Die Krankenhausreform befindet sich in vollem Gange. Der BVKD und der VDBD (Verband der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschlland e.V.) haben dazu eine gemeinsame Stellungnahme abgegeben.
In der deutschen Krankenhausszenerie stehen große Änderungen bevor. Die Situation stellt sich folgendermaßen dar.
Situation
In der aktuellen Reformdiskussion im Krankenhausbereich und auf dem Weg zu einer sektorenübergreifenden Gesundheitsversorgung wird Diabetes mellitus häufig zu den "ambulant sensitiven Diagnosen" (ASK) gezählt. Da jährlich weniger als 3 Prozent aller Menschen mit Diabetes (MmD) eine stationäre Behandlung wegen ihres Diabetes bedürfen, wird das Ziel der Ambulantisierung in der Diabetologie schon zu einem großen Teil erreicht. Umso wichtiger ist es, die ca. 200 000 Patient:innen, die jährlich wegen ihres Diabetes als Hauptdiagnose stationär behandelt werden müssen, in qualitativ hochwertigen, diabetesspezialisierten Einrichtungen zu versorgen. Darüber hinaus werden rund ein Drittel aller MmD mindestens einmal pro Jahr wegen anderer Hauptdiagnosen (z.B. einer Hüftendoprothetik) stationär behandelt. Auch bei diesen Patient:innen ist die adäquate, fachkompetente Mitbehandlung der Stoffwechselerkrankung elementar für den Behandlungserfolg.
Diabetesspezialisierte Kliniken und Praxen leben in besonderem Maße von der Fachkompetenz nichtärztlicher Spezialist:innen, nämlich der durch die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) zertifizierten Diabetesbera-ter:innen DDG. Die Anwesenheit ausreichender Personalkapazitäten mit dieser Spezialisierung stellt einen, wenn nicht den wichtigsten Faktor der Strukturqualität von Diabetesschwerpunkteinrichtungen dar und muss sich somit zwingend in der Versorgungsgestaltung abbilden.
- Die personelle Ausstattung mit definierten multiprofessionellen Behandlerteams mit qualifizierten Diabetesberater:innen DDG muss als Mindestanforderung zur Abrechnungsfähigkeit diabetesspezifischer DRGs festgeschrieben werden.
- Weiterhin sollte eine angemessene Finanzierung der Vorhaltekosten von Diabetesfachkliniken auf den Versorgungsebenen II und III ermöglicht werden. Hierzu sollten Diabetesberater:innen DDG als notwendige pflegeentlastende Strukturmerkmale einer stationären Diabetologie, ähnlich wie die klassischen Pflegeberufe (Pflegebudget), vollumfänglich unabhängig von den DRG finanziert werden.
- Die bisherige Definition und Zuordnung der Diabetologie in die Kategorie II (Voraussetzung u.a., dass auch andere fachfremde Disziplinen wie Geburtshilfe ebenfalls vorhanden sind) ist sachfremd und muss dringend korrigiert werden.
Komplikation
Leider wurde es in der Vergangenheit versäumt, im stationären Bereich eine angemessene Strukturanforderung für die Behandlung des Diabetes mellitus als Haupt- oder Begleiterkrankung zu definieren und für eine bedarfsgerechte Finanzierung zu sorgen. Diabetesberater:innen DDG werden in der aktuellen Finanzierung der Krankhausbehandlung nicht berücksichtigt. Es gibt keine personellen Mindestvoraussetzungen, um Diabetes-DRG abzurechnen. Es ist für die Abrechnung schlichtweg irrelevant. Es ist bisher rein ökonomisch betrachtet sinnvoller, diese personalintensiven Aufwendungen zu vermeiden. Die Steuerung über die Kalkulationslogik des DRG-Systems scheitert daran, dass es nur eine geringe Anzahl von Einrichtungen mit dieser speziellen diabetologischen Infrastruktur gibt und etwa 85% der stationär behandelten Fälle in nicht spezialisierten Krankenhäusern betreut werden.
Es existiert somit eine strukturelle Unterfinanzierung der stationären Diabetologie, die zu einem schleichenden Abbau diabetologischer Behandlungsqualität in allen Ebenen der Klinikversorgung geführt hat.
Auch in den aktuellen Reformplänen sowie bestehenden Pflegepersonalregelungen (PPR, PPUGVO) spielen nichtärztliche Fachberufe jenseits der Pflege keine Rolle. Patient:innen mit Diabetes mellitus als Hauptbehandlungsgrund benötigen in der Regel keine aufwändige Pflege, sondern hauptsächlich Hilfe spezialisierter Diabetesteams. Neben akuten Stoffwechselentgleisungen sind psychologische Probleme bei der Therapieumsetzung oder technische Schwierigkeiten bei der Nutzung der immer weiter verbreiteten Diabetestechnologie Ursache der Behandlungsnotwendigkeit. Gerade wegen immer komplexerer Behandlungsformen (z.B. AID) sind diese Menschen auf die Hilfe von hochspezialisierten Behandlungsteams angewiesen. Neben Ärzt:innen und Psycholog:innen umfassen solche Teams insbesondere Fachkräfte der Diabetesberatung. Diese Arbeit wird im System bislang nicht berücksichtigt, zumal ein Teil der Diabetesberater:innen DDG keine Pflegeausbildung hat, sondern sie im Grundberuf Ernährungsfachkräfte sind.
Zu den aktuellen Reformplänen der Bundesregierung hat der BVKD schon an anderer Stelle Position bezogen: Die bislang geplante Gestaltung der Versorgungsebenen II und III lässt faktisch keine Möglichkeit, eine qualifizierte stationäre Diabetologie zukünftig zu sichern (Overlack K et al 2023). Mit der Nichtberücksichtigung qualifizierter Diabetesberater:innen DDG in der Finanzierung und den Strukturvoraussetzungen wird eine zweite gravierende Lücke in der Sicherung einer qualitativ hochwertigen Diabetologie offenkundig.
Der BVKD hat ein umfassendes Konzept zur Zentralisierung und Spezialisierung der klinischen Diabetologie vorgelegt (Werner T et al 2023). Dies umfasst auch die zukünftige Mitbehandlung von Menschen mit Diabetes, die wegen anderer Hauptbehandlungsanlässe im Krankenhaus liegen, z.B. durch telemedizinische Konsultationen. Ein solches Gesamtkonzept tangiert schließlich auch die sektorenübergreifende Versorgung und Vernetzung mit dem niedergelassenen Bereich. Qualifizierte Diabetesberater:innen DDG bilden schon heute ein Herzstück in der ambulanten und stationären Diabetologie. Deren Erhaltung und Sicherung muss daher in den Mittelpunkt der skizzierten Reformüberlegungen in der Diabetologie gestellt werden.
Sowohl der Bundesverband Klinischer Diabetes-Einrichtungen - DIE Diabetes-Kliniken e.V. (BVKD) als auch der Verband der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland e.V. (VDBD) fordern bei der geplanten Krankenhausreform eine Berücksichtigung der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe.
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Erschienen in: Diabetes-Forum, 2023; 35 (7/8) Seite 40-41
