In den letzten Jahrzehnten ist die Bedeutung der Technik in der Medizin – insbesondere in der Diabetologie – massiv angestiegen. Mittlerweile gibt es eine ziemliche Bandbreite von Systemen, die unter dem Oberbegriff Diabetes-Technologie (DT) Verwendung in der Diabetestherapie finden. Sie reichen von diagnostischen Systemen zum kontinuierlichen Glukosemessen (CGM) und therapeutischen Anwendungen wie connected/smart Insulinpens und Insulinpumpen über Clinical-Decision-Support-Systeme bis hin zu Bild- und Temperatur-Analyse-Software zur Prädiktion von diabetischen Fußulzera.
Einleitung
Durch den Nachweis von Biofeedback kann mit Hilfe eines CGM-Systems eine HbA1c-Verbesserung erreicht werden und mit der Kombination von CGM-Systemen und Insulinpumpen zu AID-Systemen (automatische Insulindosierung) verschwimmen die Grenzen zwischen diagnostischen und therapeutischen Medizinprodukten, die bei der Diabetestherapie Anwendung finden. Diese verschiedenen "Hilfsmittel" generieren Daten, denn sie stehen zunehmend in Kommunikation miteinander und wachsen zu einem digitalen Ökosystem zusammen, welches immer mehr Menschen mit Diabetes (MmD) eine gute und sichere Glukosekontrolle ermöglicht. Gleichzeitig geht die Weiterentwicklung bei Diabetes-Technologie enorm schnell voran, was jedoch neue Herausforderungen mit sich bringt.
Bedingt durch den demographischen (und anthropometrischen) Wandel steigt die Anzahl von MmD weiter an, während gegenläufig die Anzahl der Behandlerinnen und Behandler absinkt. Die Diabetesteams sollten durch den Einsatz von DT in die Lage versetzt werden, den Praxisalltag effizienter zu gestalten und mehr MmD in kürzerer Zeit gut zu betreuen. Dabei sollte die Handhabung der Technik wenig Aufmerksamkeit verlangen und es den Mitgliedern der Diabetesteams ermöglichen, sich auf ihre Kernaufgabe, die Betreuung von MmD im persönlichen Gespräch, zu fokussieren. Die Wahrnehmung vieler Diabetesteams ist aber eine andere: Aktuell verbringen sie einen guten Teil ihrer Arbeitszeit am Computer und sind mit Handhabung und Problemlösung bei den diversen Diabetes-Technologie-Systemen beschäftigt. Hinzu kommt, dass die Nutzung von DT als eine komplexe Aufgabe verstanden wird. Die Geschwindigkeit, mit der sich die technischen Systeme weiterentwickeln, und die zunehmende Anzahl von Anbietern und Systemen stellen weitere und zusätzliche Herausforderungen dar. So ist der notwendige Aufwand erheblich, bei all diesen Produkten "up-to-date" zu bleiben. Im Praxisalltag tauchen zudem diverse Sondersituationen bei den MmD auf, wie spezielle berufliche oder sportliche Anforderungen, die individuell adressiert werden müssen. Durch die zu erwartende Entwicklungsbeschleunigung bei DT – insbesondere durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) – ist zu hoffen, dass viele der angesprochenen Situationen beim Alltag der Betreuung von MmD und die damit einhergehenden Anforderungen an das Diabetes-Team reduziert werden können.
Wie lässt sich eine optimale Betreuung heterogener Patientinnen- und Patientengruppen mit individuellen Anforderungen an die DT im Praxisalltag realisieren? Könnte eine Zusatzqualifizierung von Diabetologinnen, Diabetologen, Diabetesberatenden zur bzw. zum "Diabetes-Technolog*in" ein Königsweg sein?
AID: automatische Insulindosierung
CGM: kontinuierliches Glukosemonitoring
DDG: Deutsche Diabetes Gesellschaft
DT: Diabetes-Technologie
MmD: Menschen mit Diabetes
Wer könnte "Diabetes-Technolog*in" werden?
Es wäre sinnvoll und wünschenswert, wenn diese beiden Berufsgruppen, die zentrale Funktionen in den Diabetesteams haben, eine Expertise für Einsatz, Schulung und Nutzung von DT entwickeln. Die aktuelle Realität zeigt, dass diese Expertise vor allem bei Beraterinnen und Beratern liegt und diese eine – wenn nicht die entscheidende – Rolle in der Betreuung der MmD mit DT einnehmen.
Eine spezifische Weiterbildung der Mitglieder des Diabetesteams mit Fokus auf DT sollte diese in die Lage versetzen, sich mit allen in diesem Zusammenhang relevanten Aspekten und dem klinischen Einsatz von DT auszukennen. Für eine solche Qualifizierung kommen prinzipiell alle Mitglieder der Diabetesteams in Betracht, insbesondere jedoch Diabetesberatungs- und -assistenzkräfte sowie Pflegerinnen, Pfleger und medizinische Fachangestellte mit Erfahrung in spezialisierten Einrichtungen zur Behandlung von MmD.
In der Praxis ist es vielfach heute schon so, dass sich einzelne Mitglieder der Diabetesteams aus einer persönlichen Affinität heraus schwerpunktmäßig mit dem Einsatz von DT im Rahmen der Diabetestherapie beschäftigen. Es gibt aber bisher keine Strukturen/Curricula für einen solchen Arbeitsplatz mit einer geeigneten Jobbeschreibung bzw. Qualifikation. In der Adiposiologie wird nach "Adiposiolog*in" und "Adipositas-Berater*in" aufgeteilt, vielleicht wäre es für den DT-Bereich ebenso sinnvoll, dies sowohl ärztlichen und beratenden Fachgruppen zu ermöglichen, insbesondere in Hinblick auf eine sinnvolle, aber noch nicht existierende Zusatzkompetenz "Diabetes & Technologie" der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG).
Aufgabenfeld "Diabetes-Technolog*in"
Ein bzw. eine "Diabetes-Technolog*in" sollte sich um alle Aspekte beim Daten-Handling von Blutzuckermess- und CGM-Systemen kümmern: Einweisung in das jeweilige System, Auslesen der Daten sowie Dokumentation und Visualisierung. Sie bzw. er sollte die Diabetologin oder den Diabetologen bei der Analyse und Interpretation der Daten unterstützen sowie MmD in der Handhabung und optimalen Konfiguration von Insulinpumpen (konventionelle Pumpen oder Patch-Pumpen) sowie von AID-Systemen unterweisen. Solche Aufgaben werden bisher bereits weitgehend von Diabetesberaterinnen und -beratern übernommen. Wichtige Fragen in diesem Zusammenhang sind deshalb:
- Wo hört deren Arbeitsbereich auf und wo beginnt derjenige des bzw. der "Diabetes-Technolog*in"?
- Wie soll mit rechtlichen Aspekten umgegangen werden und wer ist bei Therapieentscheidungen haftbar?
Eine zentrale Aufgabe für die "Diabetes-Technolog*innen" wäre die initiale, aber auch die langfristige Schulung von MmD beim Umgang mit komplexen technischen Systemen wie CGM- oder AID-Systemen. Auch wenn die Schulung in Hinblick auf DT initial sehr zeitaufwendig sein kann, zahlt diese sich im Verlauf deutlich aus. Je besser MmD geschult werden, desto wahrscheinlicher wird die DT als integraler Bestandteil der Diabetestherapie akzeptiert und erfolgreich langfristig implementiert. Gleichzeitig gilt es beim Einsatz von DT psychologischen und pädagogischen Aspekten einen ausreichenden Platz einzuräumen, denn es geht nicht nur um die reine Handhabung der Produkte, sondern auch um deren Integration und Nutzung im privaten wie beruflichen Alltag sowie bei Sondersituationen.
Eine Fähigkeit vieler Diabetesberaterinnen und -berater ist es, die MmD holistisch mit allen Einflussfaktoren – nicht nur der DT – zu sehen und ihnen offen zu begegnen. Bedacht werden müssen auch mögliche psychosoziale Probleme bei der Nutzung von Diabetes-Technologie, wie die Sichtbarkeit der Systeme, der Einfluss davon auf das "Body image", das Auftreten von "Alarm fatigue" und vergleichbare Probleme. Solche psychosozialen Komponenten sollten eine Kernkompetenz von "Diabetes-Technolog*innen" sein.
Im Zusammenhang mit dem Einsatz von DT werden von den Herstellern der dabei verwendeten Produkte auch klinische Studien durchgeführt. Sollten in der jeweiligen Praxis oder Klinik solche Studien durchgeführt werden, könnten "Diabetes-Technolog*innen" hier Expertise als Study Nurse einbringen, nicht nur bei der praktischen Durchführung der dabei anfallenden Aufgaben, sondern sie könnten auch – basierend auf dem Erfahrungshintergrund – relevante Rückmeldungen zu den Eigenschaften der bei der jeweiligen Studie untersuchten Systeme liefern.
Beim Einsatz von DT fallen in großem Umfang Daten an. Diese müssen übermittelt, gespeichert, analysiert und interpretiert werden. Dazu werden vorrangig Smartphones und Computer eingesetzt, d. h., die "Diabetes-Technolog*innen" sollten auch deren Handhabung grundlegend beherrschen. Dabei wären die Aufgaben der "Diabetes-Technolog*innen" nicht die eines IT-Fachmanns, aber Probleme bei den Schnittstellen zwischen diesen Kommunikationssystemen sollten gelöst werden können.
Weiter- und Fortbildung des Diabetesteams
Bedingt durch die rasche Weiterentwicklung von DT sollten die "Diabetes-Technolog*innen" auch Ansprechpartner für Weiterbildungsaspekte der anderen Mitglieder des Diabetesteams bzw. anderer Kolleginnen und Kollegen innerhalb der Praxen und Kliniken sein. Das aktuelle Horrorszenario – wenn ein Mensch mit Problemen mit seinem AID-System in die Notaufnahme kommt – kann durch eine konsequente Schulung des dortigen Personals in eine positive Situation gewandelt werden. Anästhesistinnen und Anästhesisten hätten eine direkte Ansprechperson, die bei Operationen kurzfristig Fragen zu laufenden Insulinpumpen beantworten könnte. In lokalen Netzwerken könnten in regelmäßigen Qualitätszirkeln technologische Problemfälle besprochen werden. In Praxen würden Weiterbildungsassistentinnen und -assistenten bei ihren ersten Schritten in die DT-Welt exzellent begleitet.
Wichtig ist sicherlich, dass genug Zeit für die direkte Betreuung der MmD bleibt und dies gegenüber der internen Fortbildung priorisiert wird. Eine Koexistenz dessen muss aber im Rahmen einer möglichen Vergütung mitabgebildet werden.
Arbeitsabläufe und Prozesse
Damit das Ziel einer effizienten und hochqualitativen Versorgung von MmD erreicht wird, gilt es innerhalb des Diabetesteams die Position und Arbeit der "Diabetes-Technolog*innen" geeignet abzustimmen und einzuplanen. Vermutlich gibt es in den jeweiligen Institutionen schon Ansätze, die in diese Richtung gehen. Es wird aber notwendig sein, in Teambesprechungen klare Aufgaben-, Positions- und Prozessbeschreibungen für die "Diabetes-Technolog*innen" zu erarbeiten, auch um Diskussionen über Konkurrenz- und Zuständigkeitsfragen zu vermeiden. Es gilt, die "Patienten-Journey" zeiteffizienter und für alle Beteiligten geeigneter zu strukturieren.
Ausbildung
Bisher lernen Berufsgruppen, die potenziell für die Zusatzqualifikation "Diabetes-Technolog*in" in Frage kämen, im Rahmen ihrer Ausbildung recht wenig zum Thema DT und müssen sich die entsprechenden Inhalte bei Weiterbildungsangeboten, Kongressen und Firmenfortbildungen – oft in der Freizeit – aneignen. Um das Ausbildungsniveau auf das hier angedachte Level anzuheben, wird es notwendig sein, eine Abstimmung mit allen relevanten Organisationen und Strukturen herbeizuführen. Dabei geht es insbesondere um die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG), den Bundesverband Niedergelassener Diabetologen (BVND) und den Verband der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland (VDBD).
Die DDG hat die Inhalte der Weiterbildungen "Diabetesassistent*in" und "Diabetesberater*in" mit einem modularen Aufbau neugestaltet [Boehm 2024]. Diese Neugestaltung wird unter dem Begriff "Diabetesedukation" geführt. Die starre Aufteilung in "Diabetesassistent*innen", die in erster Linie Menschen mit Typ-2-Diabetes begleiten, und "Diabetesberater*innen", die vorrangig Menschen mit Typ-1-Diabetes betreuen, ist damit überholt. Ein Grund dafür ist, dass die Therapie von Menschen mit Typ-2-Diabetes deutlich komplexer geworden ist und auch hier die Digitalisierung und Diabetes-Technologie den Arbeitsalltag von Diabetesfachkräften erheblich beeinflusst.
Es gilt abzustimmen, wie im Vergleich hierzu die Inhalte bei der Ausbildung zu einem bzw. einer "Diabetes-Technolog*in" sein sollten und wie ein Abschluss dabei aussehen kann. Die Ausbildung zum Diabetesassistenten bzw. zur -asssistentin und dann Berater bzw. Beraterin sollte die Grundvoraussetzung für die "Diabetes-Technolog*innen" liefern.
- Assistentinnen und Assistenten sollten die Grundlagen kennenlernen: das Auslesen und Aufbereiten von Daten, Erstellen von ambulanten Glukoseprofilen (AGP), die Nutzung von AID-Systemen und Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGAs).
- Beraterinnen und Berater sollten die Ableitung von Therapiekonsequenzen bei den häufigsten Anlässen (diese machen 85 % aus) verstehen.
- Technologinnen und Technologen sollten den Umgang mit (absoluten) Sonderfällen, komplexen Fragestellungen und die Weiterbildung des Teams (Train the Trainer) erlernen.
Praktische Implementierung
Nachdem die ersten Schritte zur Implementierung der Position der "Diabetes-Technologen*innen" in Praxen sowie Krankenhäusern gemacht wurden, sollte eine Evaluierung erfolgen. Dadurch soll nicht nur der Nutzen der Arbeit von solchen Expertinnen und Experten evaluiert werden, es soll insbesondere geschaut werden, welche Lehren für eine Verbesserung des Berufsbildes gezogen werden können. Sinnvoll wäre ein Vorher/Nachher-Vergleich, z. B. in Bezug auf den Ablauf im Umgang mit AGP oder AID-Systemen in Institutionen, wenn dort eine entsprechende Fachkraft aktiv ist. Können Komplikationen verhindert werden? Ist die Lebensqualität der MmD gesteigert? Aber auch: Können Kosten eingespart werden? Sinnvoll wäre ein Pilotprojekt an Kliniken und wenn möglich auch an umliegenden Schwerpunktpraxen, um den Aspekt der transsektionalen Versorgung mitzuerfassen.
Diabetes-Technologie- bzw. AID-Zentrum
Eine konsequente Herangehensweise an die hier dargestellte Anforderungssituation kann auch durch die Etablierung eines regionalen "Diabetes-Technologie-Zentrums" (oder eines "AID-Zentrums") gelöst werden, welches sich schwerpunktmäßig mit dem Thema DT beschäftigt. In diesem wird das Know-How konzentriert vorgehalten, um initial, langfristig oder interimsweise MmD optimal mit DT zu behandeln.
MmD sind im Alltag zwar weitgehend selbstständig – zumindest so lange nicht gegessen oder Sport getrieben wird, dennoch gibt es immer wieder spezielle Situationen und Probleme, die eine gezielte und erfahrene Betreuung erfordern. Solche zeitaufwändigen Dienstleistungen kann das Diabetesteam in einer konventionell aufgestellten Praxis oder Klinik nicht leisten und erst recht keine hausärztliche Praxis, selbst wenn sie Interesse am Einsatz von DT hat.
Die Möglichkeit des Cloud-basierten Auslesens von AGP ermöglicht ein telemedizinisches Arbeiten, sodass denkbar ist, dass solche "AID-Zentren" nicht nur regional, sondern so auch überregional MmD versorgen. Solche Zentren können die regionalen Schwerpunktpraxen im Rahmen der Umstellung auf eine DT-basierte Therapie vorübergehend entlasten und langfristig punktuell in der Therapie unterstützen. Denkbar ist auch eine intermittierende Mitbetreuung. Insbesondere in Situationen, in denen MmD stationär behandelt werden, kann solch ein Zentrum telemedizinisch die Klinik unterstützen.
Voraussetzungen hierfür sind eine gute Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen AID-Zentrum und den (regionalen) Schwerpunktpraxen bzw. Kliniken.
Teilweise haben unsere europäischen Nachbarländer vergleichbare Strukturen bereits etabliert [Patil 2022]. So gibt es z. B. "Diabeter" in Holland oder die Steno-Diabetes-Zentren in Dänemark. Dies sind Zentren, in denen sich die Diabetesteams schwerpunktmäßig um die Betreuung von Menschen mit Typ-1-Diabetes kümmern und in diesem Zusammenhang DT systematisch einsetzen. Dies wird von den Kostenträgern in diesen Ländern abgedeckt. Nur wenn es solche finanziellen Optionen im Rahmen der Abrechnung auch in Deutschland gibt, wird es eine weitere Zusatzbezeichnung und/oder Zertifizierung als "Zentrum für Diabetes-Technologie DDG" geben können.
Der Blick über den Tellerrand zeigt, es gibt telemedizinische Herzinsuffizienz- und Tele-Kardiologiezentren, die Patienten mit Herzschrittmachern und Defibrillatoren sowie Herzinsuffizienz telemedizinisch betreuen. Digitalisierungsassistenten bzw. -asssistentinnen braucht inzwischen jede moderne Praxis, die sich den Herausforderungen des digitalen Wandels stellen möchte, nicht nur in der Diabetologie beziehungsweise für die Umsetzung von Diabetes-Technologie. Hiermit sind speziell ausgebildete Mitarbeitende gemeint, die insbesondere die Umstellung von analogen auf digitale Prozesse im Workflow der Praxis implementieren und unterstützen. Einzelne Kassenärztliche Vereinigungen – wie in Baden-Württemberg – bieten bereits eine solche Fortbildung an. Diese ist vor allem auf die Telematik-Infrastruktur (TI) und deren Anwendungen, weniger auf fachspezifische digitale Lösungen ausgerichtet.
Finanzielle Voraussetzungen
Die finanziellen Spielräume der gesetzlichen Krankenkassen für innovative Betreuungskonzepte sind begrenzt. Allerdings ist die Grundvoraussetzung für die Etablierung der hier angedachten Strukturen die Gestaltung spezieller Verträge, um die Kosten von besonders ressourcen-intensiven Anforderungen abzudecken. Kann eine Praxis oder Klinik sich solch einen Mitarbeiter bzw. eine Mitarbeiterin überhaupt leisten, wenn dieser bzw. diese von den Kostenträgern (oder den Herstellern der eingesetzten Medizinprodukte?) keine zusätzliche Honorierung dafür erhält? Dass die "Diabetes-Technologen*innen" eine angemessene Entlohnung für ihre spezialisierte Arbeit erhalten sollten, ist verständlich, allerdings sind zusätzliche Kosten nicht für alle Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber deckbar.
Für die Diabetesteams bedeutet die Einweisung der MmD, z. B. in das Nutzen von AID-Systemen und deren Begleitung im Alltag, einen erheblichen Mehraufwand, den die Praxis oder Klinik nicht adäquat honoriert bekommt. Aus deren Blickwinkel gibt es die gleiche Honorierung für die Betreuung eines älteren MmD mit einer medikamentösen Monotherapie bei Typ-2-Diabetes im Vergleich zu einem jungen MmD mit Typ-1-Diabetes, der im regen Austausch mit den Diabetesberaterinnen und -beratern telefoniert, um die Nutzung seines AID-Systems zu optimieren. Dieser massive Unterschied im Betreuungsaufwand wird von dem aktuellen Honorierungssystem nicht abgebildet.
Die Konsequenz ist, dass sich eine Praxis oder Klinik überlegen wird, ob sie AID-Systeme allen MmD anbietet, oder ob sie versucht, diese generell zu vermeiden und entsprechende MmD an andere Praxen oder Kliniken verweist, oder sich nur auf eine "einfache" Subgruppe fokussiert. In Anbetracht der zunehmenden Anzahl von AID-Systemen ist es eine Frage, ob jede Praxis oder Klinik alle verschiedenen Systeme konzeptionell wie auch ganz praktisch adäquat abdecken kann. Es stellt sich aber auch die Frage, ob die optimale Nutzung einer recht kostenintensiven Technologie ohne adäquate Betreuung überhaupt sinnvoll ist.
Wenn die in einer Praxis oder Klinik (oder auch in einem AID-Zentrum) in Form von "Diabetes-Technologen*innen" vorgehaltene Expertise eine reibungslosere Betreuung von komplexen MmD ermöglichen würde (s. o.), dann könnte dies das Diabetesteam insgesamt entlasten. Dieses kann sich besser um die Abläufe und Prozesse mit all den anderen zu betreuenden MmD kümmern, was in einem gewissen Ausmaß auch finanzielle Ressourcen freisetzen kann.
Zu welchem Teil würden sich die DT-Hersteller an den Kosten für "Diabetes-Technologen*innen" (und/oder AID-Zentren) beteiligen, wenn dafür gezielt ihre Produkte genutzt werden? Kann man bei solch einer (bisher rein hypothetischen) Beteiligung der Hersteller trotzdem dafür sorgen, dass ein MmD das für ihn optimale DT-System angeboten bekommt? Eine Möglichkeit wäre, dass die Hersteller gemeinsam einen "Topf" befüllen, der z. B. AID-Zentren gegenfinanziert.
Notwendigkeit, Anforderung, Subspezialisierung
Fakt ist, bei Menschen mit einem Typ-1-Diabetes stellt die Nutzung von DT den (Gold-)Standard dar. In Deutschland nutzen > 90 % der Menschen mit Typ-1-Diabetes ein CGM- und viele ein AID-System. Voraussichtlich wird sich die Diabetestherapie bei Menschen mit einem Typ-2-Diabetes in den nächsten Jahren ebenfalls in diese Richtung entwickeln. Unserer Ansicht nach begründet diese weitreichende Nutzung von DT die Notwendigkeit von "Diabetes-Technologen*innen".
Eine fachliche Differenzierung der Berufsgruppe "Diabetesberater*in" und "Diabetolog*in" in Subgruppen kann in den Praxen oder Kliniken zu Folgeproblemen führen: Wird dies Neueinsteiger für diesen Berufsweg begeistern oder eher abschrecken? Braucht es in Konsequenz dann für andere Therapiesäulen in der Diabetologie (oder Adiposiologie) ebenfalls eine Zusatzqualifikation? Bisher war eine Stärke der Diabetologie die Kombination von spezialisierter – quasi fachärztlicher – und generalistischer ("hausärztlicher") Tätigkeit. Führt eine Aufspaltung zu einer Schwächung des Berufsbildes?
Eine Subspezialisierung hat in vielen Bereichen der Medizin zu enormen Fortschritten geführt, diese birgt aber das Risiko, dass ein generalistischer Ansatz und Fähigkeiten verloren gehen. Medizinhistorisch betrachtet haben sich einzelne Fachrichtungen gemäß dem bestehenden Bedarf weiterentwickelt. Das heutige Spektrum reicht von Fachrichtungen der Allgemeinmedizin bis hin zur Urologie – die Notwendigkeit der Spezialisierung wird nicht mehr hinterfragt. Ein paralleles Bestehen von Diabetesberaterinnen und -beratern sowie Technologinnen und Technologen kann z. B. im Rahmen von "Diabetes-Units" in Krankenhäusern oder in AID-Zentren ebenfalls eine sinnvolle Mindestanforderung darstellen.
Eine Weiterbildung zum bzw. zur "Diabetes-Technolog*in" kann die Position der Diabetesberaterinnen und -berater in Klinik und Praxis deutlich stärken, auch weil sie deren besondere Kompetenz und Bedeutung in der Versorgung unterstreicht. Dabei sollten vor allem die Diabetesberaterinnen und -berater aus den Kliniken besser für sektorenübergreifende, digital-ambulante Prozesse eingesetzt werden, z. B. für virtuelle Schulungen etc. Wenn in den Praxen geeignet geschultes Fachpersonal arbeitet, dann kann dadurch vermieden werden, dass MmD nur deswegen stationär eingewiesen werden, weil sie auf eine Insulinpumpe oder ein AID-System umgestellt werden sollen und dafür die zertifizierte Kompetenz der Diabetesberaterinnen und -berater in den Kliniken benötigt wird.
Ausblick
Beim Blick in die Zukunft gilt es zu konstatieren, DT wird eine weiter an Bedeutung zunehmende Rolle bei der Betreuung von MmD spielen. Dies bedeutet dann im Umkehrschluss, dass es Bedarf an "Diabetes-Technolog*innen" gibt, um wirklich allen MmD und deren speziellen Problemen und Situationen gerecht werden zu können [Heinemann 2012, Heinemann 2017]. Diese stellen keinen Luxus für die Praxen oder Kliniken dar, sondern deren Arbeit führt aller Voraussicht nach zu einer verbesserten Betreuung wirklich aller MmD. Bessere langfristige Outcomes sollten zu Kostenersparnissen in Bezug auf diabetes-assoziierte Erkrankungen führen, vor allem aber auch zu einer Reduktion des damit verbundenen Leidens.
Die hier vorgeschlagene Weiterentwicklung von Behandlungsstrukturen für MmD kann viele Probleme der Akuttherapie besser lösen. Die "Diabetes-Technolog*innen" stellen aber auch Multiplikatoren im Arbeitsumfeld einer Praxis oder Klinik dar, auch in Hinsicht auf die Fort- und Weiterbildung der Diabetesteams.
In Anbetracht der rasanten Entwicklung der DT ist es absehbar, dass eine Bereitschaft sich während und aber auch neben dem Berufsalltag inhaltlich damit zu beschäftigen, eine Grundvoraussetzung bleibt, um die bestmögliche Betreuung der MmD zu ermöglichen. Vor diesem Hintergrund wird eine einmalige Aus-, Fort- und Weiterbildung im Zusammenhang mit DT nicht adäquat sein, sondern einen kontinuierlicher Lernprozess erfordern. Die "Diabetes-Technolog*innen" können – priorisiert von Fachgesellschaft und den Herstellern – regelmäßig mit Informationen versorgt werden bzw. an gezielten Weiterbildungen teilnehmen. Durch Qualitätszirkel kann dieses Know-How bei Bedarf auch an hausärztliche Kolleginnen und Kollegen und die dort aktiven medizinischen Fachangestellten weitergegeben werden. Da viel der praktischen Arbeit mit den MmD im Zusammenhang mit DT von den Beraterinnen und -beratern sowie den medizinischen Fachangestellten übernommen wird, kann durch Etablierung eines engen Austauschs zwischen diesen Berufsgruppen viel erreicht werden.
Eine zentrale Herausforderung in diesem Zusammenhang stellt die Etablierung von Vergütungsoptionen dar, die den Aufwand abdeckt, der mit der bestmöglichen Diabetestherapie bei den MmD verknüpft ist – wobei dies flächendeckend erfolgen soll und es kein Gefälle zwischen verschiedenen Regionen bzw. Stadt und Land geben sollte. Eine Involvierung der Hersteller von DT in die Finanzierung der notwendigen Strukturen gemeinsam mit den Kostenträgern sollte als Option geprüft werden. Parallel gäbe es weitere Optionen zur Effizienzsteigerung bei der DT, wenn es einheitliche Arbeitsoberflächen für die verschiedenen Systeme geben würde (wie es sie z. B. in Dänemark gibt!). Weiterhin sollte eine unmittelbar aktualisierbare elektronische Patienten-Akte (ePA) mit mehr als nur PDF-Speicherfunktionen zur Verfügung stehen. Der Bedarf in den Praxen und Kliniken zur Lösung vieler Fragestellungen, Schwierigkeiten und Problemen im Umgang mit DT, auch in Hinsicht auf intersektoralen Übergänge, ist erheblich. Der Bedarf an der Implementierung eines "Diabetes-Technologen" bzw. einer "Diabetes-Technologin" besteht unserer Einschätzung nach sowohl im ambulanten wie auch im stationären Bereich. Dieser besteht sowohl auf ärztlicher Ebene und wie auch bei Edukationsberufen. Die Zukunft der Menschheit und insbesondere die Zukunft der Diabetestherapie bzw. Diabetologie werden technologisiert sein. Lassen Sie uns die dafür notwendigen Schritte gemeinsam antizipieren, diskutieren, vorbereiten und bestmöglich umsetzen!
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Erschienen in: Diabetes, Stoffwechsel und Herz, 2025; 34 (6) Seite 346-350
