Im Rahmen der diesjährigen 51. Jahrestagung der Österreichischen Diabetes-Gesellschaft in Salzburg organisierte die Zentraleuropäische Diabetes-Gesellschaft (CEDA, Central European Diabetes Association; ceda-diabetes.eu) am 16.11.2023 eine Joint Session zum Thema Diabetischer Fuß. Dr. Zoltan Kender, PhD, Leiter der Arbeitsgruppe Neuropathie an der Universitätsklinik Heidelberg, sprach in seinem Vortrag über das Thema Diabetische Neuropathie. Ao. Univ. Prof. Dr. Gerit-Holger Schernthaner der Universitätsklinik für Innere Medizin II, Medizinische Universität Wien referierte über die Angiopathie des diabetischen Fußsyndroms. Zu guter Letzt präsentierte Dr. Michael Dietlein, Diabetologe des Diakonissenkrankenhauses Augsburg, die Herausforderungen hinsichtlich des Wundmanagements.

Neuropathie

Dr. Kender begann seinen Vortrag mit einem Überblick zum Krankheitsbild und den herrschenden Herausforderungen hinsichtlich der Diagnostik und Studienlage der diabetischen Neuropathie. Die distal-symmetrische sensomotorische Polyneuropathie (DSPN) ist mit etwa 75 % die häufigste Form der diabetischen Neuropathien. Bis zu 50 % können asymptomatisch verlaufen.

Bezüglich der Diagnostik präsentierte Dr. Kender neben den klassischen Möglichkeiten wie z.B. dem Stimmgabeltest oder der elektrophysiologischen Testung auch die Möglichkeiten der quantitativ sensorischen Testung. Diese Testung wird seit Jahren in der Klinik Heidelberg durchgeführt und erlaubt eine vollständige Erfassung der Funktion aller sensorischen Submodalitäten.

Zur Therapie stehen drei Säulen zur Verfügung. Die wichtigste Säule besteht aus der Optimierung der Blutzuckereinstellung und der Lifestyle-Modifikation. Die zweite Säule der Therapie stellt die Pathogenese-gerichtete Therapie dar. In Europa stehen hierfür die alpha-Liponsäure und Benfotiamin zur Verfügung, die eine Besserung der Nervenfunktion und der Beschwerden gezeigt haben. Dennoch werden diese Therapien trotz ihrer hervorragenden Verträglichkeit derzeit nur relativ selten eingesetzt, wie in der Diskussion hervorgehoben wurde. Als dritte Säule besteht die Schmerztherapie. Dazu stellte Dr. Kender die OPTION-DM Studie vor (S. Tesfaye et al., Lancet 2022; 400: 680–90). In dieser multizentrisch randomisierten Studie wurde die Schmerzreduktion unter Monotherapie mit Amitriptylin, Duloxetin und Pregabalin versus verschiedener Zweierkombinationen (Pregabalin auf Amitriptylin oder Duloxetin, Amitriptylin auf Pregabalin) untersucht. Das Ansprechen auf die verschiedenen Monotherapien war vergleichbar. Patienten, die nicht ausreichend auf die Monotherapie ansprachen, hatten eine signifikant stärkere Schmerzreduktion durch die Kombinationstherapie. Jedoch konnten zwischen den verschiedenen Kombinationstherapien keine signifikanten Unterschiede gezeigt werden.

Zu guter Letzt wies Dr. Kender nochmals auf die Wichtigkeit der Prävention von Fußulzera mittels regelmäßiger Diagnostik, Patientenschulung und der Behandlung der Risikofaktoren hin.

Angiopathie

Im zweiten Vortrag wies Prof. Schernthaner anfangs auf die sehr hohen Kosten hin, die eine notwendige Amputation bei Patienten mit peripherer arterieller Verschlusskrankheit (pAVK) und Diabetes nach sich ziehen. Die Ursachensuche eines Fußulkus sei klinisch nicht immer so einfach wie es die Lehrbücher vorgeben, laut Prof. Schernthaner. Da Patienten sehr häufig sowohl eine Polyneuropathie (PNP) als auch eine pAVK haben, steht man vor vielen Herausforderungen. Beispielsweise zeigen Patienten, die gleichzeitig an einer sensomotorischen PNP leiden, oft keine typische Claudicatio-Symptomatik.

Patienten mit Ulzera und einem Knöcheldruck <50 mmHg oder einem Zehendruck <30 mmHg müssen rasch revaskularisiert werden. Denn nur ab einem Knöcheldruck >80 mmHg oder einem Zehendruck >50 mmHg können Ulzera abheilen. Doch gibt es eine Methode der Wahl? Diese Frage beantwortete Prof. Schernthaner, indem er drei Studien zitierte, die keinen signifikanten Unterschied zwischen einer Bypass-Operation und einem Katheter-Eingriff zeigten. Somit sei die Methode zu bevorzugen, die rascher verfügbar ist.

Doch mit der Revaskularisation sei es noch nicht getan, so Prof. Schernthaner. Denn der reine Benefit für den Unterschenkel hält im Schnitt nur ein Jahr. Somit ist eine optimale medikamentöse Therapie essenziell. Eine Therapieoption präsentierte Prof. Schernthaner anhand der VOYAGER-Studie aus dem Jahr 2020. Hierbei konnte gezeigt werden, dass post-interventionelle Patienten neben einer Therapie mit 100 mg ASS von einer zusätzlichen Therapie mit 2mg Rivaroxaban zweimal täglich profitieren könnten.

Wundmanagement

Dr. Dietlein betonte zu Beginn seines Vortrags, dass das diabetische Fußsyndrom nur in einem interdisziplinären Team behandelt werden kann. Einen besonders hohen Stellenwert hat das Wunddébridement. Denn Nekrosen verhindern die Bildung von Granulationsgewebe und stellen aufgrund des erhöhten Bakterienwachstums eine Infektionsquelle dar. Abstriche sollen immer aus der Tiefe erfolgen, da oberflächliche Abstriche meist durch Hautkeime verunreinigt sind. Des Weiteren sind antiseptische Spülungen wichtig. Dr. Dietlein erinnerte an die Notwendigkeit die Wunde nach der Einwirkzeit des Antiseptikums mit einer sterilen Kochsalzlösung zu spülen, da es sonst zu einer verzögerten Wundheilung kommen kann.

Aufgrund der Resistenzbildung und der meist zu niedrigen Wirkspiegel wird von einer lokalen Antibiotikatherapie abgeraten und bei Notwendigkeit eine systemische antibiotische Therapie empfohlen. Im Granulationsstadium soll die Wunde feucht gehalten werden. Besonders wichtig sei die konsequente Druckentlastung unter anderem mithilfe speziellen Schuhwerks.

Zum Schluss zeigte Dr. Dietlein noch neue Aspekte wie zum Beispiel die Vakuumtherapie, Biochirurgie (Madentherapie) oder die Anzüchtung von Keratinocyten/Fibroblasten auf.

Insgesamt erfreute sich das CEDA-ÖDG Joint Symposium zum Diabetischen Fuß einer sehr hohen Besucherzahl, die das große Interesse an dieser klinisch und prognostisch bedeutsamen Komplikation und seiner therapeutischen Entwicklungen widerspiegelt.


Korrespondenzadressen:
Dr. Michael Löschenbrand
3. Medizinische Abteilung und Karl Landsteiner Institut für Stoffwechselerkrankungen und Nephrologie
Klinik Hietzing
Wolkersbergenstr. 1, 1130 Wien
Prim. Univ.-Prof. Dr. Thomas M. Stulnig
3. Medizinische Abteilung und Karl Landsteiner Institut für Stoffwechselerkrankungen und Nephrologie
Klinik Hietzing
Wolkersbergenstr. 1, 1130 Wien


Erschienen in: Diabetes, Stoffwechsel und Herz, 2024; 33 (1) Seite 20-21

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