"Männer haben Muskeln, Männer sind furchtbar stark, Männer können alles": Diese drei Zeilen des Grönemeyer-Songs spiegeln – wenn auch ironisch – das Bild der Männer seit Jahrzehnten wieder. Leider gehen Eigenwahrnehmung und Fremdwahrnehmung teils deutlich auseinander. Nicht nur der Liedtext, sondern auch die Realität verlaufen oft anders, denn: "Männer kriegen `nen Herzinfarkt" und zwar doppelt so häufig wie das weibliche Geschlecht. Immerhin sind das 200 000 Fälle pro Jahr.

Die Männer erleiden nicht nur häufiger einen Herzinfarkt, sondern sterben auch noch zu einem größeren Prozentsatz (73% vs. 56%) als die Frauen daran. Insgesamt sterben Männer sieben Jahre früher als Frauen. Ein Teil der gesundheitlichen Benachteiligung der Männer ist sicherlich genetisch bedingt, aber ein nicht unerheblicher Anteil liegt auch in der Verantwortung und dem Lebensstil der Männer. Trotz vieler Aufklärungskampagnen in den letzten Jahrzehnten hat sich das gesundheitliche Verhalten leider nur wenig geändert. Das ist ein weiterer Grund, immer wieder über dieses Thema zu informieren und zu berichten.

Herz-Kreislauf-Erkrankungenan der Spitze der Todesursachen

Nach wie vor liegen die Haupttodesursachen der Männer bei den Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit ca. 120 000 Fällen pro Jahr gefolgt von Lungenkrebs (27 000 Fälle) und der chronischen Lungenerkrankung (COPD) (16 000 Fälle), die alle maßgeblich mit durch das Rauchen verursacht werden. Der Prostatakrebs folgt erst an vierter Stelle der Todesursachen (15 000 Fälle). Demenzerkrankungen führen vielmehr bei Frauen zu Todesfällen (30 000 bei Frauen vs. 15 000 bei Männern), letztlich weil Frauen im Schnitt älter werden und diese Art der degenerativen Erkrankung erst durch ihr längeres Leben erfahren.

Bei vielen Erkrankungen werden die Grundlagen dazu bereits in der Jugend bzw. in den ersten 30 bis 40 Lebensjahren gelegt. Die Auswirkungen von gesundheitlichem Fehlverhalten erleben Männer dann erst viel später und vielfach bereits um das Ende des Berufslebens bzw. mit Einstieg in das Rentenalter.

Körper eher Maschine, die im Bedarfsfall repariert wird

Wenn man sehr kritisch ist, beginnt es mit dem uns kulturell anerzogenen Rollenverhalten, welches die Männer zum "starken Geschlecht" stempelt, verbunden mit den Charaktereigenschaften und dem Bewusstsein der Stärke und der Unverwundbarkeit, dem Hang zur Risikobereitschaft und einer gewissen Rücksichtslosigkeit nicht zuletzt gegenüber dem eigenen Körper, der weniger als Ressource der Energie sondern vielmehr als Maschine betrachtet wird, die im Reparaturfall dann auch in Teilen ersetzt werden soll. Wenn der Körper nicht mehr funktioniert, dann wird er sich schon melden, und erst dann ist die Zeit gekommen, sich darum zu kümmern, die Medizin und moderne Therapien werden es schon richten. Diese fehlgeleitete Grundeinstellung führt leider dazu, dass das Vorsorgeverhalten bei Männern deutlich schlechter ausgeprägt ist als bei Frauen. Frauen gehen mit ihrem Körper deutlich schonender und achtsamer um. Nur 15,6% der Männer gehen regelmäßig zu Vorsorgeuntersuchungen, während Frauen zu 50% Vorsorgeuntersuchungen regelmäßig aufsuchen. An diesen Zahlen wird der Unterschied zwischen "Reparaturmedizin" und "Vorsorgemedizin" besonders deutlich.

Trotz rückläufigem Tabakkonsum rauchen Männer mehr als Frauen

Langjähriges Rauchen gehört sicherlich zu den größten gesundheitlichen Schädigungen, die man und Männer sich zufügen können. Leider rauchen immer noch 23% der Erwachsenen und das entspricht 12 Millionen Menschen der Bevölkerung in Deutschland. Auch wenn sich der Prozentsatz der rauchenden Männer in den letzten 25 Jahren von fast 50% auf ca. 25% halbiert hat, rauchen die Männer immer noch mehr als die Frauen (18%). Und das gilt in allen Altersgruppen zwischen 20 und 65 Jahren, in denen der Anteil der Männer zwischen 2 und 10% (im Schnitt 6%) über dem Anteil der Frauen liegt. Rauchen schädigt die Zellen im gesamten Körper. Krebsforscher fanden heraus, dass der Effekt des Tabakkonsums besonders extrem in den Lungen ist: Wer jeden Tag eine Schachtel Zigaretten qualmt, sorgt demnach allein in einer Lungenzelle im Schnitt für 150 zusätzliche Mutationen pro Jahr. Doch auch bei anderen Krebsarten werden bestimmte Mutationen mit dem Rauchen in Verbindung gebracht (Alexandrov LB et al. 2016). Im Kehlkopf verursachte die gleiche Menge Tabakrauch 97 Extra-Mutationen pro Zelle, im Rachen 39, im Mund 23, in der Blase 18 und in der Leber sechs.

Rauchen scheint Uhr zu beschleunigen, die Zellen altern lässt

Insgesamt fanden die Wissenschaftler mehr als zwanzig charakteristische Mutationssignaturen, die typisch für Raucher sind. "Wir haben sowohl direkte als auch indirekte Effekte des Tabaks entdeckt", berichtet David Phillips vom King‘s College in London. Dies zeige, dass die durch die Inhaltsstoffe im Tabakrauch verursachten Schäden komplexeren Mechanismen zugrunde liegen als zuvor gedacht. So fanden die Forscher vor allem in Organen wie der Lunge, die tatsächlich mit dem Rauch in Kontakt kommen, Mutationen, die direkt auf von Karzinogenen verursachte DNA-Schäden zurückzuführen sind. In anderen Organen wirkte das Rauchen hingegen subtiler. Es schien dort Mechanismen zu beeinflussen, die wiederum die DNA veranlassen, zu mutieren. So schien der Tabak unter anderem eine zelluläre Uhr zu beschleunigen, die Zellen altern lässt. Je mehr Mutationen in dieser Uhr vorhanden waren, desto früher brach bei den Patienten der Krebs aus.

Höherer Body-Mass-Index im jungen Alter

Neben dem Rauchen ist auch die Ernährung ein zunehmend wichtiger Faktor für unsere Gesunderhaltung auf der einen Seite bzw. eine Quelle der Schädigung auf der anderen Seite.

Grundsätzlich besteht gerade in den westlichen Industrienationen ein deutliches Überangebot an Lebensmitteln und führt auch unterstützt durch irreführende Werbung zu falscher Ernährung und vor allem zu einem Überangebot von Kalorien auf allen Ebenen.

"Zu salzig, zu süß, zu fett und zu viel" - diese Attribute der Ernährung werden insbesondere von Männern bevorzugt, die sich auch nachweislich anders in ihrem Essverhalten gegenüber den Frauen verhalten. Im Erwachsenenalter konsumieren Männer im Vergleich mehr Fleisch, Brot, Alkohol und Süßwaren, während Frauen mehr Obst und Gemüse sowie Joghurt und Kaffee bevorzugen. Dies führt bereits im Alter junger Männer zu einem höheren Body Mass Index (BMI).

Dicksein in der Altersklasse der Berufstätigen eher Normalzustand

Nach dem Bericht der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) nimmt die Zahl der Übergewichtigen in Deutschland weiterhin zu. 59% der Männer und 37% der Frauen sind übergewichtig. In der Altersklasse der Berufstätigen ist das Dicksein heutzutage so weit verbreitet, dass es keine Ausnahme mehr darstellt, sondern der Normalzustand ist. Männer sind besonders häufig zu dick: Am Ende ihres Berufslebens sind 74,2% übergewichtig. Bei den Frauen im gleichen Alter sind es 56,3%.

"Die Gründe für die Entstehung von Übergewicht sind seit langem bekannt", sagt Prof. Helmut Heseker, ehemaliger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), der das Thema für den DGE-Ernährungsbericht bearbeitete. "Viele Menschen in Deutschland essen zu viele energiereiche Lebensmittel und bewegen sich zu wenig. Preiswerte und schmackhafte Lebensmittel und Getränke mit hohem Energiegehalt sind nahezu überall verfügbar – egal ob zu Hause oder unterwegs. Und diese Faktoren machen es schwer, normalgewichtig zu bleiben." Die DGE betont, dass dringend Handlungsbedarf zur Überwindung dieses gesellschaftlichen Problems besteht und verdeutlicht, dass zukünftig enorme Anstrengungen erforderlich sein werden, um die Adipositas-Epidemie zu stoppen bzw. umzukehren.

Anstieg von Adipositas besorgniserregend

Laut Daten des Mikrozensus nehmen Männer mit dem Alter deutlich stärker an Gewicht zu als Frauen. Zwischen 18 und 40 Jahren sind dies im Durchschnitt knapp 11 Kilogramm. Der normalgewichtige Mann ist bereits ab einem Alter von 30 bis 35 Jahren in der Minderheit. Ca. 70% der Männer zwischen 30 und 50 Jahren haben einen BMI von über 30 kg/m². Männer sind in allen Altersgruppen häufiger übergewichtig als Frauen. Bei Frauen vollzieht sich die Gewichtszunahme weniger stark: Erst ab 55 Jahren dominieren die Übergewichtigen.

Besorgniserregend ist der Anstieg von Adipositas. Von 1999 bis 2013 nahm der Anteil adipöser Männer um 40%, die Anzahl adipöser Frauen um 24,2% zu. Übergewicht stieg im gleichen Zeitraum bei den Männern um 8,3% und bei den Frauen um 4,5% an.

Gelenkprobleme an Hüfte, Knie und Wirbelsäule weitere Folgen

Die Folgen des Übergewichts sind entsprechend nach einigen Jahren dann auch im gesundheitlichen Bereich zu finden. Diabetes, Bluthochdruck und erhöhte Cholesterinwerte mit Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System sind die Bedrohungen, denen dann in erster Linie auch Männer ausgesetzt sind, mit den bereits genannten erhöhten Folgen für Herzinfarkt und Schlaganfall. Weitere Auswirkungen sind Gelenkprobleme an Hüfte, Knie und Wirbelsäule, da das System schlichtweg jahrelang überlastet ist und auch kein entsprechender Ausgleichssport oder Bewegung betrieben wird.

Überwiegende Fleischernährung, rohes Fleisch sowie scharf angebratenes oder gegrilltes Fleisch gehören immer noch zu den Ernährungsgewohnheiten vieler Männer und führen nachweislich zu einer erhöhten Rate an Darmkrebs mit über 50 Jahren.

Weder Blutdruckhöhe noch Normwerte bei Glukose- und Cholesterineinstellung bekannt

Auf der einen Seite begeben sich viele Männer mit ihrem Verhalten in ein erhöhtes Risiko, nehmen aber auf der anderen Seite die dazu angebotenen Vorsorgeuntersuchungen nicht entsprechend wahr.

Die meisten Männer kümmern sich zu wenig um ihre Gesundheit. Männer kennen vielfach weder die Höhe ihres Blutdrucks noch die Normwerte für die Glukose- oder Cholesterineinstellung. Nur jeder zweite männliche Patient geht regelmäßig zum Arzt, etwa jeder dritte gar nicht und nur jeder zehnte schützt sich mit einer Krebsvorsorge. Dabei lassen sich mit frühzeitigen und regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen viele schwere Krankheiten so rechtzeitig erkennen, dass sie sich noch gut behandeln lassen. Denn je früher Erkrankungen diagnostiziert werden, desto geringer sind ihre gesundheitlichen Folgen und desto größer sind die Chancen auf eine vollständige Genesung.

Früherkennung senkt Mortalität bei Krebs

Die Effizienz von Früherkennungsuntersuchungen wurde beispielhaft beim Darmkrebs und Hautkrebs vielfach in Studien belegt. Die Akzeptanz dieser Methode ist bei den Männern dennoch niedrig und wird in erster Linie als lästig empfunden. Frauen dagegen haben den Wert der Vorsorgeunter-suchungen schon lange erkannt und von diesen Programmen sehr wohl profitiert. So konnte die Mortalität nicht nur für den Darmkrebs, sondern auch für den Brustkrebs und das Cervixkarzinom (Muttermundkrebs) gesenkt werden, was unter anderem auf die Früherkennung zurückgeführt wird (Schulz KD et al. 1989).

Das Ziel, hier eine erhöhte Akzeptanz auch bei Männern zu erreichen, ist nicht zuletzt deshalb sinnvoll, da im Rahmen der Krebsvorsorgeuntersuchung auch andere Erkrankungen bzw. Fehlverhaltensweisen erkannt werden können.

Longevity könnte möglicherweise motivieren

Gesetzlich Versicherte haben bereits ab dem vollendeten 35. Lebensjahr alle drei Jahre ein Anrecht auf einen allgemeinen Gesundheits-Check. Dieser dient der Früherkennung von Krankheiten, insbesondere von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Nierenerkrankungen und Diabetes mellitus. Spezifisch wird die jährliche Vorsorge im Hinblick auf das Prostatakarzinom für Männer ab 45 Jahren und für den Darmkrebs ab einem Alter von 50 Jahren empfohlen.

Interessant wird auf der anderen Seite für Männer vielleicht in den nächsten Jahren eine neue medizinische Entwicklung zur Verbesserung der Langlebigkeit (Longevity), die nicht nur medizinische Vorsorge sondern eine bessere Lebensqualität und Aspekte der Leistungssteigerung auch in zunehmendem Alter zum Ziel hat. Das biologische Alter wird dabei eine zunehmende Rolle spielen, welches man auch durch Maßnahmen und Medikamente bzw. Supplemente beeinflussen wird. Über diesen Ansatz lassen sich möglicherweise mehr Männer zu einem gesundheitsbewussten Leben motivieren.

Literatur beim Autor


Autor:
Prof. Dr. med. Dietrich Baumgart, MD., FESC
Kardiologie und Innere Medizin
Facharztzentrum Preventicum Essen
21335 Lüneburg


Erschienen in: Diabetes-Forum, 2022; 34 (12) Seite 18-21