemeldet werden.

Die Kommunikation und Transparenz im Umgang mit Meldungen muss daher gut sein, um Verständnis und Vertrauen bei allen Beteiligten zu fördern.

Wie reagieren andere Hersteller?

Es wäre kontraproduktiv, wenn konkurrierende Hersteller die Probleme eines Mitbewerbers für eigene Marketingzwecke nutzen würden. Technische Schwierigkeiten können bei jedem Hersteller auftreten. Eine offene Fehlerkultur, die auf Sicherheit und Transparenz setzt, ist im Interesse aller Beteiligten.

Warum treten Vorkommnisse auf?

Obwohl Medizinprodukte vor der Markteinführung umfassend geprüft werden, können Probleme teilweise erst im realen Gebrauch durch eine Vielzahl von Nutzern über einen längeren Zeitraum hinweg erkannt werden. Dies betrifft eben auch komplexe Produkte im Diabetesbereich. Mögliche Ursachen sind:

  • Produktionsfehler, die nicht in der Qualitätskontrolle auffallen
  • Probleme mit bestimmten Bauteilen, die nur unter Alltagsbedingungen sichtbar werden
  • relativ seltene Nebenwirkungen, die nur bei wenigen Patienten nach längerer Nutzungsdauer auftreten, z. B. Hautreaktionen auf bestimmte Pflaster

Datenbanken und Meldeprozesse

Eine europaweite Datenbank zur Meldung von Vorkommnissen ist seit Jahren geplant, jedoch noch nicht aktiv [Europäische Kommission (Eudamed)]. Eine eindeutige Gerätekennung (Unique Device Identifier, UDI) könnte die Überwachung verbessern. In den USA wird die UDI jedoch oft aus Datenschutzgründen geschwärzt, was die Auswertung erschwert.

Zusammenfassung
Um eine hohe Sicherheit von Patienten mit Diabetes zu gewährleisten, gilt es, auftretende Probleme bei Medizinprodukten frühzeitig zu erkennen. Hierbei sind niedrigschwellige Meldeoptionen von Relevanz. Eine Möglichkeit wäre die Meldung über Fachgesellschaften wie die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) oder deren Organe. Bei Fortbildungen für die Mitglieder des Diabetes-Teams sollte die Meldung von Vorkommnissen geeignet thematisiert werden. Hersteller und die involvierten Behörden sollten zudem sicherstellen, dass Meldungen von Vorkommnissen zeitnah und transparent bearbeitet werden und zu nachvollziehbaren Änderungen bei dem Produkt führen. Es gilt eine geeignete Fehlerkultur zu etablieren.


Literatur
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Medizinprodukte. Stand 2025. https://www.bfarm.de/DE/Medizinprodukte/_node.html (zuletzt aufgerufen am 09.04.2025)
Europäische Kommission. Eudamed. Überblick. https://health.ec.europa.eu/medical-devices-eudamed/overview_de (zuletzt aufgerufen am 09.04.2025)
Food and Drug Administration (FDA). About Manufacturer and User Facility Device Experience (MAUDE) Database. Stand 06.06.2024. https://www.fda.gov/medical-devices/mandatory-reporting-requirements-manufacturers-importers-and-device-user-facilities/about-manufacturer-and-user-facility-device-experience-maude-database (zuletzt aufgerufen am 10.04.2025)
Medicro GmbH. Meldung von Vorkommnissen und schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen (SAE) beim Gebrauch von Medizinprodukten. Stand 19.02.2019. https://medicro.de/blog/2019/02/19/meldung-von-vorkommnissen-und-schwerwiegenden-unerwuenschten-ereignissen-sae-beim-gebrauch-von-medizinprodukten/ (zuletzt aufgerufen am 09.04.2025)

Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. Lutz Heinemann
Science Consulting in Diabetes GmbH
Schwerinstr. 36, 40477 Düsseldorf
Tel.: 0160 88 77 401


Interessenkonflikte:
Der Autor erklärt keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel.


Erschienen in: Diabetes, Stoffwechsel und Herz, 2025; 34 (3) Seite 152-153