In den letzten 100 Jahren hat es erhebliche Weiterentwicklungen bei den verschiedenen Systemen zur Insulinapplikation gegeben: Von Spritzen über vorgefüllte Einweg- und wiederverwendbare Insulin-Pens hin zu Pens mit Speicherfunktion für Daten im Zusammenhang mit der Insulinapplikation bis hin zu Algorithmus-gesteuerten Insulinpumpen. Die neueste Entwicklung im Bereich der Pens sind "connected"-Pens, welche Daten zur Insulinapplikation in die Cloud oder an eine App in einem Smart-Phone transferieren können.


Zusammenfassung

Konventionelle Insulinpens wurden und werden vielfach für die Insulinapplikation verwendet. Eine neue Option stellen nun Pens dar, die Daten zur Insulinapplikation beispielsweise an eine App in einem Smart-Phone übermitteln können. Dies kann durch eher einfache "Kappen" geschehen, die nur wenige Informationen transferieren, sowie mittels komplexer wiederverwendbarer Pens, die auch Daten empfangen können und eigenständig Dosisempfehlungen geben. Das Schließen der Lücke zwischen dem (kontinuierlichen) Monitoren des Glukoseverlaufs und der Insulinapplikation klingt attraktiv. Zumal die Daten zur Insulintherapie dabei auch digital verfügbar gemacht werden können. Die Annahme im Markt ist allerdings bisher moderat, dafür ist einer Reihe von Gründen verantwortlich. In dieser Übersicht werden sowohl die Vor- und Nachteile dieser neuartigen Medizinprodukte zusammenfassend diskutiert, wie auch herausgearbeitet, was die Schritte sein können, die zu einer besseren Nutzung von Smart-Pens in der Realität führen können.

Schlüsselwörter
Insulintherapie, Pens, CGM

Smart pens: a complex story with a bright future?!

Summary


Conventional insulin pens have been and are still widely used for insulin application. Pens that can transmit insulin application data to an app on a smart phone, for example, now represent a new option. This can be done using rather simple "caps" that only transfer a small amount of information, as well as using complex reusable pens that can also receive data and independently provide dose recommendations. Closing the gap between (continuous) monitoring of glucose progression and insulin application sounds attractive. Especially as the data on insulin therapy can also be made available digitally. However, uptake in the market has so far been moderate for a number of reasons.This review summarises the advantages and disadvantages of these novel medical devices and identifies the steps that can be taken to improve the use of smart pens in the real world.

Keywords
Insulin therapy, pens, CGM

Die Bandbreite an technischen Lösungen, die hier zum Einsatz kommen, reicht von eher simplen Lösungen, bei denen Kappen auf verfügbare Einmalpens aufgesteckt werden, bis zu komplexen Lösungen, d.h. wiederverwendbare, gezielt konstruierte und hergestellte Pens, die vergleichsweise groß und teuer sind.

Die Grundidee von Smart-Pens ist, die Lücke zwischen dem Glukoseverlauf – den die Nutzer mit konventionellen Blutglukoseselbstmesssystemen oder CGM-Systemen überwachen – und der Insulinapplikation zu schließen und die Daten zur Insulintherapie digital verfügbar zu machen. In diesem Sinne stellen Smart-Pens im Vergleich zu konventionellen Insulinspritzen und Insulinpens eine Weiterentwicklung dar. In Tabelle 1 sind mögliche Vor- und Nachteile dieser neuartigen Medizinprodukte, auch in Bezug auf die Insulinpumpentherapie, zusammengefasst. Komplexere Smart-Pens bieten noch eine Reihe anderer Funktionen, wie z.B. Erinnerungsfunktionen zur Insulinapplikation, Warnmeldungen bei doppelter Injektion, Anzeige der letzten Injektionen, Temperaturanzeige, Batteriestatus oder auch die Integration eines Boluskalkulators (Tabelle 2).

Bisher werden Smart-Pens primär zur Verabreichung der prandialen Insulindosis im Rahmen der Diabetes-Therapie verwendet. Es gibt vereinzelt auch Ansätze, bei denen sowohl der prandiale wie auch der basale Insulinbedarf mit Smart-Pens abgedeckt werden.

Ziel dieses Artikels ist es, einen Überblick über die verschiedenen technologischen Lösungen bei Smart-Pens zu geben und Aspekte zu diskutieren, die für deren klinischen Einsatz von Bedeutung sind.

Tab. 1: Positionierung von Smart-Pens im Vergleich zu anderen Systemen der Insulinapplikation

Terminologie-Probleme

Eigentlich hat nur die technologisch aufwändigste Form von Smart-Pens, die auch mit einem CGM-System gekoppelt werden kann, den Namen "Smart-Pens" wirklich verdient. Bei dieser Kombination kann ein Dosisvorschlag für die prandiale Insulindosis berechnet werden, wodurch ein "geschlossenes" Diabetes-Management-System entsteht, wobei die Insulinapplikation nicht automatisiert durch das System erfolgt, wie sonst bei Systemen für die pumpengestützte Automatisierte Insulinzufuhr. Wenn eine Kappe auf einen Einmalpen aufgesetzt wird und die Informationen zur Insulinapplikation "nur" an eine App oder in die Cloud weiterleitet werden, erfolgen keine Berechnungen in irgendeiner Hinsicht, basierend auf den Daten. Hier liegt die "Intelligenz" in den Apps oder der Software, die die übermittelten Daten analysiert.

Bislang gibt es verschiedene Definitionen von Smart-Pens und solche Überlegungen zur Terminologie sind nicht nur relevant für die korrekte Bezeichnung dieser Medizinprodukte, sondern sind wichtig für deren "Einordnung" in die richtigen Kostengruppen bei den Krankenversicherungen. Es geht dabei um die Kostenerstattung für die Smart-Pens, einen extrem wichtigen Punkt für deren Akzeptanz im Markt.

Als "smart" kann schon die Erkennung einer verpassten oder verspäteten Insulindosierung bezeichnet werden. Wenn diese Bezeichnung nur für komplexere Lösungen gilt, ist es notwendig, dass der Smart-Pen die benötigten Daten für eine Analyse, Interpretation und Empfehlung von therapeutischen Maßnahmen sowohl senden, als auch empfangen kann. In diesem Sinne fällt der bloße Transfer von Insulindaten in eine Richtung nicht unter die Definition von Smart-Pens, solche Pens werden besser als "digitale Pens" bezeichnet. Bei deren Nutzung muss der Mensch mit Diabetes aus den am Smart-Pen oder einer App auf einem Smart-Phone dargestellten Daten die entsprechenden Therapieschlüsse selber ziehen.

Bei wirklich "smarten" Systemen kann der Pen nicht nur Daten senden, sondern auch Daten aus der Cloud oder von Apps auf dem Smartphone empfangen. Der Nutzer muss nicht mehr selber Trends und Muster in den Glukoseverläufen erkennen und daraus die richtigen Schlussfolgerungen zu passenden Änderungen der Insulintherapie ziehen, sondern ein Algorithmus berechnet basierend auf den übermittelten Glukosedaten selbständig einen Dosisvorschlag für die prandiale Insulindosis. Der Nutzer appliziert die Dosis selber und gibt Angaben zum Kohlenhydratgehalt der Mahlzeit ein. Die Vorteile solcher Systeme sind die niedrigeren Kosten und dass keine Insulinpumpe am Körper getragen werden muss.

Da Smart-Pens üblicherweise an eine App oder Download-Plattform angebunden sind, kann man sie auch als "Smart-Insulin-Pen-Systeme" bezeichnen. Der Vorteil dieses Begriffs ist, dass damit Verwechselungen vermieden werden, wenn in Zukunft nicht nur das Hormon Insulin (in verschiedenen Formulierungen) mit solchen Medizinprodukten appliziert wird, sondern z.B. auch GLP-1-Analoga, also andere Hormone oder Medikamente. Dabei sind die Anforderungen an die Exaktheit der Dosis und des Applikationszeitpunktes bei GLP-1-Analoga deutlich geringer als bei Insulin.

Überlegungen zur Terminologie bei Smart-Pens wurden auch schon in anderen Publikationen geäußert, bisher gibt es aber noch keine Einigung in dieser Hinsicht [Klonoff 2021]. Derzeit gibt es also keinen Konsens in Hinsicht auf die Terminologie bei Smart-Pens; diese sollte jedoch nicht von den Marketingabteilungen der Hersteller festgelegt werden [Heinemann 2023a].Man fragt sich, wer eine solche Harmonisierung (Diabetes-Fachgesellschaften?) durchführen kann. Von Warshaw et al. gibt es einen Vorschlag zu einem stufenweisen Ansatz (Stufe 0-5) für die Bezeichnung der verschiedenen Pens in Abhängigkeit von ihren Fähigkeiten (Abbildung 1) [Warshaw 2020]. Der Begriff "Smart-Pens" wird reserviert für komplexe Lösungen mit einem integrierten Bolusrechner, der Dosiervorschläge macht (ab Stufe 4) und solchen, die eine automatische Mustererkennung und Dosiervorschläge auf der Basis von übermittelten Glukosewerten erstellen (Stufe 5).

Abb. 1: Entwicklungsstufen von Smart-Pens [3]

Zielgruppe/Nutzer von Smart-Pens

Die meisten Menschen mit Typ-2-Diabetes, die unter Alltagsbedingungen eine Insulintherapie durchführen, stellen eine potentielle Nutzergruppe von Smart-Pens dar. Dies stellt mit ca. 2 Millionen Menschen alleine in Deutschland eine recht große Gruppe dar, deutlich größer als die Gruppe von Menschen mit Typ-1-Diabetes. Bei den Menschen mit Typ-2-Diabetes stellen insbesondere diejenigen potentielle Nutzer von Smart-Pens dar, die eine basal unterstützte orale Therapie durchführen, viele dieser Patienten titrieren die Insulindosis selbstständig. Insbesondere ältere Patienten können von den Optionen profitieren, die Smart-Pens bieten, wie Erinnerungsfunktion und Warnung vor einer doppelten Insulininjektion [Huang 2023].

Die massiv zunehmende Nutzung von GLP-1-Analoga reduziert allerdings die Bedeutung der Insulintherapie bei vielen Menschen mit Typ-2-Diabetes. Allerdings können Smart-Pens auch für die subkutane Applikation dieser Medikamente genutzt werden. Dabei ist der Bedarf an detaillierten Informationen zum Applikationszeitpunkt, Dosis etc. geringer als bei Insulin.

Im ambulanten Bereich stellt der Pflegedienst einen potentiellen Nutzerkreis von Smart-Pens dar, auch weil darüber eine Dokumentation der durchgeführten Insulintherapie möglich ist. Gleiches gilt für den stationären Bereich, d.h. in Krankenhäusern, Alters- und Pflegeheimen können Smart-Pens zur Vermeidung von Dosierfehlern, dem Vergessen von Insulingaben etc. dienen, was auch aus Haftungsgründen von Relevanz ist. Im Prinzip können Smart-Pens bei der Titration der Insulintherapie unter solchen Bedingungen eingesetzt werden.

Aktuell auf dem deutschen Markt verfügbare Smart-Pens

Von der Firma Novo-Nordisk sind seit 2021 die beiden Insulinpens NovoPen 6 und NovoPen Echo auf dem Markt. Während der Novo-Pen eine maximale Dosis von 60 Einheiten Insulin enthält, die per 1 Einheit dosiert werden kann, ist der NovoPen Echo eher für Kinder geeignet. Er enthält 30 Einheiten Insulin, die mit einer halben Einheit Insulin abgegeben werden können. Beide haben eine Glasampulle und sind wiederverwendbar. Die Batterie hat eine Lebenszeit von 4-5 Jahren. Leider ist danach kein Batteriewechsel oder Aufladen möglich. Auf dem Gerät werden die Dosis und Zeit seit der letzten Injektion angezeigt sowie der Verlauf der letzten 3 Monate gespeichert. Die Daten können in eine Auswertungssoftware (z.B. glooko, Accu-Check smart Pix, mySugr) übertragen werden.

Der per USB einfach wiederaufladbare digitale Insulinpen pendiq 2.0 der gleichnamigen Firma kann die letzten 1 000 Injektionen mit Datum, Uhrzeit und injizierten Einheiten speichern. Dabei ist dieser Smart-Pen aktuell nicht verfügbar, nach Angaben des Herstellers wird mit Hochdruck an einem Nachfolgeprodukt gearbeitet.

Eine eigenständige Lösung präsentiert die Firma Emperra mit dem ESYSTA® -Pen, der die abgegebenen Insulinmengen automatisch per Funk an eine ESYSTA-Basis übermittelt. Bei diesem Smart-Pen wird die zuletzt verabreichte Insulindosis angezeigt, ca. 1 000 Datensätze können gespeichert werden. Der ESYSTA-BT-Pen ist mit einer Bluetooth-Schnittstelle ausgestattet und überträgt die injizierten Insulindosen in die ESYSTA-App auf dem Smartphone, mit dem Nutzer eine Auswertung der Daten vornehmen können. Mit dem Einsatz von Adaptern können alle handelsüblichen 3 ml (100 IE/ml) Insulinpatronen der Insulinhersteller mit dem ESYSTA-Pen verwendet werden.

Einen anderen Weg beschreitet die Firma Medtronic, die einen eigens dafür konzipierten smarten Insulinpen "InPenTM" mit dem Guardian 4 CGM-Sensor zusammenbringt, so dass ein Nutzer die Vorteile eines Smart-Pens mit dem einer CGM-Messung kombinieren kann. Es ist besonders für die Durchführung einer intensivierten Insulintherapie (ICT) gedacht. Dieser sogenannte InPen enthält einen Boluskalkulator und zeigt das aktive Insulin an.

Von der Firma Sanofi gibt es eine wiederverwendbare Pen-Kappe, die auf die beiden Fertigpens SoloStarTM- und DoubleStarTM-Pen aufgesetzt werden kann und den Zeitpunkt der Injektionen sowie die Insulindosis aufzeichnet. Das Spritzen erfolgt auf die gleiche Weise wie ohne Kappe. Die Kappe kann über Bluetooth mit einer App verbunden werden, die die Dosierungsinformationen aufzeichnet.

Im November 2023 wurde von der Firma Eli Lilly in Deutschland der "Tempo Smart Button" im Rahmen eines Pilot-Launches eingeführt. Diese Kappe ist mit den Tempo Pens für Humalog, Lyumjev und Abasaglar kompatibel. Per Knopfdruck werden Daten zu Datum und Uhrzeit der letzten Injektion sowie zur Insulindosis an eine App, Software und/oder andere medizinische Geräte übermittelt. Zurzeit ist diese Kappe auf dem deutschen Markt weiterhin verfügbar, kann also verschrieben werden, allerdings hat bis jetzt kein offizieller Launch stattgefunden. Wichtig ist, dass bei der Verschreibung die entsprechend kompatiblen Pens ebenfalls verschrieben werden, diese sind über die Großhandel lieferbar. Aktuell ist Glooko als App für die Datenübertragung kompatibel, in der Zukunft soll diese Kappe mit dem CGM-System G7 von Dexcom kompatibel sein.

In anderen Ländern gibt es bereits eine Vielzahl anderer Kappenlösungen, die vor allem für Fertigpens konzipiert sind (z.B. Dukada Trio, insulcheck, Timesulin).

Smart-Pens und Müll

Der weltweite Markt für Insulin-Pens wird von Einmalpens dominiert, aktuelle Zahlen von 2022 sprechen von der Herstellung von knapp 10 Milliarden Einmalpens pro Jahr, was zur Generierung von vielen Tonnen Plastikmüll führt. Es werden wohl "nur" 126 Millionen wiederverwendbaren Pens pro Jahr produziert, wobei es anscheinend keine Daten dazu gibt, wie lange und wie häufig die wiederverwendbaren Pens in der Praxis genutzt werden, d.h. wie viele Insulinapplikationen damit konkret erfolgen. Durch die Nutzung von Smart-Pens sollte die Menge an "Müll" (sei es das Produkt selber, aber auch die Verpackung, Bedienungsanleitung etc.) geringer sein als bei der Verwendung von Einmalpens [Heinemann 2022b]. Da bei den Smart-Pens verschiedene Plastikmaterialien (und elektronische Bauteile und eine Batterie) fest miteinander verbaut werden, ist ein Recycling dieser Produkte aufwändig und kostspielig.

Es gilt zu evaluieren, wie zuverlässig die Funktion dieser Medizinprodukte bei Klimaextremen ist, z.B. bei Hitzewellen [Heinemann 2022a]: Nicht nur die Genauigkeit der Insulinabgabe kann z.B. durch Ausdehnung der Insulinflüssigkeit beeinträchtigt sein, das Insulin selber kann dann in seiner biologischen Wirkung beeinträchtigt sein, wenn die Pens nicht bei optimalen Temperaturen gelagert werden [Chantelau 1989].

Akzeptanz von Smart-Pens im Markt

Es gibt wenig Informationen zur Akzeptanz der verschiedenen Smart-Pens in der klinischen Praxis. Die Umsätze der verschiedenen Hersteller mit diesen Medizinprodukten scheinen bisher noch moderat zu sein. Die Aussagen der Befragung für den dt-report 2023 (www.dut-report.de) sprechen ebenfalls von einem eher geringen Interesse: 336 Diabetologen haben Angaben zum Grad der Nutzung von Smart-Pens, deren aktuellen und zukünftigen Bedeutung, den Indikationen bei verschiedenen Patientengruppen und den Barrieren für deren Einsatz in der klinischen Praxis gemacht. Demnach werden Smart-Pens bei 4,8% aller Menschen mit Typ-1-Diabetes und 1,5% der Menschen mit Typ-2-Diabetes eingesetzt. Die Sinnhaftigkeit von Smart-Pens wird im Vergleich zum Vorjahr eher negativer beurteilt (2021: 16%; 2022: 8%), ebenso wie die Einschätzung der Bedeutung in 5 Jahren (2021: 38%, 2022: 25%) (Abb. 2).

Abb. 2: Smart-Pens: Bedeutsamkeit & zukünftige Nutzung (Digitalisierungs- und Technologie-Report 2023, www.dut-report.de)

Als Haupthindernisse für die Verwendung von Smart-Pens wurden die Bevorzugung von Einweg-Insulin-Pens (55% Zustimmung), der geringe Zusatznutzen für die Patienten (49%) und die mangelnde Kompatibilität mit der Software zur Glukoseanalyse (45%) genannt. Die unzureichende Auswahl an verschiedenen Smart-Pens oder die Notwendigkeit, eventuell den Insulintyp zu wechseln (44%) und die mangelnde Kompatibilität mit Apps zur Datenanalyse (36%) wurden ebenfalls als Hindernisse wahrgenommen (Abb. 3). Derzeit wird kein signifikanter zusätzlicher Nutzen für die Therapie gesehen, und es fehlt vor allem an Anwendungen, um die Informationen zur praktischen Umsetzung der Insulintherapie auszuwerten und sie für Menschen mit Diabetes und HCP nutzbar zu machen.

Abb. 3: Smart-Pens: Barrieren für die Nutzung – Einschätzung von Diabetologen (Digitalisierungs- und Technologie-Report 2023, www.dut-report.de)

Für diese geringe Akzeptanz von Smart-Pens gibt es eine Reihe von Gründen:

  • Ein wichtiger praktischer Hinderungsgrund besteht darin, dass viele Personen mit Diabetes für ihre Insulintherapie Insuline verschiedener Hersteller nutzen, d.h. ein prandiales Insulin von einem Hersteller und das Basalinsulin von einem anderen. Dann müssten sie nicht nur verschiedene Smart-Pens nutzen (oder einen Smart-Pen und einen konventionellen Pen), sondern auch unterschiedliche Apps
  • Zwar stellen Smart-Pens eine Hilfe bei der praktischen Insulintherapie dar, das Ausmaß dieser Hilfe wird aber als nicht besonders ausgeprägt betrachtet (s. die Kommentare beim dt-report 2023; www.dut-report.de), was auch an einer fehlenden Schulung der Nutzer (und des Diabetes-Teams) liegen kann
  • Die Interoperabilität der verfügbaren Smart-Pens ist noch nicht in einem Ausmaß vorhanden, dass Smart-Pens mit verschiedenen Connected-Blutglukosemesssystemen, CGM-Systemen, Insulinpumpen und den verschiedenen Glukoseauswertungsprogrammen kompatibel sind
  • Dies hat weiterhin zur Folge, dass bislang in der klinischen Praxis ein einheitliches Konzept dazu fehlt, die verschiedenen therapeutischen Optionen von Smart-Pens in die Diabetestherapie zu integrieren
  • Das oft fehlende Konzept zur Integration von Smart-Pens in das digitale Diabetesmanagement stellt eine weitere Schwachstelle dar

Bei zwei großen Insulinherstellern (Novo Nordisk und Eli Lilly) liegt der Fokus ihrer aktuellen Aktivitäten auf GLP-1-Analoga und anscheinend weniger auf Innovationen bei der Insulintherapie, abgesehen von Basal-Insulinen, die nur einmal in der Woche gespritzt werden müssen. Diese sind in der finalen Stufe der klinischen Entwicklung und werden vermutlich in Kürze auf den Markt kommen.

Tab. 2: Funktionen von Smart-Pens zur Unterstützung der Therapie
  • Erinnerung an die Applikation der Insulindosis: Der Pen und/oder die App zeigen an, wann die letzte Dosis appliziert wurde und es wird ein Hinweis gegeben, wann diese Dosis appliziert werden soll
  • Warnung vor Doppelinjektion: Der Insulinpen erkennt, ob schon einmal gespritzt wurde und warnt vor einer Doppelinjektion. Dies ist besonders für ältere Menschen von Vorteil, die schon ein wenig vergesslich sind und damit vor möglichen Unterzuckerungen durch zweifaches Spritzen gewarnt werden
  • Anzeige der applizierten Insulindosis: Hilft dem Nutzer einen Überblick über den Zeitpunkt und Dosis der letzten Insulinapplikationen zu haben
  • Noch verfügbare Insulinmenge: Information für den Nutzer darüber, wieviel Insulin noch im Pen zur Verfügung steht/wann der Pen oder die Insulinpatrone darin gewechselt werden sollte
  • Bolus-Kalkulation: Der Pen/die App zeigt dem Nutzer an, wieviel Insulin noch im Körper von der letzten Applikation aktiv ist und berechnet mit Hilfe eines Kalkulators einen Vorschlag für den nächsten Bolus
  • Insulinstabilität: Durch Messung der Temperatur in dem Pen kann der Nutzer darüber informiert werden, wenn dieser (und das darin enthaltene Insulin) ungeeignet gelagert werden

Evidenz für die klinische Nutzung von Smart-Pens: Deutliche Lücken

Die Anzahl von Publikationen, in denen die Ergebnisse von klinischen Studien mit Smart-Pens berichtet werden, ist niedrig, allerdings haben diese Studien gezeigt, dass die Nutzung von Smart-Pens mit einer Reduktion des HbA1c-Werts und einer Reduktion von Hypoglykämien einhergeht, wobei bisher deren Einsatz eher bei "einfachen" Insulintherapieformen untersucht wurde [Heinemann 2021]. Aus Sicht der Krankenkassen führt die Nutzung von Smart-Pens zu zusätzlichen Kosten, es fehlt aber der klare Beleg dafür, dass diese Kosten durch adäquate Einsparungen oder medizinische Vorteile kompensiert werden, was für eine Kostenerstattung wichtig ist. Bisher wird nur in einer Publikation das Potenzial von Smart-Pens erörtert, die langfristigen Kosten und Komplikationen von Diabetes zu minimieren und die Diabetesversorgung insgesamt zu verbessern [Sangave 2019].

Zukunft von Smart-Pens – welche weiteren Entwicklungen sind zu erwarten

Die bisher zur Verfügung stehenden Smart-Pens repräsentieren die erste Generation solcher Medizinprodukte, wobei es mit hoher Wahrscheinlichkeit eine dynamische Weiterentwicklung geben wird, wodurch diese noch smarter werden können, wie durch die Berücksichtigung von weiteren Informationen, wie sie tragbare Geräte (sogenannte Wearables, wie z. B. Smart-Watches) und Smart-Phones liefern. Dadurch kann die Insulintherapie noch stärker an die Bedürfnisse des individuellen Patienten und seiner Lebenssituation angepasst werden. Wearables erfassen nicht nur nicht-invasiv diverse Vital-Parameter und körperliche Aktivität ihrer Nutzer, sie liefern auch Angaben zu Umgebungsbedingungen.

Gerade Smart-Pens, die Daten von CGM-Systemen nutzen, könnten für eine Optimierung der Insulintherapie von Vorteil sein: die Anpassung der Insulintherapie unmittelbar an den Glukoseverlauf hilft nicht nur bei der Wahl der "richtigen" Insulindosis, das Risiko von akuten Glukoseschwankungen sollte sich dadurch ebenfalls reduzieren lassen. In naher Zukunft wird es diagnostische Systeme auf dem Markt geben, die nicht nur Glukose kontinuierlich monitoren, sondern auch Ketonkörper (und weitere Parameter wie beispielsweise Laktat) [Heinemann 2023b].

In Zukunft kann der Arzt (oder ein Computer) möglicherweise per "Fernanpassung" die Insulindosis variieren, wenn dies basierend auf einer Analyse der übermittelten CGM-Daten als notwendig erscheint. Durch Anwendung von "Künstlicher Intelligenz" können Muster in den Glukoseprofilen automatisch erkannt und interpretiert werden, und – im Sinne von Decision Support Systemen – der Nutzer entweder klare Hinweise zur Insulindosis erhalten oder die berechnete Dosis automatisch am Smart-Pen eingestellt werden. Der Nutzer spritzt nur noch diese Insulindosis, ohne sich Gedanken zu deren Wahl machen zu müssen, was das Bedürfnis vieler Patienten abdecken sollte. In den USA hat die Firma Bigfoot kürzlich eine Zulassung für ein Produkt erhalten, welches solche Dosierungsvorschläge macht. Diese Firma wurde durch einen großen Hersteller von CGM-Systemen (Abbott) übernommen (www.bigfootbiomedical.com/).

Zusammenfassung und Ausblick

Selbst wenn der Start der Nutzung von Smart-Pens eher verhalten anläuft, so erscheint die Zukunft von Smart-Pens positiv. Hilfreich in diesem Zusammenhang wäre ein klares Konzept zum klinischen Einsatz und eine bessere Evidenzlage, d.h. es fehlen gute klinische Studien mit diesen innovativen Medizinprodukten.


Literatur
Chantelau E, Heinemann L, Ross D: Air bubbles in insulin pens. Lancet. 1989;2:387-8
Heinemann L, Schnell O, Gehr B, Schloot NC, Gorgens SW, Gorgen C: Digital Diabetes Management: A Literature Review of Smart Insulin Pens. J Diabetes Sci Technol. 2021:1932296820983863
Heinemann L: Diabetes-Technology and the Environment: What Do We Have to Consider? J Diabetes Sci Technol. 2022a:19322968221146194
Heinemann L, Klonoff DC: Diabetes Technology and Waste: A Complex Story. J Diabetes Sci Technol. 2022b;16(6):1381-4
Heinemann L, Jendle J: Language Matters: Connected Pens, Smart Pens, Connected Smart Pens, or Just Digital Pens? J Diabetes Sci Technol. 2023a:19322968221148508
Heineman L, Tan S: Einsatz von kontinuierlichem Ketonkörper-Monitoring Diabetes, Stoffwechsel und Herz. 2023b;32: 190-195
Huang ES, Sinclair A, Conlin PR, Cukierman-Yaffe T, Hirsch IB, Huisingh-Scheetz M, Kahkoska AR, Laffel L, Lee AK, Lee S, Lipska K, Meneilly G, Pandya N, Peek ME, Peters A, Pratley RE, Sherifali D, Toschi E, Umpierrez G, Weinstock RS, Munshi M: The Growing Role of Technology in the Care of Older Adults With Diabetes. Diabetes Care. 2023;46(8):1455-1463
Klonoff DC, Shang T, Zhang J: Automated Insulin Dosing Systems or Automated Insulin Delivery Systems? It is Time for Consistency. J Diabetes Sci Technol. 2021;15(2):211-213
Sangave NA, Aungst TD, Patel DK: Smart Connected Insulin Pens, Caps, and Attachments: A Review of the Future of Diabetes Technology. Diabetes Spectr. 2019;32(4):378-84
Warshaw H, Isaacs D, MacLeod J: The Reference Guide to Integrate Smart Insulin Pens Into Data-Driven Diabetes Care and Education Services. Diabetes Educ. 2020;46(4-suppl):3S-20S

Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. Lutz Heinemann
Science Consulting in Diabetes GmbH
Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechsel
Schwerinstr. 36, 40477 Düsseldorf
Tel.: 0160/ 88 77 401

Manuskript eingegangen: 20. Dezember 2023
Manuskript angenommen: 4. März 2024
Interessenkonflikte:
LH ist Berater für mehrere Unternehmen, die neue diagnostische und therapeutische Optionen für die Diabetestherapie entwickeln. Er ist Gesellschafter des Profil Institut für Stoffwechselforschung GmbH, Neuss.
BK war in den letzten 3 Jahren Mitglied in Advisory Boards der Firmen Abbott, Bayer, Berlin Chemie, Dexcom, Insulet, Novo Nordisk, Sanofi und erhielt Vortragsverguetungen von Abbott, Bayer, Berlin Chemie, Dexcom, Emperra, Insulet, Lilly, Novo Nordisk, Sanofi. Aktien: Keine.
JS erklärt keine Interessenkonflikte.


Erschienen in: Diabetes, Stoffwechsel und Herz, 2024; 33 (2) Seite 88-93