Aufgrund des chronisch progressiven Verlaufs von Typ-2-Diabetes (T2DM) sind Therapieintensivierungen notwendig, um die individuellen Therapieziele dauerhaft zu erreichen, möglichen Folgeerkrankungen vorzubeugen oder deren Fortschreiten zumindest hinauszuzögern. Aktuelle Behandlungsrichtlinien empfehlen hierfür meist ein schrittweises Vorgehen, wobei nach Ausschöpfung der nicht-medikamentösen Basistherapie orale Antidiabetika (OAD) und schließlich Kombinationen aus mehreren OAD mit oder ohne subkutan zu verabreichenden Glukagon-like Peptide-1-Rezeptoragonisten (GLP-1-RA) eingesetzt werden sollen. Die Indikation zur Insulintherapie wird schließlich bei Nicht-Erreichen des individuellen Therapieziels trotz Ausschöpfung der vorangehenden Therapieansätze gestellt [NVL Typ-2-Diabetes 2023].
Zusammenfassung
Patienten mit Typ-2-Diabetes mellitus von dem Nutzen einer Insulintherapie zu überzeugen, fällt in der Praxis oft schwer. Erfahrungen mit GLP-1-Rezeptoragonisten zeigen, dass sich Therapietreue und die Kontrolle des Blutzuckerspiegels verbessern lassen, wenn diese nur einmal wöchentlich verabreicht werden.Entsprechende Vorteile erhofft man sich nun von dem neuartigen, einmal wöchentlichen Basalinsulin, Insulin icodec. Hiermit ist eine Reduktion der Injektionen von 352 auf 52 pro Jahr möglich. Mittlerweile liegen Daten aus dem globalen ONWARDS Phase-3a-Studienprogramm bei insulinnaiven Patienten mit Typ-2-Diabetes vor, die aufgrund einer unzureichenden Blutzuckerkontrolle erstmals auf die Behandlung mit einem Basalinsulin eingestellt wurden. Die drei randomisierten 26- bzw. 52-wöchigen ONWARDS 1-, 3- und 5-Studien zeigten, dass mit wöchentlichem Insulin icodec eine effektive HbA1c-Senkung bei einer gleichzeitig niedrigen Hypoglykämierate im Vergleich zur einmal täglichen Gabe von Insulin degludec bzw. Insulin glargin 100 E/ml bzw. 300 E/ml erreicht wurde.Dies könnte den Beginn einer Behandlung mit einem Basalinsulin erleichtern und langfristig die Adhärenz verbessern.
Schlüsselwörter
Basalinsulin, Hypoglykämie, insulinnaiv, Insulin icodec, wöchentliche Applikation
An easy start to insulin therapy with the new once-weekly insulin icodec: Data from the ONWARDS phase 3 study program in insulin-naive patients with type 2 diabetes
Summary
In clinical practice, it is often challenging to convince patients with type 2 diabetes mellitus of the benefits of insulin therapy. Experience with GLP-1 receptor agonists shows that adherence to therapy and control of blood glucose levels can be improved if they are administered only once a week.Similar benefits are now anticipated from the novel once-weekly basal insulin, insulin icodec. The once-weekly application allows the reduction of the number of injections from 352 to 52 per year. Data from the global ONWARDS phase 3a study program are now available in insulin-naïve patients with type 2 diabetes who were initiated on basal insulin therapy for the first time. The three randomized 26- and 52-week ONWARDS 1, 3 and 5 studies showed that weekly insulin icodec demonstrated efficient HbA1c reduction with a low hypoglycaemia rate as compared to once-daily insulin degludec or insulin glargine 100 E/ml or 300 E/ml.This could facilitate the initiation of basal insulin treatment and improve long-term adherence.
Keywords
Basal insulin, hypoglycaemia, insulin naïve, insulin icodec, weekly application
Bedenken der Patienten hinsichtlich der Belastung durch Insulininjektionen oder die Angst vor einer Hypoglykämie können jedoch den Beginn einer notwendigen Insulinbehandlung bei T2DM verzögern [Khunti 2017a]. Die Ängste hinsichtlich einer Insulintherapie seitens der Patienten und eine zu geringe Therapietreue tragen wesentlich zu einer suboptimalen Blutzuckerkontrolle bei [Halimi 2012, Khunti 2017b, Peyrot 2012]. In der Praxis ist es deshalb oft schwierig, die Patienten von dem Nutzen einer Insulintherapie zu überzeugen. Dies führt dazu, dass die empfohlenen glykämischen Therapieziele bei vielen Patienten nur unzureichend erreicht werden.
Die derzeit verfügbaren Basalinsuline werden ein- oder zweimal täglich verabreicht [ElSayed 2023, Davies 2022]. Eine internationale Umfrage von 1530 mit Insulin behandelten Patienten belegt, dass die häufigen Insulininjektionen und das starre, an Tages- und/oder Mahlzeiten gebundene Behandlungsschema den Teilnehmern große Schwierigkeiten bereitete. Entsprechend würden die Patienten deshalb generell Therapien mit weniger Injektionen bevorzugen [Peyrot 2012]. Eine Therapie mit den seit einigen Jahren verfügbaren GLP-1-RA mit nur einmal wöchentlicher Injektion konnte nachweislich die Therapietreue und die Kontrolle des Blutzuckerspiegels gegenüber einer einmal täglichen Injektion verbessern [Polonsky 2022]. Entsprechende Vorteile erhofft man sich auch für Insuline, die nur einmal pro Woche verabreicht werden müssen [Polonsky 2011].
Das neuartige Insulin icodec deckt den Bedarf an Basalinsulin über eine ganze Woche nach einer einzigen subkutanen Injektion [Kjeldsen 2021, Nishimura 2021]. Damit verbindet sich die Hoffnung, dass sich möglicherweise die Akzeptanz der Behandlung und die Therapietreue verbessern ließen, indem die Zahl der Basalinsulininjektionen von mindestens 365 pro Jahr auf 52 pro Jahr reduziert wird. Mittlerweile erhielt das einmal wöchentliche Insulin icodec unter dem Markennamen Awiqli® eine Zulassung zur Behandlung von Diabetes mellitus bei Erwachsenen seitens der Europäischen Arzneimittelagentur. Diese Zulassung beruht auf den Ergebnissen des globalen Phase-3a-Studienprogramms ONWARDS, das die Wirksamkeit und Sicherheit von einmal wöchentlich verabreichtem Insulin icodec bei verschiedenen Patientengruppen und Vergleichstherapien untersuchte [Philis-Tsimikas 2023b]. In drei dieser Studien wurden Patienten mit T2DM behandelt, die zuvor kein Insulin erhalten hatten: Ergebnisse der ONWARDS 1-, [Rosenstock 2023], ONWARDS 3- [Lingvay 2023] und ONWARDS 5-Studien [Bajaj 2023] sind mittlerweile publiziert und sollen nun hier zusammengefasst dargestellt werden.
CGM: kontinuierliche Glukosemessung
DTSQ: Diabetes Treatment Satisfaction Questionnaire
GLP-1-RA: Glukagon-like Peptide-1-Rezeptoragonisten
HbA1c: glykiertes Hämoglobin, Langzeitblutzucker
KI: Konfidenzintervall
OAD: orale Antidiabetika
SGLT2: Natrium-Glukose-Kotransporter-2
SMPG: selbst gemessene Plasmaglukose
T2DM: Typ-2-Diabetes mellitus
TIR: Time in Range, Zeit im Zielbereich
TRIM-D: Treatment Related Impact Measure for Diabetes
Insulin icodec mit nur einmal wöchentlicher Applikation
Insulin icodec ist ein Basalinsulin, das mit einer Halbwertszeit von etwa einer Woche zur einmal wöchentlichen Applikation geeignet ist [Nishimura 2021, Pieber 2023, Hövelmann 2024]. Es unterscheidet sich von anderen Insulinen durch die Acylierung mit einer C20-Fettsäure-Seitenkette und den Austausch von drei Aminosäuren. Durch diese Molekülmodifikationen wird eine starke Bindungsneigung an das körpereigene Albumin erreicht. Es bildet sich ein Albumin-gebundener Insulinspeicher, statt eines subkutanen Insulindepots wie bei herkömmlichen Basalinsulinen. Der Albuminkomplex fungiert als inaktiver Insulinspeicher, aus welchem die Insulinmoleküle langsam und kontinuierlich freigegeben werden. Hierdurch wird eine nahezu gleichmäßige Verteilung der glukosesenkenden Wirkung über den gesamten Wochenverlauf erreicht, wobei sich ein Steady State nach drei bis vier Wochen mit jeweils einmal wöchentlicher Verabreichung einstellt [Kjeldsen 2021, Nishimura 2021].
Eine Albumin-Bindung zur Halbwertszeit-Verlängerung wird auch schon bei anderen Wirkstoffen genutzt, so zum Beispiel bei dem einmal wöchentlichen GLP-1-Rezeptoragonisten Semaglutid [Fachinformation Ozempic 2024]. Insulin icodec liegt zu mehr als 99 % gebunden an Albumin vor, wobei der Bedarf an Bindungsstellen gering ist und es weniger als 0,1 % des natürlichen Albuminhaushaltes zur Bindung nutzt [Nishimura 2021]. So zeigen pharmakologische Studien bei Nieren- oder Leberinsuffizienz auch keine klinisch relevanten Effekte auf die Insulinexposition, ebenso nicht bei vermindertem Albuminspiegel [Haahr 2023b, Haahr 2023a, Fachinformation Awiqli 2024].
Daten aus den Phase-2-Studien [Lingvay 2021, Rosenstock 2020, Bajaj 2021] und Phase 3-Studien bei mit Insulin vorbehandelten Teilnehmern (ONWARDS 2 [Philis-Tsimikas 2023a] und ONWARDS 4 [Mathieu 2023]) belegen, dass Insulin icodec eine ähnliche oder bessere Blutzuckerkontrolle aufweist wie einmal täglich verabreichtes Insulin glargin 100 E/ml oder Insulin degludec. Gleichzeitig zeigten sich keine statistisch signifikanten Unterschiede bei den Hypoglykämieraten der Stufen 2 (klinisch relevant) und 3 (schwere Hypoglykämie) zwischen den Behandlungsansätzen.
Abb. 1: Veränderung des mittleren HbA1c-Werts von Behandlungsbeginn bis -ende. *Hauptstudienphase, **Verlängerungsphase; ETD = geschätzter Behandlungsunterschied (Estimated Treatment Difference); HbA1c = glykiertes Hämoglobin, KI = Konfidenzintervall
Therapie insulinnaiver T2DM-Patienten mit Insulin icodec
Alle Studien des mittlerweile abgeschlossenen globalen ONWARDS-Entwicklungsprogramms waren zweiarmige, randomisierte, aktiv kontrollierte Treat-to-Target Studien der Phase 3a. In ONWARDS 1, 3 und 5 wurden insulinnaive Patienten mit langjährigem T2DM und unzureichender Blutzuckerkontrolle eingeschlossen (HbA1c 7 – 11 % bzw. 53,0 – 96,7 mmol/mol). Alle Patienten erhielten als Vorbehandlung OAD und/oder Kombinationstherapien mit Nicht-Insulin-Antidiabetika (einschließlich GLP-1-RA und SGLT2-Inhibitoren) und es bestand erstmals die Indikation zur Einstellung auf ein Basalinsulin. In jeder der Studien wurden die Patienten nach einer zweiwöchigen Screening-Phase 1:1 auf einmal wöchentlich Insulin icodec oder ein einmal täglich verabreichtes Vergleichsinsulin randomisiert.
In die randomisierte, offene ONWARDS 1-Studie wurden 984 Patienten mit T2DM unverblindet auf die Behandlung mit einmal wöchentlichem Insulin icodec oder Insulin glargin 100 E/ml im Verhältnis 1:1 randomisiert und für 52 Wochen behandelt. In dieser Studie durften alle Patienten ihre Vorbehandlung fortsetzen, bis auf Sulfonylharnstoffe und Glinide. Zusammen mit einer Verlängerungsphase von 26 Wochen hatte die ONWARDS 1-Studie die längste Dauer (78 Wochen).
In der randomisierten, doppelblinden ONWARDS 3-Studie erhielten 588 Patienten im Verhältnis 1:1 entweder einmal wöchentlich Insulin icodec oder einmal täglich Insulin degludec für 26 Wochen, jeweils in Kombination mit Placebo. Auch in dieser Studie durften die Patienten ihre antidiabetische Vorbehandlung fortsetzen, mussten Sulfonylharnstoffe und Glinide jedoch nicht absetzen, sondern deren Dosis lediglich um 50 % reduzieren.
In der offenen ONWARDS 5-Studie mit insgesamt 1085 Probanden erhielt die Kontrollgruppe über 25 Wochen verschiedene Basalinsuline. Die Verumgruppe erhielt einmal wöchentlich Insulin icodec, das mithilfe einer Dosierungshilfe-App dosiert wurde. Die ONWARDS 5-Studie wurde unter Praxisbedingungen durchgeführt, es galten weniger strikte Einschlusskriterien. So waren z. B. ein Drittel der Patienten älter als 65 Jahre und 68 % wiesen zu Studienbeginn einen HbA1c von über 8 % auf. Außerdem sah das Studienprotokoll weniger Besuche am Studienzentrum vor und die Titration des Vergleichsinsulins erfolgte nach der Entscheidung des Prüfarztes.
Primärer Endpunkt in allen drei Studien war die Veränderung des HbA1c vom Ausgangswert nach einem Jahr (ONWARDS 1 und 5) bzw. nach 26 Wochen (ONWARDS 3). Auf Grundlage des Ergebnisses einer Nichtunterlegenheit wurde anschließend auf Überlegenheit von Insulin icodec gegenüber den Vergleichsinsulinen getestet. Wichtige sekundäre Endpunkte waren die Zeit im Zielbereich (Time in Range, TIR; 70 – 180 mg/dl bzw. 3,9-10 mmol/l), gemessen mittels kontinuierlicher Glukosemessung (CGM) in den Wochen 48 bis 52 (ONWARDS 1), und die Veränderung der Nüchternplasmaglukose vom Ausgangswert (ONWARDS 1 und 3). Außerdem wurde die Veränderung des Körpergewichts und die Änderung der Insulindosis in allen drei Studien erfasst. Ein weiterer wichtiger sekundärer Endpunkt war die Behandlungszufriedenheit, die mithilfe des DTSQ-Fragebogens (Diabetes Treatment Satisfaction Questionnaire), und die Compliance, die mittels TRIM-D (Treatment Related Impact Measure for Diabetes) Compliance Score in der ONWARDS 5-Studie ermittelt wurden. Wichtigster sicherheitsrelevanter Endpunkt war in allen Studien die Rate an klinisch relevanten oder schweren Hypoglykämien (Level 2 und/oder 3; Definition in Tabelle 2).
In allen drei Studien wurde die Therapie mit Insulin icodec 700 E/ml mit einer Startdosis von 70 E pro Woche begonnen, entsprechend der üblichen Startdosis von 10 E der als Komparatoren verwendeten herkömmlichen Basalinsuline mit täglicher Anwendung (Insulin glargin 100 E/ml in ONWARDS 1 und Insulin degludec 100 E/ml in ONWARDS 3; die Wahl des Vergleichsinsulins in ONWARDS 5 erfolgte nach Prüfarztentscheidung: Insulin glargin 100 E/ml oder 300 E/ml oder Insulin degludec). Das wöchentliche Injektionsvolumen von Insulin icodec entspricht aufgrund seiner Formulierung von 700 E/ml dem täglichen Injektionsvolumen eines Basalinsulins mit 100 E/ml.
Zielwert für den Nüchternblutzucker war in diesen Studien der von der amerikanischen Diabetesgesellschaft (American Diabetes Association, ADA) empfohlene Zielbereich von 80 bis 130 mg/dl (4,4 – 7,2 mmol/l), auf Basis der selbst gemessenen Plasmaglukose (SMPG) vor dem Frühstück. Zur Titration wurden zwei Tage vor und am Tag der Titration die Glukose-Nüchternwerte herangezogen. Lag einer der drei Werte unterhalb des Zielbereichs, erfolgte die Titration auf Basis des niedrigsten dokumentierten Werts. Waren alle drei SMPG-Werte über der unteren Grenze des Zielbereichs, erfolgte die Titration auf Basis des Mittelwerts aus den drei Messungen. In der ONWARDS 1- und 3-Studie wurden Insulin icodec wie auch das Basalinsulin im Vergleichsstudienarm einmal wöchentlich titriert.
In den Studien wurde im Komparator- und Verumarm ein vergleichbarer Titrationsalgorithmus verwendet (in Abhängigkeit von den gemessenen 3 SMPG-Werten bei Bedarf +3 Einheiten Dosissteigerung oder -3 Einheiten Dosissenkung im Studienarm der täglich verabreichten Basalinsuline und entsprechend +20 Einheiten Dosissteigerung oder -20 Einheiten Dosissenkung im Studienarm mit dem wöchentlich verabreichten Insulin icodec).
In der ONWARDS 5-Studie wurde das einmal wöchentlich verabreichte Insulin icodec ebenfalls wöchentlich mit dem oben beschriebenen Titrationsalgorithmus titriert, aber mit Unterstützung einer Dosierungshilfe-App. Die Titration in der Vergleichsgruppe erfolgte dagegen nach Prüfarztentscheidung. Die täglich verabreichten Basalinsulinanaloga waren in dieser offenen Studie am häufigsten Insulin degludec (69,6 % der Patienten), gefolgt von Insulin glargin 100 E/ml (17,7 %) und Insulin glargin 300 E/ml (12,7 %).
Zu Studienbeginn waren die Patienten in allen Behandlungsgruppen vergleichbar, bis auf geringfügige Unterschiede im Geschlechterverhältnis (ONWARDS 1) oder der Einnahme von SGLT2 (Natrium-Glukose-Kotransporter-2)-Inhibitoren und GLP-1-RA (ONWARDS 3). Die Teilnehmer waren zu Studienbeginn etwa 59 Jahre alt und bereits seit etwa zehn bis 12 Jahren an T2DM erkrankt. Alle Teilnehmer wiesen zu Beginn eine unzureichende Glukosestoffwechsellage auf (HbA1c im Mittel 8,4 % – 9,0 %; Tabelle 1).
Tab. 1: Demographie und Charakteristika der teilnehmenden Patienten der Phase 3a ONWARDS 1-, 3- und 5-Studien bei Studienbeginn.
Effektive HbA1c-Senkung mit Insulin icodec
In allen drei ONWARDS-Studien konnte der HbA1c-Wert mit Insulin icodec ähnlich effektiv gesenkt werden wie mit den täglichen Vergleichsinsulinen (Abbildung 1). Der geschätzte mittlere Behandlungsunterschied in der Senkung des HbA1c-Wertes betrug in der ONWARDS 1-Studie -0,19 % (vs. Insulin glargin 100 E/ml) nach 52 Wochen Behandlung, in der ONWARDS 3-Studie -0,2 % (vs. Insulin degludec) nach 26 Wochen Behandlung und in der ONWARDS 5-Studie -0,38 % (vs. einmal tägliche Insulinanaloga) nach 52 Wochen Behandlung (Abbildung 1). Statistisch zeigte sich Insulin icodec im Vergleich zu den jeweiligen täglichen Vergleichsinsulinen hinsichtlich der HbA1c-Senkung bei 26 bzw. 52 Wochen in allen drei Studien als signifikant überlegen. Anzumerken ist, dass die verwendete Dosierhilfe-App in der Insulin icodec-Gruppe der ONWARDS 5-Studie möglicherweise einen zusätzlichen Beitrag zur HbA1c-Senkung geleistet haben könnte, was sich in der höheren Insulin icodec-Dosis pro Woche im Vergleich zu den anderen Basalinsulinen (227 E vs. 185 E in Woche 50 – 52) und den verwendeten Insulin icodec-Dosierungen aus ONWARDS 1 (214 E in Woche 50 – 52) und ONWARDS 3 (204 E in Wochen 24 – 26) widerspiegelt (Tabelle 2). Die HbA1c-Senkung war zudem anhaltend, wie die halbjährliche Verlängerungsphase der ONWARDS 1-Studie zeigte. Nach 78 Wochen Behandlung war der HbA1c-Wert mit Insulin icodec um 0,11 Prozentpunkte numerisch niedriger (95 %-Konfidenzintervall [KI] -0,22 bis 0,00) als unter dem täglichen Insulin glargin 100 E/ml, allerdings ohne statistische Signifikanz.
Weiterhin verbrachten die Teilnehmer im Insulin icodec-Arm der ONWARDS 1-Studie in den letzten vier Behandlungswochen einen signifikant höheren Prozentsatz der Zeit im Zielbereich von 70 bis 180 mg/dl als diejenigen, die Insulin glargin 100 E/ml erhalten hatten (71,9 % vs. 66,9 %; geschätzter Behandlungsunterschied 4,27 % [95 %-KI 1,92 – 6,62]; p < 0,001). Dies entspricht etwa einer Stunde mehr pro Tag im Zielbereich und bestätigt einen Vorteil hinsichtlich der Stoffwechseleinstellung einer wöchentlichen Applikation von Insulin icodec gegenüber dem täglich injizierten Insulin glargin. Damit entsprach die Behandlung mit Insulin icodec auch den internationalen Empfehlungen für eine Zeit im Zielbereich von > 70 %, was mit Insulin glargin 100 E/ml nicht erreicht wurde [Battelino 2019]. Dieser Vorteil blieb auch nach der Verlängerungsphase bestehen (70,2 % vs. 64,8 %).
In der Senkung der Nüchternplasmaglukose zeigte sich in den Treat-to-Target-Studien, in denen auf einen festen Zielbereich der Nüchternplasmaglukose (80 – 130 mg/dl bzw. 4,4 – 7,2 mmol/l) titriert wurde, kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen Insulin icodec und Vergleichsinsulinen in allen drei Studien.
Abb. 2: Veränderung der Behandlungszufriedenheit (DTSQ-Gesamtwert) gegenüber dem Ausgangswert in Woche 52 und Therapietreue (TRIM-D) in Woche 52 (ONWARDS 5). DTSQ = Diabetes Treatment Satisfaction Questionnaire; ETD = geschätzter Behandlungsunterschied (Estimated Treatment Difference); KI = Konfidenzintervall; TRIM-D = Treatment Related Impact Measure for Diabetes
Sicherheit von Insulin icodec im Vergleich
In allen drei ONWARDS-Studien waren die kombinierten Level 2 (klinisch relevante Hypoglykämien) und Level 3 (schwere Hypoglykämien) Hypoglykämie-Ereignisraten für alle eingesetzten Insuline mit weniger als einem Ereignis pro Jahr niedrig und es zeigten sich keine relevanten Unterschiede zwischen dem wöchentlichen Insulin icodec und den anderen Basalinsulinen mit täglicher Applikation (Tabelle 2). Es traten insgesamt nur einzelne Fälle mit einer schweren Level 3 Hypoglykämie in den Behandlungsgruppen auf: insgesamt nur ein Fall einer schweren Hypoglykämie mit Insulin icodec in ONWARDS 1, drei Fälle mit Insulin glargin in ONWARDS 1 und vier schwere Hypoglykämien im Vergleichsarm mit den verschiedenen täglichen Basalinsulinen der ONWARDS 5-Studie.
Wie bei einer Einstellung auf ein Basalinsulin mit deutlicher Verbesserung des HbA1c-Wertes zu erwarten, wurde bei allen Patienten der ONWARDS-Studien eine Gewichtszunahme beobachtet, die im Mittel zwischen 1,4 kg und 2,8 kg mit allen eingesetzten Basalinsulinen lag (Tabelle 2). Die mittlere wöchentliche Insulindosis von Insulin icodec war in den ONWARDS 1- und 3-Studien vergleichbar zu den Dosierungen von Insulin glargin 100 E/ml bzw. Insulin degludec. In der ONWARDS 5-Studie hingegen war die wöchentliche Insulin icodec-Dosis signifikant höher als die Dosis der täglich verabreichten Basalinsuline des Vergleichsarms, was möglicherweise auf den Einsatz der Dosierhilfe-App zurückzuführen ist. Trotz dieser höheren Insulin icodec-Dosis war die Wahrscheinlichkeit, das glykämische Ziel ohne Hypoglykämie zu erreichen, mit Insulin icodec statistisch signifikant höher als mit den anderen täglich applizierten Basalinsulinen (ONWARDS 5). Auch in den anderen beiden ONWARDS-Studien erreichte ein größerer Anteil von Teilnehmern die glykämischen Ziele (HbA1c ≤ 7 %) ohne eine klinisch relevante oder schwere Hypoglykämie zu entwickeln (Tabelle 2).
Zusammenfassend ergaben sich in den drei klinischen Studien zwischen Insulin icodec und den herkömmlichen Basalinsulinen hinsichtlich der Raten klinisch relevanter oder schwerer Hypoglykämien mit Ausnahme der Verlängerungsstudie ONWARDS 1 zwar keine signifikanten Unterschiede, dennoch lagen die Raten im Studienarm mit Insulin icodec jeweils etwas höher versus Komparatoren. Dies ist vor dem Hintergrund der stärkeren HbA1c-Senkung unter Insulin icodec (signifikante Behandlungsunterschiede von 0,19 – 0,38 Prozentpunkten HbA1c gegenüber den herkömmlichen Basalinsulinen) und kongruent hierzu auch leicht höheren Insulindosen und etwas stärkeren Gewichtszunahmen zu sehen (Abbildung 1, Tabelle 2).
Alle Insuline wurden gut vertragen. Die Ergebnisse zu Sicherheit und Verträglichkeit entsprachen den bekannten Sicherheitsprofilen von Insulin icodec, Insulin degludec bzw. Insulin glargin 100 E/ml und Insulin glargin 300 E/ml und es wurden in keiner der drei Studien unerwartete Sicherheitsbefunde festgestellt (Tabelle 2).
Tab. 2: Zusammenfassung der sicherheitsrelevanten Endpunkte.
Behandlungszufriedenheit
Die in ONWARDS 5 erhobenen Daten zur Patientenzufriedenheit (DTSQ) ergaben einen höheren Anstieg der Behandlungszufriedenheit unter Insulin icodec in Kombination mit der Dosierungshilfe-App (Anstieg des Gesamtscores um 4,68) im Vergleich zu den täglich applizierten Basalinsulinen (Anstieg um 3,90), mit einem Behandlungsunterschied von 0,78 (95 %-KI 0,10 – 1,47; Abbildung 2a).
Auch in einer Studie mit bereits mit Basalinsulin vorbehandelten Patienten (ONWARDS 2) stieg die Behandlungszufriedenheit im Studienarm mit Insulin icodec stärker an als in der Vergleichsgruppe mit Insulin degludec, mit einem Unterschied im DTSQ-Gesamtscore von 1,25 (95%-KI 0,41 – 2,10). Vor allem nahm die Zufriedenheit in Bezug auf die einzelnen Items zur Flexibilität und zur Bequemlichkeit der Behandlung im Studienarm mit einmal wöchentlichem Insulin icodec mehr zu als in der Insulin degludec Gruppe, ebenso die Bereitschaft zur Fortführung und zur Weiterempfehlung der Behandlung [Philis-Tsimikas 2023a].
In der ONWARDS 5-Studie erzielte die Behandlung mit Insulin icodec auch etwas höhere (90,42) Compliance-Werte (TRIM-D) als mit den Vergleichsinsulinen (87,37), mit einem Unterschied von 3,04 (95 %-KI 1,28 – 4,81) zugunsten von Insulin icodec (Abbildung 2b). Die höheren Compliance-Werte und die mit der Dosierhilfe-App erreichte höhere Insulindosis deuten darauf hin, dass das einmal wöchentlich verabreichte Insulin icodec möglicherweise einige in der täglichen Praxis auftretenden Schwierigkeiten reduzieren könnte, z. B. eine unzureichende Dosistitration und die Nichteinhaltung der verordneten Behandlungsschemata. Dies wiederum könnte langfristig zu einer besseren Kontrolle der Blutzuckerspiegel führen.
Fazit
In den drei randomisierten 26- bzw. 52-wöchigen ONWARDS-Studien mit insulinnaiven Patienten und unzureichend kontrolliertem T2DM konnte eine effektive HbA1c-Senkung gegenüber der einmal täglichen Gabe von Insulin glargin 100 E/ml, Insulin degludec bzw. herkömmlichen Basalinsulinanaloga einschließlich Insulin glargin 300 E/ml gezeigt werden. Unter der Behandlung mit einmal wöchentlichem Insulin icodec erreichten die Teilnehmer statistisch signifikant mehr Zeit im glykämischen Zielbereich (70 – 180 mg/dl) als jene unter täglicher Gabe von Insulin glargin 100 E/ml (ONWARDS 1). In allen Studien traten nur wenige klinisch relevante oder schweren Hypoglykämien auf, mit weniger als einem Ereignis pro Patientenjahr. Ein größerer Anteil an Patienten erreichte mit einmal wöchentlichem Insulin icodec einen HbA1c unter 7 % ohne klinisch relevante oder schwere Hypoglykämie im Vergleich zu herkömmlichen Basalinsulinanaloga. Die Gewichtszunahme war in allen Gruppen moderat und es zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Insulinen.
Die Daten aus den drei Phase-3a-ONWARDS-Studien bei insulinnaiven Patienten mit Typ-2-Diabetes zeigen somit, dass bei einer notwendigen Therapieintensivierung die Behandlung mit dem wöchentlichen Insulin icodec eine effektive Blutzuckerkontrolle bei einer niedrigen Hypoglykämierate erreichte, mit einer Reduktion der Injektionen von sieben auf eine pro Woche bzw. von 352 auf 52 pro Jahr. Dies könnte den Beginn einer Behandlung mit einem Basalinsulin erleichtern und langfristig die Adhärenz verbessern.
- - Einstieg in die Insulintherapie: Bei insulinnaiven Patienten kann die einmal wöchentliche Anwendung den Beginn der Insulintherapie erleichtern und Barrieren wie Injektionsängste oder Befürchtungen gegenüber einer täglichen Anwendung reduzieren.
- - Therapievereinfachung: Die Reduktion auf eine Injektion pro Woche kann die Akzeptanz der Insulintherapie verbessern.
- - Flexible Kombinierbarkeit: Insulin icodec kann mit den oralen Antidiabetika und GLP-1-Rezeptoragonisten kombiniert werden. Bei Sulfonylharnstoffen und Gliniden ist eine Anpassung der Dosis zu empfehlen.
- - Initialdosis und Titration bei insulinnaiven Patienten: Empfohlen sind 70 Einheiten pro Woche (entsprechend 7 Tagesdosen von 10 E). Die Dosisanpassung erfolgt anhand der Nüchternblutzuckerwerte der letzten drei Tage vor der nächsten Injektion.
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Erschienen in: Diabetes, Stoffwechsel und Herz, 2025; 34 (2) Seite 72-79