Im März hat Gewichtheber Matthias Steiner (30) seine Karriere beendet. Der Olympiasieger besuchte uns in Mainz. Lesen Sie hier Auszüge des exklusiven Interviews, das in der August-Ausgabe der Zeitschrift Diabetes-Journal erschienen ist.
Diabetes-Journal (DJ): Wie war das früher als Leistungssportler?
Matthias Steiner: Der Tagesablauf und generell das ganze Jahr war anders: Die Wochen und Monate waren viel geregelter! Es war ein Rhythmus drin: essen, trainieren, schlafen – dabei hat sich außer bei Belastungsspitzen nicht viel geändert. Belastung, Überbelastung, Regeneration – ein ständiges Wechselspiel. Es war klar, dass das Privatleben und alles andere diesem Rhythmus untergeordnet wird. Heute mache ich den Sport, um fit zu bleiben.
DJ: Wie war die Reaktion auf Ihren Rücktritt?
Steiner: Es war eine Riesen-Resonanz; wenn man dann auch noch in der Tagesschau kommt … Viele fanden es schade, waren überrascht, dass ich so früh aufhöre. Auf der internationalen Bühne bin ich schon, seit ich 18 bin – aber in Deutschland kennt man mich erst seit 2008, da war ich 26. Ich glaube, darin liegt das Problem. 30 ist ein gängiges Alter für Gewichtheber, viel länger machen die wenigsten weiter.
DJ: Was vermissen Sie?
Steiner: Erst mal gar nichts. Ich habe wirklich so viel zu tun. Und ich bin auf der Suche nach dem, was ich wirklich will. Das ist spannend genug, so dass ich nichts vermisse. Aber ich weiß, dass alles eine schöne Zeit war.
DJ: Wie oft machen Sie noch Sport?
Steiner: 3- bis 4-mal gehe ich noch Gewichtheben in Heidelberg, als Hobbysportler, der Rest ist Fahrradfahren. Und wenn ich dann mal leichter bin: wieder Tennis spielen wie zu meiner aktiven Zeit – damals aber nur gegen die Ballmaschine: Denn bei meinem Gewicht ist das Abbremsen beim Tennis nicht gut. Fußball würde mir auch gefallen – aber da braucht man eine Mannschaft, in die man reinpasst …
DJ: Was für ein Rad haben Sie?
Steiner: Ein Hollandrad– ja, wirklich! Das ist natürlich stabil, hat einen Stahlrahmen, damit es einen 140-Kilo-Mann plus Kind trägt. Es läuft gut, ist dunkelgrün, sieht gut aus und passt zu Heidelberg.
DJ: Hat sich Ihr Gewicht verändert?
Steiner: Ich habe 12 kg abgenommen; in London 2012 waren es 149,9 kg, heute wiege ich 138. Die Blutzuckerschwankungen sind größer, der Insulinbedarf ist aber nicht gestiegen. Ich mache keine Diät, esse vielmehr Vollkornbrot statt Brötchen zum Frühstück. Zum Glück esse ich sehr gerne Hüttenkäse und mageren Schinken!
DJ: Hat sich Ihr Gemüt verändert?
Steiner: Ich bin entspannter, weil mein Körper sich erholt. Ich bin nicht mehr immer so müde, gehe auf dem Zahnfleisch. Aber: Mein Ziel ist noch nicht klar, ich weiß noch nicht hundertprozentig, was ich will; das ist ungewohnt für mich. Aber ich probiere einiges aus … was manchmal unbefriedigent ist. Aber das ist ein Luxusproblem!
DJ: Werden Sie in Interviews oft auf Ihren Diabetes angesprochen?
Steiner: Ja – und das will ich auch so! Nach meiner Diagnose im Jahr 2000 gab es kaum Hilfestellung. Ich wäre froh gewesen über ein großes Vorbild. Manchmal reicht es ja schon, wenn die Menschen wissen, dass es mich gibt. Aber ich gehe auch mal mit jemandem, der mich fragt, einen Kaffee trinken – wie kürzlich mit einem 17-jährigen Marathonläufer, der gerade diagnostiziert worden ist: Für mich bedeutet das eine Stunde – und für den anderen womöglich eine wahnsinnige Hilfe!
DJ: Wenn Sie einen Wunsch frei hätten?
Steiner: So lange wie möglich gesund bleiben – als Diabetiker lebt man ja immer etwas gefährlicher. Ich möchte solange wie möglich ein fitter Vater sein!
Interview: G. Nuber, K. Kraatz
Der vollständige Artikel ist erschienen in der Zeitschrift Diabetes-Journal, Heft 8, 2013 Jahrgang 62, S. 10-13 Autoren: G. Nuber, K. Kraatz
