Dass Menschen mit Diabetes für Herz-Kreislauf-Erkrankungen prädestiniert sind und kardiovaskuläre Ereignisse dafür sorgen, dass diese Patienten vorzeitig versterben, ist bekannt. Nun gibt es neue Ergebnisse einer großen, landesweiten Kohortenstudie mit bevölkerungsbasierten Daten aus Schweden, in der man das Risiko für die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität bei Menschen mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes verglichen hat. Dabei wurden Daten aus dem schwedischen Nationalen Diabetes-Register (NDR) mit Einbezug aller stationären und ambulanten Aufenthalte ausgewertet, um die Inzidenz von Myokardinfarkt, Herzinsuffizienz, Schlaganfall und kardiovaskulärem Tod festzustellen.
Datenanalyse mit über 400 000 Erwachsenen
Untersucht wurden in Schweden lebende Menschen mit Diabetes, insgesamt 404 026 Erwachsene im Alter von 18 bis 84 Jahren, die im NDR und anderen nationalen Registern gemeldet waren. Die Nachbeobachtungszeit lief über einen Zeitraum von fünf Jahren. Der Anteil von Patienten mit Typ-1-Diabetes lag bei 9,5 % (n = 38 351, Altersdurchschnitt 44,1 Jahre). Der Anteil der Patienten mit Typ-2-Diabetes betrug 90,5 % (n = 365 675, Altersdurchschnitt 66,4 Jahre). Für die Auswertung wurden Cox-Regressionsanalysen durchgeführt, die um Alter, Geschlecht und multiple kardiovaskuläre Risikofaktoren adjustiert wurden. Darüber hinaus erfolgte ein Vergleich der Typ-1-Diabetes- und Typ-2-Diabetes-Kohorten mit entsprechend geeigneten Kontrollgruppen ohne Diabetes.
Bei Typ-2-Diabetes steigt Risiko unter 50 Jahren
Die Ergebnisse zeigen, dass verglichen mit Typ-1-Diabetes das Risiko für den kombinierten Endpunkt eines kardiovaskulären Ereignisses (Hazard Ratio [HR] 1,23; 95 %-Konfidenzintervall [CI] 1,07 – 1,41) bei Menschen mit Typ-2-Diabetes unter 50 Jahren höher, im Alter von über 60 Jahren jedoch geringer war (HR 0,87). Ein ähnliches Muster konnte für den Myokardinfarkt (HR 0,67) und die Gesamtmortalität (HR 0,89) im Alter von über 60 Jahren beobachtet werden. Insgesamt und über alle Altersgruppen war allerdings das Risiko für einen Schlaganfall bei Typ-2-Diabetes niedriger (HR 0,91) als bei Typ-1-Diabetes. Anders bei der Herzinsuffizienz: Hier konnte bei Menschen mit Typ-2-Diabetes unter 50 Jahren ein höheres Risiko (HR 1,60) nachgewiesen werden.
Mit Vorerkrankung höheres Risiko bei Typ-1-Diabetes
Das schwedische Forschungsteam stellte auch fest: Lag bereits eine kardiovaskuläre Erkrankung vor, war das Risiko für Patienten mit Typ-2-Diabetes geringer als für Betroffene mit Typ-1-Diabetes. Das galt für Herz-Kreislauf-Erkrankungen insgesamt (HR 0,76), für Myokardinfarkt (HR 0,62), kardiovaskuläre Mortalität (HR 0,68) und Gesamtmortalität (HR 0,71). Mit Bereinigung von multiplen kardiovaskulären Risikofaktoren in der Analyse, konnte bei der Kohorte Typ-2-Diabetes verglichen mit Typ-1-Diabetes in der Summe ein höheres Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und Mortalität nachgewiesen werden. Eine längere Diabetesdauer war in beiden Kohorten mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für Herz-Kreislauf-Erkrankungen assoziiert, allerdings bei Typ-2-Diabetes in moderaterer Ausprägung als bei Typ-1-Diabetes. Die Autoren der Studie kommen zu dem Schluss: Bei Menschen mit Typ-1-Diabetes wirkt sich die lange Erkrankungsdauer mit glykämischer Belastung ungünstig aus, bei Menschen mit Typ-2-Diabetes sind es die häufigeren Komorbiditäten und das höhere Alter.
Ergebnisse sind Spiegelbild klinischer Wirklichkeit
"Dass Menschen mit Diabetes unabhängig vom Erkrankungstyp anfällig für kardiovaskuläre Komplikationen sind und das Risiko mit langer Krankheitsdauer, auch mit Komorbiditäten, zunimmt, deckt sich mit unseren klinischen Erfahrungen aus drei Jahrzehnten Versorgung in Klinik und Praxis", sagen Professor Dr. med. Dr. h. c. Diethelm Tschöpe und Dr. med. Rolf Dörr von der Stiftung DHG (Diabetes | Herz | Gefäße). Genau wie es Patienten gebe, die akut oder elektiv auf dem Kathetertisch landen und erstmalig von der Diagnose Typ-2-Diabetes erfahren, seien Patienten mit Typ-1-Diabetes überrascht, wenn sie von ihrer Herzerkrankung samt erforderlicher Therapieschritte hören. "Das ist auch für die behandelnden Ärzte ein alarmierender Weckruf", betont Tschöpe. Genau diese Patienten sollten hinsichtlich ihres kardiovaskulären Risikoprofils früher erkannt und intensiver betreut werden. Trotz Erkenntniszuwachs, technischem Fortschritt und bestmöglichen Behandlungsstandards bleibe noch zu viel tun, um Menschen mit Diabetes besser zu versorgen und Sterblichkeit zu reduzieren – dies beginne bei der Prävention, Patientenaufklärung und Zusammenarbeit von Diabetologie und Kardiologie.
Erschienen in: Diabetes, Stoffwechsel und Herz, 2025; 34 (6) Seite 352-353
